Urteilstext
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Schmerzensgeld, Schadensersatz sowie die Feststellung der Ersatzpflicht zukünftiger materieller und immaterieller Schäden im Zusammenhang mit einer zahnärztlichen Behandlung durch den Beklagten vom 02.02.2011 bis zum 19.11.2015.
Nach den Behandlungsunterlagen stellte sich der Behandlungsverlauf der am 03.02.1959 geborenen Klägerin wie folgt dar:
Am 02.02.2011 wurde die Klägerin beim Beklagten erstmals vorstellig. Es wurde über einen neuen Zahnersatz gesprochen (vgl. Behandlungsunterlagen Bl. 68 GA).
Am 22.02.2011 wurde die Klägerin beim Beklagten mit Beschwerden vorstellig und im weiteren Verlauf erfolgte am 11.03.2011 eine erneute Besprechung über einen Zahnersatz.
Am 1 1.05.2011 stellte sich die Klägerin wieder mit Beschwerden vor. In den Behandlungsunterlagen des Beklagten heißt es dazu, dass eine Schwellung am Zahn 26 aufgetreten war und der Zahn nicht erhaltungswürdig war. Die Klägerin wünschte zunächst keine Extraktion (Bl. 68 GA).
Am 19.05.2011 zeigte die Klägerin gegenüber dem Beklagte Beschwerden am Zahn 15 an (Bl. 70 GA), ebenso am 23.05.2011. In den Behandlungsunterlagen des Beklagten heißt es dazu, dass eine Sensibilitätsprüfung durchgeführt wurde und am Zahn 27 eine Wurzelkanalbehandlung erforderlich ist (Bl. 70 GA).
Am 18.10.2011 erfolgte eine Eingliederung der provisorischen Kronen und Brücken (Bl. 71 ff. GA) und am 25.10.2011 das Einsetzen des Langzeitprovisoriums (Bl. 74 GA).
Ein weiterer Behandlungstermin fand am 09.11.2011 statt. In den Behandlungsunterlagen des Beklagten zu diesem Termin heißt es: „Röntgendiagnostik, Klägerin hat Biss selbst mit Dremel verändert und an Occlusion herumgeschliffen, Bisslage nach distal verändert" (Bl. 75 GA).
Am 17.11.2011 erfolgte eine Gerüsteinprobe für den Oberkiefer und am 20.12.2011 wurde die Versorgung mit Vollkronen durchgeführt (Bl. 75 GA). Insgesamt wurden vom Beklagten bei der Klägerin bis auf die Zähne 43 bis 32 alle Zähne überkront und drei Brücken angefertigt.
Mit Rechnung Nr. 8852 des Beklagten vom 30.12.2011 forderte dieser für die Versorgung der Klägerin am Unterkiefer EUR 1.247,69 (K 1, Bl. 36 f. GA), sowie mit Rechnung Nr. 8908 vom 30.12.2011 für die Versorgung am Oberkiefer EUR 6.971,22 (K 2, Bl. 40 f. GA). Am 10.01.2012 stellte der Beklage der Klägerin unter der Nr. 8909 weitere EUR 406,72 in Rechnung (K 3, Bl. 45 f. GA). Die Klägerin zahlte an den Beklagten insgesamt EUR 8.535,63.
Am 28.02.2012 wurde die Klägerin wieder mit Beschwerden beim Beklagten vorstellig, da sie mit ihrem Biss nicht zufrieden war (Bl. 77 GA).
Am 06.03.2012 wurden die Zirkonbrücken 33 - 37 und 44 - 48 provisorisch eingesetzt (Bl. 77 GA). Am 27.03.2012 wurde der Zahnersatz im Unterkiefer heraus genommen und zurückgesandt (Bl. 77 GA). Am 30.03.2012 wurden die Brücken im Unterkiefer provisorisch eingesetzt, wobei die Klägerin mit dem Biss sehr zufrieden war (Bl. 77 GA).
