Urteilstext
Tenor
Das beklagte Land wird unter entsprechender Aufhebung des
Beihilfebescheides der Bezirksregierung vom 10. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2014 verpflichtet, dem Kläger zu den Aufwendungen in der Rechnung der Dr. ... vom 26. März 2014 eine weitere Beihilfe in Höhe von EUR 164,03 zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt von den Kosten des Verfahrens 60%, das beklagte Land 40 %.
Tatbestand
Der am 14. Dezember 1960 geborene Kläger steht als Beamter in Diensten des
beklagten Landes. Für seine am 12. September 2000 geborene Tochter ... ist er mit einem Bemessungssatz von 80 v. H. beihilfeberechtigt.
Nachdem der Kläger bei der Bezirksregierung einen kieferorthopädischen Behandlungsplan der Fachzahnärztin für Kieferorthopädie Dr. ... aus ... über die kieferorthopädische Behandlung seiner Tochter eingereicht und um Genehmigung gebeten hatte, teilte die Bezirksregierung ihm mit Schreiben vom 25. Oktober 2012 u. a. mit, dass eine Leistung nach Nr. 5090 des Gebührenverzeichnisses (GV) der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) nicht als beihilfefähig anerkannt werden könne, statt dessen könne eine Leistung nach Nr. 5095 GV/GOÄ anerkannt werden.
Kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen bei der Tochter des Klägers in der Zeit zwischen dem 14. Januar 2014 und dem 18. März 2014 rechnete Dr. ... unter dem 26. März 2014 in Höhe von EUR 2.787,21 ab. Der Kläger beantragte bei der Bezirksregierung, ihm hierfür Beihilfe zu gewähren.
Mit Beihilfebescheid vom 10. April 2014 lehnte die Bezirksregierung die
Gewährung einer Beihilfe teilweise ab. Zur Begründung legte sie dar: Die Abrechnung der Nr. 5090 GV/GOÄ sei nicht notwendig und angemessen für die Schädelübersicht in zwei Ebenen und werde durch die Nr. 5095 GV/GOÄ ersetzt. Die Nr. 8000 ff. GV der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) gehörten nach dem Runderlass des Finanzministeriums vom 16. November 2012 zum Leistungsumfang der kieferorthopädischen Behandlung und seien nicht gesondert berechenbar.
Außerdem wurde die Nr. 2197 GV/GOZ ohne Begründung als nicht beihilfefähig angesehen.
Gegen die Nichtgewährung von Beihilfe erhob der Kläger Widerspruch, zu dessen Begründung er vollinhaltlich auf eine Stellungnahme der Dr. ... vom 25. April 2014 Bezug nahm. Darin wurde ausgeführt: Die Nr. 2197 GV/GOZ sei nach Auffassung der Bundeszahnärztekammer für die Befestigung des frontalen Dauerretainers neben Nr. 6100 GV/GOZ abrechenbar. Dies sei mittlerweile auch durch Urteile geklärt. Die Funktionsanalyse sei eine ergänzende diagnostische Untersuchung im Anschluss an die Abdrucknahme des Gebisses gewesen. Der Kieferorthopädie stehe die gesamte GOZ zur Verfügung. Für die Funktionsanalyse sei ein zusätzlicher Zeitaufwand von vierzig Minuten erforderlich gewesen. Die Abrechenbarkeit entspreche auch der Kommentarmeinung von Liebold/Raff/Wissing zur GOZ. Die Nr. 5090 GV/GOÄ sei für das angefertigte Fernröntgenseitenbild im Zephalostaten nach dem zuvor genannten Kommentar ebenfalls berechnungsfähig.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2014, am 4. Juli 2014 per Einschreiben zur Post aufgegeben, wies die Bezirksregierung den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die Nr. 2197 GV/GOZ sei für die adhäsive Befestigung von Klebebrackets nach dem Runderlass des Finanzministeriums vom 16. November 2012 zum zahnärztlichen Gebührenrecht nicht neben Nr. 6100 GV/GOZ abrechenbar. Für die Fernröntgenseitenaufnahme werde lediglich eine Teilaufnahme des Schädels benötigt, d. h. es fehle die zweite Ebene, sodass nur die Nr. 5095 GV/GOÄ abgerechnet werden könne. Die Nr. 8000 ff. GV/GOZ seien nach Nr. 29.3 des vorgenannten Runderlasses und einem Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 10. November 2006 - 3 K 2335/05 - nicht gesondert berechenbar.
