Gebühren-Nummer 2197 GOZ ist neben der Gebühren-Nummer 6100 GOZ berechenbar

 | Gericht:  Amtsgericht (AG) München  | Aktenzeichen: 242 C 693/15 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Gebühren

Urteilstext


Tenor

1.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 6,60 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.04.2014 sowie weitere EUR 5,00 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
Die zulässige Klage erweist sich großteils als unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung von 6,60 EUR aus dem zwischen dem Beklagten und geschlossenen Behandlungsvertrag, §§ 630a, 398 BGB. Weitergehende Ansprüche bestehen nicht.

1.
Zwischen dem Beklagten und … bestand ein Vertrag über die kieferorthopädische Behandlung der minderjährigen Tochter des Beklagten, nachfolgend „Patientin". … hat ihren Honoraranspruch aus der Behandlung der Patientin in der Zeit vom 09.01.2014 bis 10.02.2014 an die Klägerin abgetreten. Der Beklagte hatte als gesetzlicher Vertreter mit Einverständniserklärung vom 24.06.2013 in die Abtretung eingewilligt und die Zedentin gegenüber der Klägerin von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden.
Gegenstand der Behandlung waren kieferorthopädische Maßnahmen gemäß des Behandlungs- und Kostenplans vom 09.12.2013 (Anlage K2), die mit Rechnung vom 26.02.2014 (Anlagen K3 und B1) abgerechnet wurden. Nach teilweiser Zahlung und teilweiser Klagerücknahme ist noch die Zahlung von EUR 470,96 für die adhäsive Befestigung von Klebebrackets sowie EUR 6,60 für insgesamt 6 Stops streitgegenständlich.

2.
Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung der 6 Stops in Höhe von insgesamt 6,60 EUR. Das Gericht hat Beweis erhoben über die Frage, ob die durch die Zedentin durchgeführten Maßnahmen richtig abgerechnet wurden. Die Sachverständige an deren Sachkunde das Gericht keinen Grund zu zweifeln hat, kommt in ihrem Gutachten vom 06.06.2016 (BI. 84/94 d. A.) zu dem Ergebnis, dass es sich bei den abgerechneten Stops um ergänzende, selbständig angebrachte Hilfsteile handelt, welche bei Bedarf individuell für den jeweiligen Patienten am einligierten Bogen angebracht werden. Diese seien nicht im Standardmaterial des Bogen beziehungsweise in der GOZ Position 6150 (Eingliederung eines Bogens) oder in den allgemeinen Praxiskosten enthalten und könnten somit gesondert berechnet werden.

Das Gericht schließt sich den nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Angaben der Sachverständigen an.

3.
Weitergehende Ansprüche aus der streitgegenständlichen Rechnung bestehen jedoch nicht.
Die Sachverständige … kommt in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die GOZ Position 2197 grundsätzlich neben der Leistungsposition 6100 abgerechnet werden kann. Bei der adhäsiven Befestigung, die mit der Leistungsziffer 2197 abgegolten wird, handelt es sich um eine eigene, spezielle Befestigungsmaßnahme. Das Kleben eines Brackets mit einer anderen Technik ist als Bestandteil der GOZ 6100 (Eingliederung eines Klebebrackets) anzusehen, jedoch sind bei der Verwendung der Säure-Ätz-Technik, die mit Ziffer 2197 vergütet wird, nochmals zusätzliche Arbeitsschritte (absolute Trockenlegung, Anätzung, sehr sorgfältiges Abspülen, erneute absolute Trockenlegung, Auftragen eines Haftvermittlers) zur Adhäsion des Kunstoffes erforderlich. Mithin stellt die Leistungsziffer 2197 eine eigenständige Leistung dar und ist nicht lediglich Bestandteil oder Ausführung einer anderen Leistung.

Aus den Ausführungen der Sachverständigen, denen sich das Gericht auch in diesem Punkt anschließt, ergibt sich, dass es grundsätzlich mindestens zwei Methoden zur Befestigung eines Brackets gibt, und dass jedenfalls bei Wahl der Säure-Ätz-Technik der zusätzliche Arbeitsaufwand nach GOZ 2197 zu vergüten ist. Im Umkehrschluss ergibt sich aus den Ausführungen der Sachverständigen aber auch, dass die Position 2197 nicht zwangsläufig immer neben GOZ 6100 verlangt werden kann, weil es sich nicht um Leistungen handelt, die nur gemeinsam ausgeführt werden können.

Vielmehr besteht ein Zahlungsanspruch nur, falls die Berechnung der Position 2197 neben der Position 6100 auch im Heil- und Kostenplan so vereinbart war. Das ist vorliegend nicht der Fall, vielmehr wurde nur die Position GOZ 6100 für alle 28 Zähne aufgelistet. Die GOZ 2197 findet in dem Plan keine Erwähnung. Der Heil- und Kostenplan ist jedenfalls hinsichtlich des ärztlichen Honorars, um welches es sich vorliegend handelt, verbindlich. Das Landgericht Hannover führt in seinem Urteil vom 29.10.1998, Az. 19 S 9-98 zu dieser Fragestellung aus:

„Nach der Rechtsprechung des OLG Köln darf ein Zahnarzt generell eine über der Regelspanne liegende Gebühr nur berechnen, wenn er einen Patienten vor der Behandlung auf den möglichen Eintritt einer dazu berechtigenden Schwierigkeit hingewiesen hat, es sei denn, dass diese Schwierigkeit nicht vorhersehbar war (OLG Köln, VersR 1997, 1362 f.).

Begründet wird dies damit, daß dem Patienten Gelegenheit zu geben ist, sich in anderweitige kostengünstige Behandlung zu begeben. Nach der Ansicht der Kammer ist dieser Grundsatz auch auf die Problematik der Überschreitung eines Heil- und Kostenplanes zu übertragen. Der Zahnarzt ist vor Beginn der geplanten Behandlung und bei Aufstellung des Heil- und Kostenplanes in der Lage, die von ihm zu erbringenden Leistungen zu überblicken. Er ist dem Patienten gegenüber verpflichtet, das zahnärztliche Honorar, das für seine Leistungen anfallen wird, so genau wie möglich im vorhinein aufzuschlüsseln. Der Patient wird hierdurch in die Lage versetzt, seine Entscheidung zu treffen, ob er die Behandlung von diesem Zahnarzt in der vorgesehenen Art und Weise durchführen lassen will. Der Patient kann darauf vertrauen, in welcher Höhe Kosten insoweit anfallen werden. Heil- und Kostenpläne enthalten keinen Zusatz bei dem ausgewiesenen zahnärztlichen Honorar, daß es sich insoweit nur um eine Schätzung handelt."

Das Gericht schließt sich dieser Auffassung ausdrücklich an.

Die Parteien haben auch keine abweichende Vereinbarung getroffen. Unter dem Punkte „Gebührenordnungshinweis" wurde vereinbart: „Aufgrund von nicht vorhersehbaren Gegebenheiten kann bei einigen Positionen ein veränderter Steigerungssatz notwendig werden. Allgemeinzahnärztliche Leistungen, Reparaturleistungen bzw. der Ersatz verlorener Geräte sind nicht im Behandlungsplan enthalten und können den Gesamtbetrag unter Umständen um bis zu 30 % erhöhen". Bei der GOZ handelt es sich nicht um eine unter diesen Passus fallende Leistung, sodass hier eine gesonderte Vereinbarung erforderlich gewesen wäre.

Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB. Die von der Klagepartei geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten sind schlüssig dargetan. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordern die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.


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