Zum Termin am 24.04.2012 heißt es in den Behandlungsunterlagen des Beklagten, dass die Klägerin mit dem Biss noch nicht zufrieden war (Bl. 78 GA). Dies gilt auch für den 02.05.2012, 14.05.2012 und 18.05.2012. Unter dem 25.05.2012 notierte der Beklagte in seinen Behandlungsunterlagen wiederum, dass die Klägerin sehr zufrieden mit Form, Farbe und Biss war (Bl. 78 GA). Auch am 12.06.2012 notierte er, dass der Klägerin Biss und Sitz gefielen (Bl. 79 GA).
Am 20.07.2012 litt die Klägerin wieder unter Beschwerden und ihr gefielen der Biss und die Oberkieferfront nicht mehr (Bl. 79 GA). Auch am 19.09.2012 klagte die Klägerin über Beschwerden sowie über einen falschen Biss (BL 79 GA). Weitere Beschwerden der Klägerin bezüglich des Bisses und der Oberkieferfront erfolgten an den Terminen am 09.10.2012 (Bl. 79 GA) und am 04.12.2012 (Bl. 80 GA).
Am 27.12.2012 wurden die Zähne eingeschliffen. In den Behandlungsunterlagen des Beklagten heißt es dazu, dass links weiterhin kein Kontakt besteht und die Klägerin den Unterkiefer absichtlich nach rechts schiebt, wodurch eine Non-Okklusion links entsteht (Bl. 80 GA).
Im Behandlungstermin am 04.03.2013 sprachen die Parteien darüber, dass die Klägerin die Oberkieferfront komplett erneuert haben wollte (Bl. 80 GA). Am 06.05.2013 betonte die Klägerin, dass sie die Ursprungssituation wiederhergestellt haben wollte.
Im weiteren Behandlungsverlauf klagte die Klägerin erneut über Beschwerden und es erfolgten mehrere Bissnahmen, so am 31.07.2013, 27.05.2014, 24.07.2014, 07.08.2014 und 02.09.2014 (Bl. 81 ff. GA). Bei der Gerüstanprobe am 04.11.2014 wies die Klägerin auf einen Frühkontakt rechts hin (Bl. 85 GA).
Zum Behandlungstermin am 09.09.2014 heißt es in den Behandlungsunterlagen des Beklagten, dass sich die Klägerin sicher war (Bl. 83 GA), dass der Biss stimmte, und zum 11.11.2014 heißt es, dass die Klägerin mit Form, Farbe und Biss zufrieden war (Bl. 85 GA).
In den Behandlungsterminen am 12.11.2014, 17.11.2014 und 05.12.2014 beklagte die Klägerin, dass der linke Oberkiefer wegrutsche (Bl. 85 f. GA). Daraufhin schliff der Beklagte am 18.12.2014 den Zahnersatz im linken Oberkiefer neu ein.
Anfang des Jahres 2015 wurde der Zahnarzt Dr. E hinzugezogen. Dieser verordnete der Klägerin eine Aufbissschiene (Behandlungsdokumentation Bl. 120, 157 f. GA). Deren Tragen führte bei der Klägerin zu heftigen Kopfschmerzen (Bl. 99 GA).
Am 09.02.2015 traten bei der Klägerin am Zahn 18 Beschwerden auf (Bl. 87 GA), weshalb an diesem Zahn am 09.04.2015 vom Beklagten eine chirurgische Behandlung durchgeführt wurde (Bl. 88 GA).
Am 18.02.2015 schliff der Beklagte Frühkontakte u. a. an den Zähnen 44 - 47 (Bl. 87 GA), am 16.04.2015 am Zahn 17 und am 21.05.2015 an den Zähnen 24 - 28 ein. Weitere Frühkontakte wurden am 02.06.2015, 23.06.2015, am 26.06.2015 an den Zähnen 14 - 17 und am 21.09.2015 an den Zähnen 14 - 15 eingeschliffen (Bl. 88 GA).
Im weiteren Verlauf wurde die Klägerin bei den Zahnärzten Herrn Dr. … und Herrn … vorstellig.
Der letzte Behandlungstermin der Klägerin beim Beklagten fand am 19.11.2015 wegen Beschwerden statt (Bl. 90 GA).