Der Kläger hat am 5. August 2014 Klage erhoben, zu deren Begründung er ergänzend geltend macht: Die Nr. 6100 GV/GOZ umfasse lediglich die konventionelle Klebung eines Brackets. Hiervon sei die adhäsive Befestigung zu unterscheiden. Für die Frage der Beihilfefähigkeit der Nebeneinanderberechnung von Nr. 2197 GV/GOZ und Nr. 6100 GV/GOZ spiele es keine Rolle, dass bislang lediglich erstinstanzliche zivilgerichtliche Entscheidungen zu dieser Abrechnungsfrage vorlägen.
Der Kläger beantragt,
das beklagte Land unter entsprechender Aufhebung des Beihilfebescheides der Bezirksregierung vom 10. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2014 zu verpflichten, ihm zu den Aufwendungen in der Rechnung der Dr. ... vom 26. März 2014 eine weitere Beihilfe in Höhe von EUR 399,79 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages nimmt sie Bezug auf den Inhalt der streitbefangenen Bescheide. Ergänzend legt sie dar: Von einer geklärten oder einheitlichen Zivilrechtsprechung zur Frage der Abrechnung der Gebührennummer 6100 GV/GOZ neben 2197 GV/GOZ könne anhand der wenigen, überwiegend erstinstanzlichen Urteile keine Rede sein. In Bayern sei diesbezüglich bereits ein Berufungsverfahren vordem Verwaltungsgerichtshof anhängig. Eine abschließende Klärung gebührenrechtlicher Fragen erfolge nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Oktober 2004 - 2 C 34/03 - durch den Bundesgerichtshof. Auch wenn in der GOZ von Klebebrackets und nicht von adhäsiv befestigten Brackets die Rede sei, sei auf Grund der synonymen Bedeutung beider Begriffe davon auszugehen, dass § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ damit auch für Klebebrackets maßgebend sei mit der Folge, dass die Leistung für die adhäsive Befestigung nach Nr. 2197 GV/GOZ nicht zusätzlich zur Eingliederung eines Klebebrackets nach Nr. 6100 GV/GOZ berechnet werden könne. Bei der Anfertigung einer sogenannten Fernröntgenseitenaufnahme sei regelmäßig die Herstellung nur einer Aufnahme erforderlich. Hierbei werde gleichzeitig durch die Aufnahmetechnik das Weichteilprofil in derselben Aufnahme mit dargestellt.
Das Gericht hat am 24. August 2015 einen Termin zur Erörterung der Streitsache durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Terminsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Bezirksregierung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die das Gericht im Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO sowie durch den Berichterstatter anstelle der Kammer (§ 87 a Abs. 2 und 3 VwGO) entscheidet, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise Erfolg.
Sie ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 2. Alternative statthaft und auch im Übrigen zulässig. Nach den Klarstellungen durch die Beteiligten im Erörterungstermin ist entgegen der im Widerspruchsbescheid genannte Summe von einem Rechnungskürzungsbetrag in Höhe von EUR 499,74 auszugehen, für die der Kläger im Fall des Obsiegens eine Beihilfe in Höhe von EUR 399,79 erstreiten könnte.
Allerdings ist die Klage lediglich teilweise begründet, nämlich soweit sie auf Gewährung weiterer Beihilfe in Höhe von EUR 164,03 gerichtet ist. Der Beihilfebescheid der Bezirksregierung vom 10. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2014 ist in diesem Umfang rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dieser hat in der genannten Höhe Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe für Aufwendungen, die die Kieferorthopädin Dr. ... unter dem 26. März 2014 abgerechnet hat.
