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Führen der Bezeichnung Kinderzahnarzt

 | Gericht:  Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Leipzig  | Aktenzeichen: 3 B 62/12 | Entscheidung:  Beschluss
Kategorie Praxisführung , Berufliche Kommunikation

Beschlusstext

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

 

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

 

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

 

Gründe

Die Kläger betreiben eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis. Die Beklagte untersagte ihnen mit Bescheid vom 28. Oktober 2008, sich in der Außendarstellung als „Kinderzahnarzt“ zu bezeichnen. Es handele sich um eine berufswidrige Werbung; die Bezeichnung sei irreführend, weil bei Patienten der falsche Eindruck entstehen könne, im Bereich der Zahnmedizin existiere eine entsprechende fachzahnärztliche Qualifikation. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass der verständige Patient/Verbraucher die Vorstellung habe, dass ein „Kinderzahnarzt“ nachhaltig auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendheilkunde tätig sei. Danach sei die Bezeichnung der Kläger als „Kinderzahnarzt“ irreführend, weil der Eindruck erweckt werde, als verfügten die Kläger und sämtliche der von ihnen beschäftigten Zahnärzte jeweils über eine von der Beklagten anerkannte besondere personenbezogene Qualifikation in Form des Tätigkeitsschwerpunktes „Kinderzahnheilkunde“, was jedoch nicht der Fall sei.

 

Die auf alle drei Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil hat keinen Erfolg.

 

1.

Der Rechtsache kommt nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.

 

Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt die entweder ausdrückliche oder jedenfalls sinngemäße Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO <n.F.> Nr. 26). Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht.

 

Die Kläger entnehmen dem angefochtenen Urteil, dass sämtliche Zahnärzte, die sich nach außen als „Kinderzahnarzt“ bezeichnen würden, diese Bezeichnung nicht führen dürften, weil sie entweder über die Angabe des Tätigkeitsschwerpunkts „Kinderzahnheilkunde“ ihre zusätzliche Qualifikation ausdrücken könnten oder aber - wenn sie die Voraussetzungen des Tätigkeitsschwerpunkts nicht erfüllten - nicht berechtigt seien, sich „Kinderzahnarzt“ zu nennen. Ausgehend davon werfen sie die Frage auf, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Zahnarzt in der Außendarstellung die Bezeichnung „Kinderzahnarzt“ verwenden darf. Damit wird ein grundsätzlicher, über den konkreten Streitfall hinausweisender Klärungsbedarf nicht in der erforderlichen Weise dargetan. Abgesehen davon, dass das Beschwerdevorbringen die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts unzutreffend erfasst, erschöpft es sich auch in einer einzelfallbezogenen Kritik an dem Berufungsurteil. Zudem sind die maßgeblichen Rechtsfragen zum Werberecht der ärztlichen Berufe, insbesondere zu den durch die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen für Werbeverbote und zu den Voraussetzungen einer berufswidrigen Werbung, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinlänglich geklärt (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1992 - 1 BvR 1531/90 - BVerfGE 85, 248 <257, 260 f.>; Kammerbeschluss vom 14. Juli 2011 - 1 BvR 407/11 - NJW 2011, 3147 = juris Rn. 21; BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 - BVerwG 3 C 4.09 - Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 110 Rn. 14 ff.). Ob sich gemessen an diesen Rechtsprechungsvorgaben - von denen auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen ist - eine Werbemaßnahme als irreführend und daher berufswidrig darstellt, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall.

 

2.

Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten Abweichung des angefochtenen Urteils von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zuzulassen.

 

Eine Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt vor, wenn sich die Vorinstanz mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat zu einem ebensolchen Rechtssatz, der in der Rechtsprechung eines Divergenzgerichts in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt worden ist, und wenn das angefochtene Urteil auf dieser Abweichung beruht (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 11. August 1999 - BVerwG 11 B 61.98 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 19 m.w.N.). Den sich daraus ergebenden Darlegungsanforderungen genügt die Beschwerde nicht.

 

a)

Zu Unrecht rügen die Kläger, das Oberverwaltungsgericht habe bei der Bewertung, ob die Bezeichnung „Kinderzahnarzt“ irreführend sei, nicht auf die Verkehrsauffassung und das Leitbild eines durchschnittlich informierten, verständigen Verbrauchers/Patienten abgestellt und habe sich damit in Widerspruch zu den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juli 2000 - 1 BvR 547/99 - (NJW 2000, 2734) und vom 13. Juli 2005 - 1 BvR 191/05 - (NJW 2006, 282) gesetzt. Das Gegenteil ist der Fall. Das Oberverwaltungsgericht ist ausdrücklich davon ausgegangen, dass bei der Bewertung von Werbemaßnahmen auf das Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise und auf den Maßstab eines durchschnittlich informierten und verständigen Patienten abzustellen ist (Urteilsabdruck S. 10). Darauf beruht auch seine Subsumtion (vgl. Urteilsabdruck S. 11 letzter Absatz bis S. 12 letzter Absatz). Soweit das Oberverwaltungsgericht darüber hinaus das Verständnis des Bundesverbandes der Kinderzahnärzte (BuKiZ e.V.) in den Blick genommen hat, handelt es sich um einen Gesichtspunkt, den es lediglich ergänzend zur Bestätigung des bereits anderweitig gewonnenen Auslegungsergebnisses herangezogen hat (Urteilsabdruck S. 13 oben). Dass eine bloß ergänzende Einbeziehung der Außendarstellung eines Berufsverbandes unzulässig wäre, lässt sich der in Bezug genommenen bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht entnehmen. Dafür spricht auch sonst nichts, weil naheliegt, dass die Vorstellung des Publikums über den Begriff des „Kinderzahnarztes“ auch von dem in der Öffentlichkeit vermittelten Selbstverständnis eines entsprechenden Berufsverbandes beeinflusst werden kann.