Mit anwaltlichem Schreiben der Klägerin vom 15.12.2015 kündigte sie den Behandlungsvertrag und forderte das gezahlte Honorar zurück sowie Schmerzensgeld (Bl. 49 ff. GA). Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.12.2015 wies der Beklagte sämtliche Ansprüche zurück. (Bl. 53 f. GA)
Die Klägerin behauptet, der vom Beklagten hergestellte Zahnersatz funktioniere nicht und passe nicht (Bl. 30 GA). Trotz Nachbesserungsarbeiten des Beklagten habe sich keine Verbesserung ergeben (BL 31 GA). Die Schneidezähne im Oberkiefer seien zu weit nach vorne gezogen, sodass insgesamt ein offener Biss bestehe und kein Raum für die Zunge sei (BL. 31, 98 GA). Zudem Liege der Bogen des Unterkiefers zu weit innen, so dass der Biss nur passe, wenn sie ihren Unterkiefer konzentriert nach vorne schiebe. Ein Aufbiss ergebe sich nur bei Zahn 15. Der Bogen des Unterkiefers sei zu weit nach innen und zu weit lingual gesetzt. Der Schneidezahn 28 sei wegen eines freiliegenden Zahnhalses vorne weggefault bzw. weggebrochen (Bl. 31, 98 GA). Der Zahn 18 habe u.a. wurzelgefüllt werden müssen und bereite ihr jetzt noch Beschwerden. Bei den Zähnen 21 und 23 lägen die Zahnhälse frei (Bl. 98 GA).
Wegen des Zahnersatzes des Beklagten habe sie während und nach der Behandlung bis heute hin starke Schmerzen gehabt, welche nur mit Einnahme starker Schmerzmitteln und durch Tragen einer alten Aufbissschiene zu ertragen seien (Bl. 33 GA). Zudem leide sie an einer durch den Zahnersatz bedingten Kieferfehlstellung, diese führe zu einer schmerzhaften Belastung der Halswirbelsäule und des Kieferbereichs und dadurch wiederum sei es zu einer Verschiebung der Halswirbelsäule gekommen (Bl. 33 GA). Bei einer Neuanfertigung des Zahnersatzes müsse sie sich einer langwierigen und unangenehmen Behandlung unterziehen.
Sie meint, dass nach alledem ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 EUR angemessen sei.
Sie beantragt,
1.
den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch EUR 3.000,00 nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten Basiszinssatz seit dem 23.12.2015;
2.
den Beklagten zu verurteilen, an sie EUR 8.535,63 nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.12.2015 zu zahlen;
3.
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtlichen zukünftigen noch entstehenden weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr infolge des Behandlungsfehlers des Beklagten während der Behandlung im Zeitraum von Oktober 2011 bis Dezember 2015 entstanden ist, soweit ein Forderungsübergang auf Drittleistungsträger nicht stattgefunden hat oder haben wird;
4.
den Beklagten zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten i. H. v. EUR 1.416,10 nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.12.2015 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bestreitet die behaupteten Mängel und gesundheitlichen Beschwerden der Klägerin. Er behauptet, die wiederholten Beschwerden der Klägerin beruhten nicht auf seinen zahntechnischen Arbeiten (Bl. 65 f. GA).
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Auflagen- und Beweisbeschluss vom 14.07.2016 (Bl. 101 f. GA) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Des Weiteren ist die Klägerin persönlich angehört worden. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten des Herrn … aus … vom 25.04.2017 (Bl. 164 ff. GA.) sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 12.12.2017 (Bl. 194 ff. GA) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin kann vom Beklagten weder wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten gemäß den §§ 280 Abs. 1, 254 Abs. 2, 630 a ff. BGB noch nach den §§ 823 ff. BGB die Zahlung eines Schmerzensgeldes, Schadensersatzes sowie die Feststellung des Ersatzes zukünftiger Schäden verlangen. Denn nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme hat die Klägerin nicht den ihr obliegenden Nachweis erbringen können, dass es im Zusammenhang mit ihrer Behandlung vom 02.02.2011 bis zum 19.11.2015 zu zahnärztlichen Fehlern seitens des Beklagten gekommen ist.