Als Grundlage des von dem Kläger geltend gemachten Anspruchs kommt § 77 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LBG) vom 21. April 2009 (GV NRW S. 224) in der Fassung des Gesetzes vom 10. November 2009 (GV NRW S. 570) in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen - Beihilfenverordnung Nordrhein- Westfalen (BVO NRW) - in der zur Zeit des Entstehens der Aufwendungen (vgl. §§ 3 Abs. 5 Satz 2, 17a Abs. 5 BVO NRW) geltenden Fassung der Vierten Änderungsverordnung zur BVO NRW vom 15. November 2013 (GV NRW S. 644) in Betracht. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO NRW sind u.a. beihilfefähig die notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang in Krankheitsfällen zur Wiedererlangung der Gesundheit, zur Besserung oder Linderung von Leiden. Über die Notwendigkeit der hier in Rede stehenden Aufwendungen besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
Die Angemessenheit von Aufwendungen, die auf (zahn)ärztlichen Rechnungen beruhen, beurteilt sich grundsätzlich nach dem Gebührenrahmen der jeweils einschlägigen Gebührenordnung (hier: für Zahnärzte), weil (zahn)ärztliche Hilfe in aller Regel nur nach Maßgabe dieser Gebührenordnung zu erlangen ist. Deshalb setzt die Beihilfefähigkeit zunächst voraus, dass der (Zahn)Arzt die Rechnungsbeträge bei zutreffender Auslegung der Gebührenordnung zu Recht berechnet hat. Nur dann handelt es sich grundsätzlich um Aufwendungen in angemessenem Umfange.
Vgl.Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 20. März 2008 - 2 C 19.06 -, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - Rechtsprechungsreport(NVwZ-RR) 2008, 713 m. w. N.
Ob der (Zahn)Arzt seine Forderung zu Recht, also unter zutreffender Auslegung der Gebührenordnung geltend gemacht hat, ist eine der Beihilfegewährung vorgreifliche Rechtsfrage des zivilrechtlichen (Zahn)Arzt-(Privat-)Patienten-Verhältnisses, über das die Zivilgerichte letztverbindlich entscheiden. Deren Auslegung des (zahn)ärztlichen Gebührenrechts oder Beurteilung der konkreten Gebührenstreitigkeit präjudiziell die Angemessenheit der Aufwendungen im beihilferechtlichen Sinne.
So ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. zuletzt: Beschluss vom 19. Januar 2011 -2 B 70.10-, juris.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 20. März 2008, a. a. O., S. 714; und vom 28. Oktober 2004 - 2 C 34.03 -, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBI.) 2005, 509, 510.
Die abschließende Klärung gebührenrechtlicher Fragen bleibt nach der vorzitierten Entscheidung, worauf das beklagte Land zutreffend hingewiesen hat, dabei dem Bundesgerichtshof vorenthalten. Dies bedeutet jedoch nicht im Umkehrschluss, dass ohne eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs jedwede Auslegung des (zahn-)ärztlichen Gebührenrechts durch den Dienstherrn als vertretbar anzusehen ist. Vielmehr geht es allein darum, ob eine Gebührenfrage in der Zivilgerichtsbarkeit (noch) umstritten ist, m. a. W. der Beihilfeberechtigte im Fall eines Zivilprozesses mit dem Behandler vor einem wenigstens offenen Ausgang jenes Verfahrens steht. Das ist dann nicht mehr der Fall, wenn die Zivilrechtsprechung in Bezug auf eine Gebührenfrage als einhellig anzusehen ist. Denn dann würde der Beihilfeberechtigte durch das Beharren des Dienstherrn auf seiner nicht mehr vertretbaren Auslegung der Gebührenfrage fürsorgepflichtwidrig von vornherein in einen aussichtslosen Zivilprozess gegen den behandelnden (Zahn)Arzt getrieben.
Ausgehend von diesen Vorgaben hat der Kläger zunächst Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe in Höhe von EUR 161,44 (80 % von EUR 201,80, 2,3-facher
Gebührensatz), soweit Dr. ... in der Rechnung vom 26. März 2014 die Nr. 2197 GV/GOZ zusätzlich für die adhäsive Befestigung der Klebebrackets berechnet hat. Soweit sie diese Leistung mit dem 3,5-fachen Gebührensatz abgerechnet hat, besteht indes kein Beihilfeanspruch.