 

b)

Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Divergenz ergibt sich auch nicht aus der geltend gemachten Abweichung des Berufungsurteils von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Juli 2004 - 1 BvR 159/04 - (NJW 2004, 2656). Die Kläger entnehmen dieser Entscheidung, dass einem Patienten zuzutrauen sei, zwischen einer Facharztqualifikation, einem Tätigkeitsschwerpunkt und einer sonstigen berufsbezogenen Angabe zu unterscheiden. In Widerspruch dazu habe das Oberverwaltungsgericht angenommen, es sei einem Patienten bei dem Begriff „Kinderzahnarzt“ nicht bewusst, dass es sich um eine sonstige Angabe und nicht um eine Aussage über die berufliche Qualifikation handele. Damit bezeichnet die Beschwerde schon keinen abstrakten Rechtssatz, sondern sie beanstandet vielmehr die berufungsgerichtliche Subsumtion. Im Übrigen besteht die gerügte Abweichung nicht. Die in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verhält sich zu der anwaltlichen Bezeichnung „Spezialist für Verkehrsrecht“ und der Gefahr der Irreführung mit Blick auf die Begriffe des Schwerpunkts und des Fachanwalts in § 59 b Abs. 2 Nr. 2 und 3 BRAO (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 2004 a.a.O. = juris Rn. 26 ff.). Mit der Frage der Irreführung durch die Bezeichnung „Kinderzahnarzt“ befasst sich die Entscheidung nicht. Wegen des abweichenden Sachverhalts lassen sich aus ihr auch nicht die von den Klägern behaupteten Rückschlüsse für den Streitfall ziehen.

 

c)

Das Berufungsurteil weicht schließlich nicht von dem Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. März 2012 - 1 BvR 1209/11 - (MedR 2012, 516) ab. Der Einwand der Beschwerde, das Oberverwaltungsgericht sei entgegen der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung von einem generellen Werbeverbot mit Erlaubnisvorbehalt ausgegangen, geht fehl. Es hat vielmehr in Übereinstimmung mit den verfassungsgerichtlichen Vorgaben darauf abgestellt, dass Ärzten Werbebeschränkungen nur auferlegt werden können, wenn dies aus Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt ist (vgl. Urteilsabdruck S. 10 zweiter Absatz). Danach ist auch die Passage auf S. 11 oben in dem angefochtenen Urteil nicht zu beanstanden; denn es entspricht dem Verhältnismäßigkeitsgebot, bei der Abgrenzung zwischen erlaubter sachlicher Information und verbotener berufswidriger Werbung das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit und den Gemeinwohlbelang des Patientenschutzes vor irreführenden Werbeaussagen abwägend in den Blick zu nehmen. Mit den Ausführungen im Übrigen behaupten die Kläger in der Sache einen bloßen Rechtsanwendungsfehler, der eine Divergenz im revisionsrechtlichen Sinn nicht begründen kann.

 

3.

Die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greift ebenfalls nicht durch.

 

a)

Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass es die Frage der Missverständlichkeit des Begriffs „Kinderzahnarzt“ aus eigener Anschauung und Erfahrung beurteilen kann (vgl. Urteilsabdruck S. 11 a.E.). Die Kläger legen nicht dar, dass darin ein Verstoß gegen die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt. Einen auf die Erhebung der vermissten Sachaufklärung gerichteten förmlichen Beweisantrag haben sie nicht gestellt. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich auch nicht, dass sich dem Oberverwaltungsgericht die Einholung „genauerer Informationen hinsichtlich des Erwartungshorizonts des potentiellen, verständigen Verbrauchers, etwa durch eine repräsentative oder zumindest stichprobenartige Meinungsumfrage“, hätte aufdrängen müssen. Das Tatsachengericht entscheidet über die Art der heranzuziehenden Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme im Rahmen seiner Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nach Ermessen. Stützt sich das Gericht auf eigene Sachkunde, verletzt es seine Aufklärungspflicht nur dann, wenn es eine ihm unmöglich zur Verfügung stehende Sachkunde in Anspruch nimmt oder sich in einer Frage für sachkundig hält, in der seine Sachkunde ernstlich zweifelhaft ist, ohne dass es darlegt, dass ihm das erforderliche Wissen in genügendem Maße zur Verfügung steht, oder wenn die Entscheidungsgründe sonst auf eine mangelnde Sachkunde schließen lassen (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 18. Juni 2012 - BVerwG 5 B 5.12 - juris Rn. 7 und vom 9. Januar 1990 - BVerwG 1 B 1.90 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 55 S. 35, jeweils m.w.N.; zum Aufklärungsmangel bei der Feststellung der Verkehrsauffassung in Bezug auf eine Werbeangabe: BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 - I ZR 150/01 - BGHZ 156, 250 <254 f.> = juris Rn. 18 ff.). Dafür ist hier nichts ersichtlich.

 

Ohne Erfolg bleibt schließlich der in diesem Zusammenhang erhobene weitere Einwand, das Oberverwaltungsgericht habe die Bezeichnung „Kinderzahnarzt“ fehlerhaft ausgelegt. Die tatsachengerichtliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist regelmäßig dem sachlichen Recht zuzurechnen. Fehler in diesem Bereich können daher einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur ausnahmsweise begründen, etwa wenn die Würdigung gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB), die gesetzlichen Beweisregeln, allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt. Einen derartigen Mangel legt die Beschwerde nicht dar.

 

b)

Die Gehörsrüge im Schriftsatz vom 13. August 2012 ist erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist erhoben worden und deshalb nicht berücksichtigungsfähig (§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO).

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.


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