Bei der Beurteilung des Behandlungsgeschehens und seiner Folgen stützt sich die Kammer auf das Gutachten des Sachverständigen L, an dessen Sachkunde als Zahnarzt keine Zweifel bestehen. Der Sachverständige hat sich mit dem streitgegenständlichen Behandlungsfall unter Berücksichtigung des wechselseitigen Vortrags der Parteien und unter Auswertung der vorgelegten Behandlungsunterlagen eingehend auseinandergesetzt.
Es bedurfte auch nicht der Einholung eines Obergutachtens gemäß § 412 ZPO. Denn das Gutachten ist weder unverwertbar gemäß § 412 Abs.2 ZPO, da der Sachverständige nicht abgelehnt worden ist, noch ist das Gutachten ungenügend im Sinne des § 412 Abs.1 ZPO. Insbesondere ist das Sachverständigengutachten nicht mangelhaft. Der Sachverständige hat sein schriftliches Gutachten in der mündlichen Verhandlung für die Kammer verständlich erläutert und auch im Hinblick auf die weiteren Fragen der Klägerin ergänzt. Dies gilt auch bezüglich der Erforderlichkeit einer Funktionsanalyse bei der Klägerin. Dass gegebenenfalls ein anderer Sachverständiger über überlegene Forschungsmittel oder Erfahrung verfügt, begründet keinen Mangel des Gutachtens (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Auflage 2014, § 412 Rn. 2).
Die Kammer hat die plausiblen Ausführungen des Gutachters nachvollzogen und sich zu eigen gemacht. Hiernach gilt Folgendes:
Die zahnärztliche Behandlung der Klägerin durch den Beklagten im Zeitraum vom 02.02.2011 bis zum 19.11.2015 in Form einer umfangreichen Kronenversorgung mit Ausnahme der Zähne 43 bis 32 und einer Brückenversorgung in den Bereichen 45 bis 47, 33 bis 36 und 17 bis 15 erfolgte lege artis.
Denn der vom Beklagten gefertigte und im Oktober bzw. November 2014 eingesetzte Zahnersatz ist im Hinblick auf Form, Farbe und Ästhetik regelgerecht und auch nicht wegen zahnärztlicher Fehler des Beklagten völlig unbrauchbar, so dass auch keine Neuanfertigung erforderlich ist. Dies hat der Sachverständige nachvollziehbar in seinem schriftlichen Gutachten erläutert (Bl. 168 GA).
Die Schneidezähne im Oberkiefer sind nicht zu weit nach vorne gezogen und es besteht bei der Klägerin auch kein offener Biss (Bl. 168 ff. GA). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin ausweislich der Behandlungsdokumentation mit dem Zahnersatz zunächst auch zufrieden war, z. B. am 30.03.2012 und 09.09.2014.
Der Zahnbogen im Unterkiefer ist nach der überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen nicht zu weit nach innen und nicht zu weit nach lingual gesetzt, sondern regelgerecht. Insbesondere ist auch kein bewusstes Vorziehen des Unterkiefers durch die Klägerin notwendig (Bl. 169 GA).
Einen freiliegenden Zahnhals bei Zahn 13 hat der Sachverständige nicht feststellen können. Auch sonst hat er keine Besonderheiten im Bereich des Zahnes 13 und der dortigen Kronenversorgung feststellen können, insbesondere auch keine Beweglichkeit des Zahns (Bl. 169 GA). Der Sachverständige hat dazu nachvollziehbar erläutert, dass, wenn die Klägerin dennoch minimale Bewegungen in diesem Bereich verspürt, dies daran liegt, dass bis heute die Krone nicht definitiv endgültig einzementiert wurde. Einer solchen endgültigen definitiven Eingliederung bedarf es dabei schon deshalb, weil eine provisorische Eingliederung mit der Zeit dazu führen kann, dass Speichel in diesen Bereich gelangt. Ein Behandlungsfehler des Beklagten durch eine unterlassene endgültige Eingliederung bei der Klägerin ist aber schon deshalb nicht festzustellen, weil nach den Bekundungen des Sachverständigen unter Einbeziehung der Behandlungsdokumentation der Beklagte die Klägerin mehrfach auf das Erfordernis einer endgültigen Eingliederung hingewiesen hat, welche von der Klägerin aber immer abgelehnt worden ist.