Die Frage der Nebeneinanderberechnung von Nr. 6100 und 2197 GV/GOZ bei einer adhäsiven Befestigung von Klebebrackets im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung ist in der Zivilgerichtsbarkeit nicht umstritten. Sie wird von den damit befasst gewesenen Zivilgerichten nicht nur vereinzelt, sondern eindeutig und einhellig beantwortet, nämlich im Sinne der Zulässigkeit einer Nebeneinanderberechnung.
Vgl. Landgericht (LG) Hildesheim, Urteil vom 24. Juli 2014 -1 S 15/14 -; Amtsgericht (AG) Recklinghausen, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 54 C 117/13 -, beide bei juris; siehe auch: AG Pankow/Weißensee, Urteil vom 10. Januar 2014 - 6 C 46/13 -; AG Bayreuth, Urteil vom 27. Februar 2014 - 107 C 1090/13 beide soweit ersichtlich nicht veröffentlicht.
Auch die übrige Rechtsprechung - soweit ersichtlich - folgt dem. Das Verwaltungsgericht Regensburg (Urteil vom 26. Januar 2015 - RO 8 K 15.936 -, juris) hat (unter Rdnr. 13) zur Begründung ausgeführt:
„Die GOZ-Nr. 6100 betrifft die „Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme orthodontischer Hilfsmittel" und ist mit 165 Punkten bewertet. Die GOZ-Nr. 2197 erfasst die „Adhäsive Befestigung (plastischer Aufbau, Stift, Inlay, Krone, Teilkrone, Veneer etc.)" und ist mit 130 Punkten bewertet. Nach dem Empfängerhorizont spricht bereits der Wortlaut der GOZ-Nr. 2197 für eine Anwendung auch im Zusammenhang mit der GOZ-Nr. 6100. Ein Ausschluss der GOZ-Nr. 2197 folgt nicht daraus, dass sich die GOZ-Nr. 6100 auf „Klebe"brackets bezieht. Die GOZ-Nr. 6100 legt sich vielmehr hinsichtlich der Art und Weise der Eingliederung nicht fest. Soweit die Beklagtenseite meint, die Begriffe Adhäsivtechnik und Klebetechnik seien synonym zu verstehen, folgt dem das Gericht nicht. Unstreitig werden Brackets geklebt. Im Gegensatz zum Einsatz (klassischer) Kunststoff- oder Zementkleber erfordert jedoch die adhäsive Klebetechnik einen Mehraufwand, insbesondere im Hinblick auf die Vorbehandlung (Konditionierung) von Schmelz und Dentin mit Säuren und den Auftrag eines Primers („Grundierer"). Unter diesem Gesichtspunkt hat die GOZ-Nr. 2197 unstreitig Zuschlagscharakter. Ein Punktevergleich der beiden Positionen zeigt, dass bei Anwendung der Adhäsivtechnik für die sonstigen Tätigkeiten bei der Eingliederung eines Klebebrackets - selbst wenn dann die klassische Klebeprozedur entfällt - nur noch ein geringer (offensichtlich nicht angemessener) Punktewert verbleiben würde. Eine Wertigkeit des Mehraufwands bei der Adhäsivtechnik lässt sich im Übrigen einem Vergleich der GOZ-Nrn. 2050 und 2060, 2070 und 2080,2090 und 2100 sowie 2110 und 2120 entnehmen."
Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich die Kammer an. Auch das beklagte Land hat weder ein zivilgerichtliches Urteil noch eine Kommentarmeinung ins Feld führen können, die Gegenteiliges vertritt. Die vom beklagten Land zitierte Stellungnahme des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen, es sei „einhellige Auffassung aller Kollegen", dass eine Nebeneinanderberechnung der genannten Gebührennummern nicht zulässig sei, vermag eine Vertretbarkeit dieser Auffassung nicht zu begründen. An die Nr. 11.2 des Runderlasses des Finanzministeriums vom 16. November 2012 - B 3100 - 3.1.6.2.A - IV A 4 „Beihilferechtliche Hinweise zum zahnärztlichen Gebührenrecht", auf die sich das beklagte Land zur Begründung einer Beihilfeverweigerung beruft, ist das Gericht, da es sich um eine bloße Verwaltungsvorschrift handelt, nicht gebunden.
