Urteilstext
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 134,56 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.07.2014 zu zahlen.
Die Beklagte wird des Weiteren verurteilt, den Kläger von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 83,54 gemäß der Rechnung seiner Prozessbevollmächtigten Nummer 2014/00643 vom 12.11.2014 freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Entbehrlich gemäß §§ 313a Abs. 1, 495a ZPO.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von EUR 134,56 aus dem zwischen den Parteien bestehenden Krankheitskostenversicherungsvertrag (Versicherungsscheinnummer 100373811) i. V. m. § 192 Abs. 1 VVG. Es handelt sich dabei um 80% der Kosten für die zehnmalige Berechnung der Ziffer 2197 GOZ aus der Rechnung des Kieferorthopäden … vom 27.06.2014 (Nummer 00006098-2/2014 -1; Bl. 8 der Akte) für den Sohn des Klägers, … . Gemäß dem zwischen den Parteien vereinbarten Tarif Z100 sind bei kieferorthopädischen Behandlungen 80% der Leistungen erstattungsfähig.
Streitig ist zwischen den Parteien ausschließlich die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, aus der vorgenannten Rechnung die Kosten für die zehnmalige Berechnung der Ziffer 2197 GOZ zu übernehmen oder ob diese Ziffer grundsätzlich nicht neben der Ziffer 6100 GOZ abgerechnet werden darf.
Das Gericht ist nach Durchführung der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Ziffer 2197 GOZ neben der Ziffer 6100 GOZ abgerechnet werden darf. Die Abrechenbarkeit ist nicht gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 GOZ ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kann der Zahnarzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Die Doppelberechnung von Teilleistungen wird dadurch ausgeschlossen. Gemäß § 4 Abs. 2 S. 4 GOZ ist eine Leistung methodisch notwendiger Bestandteil einer anderen Leistung, wenn sie inhaltlich von der Leistungsbeschreibung der anderen Leistung (Zielleistung) umfasst und auch in deren Bewertung berücksichtigt worden ist. Es müssen demnach zwei Voraussetzungen erfüllt sein, damit es sich um eine Teilleistung im vorgenannten Sinn handelt. Erforderlich ist erstens, dass die Leistungsbeschreibung der „Zielleistung“ die andere Leistung ausdrücklich zu ihrem Bestandteil macht. Zweitens muss die Leistung auch in der Bewertung der Zielleistung berücksichtigt worden sein. Das ist stets dann nicht der Fall, wenn die Vergütung des möglichen Leistungsbestandteils außer Verhältnis zur Vergütung der vermeintlichen Zielleistung steht (Bundeszahnärztekammer, Kommentar zur GOZ, Stand: 13.08.2013, § 4, Rn. 5). Ist eine der beiden vorgenannten Voraussetzungen nicht erfüllt, verbleibt es bei der gesonderten Berechenbarkeit beider Leistungen.
Vorliegend sind beide in § 4 Abs. 2 S. 4 GOZ genannten Voraussetzungen nicht erfüllt, was zur Folge hat, dass die Ziffern 2197 GOZ und 6100 GOZ nebeneinander abgerechnet werden dürfen.