Ein Behandlungsfehler des Beklagten ergibt sich auch nicht daraus, dass auf dem Zahn 45 zu Zahn 15 beim geführten Zusammenbiss ein leichter Frühkontakt und beim ungeführten Zusammenbiss ein deutlicher Frühkontakt besteht und die Mittellinie beim Schlussbiss um ca. 0,5 mm nach links verschoben ist (Bl. 168 f. GA). Denn der Frühkontakt kann jedenfalls problemlos im Rahmen von normalen Nacharbeiten eingeschliffen werden und auf diese Weise auch die ganz geringe Mittellinienverschiebung nach links behoben werden (Bl. 171 GA).
Ergänzend hat der Sachverständige dazu mündlich erläutert, dass die Frage der Behandlungsfehlerhaftigkeit des festgestellten Frühkontakts der Okklusion zwischen 15 und 45 davon abhängt, was die Ursache dieses Frühkontaktes ist. Grundsätzlich kann es immer zu Frühkontakten kommen, wenn ein Zahnersatz erstmalig eingegliedert wird. Erst wenn Frühkontakte ohne weitere zahnärztliche Eingliederungsmaßnahmen, wie Abschleifen und Beschleifen, belassen werden, wäre dies fehlerhaft. Hier lässt sich aber schon nicht sicher feststellen, wann genau dieser Frühkontakt bei der Klägerin entstanden ist. So ist es vorstellbar, dass bei einer primären Eingliederung der Prothetik ein Frühkontakt noch nicht besteht und dieser sich erst im weiteren Verlauf, etwa durch die Kauaktivität des Patienten, entwickelt. Daher lässt sich auch nicht feststellen, ob der Frühkontakt nicht erst nach Beendigung der Behandlung der Klägerin bei dem Beklagten Ende 2015 entstanden ist.
Des Weiteren hat der Beklagte auch nicht die Durchführung einer Schienentherapie behandlungsfehlerhaft unterlassen. Denn eine solche Therapie dient der Therapie von Muskelverspannungen und wäre nach Einschätzung des Sachverständigen nicht dazu geeignet gewesen, einen möglicherweise nicht richtigen Zusammenbiss, der eine prothetische Ursache hat, zu beseitigen. Erst nach Beseitigung des Frühkontakts wäre ggfs. eine Aufbissschienentherapie durchzuführen. Allerdings wäre dies hier wohl nicht erforderlich, da die Beseitigung des Frühkontakts den Unterkiefer wahrscheinlich rechtsseitig verlagern würde, so dass dann wohl auch die Problematik der Mittellinienverschiebung behoben worden wäre, wie der Sachverständige umfassend erläutert hat.
Zur Okklusionsproblematik hat der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt, dass er die Beschwerden der Klägerin in Form einer Druckdolenz im linken Kiefergelenk im Rahmen seiner klinischen Untersuchung selbst ertastet hat. Zudem war bei der Klägerin die habituelle Okklusion beim ungeführten Zusammenbiss auf der linken Seite nicht die gleiche Okklusion wie die Okklusion, die im sogenannten geführten Zubiss erreicht werden kann. Hier besteht die Möglichkeit durch Führung des Unterkiefers eine Okklusion zu provozieren. Ziel einer Behandlung ist dabei, die habituelle Okklusion mit dieser geführten Okklusion durch entsprechende Einschleif- und Beiarbeiten sowie ggf. durch eine Schienentherapie in Einklang zu bringen, was der Beklagte auch gemacht hat.
Allerdings ist eine solche standardmäßige Vorgehensweise nach Einschätzung des Sachverständigen nur in ca. 95 % der Fälle erfolgreich. Die dann grundsätzlich noch mögliche Durchführung einer kinematischen Scharnierachsenbestimmung durch einen Spezialisten hat der Beklagte schon deshalb nicht behandlungsfehlerhaft unterlassen, weil diese Behandlungsmethode nicht dem ärztlichen Standard in einer zahnärztlichen Praxis entspricht. Vielmehr ist der Beklagte unter Einbeziehung der vom Sachverständigen durchgeführten Auswertung der Behandlungsunterlagen entsprechend dem ärztlichen Standard im notwendigen Umfang den Problematiken bei der Klägerin nachgegangen und hat entsprechende Nacharbeiten ausgeführt, auch wenn diese nicht zwingend zum Erfolg geführt haben. Dabei wurde die Arbeit des Beklagten nach Einschätzung des Sachverständigen auch dadurch erschwert, dass die Klägerin z. B. nicht allen therapeutischen Ratschlägen des Beklagten gefolgt ist und nach den Angaben in ihrer persönlichen Anhörung ihre Aufbissschiene selbst verändert hat.