Daneben steht dem Kläger noch ein weiterer Beihilfeanspruch in Höhe von EUR 2,59 für die gekürzten Laborleistungen in Höhe insgesamt EUR 3,24 („Elastics", 14. Januar und 18. Februar 2014) zu. Diese Kürzungen, die vom Vertreter des beklagten Landes im Erörterungstermin eingeräumt wurden, sind bislang nicht begründet worden. Zweifel an der Notwendigkeit und Angemessenheit dieser Aufwendungen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO NRW) hat das Gericht nicht. Weitere Erklärungen sind ungeachtet einer Nachfrage im Erörterungstermin nicht erfolgt, sodass eine weitere Sachaufklärung von Amts wegen nicht geboten ist.
Im Übrigen, d.h. in Höhe von 235,76 €, besteht indes kein weiterer Beihilfeanspruch des Klägers. Dies gilt zunächst, soweit Dr. ... die Nr. 2197 GV/GOZ mit dem 3,5-fachen Gebührensatz abgerechnet hat. Es ergibt sich diesbezüglich ein Kürzungsbetrag von EUR 105,28 (EUR 307,08 – EUR 201,80), der zu Recht von der Festsetzungsstelle als beihilferechtlich unangemessen in Abzug gebracht worden sind.
Die Angemessenheit von Aufwendungen, die der Behandler mit einem höheren Gebührensatz als 2,3 (so genannter Schwellenwert) beurteilt sich insoweit maßgeblich nach § 5 GOZ in der Fassung vom 5. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2661). Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr nach dem einfachen bis 3,5-fachen des Gebührensatzes. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ sind innerhalb des Gebührenrahmens die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistungen sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ bildet der 2,3-fache Gebührensatz die nach Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittliche Leistung ab; ein Überschreiten des 2,3-fachen Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen. Dabei kommt dem 2,3-fachen Gebührensatz auch bei Beachtung der mit der GOZ- Fassung vom 5. Dezember 2011 in Kraft getretenen Änderungen nach wie vor die Funktion eines Schwellenwertes zu, dessen Überschreiten nur bei Vorliegen von Besonderheiten zulässig ist. Das Vorliegen dieser Besonderheiten ist gerichtlich voll nachprüfbar. Der für die Überschreitung des Schwellenwertes erforderliche Ausnahmecharakter setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass die Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, deutlich abweichend von der Mehrzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten sind. Vom (Zahn)Arzt allgemein oder häufig, jedenfalls nicht nur bei einzelnen Patienten wegen in ihrer Person liegender Schwierigkeiten angewandte Behandlungen stellen keine derartige Besonderheit dar.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Mai 1996 - 2 C 10.95 -, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1996, 3094, 3095; und vom 17. Februar 1994 - 2 C 10.92 -, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BVerwG (BVerwGE) 95, 117, 122.
Hinsichtlich des Erfordernisses des Vorliegens von Besonderheiten weicht § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ nicht vom Wortlaut der Vorgängernorm, nämlich § 5 GOZ in der Fassung des Gesetzes vom 4. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3320), in Kraft seit dem 2. Januar 2002, ab. Sofern die berechnete Gebühr nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 GOZ das 2,3-fache des Gebührensatzes überschreitet, muss der Zahnarzt eine schriftliche,
auf die einzelne Leistung bezogene und für den Zahlungspflichtigen verständliche und nachvollziehbare Begründung nach § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ vorlegen. Auf Verlangen ist die Begründung näher zu erläutern (§ 10 Abs. 3 Satz 2 GOZ). Nach dem Zweck der Pflicht zur schriftlichen Begründung, dem Patienten eine (lediglich) grobe Handhabe zur Einschätzung der Rechtfertigung des geltend gemachten Gebührenanspruchs an die Hand zu geben, sind zwar grundsätzlich keine ins Einzelne gehenden Anforderungen zu stellen, um von einer formell ausreichenden Begründung ausgehen zu können. Auf der anderen Seite muss die vom Zahnarzt gegebene Begründung aber jedenfalls geeignet sein, das Vorliegen solcher Gründe nachvollziehbar zu machen, welche nach dem materiellen Gebührenrecht eine Überschreitung des Schwellenwertes rechtfertigen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 20. Oktober 2004 - 6 A 215/02-, juris; sowie Urteil vom 3. Dezember 1999 - 12 A 2889/99 juris.