Der Wortlaut der Ziffer 6100 GOZ lautet: „Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme orthodentischer Hilfsmittel“. Die Beschreibung der Ziffer 2197 GOZ lautet: „Adhäsive Befestigung (plastischer Aufbau, Stift, Inlay, Teilkrone, Veneer etc.)“. Die Leistungsbeschreibung der Ziffer 6100 GOZ macht bereits dem Wortlaut nach die Leistung der Ziffer 2197 GOZ nicht zu ihrem Bestandteil, da die Begriffe „Eingliederung“ und „adhäsive Befestigung“ sich inhaltlich nicht decken. Der Begriff „Eingliederung“ beschreibt das zu erreichende Ziel der kieferorthopädischen Tätigkeit, nämlich, dass sich das Klebebracket nach Durchführung der Tätigkeit am Zahn befindet. Der Begriff „adhäsive Befestigung“ beschreibt hingegen die Art und Weise der Durchführung einer Tätigkeit. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Klammerzusatz, der beispielhaft – aber nicht abschließend – Gegenstände aufzählt, die am Zahn angebracht werden. Der Sachverständige hat überzeugend und nachvollziehbar dargetan, dass das Klebebracket auf verschiedene Art und Weise am Zahn befestigt werden kann. Es kann z. B. mit selbsthaftendem Zement aufgeklebt werden oder mit Komposit (zahnfarbenes, plastisches Füllungsmaterial) angehaftet werden. Es sind jeweils mehrere Arbeitsschritte vorzunehmen, die sich je nach Art und Weise der Befestigung unterscheiden und von unterschiedlicher Dauer sind. Die Arbeitsschritte ergeben sich im Einzelnen aus der Übersicht, die der Sachverständige im Rahmen seiner Anhörung am 01.09.2015 zur Akte gereicht und erläutert hat. Zwar hat der Sachverständige ausgeführt, dass in der Regel eine adhäsive Befestigung der Brackets erfolgt und die Verwendung von Komposit nur noch äußerst selten durchgeführt wird (vgl. dazu auch den Kommentar der PKV zur GOZ, Stand 15.01.2015, Ziffer 6100). In einzelnen Fällen kommt dies jedoch durchaus noch vor und kann nach den Ausführungen des Sachverständigen in bestimmten Fällen sogar medizinisch indiziert sein. Dies bedeutet, dass es im Ergebnis tatsächlich noch verschiedene Arten der Befestigung der Klebebrackets gibt.
Die Ziffer 6100 GOZ ist mit einer Punktzahl von 165 bemessen und die Ziffer 2197 GOZ mit 130 Punkten. Die Bewertung der beiden Leistungen liegt demnach recht nah beieinander, was dagegen spricht, dass es sich bei der Ziffer 2197 GOZ um eine Teilleistung handelt (vgl. LG Hildesheim, Urteil vom 24.07.2014, Az.: 1 S 15/14). Wäre die adhäsive Befestigung bereits von der Ziffer 6100 GOZ erfasst, hätte es nahe gelegen, für die vor- und nachbereitenden Tätigkeiten, insbesondere für die Positionierung der Brackets eine Differenzpunktezahl anzusetzen (AG Recklinghausen, Urteil vom 19.12.2013, Az.: 54 C 117/13). Gegen die Einordnung als Teilleistung spricht auch ein Vergleich der Ziffer 6100 GOZ mit den Leistungen, die in der Beschreibung der Ziffer 2197 GOZ ausdrücklich als zusätzlich abrechenbar genannt werden („plastischer Aufbau, Stift, Inlay, Teilkrone, Veneer etc.“). Die Vorbereitung eines zerstörten Zahnes mit plastischem Aufbaumaterial zur Aufnahme einer Krone (Ziffer 2180 GOZ) ist mit 150 Punkten bewertet und die Wiedereingliederung einer Einlagefüllung, einer Teilkrone, eines Veneers oder einer Krone oder Wiederherstellung einer Verblendschale an herausnehmbarem Zahnersatz (Ziffer 2310 GOU) mit 145 Punkten. Die Bewertung ist vergleichbar mit der Bewertung der Ziffer 6100 GOZ (165 Punkte).
II.
Die Zinsentscheidung ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB. Der Anspruch des Klägers auf Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 Nr. 3 BGB. Die Beklagte befand sich seit dem 25.07.2014 in Verzug, da sie mit Schreiben von diesem Tag die Erstattung der vorgenannten Leistungen ernsthaft und endgültig verweigert hat.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
IV.
Die Berufung wird gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zugelassen, da eine Klärung der Rechtsfragen zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist.
Streitwert: EUR 134,56