Dass eine solche vom Beklagten durchgeführte Behandlung nicht immer sicher und zwingend zum Erfolg führt, ergibt sich auch daraus, dass selbst die Hinzuziehung des weiteren Zahnarztes Dr. E letztlich nicht zu einer Beseitigung der Beschwerden bei der Klägerin geführt hat. Der Sachverständige hat dazu unter Bezugnahme auf seine Berufserfahrung erläuternd ausgeführt, dass es sich gegebenenfalls auch um eine psychosomatische Problematik handeln könnte, da diese häufig im Zusammenhang mit der Eingliederung von Zahnersatz auftritt.
Schließlich hat der Beklagte auch keine erforderlichen Befunde behandlungsfehlerhaft nicht erhoben, indem er die Durchführung einer instrumentellen Funktionsanalyse bei der Klägerin unterlassen hat (Bl. 170 GA). Denn in der weit überwiegenden Zahl der Fälle genügt nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen die einfache Bissnahme und Übertragung auf den neuen Zahnersatz. Der Beklagte ist sogar darüber hinausgegangen, indem er eine so genannte arbiträre Scharnierachsenbestimmung durchgeführt hat. Dabei wird die individuelle Rotationsachse der Kiefergelenke ermittelt. Der Zahnersatz wird dann in einem individuell einstellbaren Artikulator hergestellt. Diese Art der Bestimmung erhöht die Genauigkeit erheblich und wurde hier angewendet (Bl. 160 GA).
Überdies hat der Sachverständige auch keine sicheren Angaben zu den tatsächlichen Befunden der Klägerin im Zeitpunkt der Behandlung durch den Beklagten machen können, da es sich um Momentaufnahmen handelt und es auch sein kann, dass die Befunde, die er festgestellt hat, sich von denen unterscheiden, die vorlagen, als die Klägerin in der Behandlung bei dem Beklagten war. In dem Zeitraum danach bis zur Untersuchung durch den Sachverständigen kann es hier durchaus zu Veränderungen gekommen sein.
Eine andere tatsächliche Einschätzung der Behandlung der Klägerin durch den Beklagten ergibt sich auch nicht daraus, dass der Sachverständige bei der Untersuchung der Klägerin keine Modelle aus der Praxis des Beklagten verwendet hat, da diese zur Beantwortung der Beweisfragen nicht erforderlich waren. Denn die Modelle geben keine weiteren Hinweise darauf, ob die zahnärztliche Behandlung der Klägerin beim Beklagten fehlerhaft ausgeführt war, weil sich bei der Anfertigung einer neuen Prothetik immer das ursprünglich vorhandene Bild der Zähne verändert. Die Kriterien für die Frage, ob Zahnersatz fehlerhaft hergestellt oder eingegliedert wurde, sind unabhängig davon zu überprüfen. Es sind der Biss zu überprüfen, die Randschlüsse, die Lage der Kronen, der Proximalkontakt, Form und Farbe usw. Dies lässt sich alles überprüfen, ohne dass man die Modelle, die einen Zustand widergeben, der zuvor bestanden hat, besichtigt.
Mangels Hauptforderung hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.
Zudem besteht kein Anspruch der Klägerin auf Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche materiellen und zukünftigen immateriellen Schäden aus Anlass der Zahnbehandlung im September 2012 zu ersetzen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 709 S. 2 ZPO.
Der Streitwert wird auf EUR 13.535,63 festgesetzt. Der Streitwert setzt sich wie folgt zusammen:
Antrag zu 1): EUR 3.000,00
Antrag zu 2): EUR 8.535,63
Antrag zu 3): EUR 2.000,00