Gemessen daran rechtfertigen die von Dr. ... in der Rechnung vom 26. März 2014 gegebenen Begründungen die Überschreitungen des Schwellenwertes bei der Nr. 2197 GV/GOZ nicht. Die Gebührenposition beschreibt die „adhäsive Befestigung (plastischer Aufbau, Stift, Inlay, Krone, Teilkrone, Veneer etc)". Die Behandlerin hat als Begründung „Linguale Klebestellen für individuell angefertigten Dauerretainer. Extrem schwierige Etch-Situation, komplizierte Handhabung aufgrund des ungewöhnlichen Zugangs, ausreichende Sichtverhältnisse nur mit optischen Hilfsmitteln möglich, sehr schwere Trockenlegung wegen der Zungenmobilität im Klebebereich" angegeben. Die angeführte „Etch-Situation" beschreibt eine Form der Ätzung und stellt schon keinen patientenbezogenen Umstand dar. An diesem Erfordernis ist mit der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts festzuhalten. Hierauf wurde der Kläger auch mit dem Schreiben der Bezirksregierung vom 25. Oktober 2012 vor Behandlungsbeginn und damit vor Entstehen der Aufwendungen hingewiesen, sodass selbst dann, wenn man von einer zweifelhaften Gebührenfrage ausgehen wollte, eine rechtzeitige Klarstellung durch den Dienstherrn erfolgt ist. Auch im Hinblick auf die angeführte „Zungenmobilität" sowie den geltend gemachten „ungewöhnlichen Zugang" wird nicht deutlich, inwiefern diese Umstände die Leistungserbringung im Vergleich zu den normalen Behandlungsfällen so nachhaltig beeinflusst haben, dass ein weit höherer (Zeit-)Aufwand erforderlich gewesen ist. Eine Besonderheit des Behandlungsfalles vermag das Gericht in dem bloßen Umstand einer Zungenmobilität bei einem im Behandlungszeitraum dreizehnjährigen Teenager nicht zu erblicken. Auch ein „ungewöhnlicher Zugang" besagt für sich genommen nichts darüber, wegen welcher anatomischen Besonderheiten der Tochter des Klägers die Behandlung überdurchschnittlich erschwert worden ist. Überdies fehlt auch durchgehend eine Angabe dazu, in welchem konkreten Umfang sich der zeitliche Aufwand gegenüber durchschnittlichen Behandlungsfällen verändert hat.
Dem Kläger steht des Weiteren zu den Leistungen, die Dr. L. in der oben bezeichneten Rechnung unter den Gebührenziffern 8000, 8010, 8020 und 8080 GV/GOZ (Behandlungstag 17. März 2014) abgerechnet hat (Kürzungsbetrag: EUR 159,11), keine weitere Beihilfe zu. Insoweit bestehen Unklarheiten in der Gebührenordnung, die der Dienstherr durch die Regelung in Nr. 29.3 des vorbezeichneten Runderlasses vom 16. November 2012 klargestellt hat. Danach gehören Leistungen nach den hier in Rede stehenden Gebührennummern zum Leistungsumfang der kieferorthopädischen Behandlung und sind nicht gesondert abrechenbar. Dies stellt eine (vertretbare) Auslegung der Gebührenordnung und die Klarstellung einer gebührenrechtlichen Zweifelsfrage durch den Dienstherrn dar. Dem Kläger ist dies vor Behandlungsbeginn zudem durch das Schreiben vom 25. Oktober 2012 mitgeteilt worden. Die fragliche Bestimmung des Erlasses nimmt Bezug auf eine Entscheidung des VG Gelsenkirchen vom 10. November 2006 (3 K 2335/05), welche sich ihrerseits wiederum auf ein Urteil des VG Minden vom 29. April 2004 (4 K 2467/01) bezieht. Da sich die GOZ in der hier anzuwendenden Fassung in den maßgeblichen Gebührenabschnitten nicht grundlegend (nämlich in der Hinsicht, dass funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen unter Nr. 8000 ff. GV behandelt werden und darüber hinaus auch in den Abschnitt G. (Kieferorthopädische Leistungen) keine abweichenden Abrechnungsbestimmungen eingeführt wurden) von ihrer Fassung vom 22. Oktober 1987 (BGB I S. 2316) unterscheidet, welche den vorgenannten Entscheidungen zu Grunde gelegen hat, bestehen aus Sicht der Kammer keine Anhaltspunkte dafür, dass die in Nr. 29.3 des vorbezeichneten Runderlasses getroffene Regelung keine vertretbare Auslegung der Gebührenordnung darstellt.
Die im Grunde vergleichbaren Erwägungen führen dazu, dass dem Kläger kein Beihilfeanspruch für Aufwendungen zusteht, die Dr. ... mit der Nr. 5090 GV/GOÄ abgerechnet hat (Kürzungsbetrag: EUR 30,31). Die Gebührennummer umfasst eine vollständige Röntgenaufnahme des Schädels. Das beklagte Land ist der Auffassung, für die Kieferorthopädie werde in der Regel lediglich eine Teilaufnahme des Schädels benötigt, und zwar in Spezialprojektionen ohne zweite Ebene, wofür Nr. 5095 GV/GOÄ (Röntgen von Schädelteilen) zutreffend sei. Die Nr. 5090 GV/GOÄ werde von den Kieferorthopäden mutmaßlich zum Ausgleich des gerätetechnischen Mehraufwandes angesetzt. Allerdings dürfte die Abrechnung der Fernröntgenseitenaufnahme im Rahmen der Kieferorthopädie mit der zuletzt genannten Gebührenziffer durchaus eine vertretbare Auslegung der Gebührenordnung darstellen.
Vgl. PKV-Kommentar zur GOZ, Stand: 15. Januar 2015, zu 602 GOZ, Erläuterungen („Die Berechnungsfähigkeit der Leistung setzt die Erstellung eines Fernröntgenseitenbildes (GOÄ-Nr. 5090) voraus.";
www.iww.de/pa/archiv/kieferorthopaedie:
„Die Fernröntgenseitenaufnahme ist eine Schädelübersichtsaufnahme mit großem Focus-Objekt-Abstand. Auch wenn es sich hierbei um nur eine Projektionsebene handelt, so bleibt es eine spezielle Schädelübersichtsaufnahme mit röntgenologischer Weichteilaufzeichnung mittels Differenzialfolien. Die Weichteilaufzeichnung muss als eingeblendete zweite Ebene auf der Röntgenaufnahme betrachtet werden."
Zugleich heißt es an zuletzt genannter Stelle aber auch, dass die Bundeszahnärztekammer für die Abrechnung der hier in Rede stehende Röntgenleistung die Analogberechnung der Nr. 5004 (Panoramaschichtaufnahme der Kiefer) empfiehlt, weil es versäumt worden sei, die Erstellung von Fernröntgenseitenaufnahmen in die GOÄ aufzunehmen. Ausdrücklich wird auf die unterschiedliche Erstattungspraxis der regionalen Zahnärztekammern hingewiesen. Zivilgerichtliche Entscheidungen dieser Gebührenfrage, geschweige denn im Sinne einer Klärung, sind weder ersichtlich noch von den Beteiligten ins Feld geführt.
Ausgehend davon hat die Festsetzungsstelle jedoch ihre Auffassung im vorliegenden Einzelfall vor Beginn der Behandlung durch die Hinweise im Schreiben vom 25. Oktober 2012, von dessen Existenz das Gericht im Erörterungstermin wegen der Unvollständigkeit des übersandten Verwaltungsvorgangs keine Kenntnis hatte, klargestellt, nämlich in der Weise, dass (im Bereich typischer röntgenologischer Leistungen bei der kieferorthopädischen Behandlung) lediglich der Ansatz der Nr. 5095 GV/GOÄ als beihilferechtlich angemessen angesehen wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.