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Fristlose Kündigung wegen Weitergabe von Patientendaten

 | Gericht:  Landesarbeitsgericht (LAG) Stuttgart  | Aktenzeichen: 12 Sa 22/16 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Arbeitsrecht

Urteilstext

 

Tenor

1.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 16. Februar 2016 (1 Ca 437/15) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil des Arbeitsgerichts wie folgt berichtigt wird:

 

1.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 17. November 2015 nicht aufgelöst worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

2.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

 

3.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren darüber, ob die Beklagten das gemeinsame Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26. November 2015 wirksam fristlos bzw. wirksam ordentlich mit Ablauf des 31. Dezember 2015 kündigen konnten.

 

Zum Kündigungszeitpunkt war die Klägerin 52 Jahre alt. Sie ist verheiratet. Die Beklagten betreiben eine radiologische Praxis mit ca. 40 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Die Klägerin arbeitete seit dem 01. Juli 2012 als medizinische Fachangestellte für die Beklagten. Sie verdiente monatlich 1.950,-- Euro brutto. Im Kalenderjahr wurden ihr 13 Bruttomonatseinkommen gezahlt. § 2.1.1 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 30. April 2012 hielt Folgendes fest:

 

„Der Arbeitnehmer ist insbesondere verpflichtet,

1. alle Praxisvorgänge sowie die Namen aller Patienten geheim zu halten und ihm/ihr überlassene Geschäftsunterlagen bei Ausscheiden wieder zurückzugeben. Er ist darüber belehrt, dass die Verletzung der Schweigepflicht strafrechtliche Konsequenzen gem. § 203 StGB nach sich zieht. Diese Schweigepflicht besteht auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort.“

Die Klägerin war in der Praxis der Beklagten u.a. für die Terminverwaltung zuständig. Am 22. Oktober 2015 sagte eine Patientin, die sowohl der Klägerin als auch ihrer Tochter persönlich bekannt war, einen vereinbarten Untersuchungstermin ab. Die Klägerin rief das elektronisch gespeicherte Terminblatt der Patientin auf. Aus dem Terminblatt ist ersichtlich: Name und Geburtsdatum der Patientin, zu untersuchender Körperbereich und damit korrespondierend das für die Untersuchung zu reservierende MRT-Gerät. Nachdem das Terminblatt auf dem Bildschirm erschienen war, fotografierte die Klägerin es mit Hilfe ihres Smartphones und leitete das Foto, mit einem Kommentar versehen, per WhatsApp an ihre Tochter weiter.

 

Vom 09. bis zum 15. November 2015 war die Klägerin arbeitsunfähig. Am 09. November rief der Vater der Patientin, die am 22. Oktober abgesagt hatte, in der Praxis der Beklagten an. Er beschwerte sich darüber, dass die Tochter der Klägerin im Sportverein die WhatsApp-Nachricht ihrer Mutter weitergezeigt habe. Die Klägerin habe das Foto des Terminblatts mit dem Kommentar versehen „Mal sehen, was die schon wieder hat…“ Seine Tochter habe hiervon erfahren. Die Beklagten hörten die Klägerin nach ihrer Wiedergenesung am 16. November zu den Vorwürfen des Vaters der Patientin an. Die Klägerin räumte ein, das Foto an ihre Tochter weitergeleitet und es mit dem Satz „mal sehen, was die schon wieder hat…“ kommentiert zu haben.

 

Der Klägerin wurde mit Schreiben vom 17. November (Anlage K 1 zur Klagschrift, Prozessakte des Arbeitsgerichts (im Folgenden: Arb), Bl. 11 ff.) fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Das Kündigungsschreiben ging ihr am 18. November zu. Am 24. November erreichte die Beklagten das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 23. November. Die Klägerin wies mit diesem Schreiben die Kündigung vom 17. November zurück, weil nicht ersichtlich sei, dass die Unterzeichnerin C. in Vollmacht für alle Beklagten gekündigt habe. Die dem Kündigungsschreiben beigefügte Vollmacht war von Dr. B. nicht unterschrieben worden.

 

Die Beklagten kündigten das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 26. November 2015 (Anlage K 3 zur Klagschrift, Arb Bl. 17 ff.) fristlos, hilfsweise ordentlich. Das Kündigungsschreiben wurde am selben Tag um 12.05 Uhr in den Briefkasten der Klägerin geworfen. Die Klagschrift ging am 04. Dezember beim Arbeitsgericht ein und wurde dem überwiegenden Teil der Beklagten am 10. Dezember 2015 zugestellt. Die Klägerin hat seit Februar 2016 eine neue Arbeitsstelle.

 

Die Klägerin hat vorgetragen, die Kündigung vom 26. November 2015 sei unverhältnismäßig, eine Abmahnung hätte ausgereicht. Sie habe sich falsch verhalten und bereue das. Ein weiteres Fehlverhalten werde nicht wieder vorkommen. Unabhängig davon sei ihr Fehlverhalten auch nur geringfügig. Sie sei von den Beklagten nicht darauf hingewiesen worden, dass sie noch nicht einmal ihren direkten Verwandten Namen von Patienten mitteilen dürfe, die ihr persönlich bekannt seien. Sie habe sich nichts dabei gedacht, als sie das Foto an ihre Tochter weitergeleitet habe.

 

Die Klägerin hat, soweit für das Berufungsverfahren erheblich, beantragt,

 

3. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 26.11.2015 nicht beendet wurde,

4. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 26.11.2015 nicht beendet wurde,

6. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits als medizinische Fachangestellte in Vollzeit zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von € 1.950,00 weiter zu beschäftigen.

 

Die Beklagten haben beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie haben vorgetragen, das Verhalten der Klägerin erfülle den Straftatbestand des § 203 Abs. 3 Satz 2 StGB und sei daher ein wichtiger Grund, das gemeinsame Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen. Bei den medizinischen Dienstleistungen der radiologischen Praxis nehme der Umgang mit vertraulichen Patientendaten einen hohen Stellenwert ein. Die Klägerin habe als medizinische Fachangestellte jederzeit Zugriff auf Patientendaten gehabt. Wenn sie (die Beklagten) Mitarbeiterinnen beschäftigten, die den vertraulichen Umgang mit Patientendaten nicht respektierten, werde sich ihr Patientenaufkommen reduzieren.

 

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 16. Februar 2016 die Kündigung der Beklagten vom 17. November 2015 gem. § 174 BGB für unwirksam erachtet, ohne dies im Urteilstenor zum Ausdruck zu bringen. Im Hinblick auf die Kündigung der Beklagten vom 26. November 2015 hat es die Klage abgewiesen. Das Verhalten der Klägerin stelle an sich einen wichtigen Grund dar, das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich zu kündigen. Die Klägerin habe sowohl ihre arbeitsvertragliche Pflicht, Patientendaten geheim zu halten, verletzt, als auch den Straftatbestand des § 203 Abs. 1 i.V. mit Abs. 3 Satz 2 StGB erfüllt. Eine Abmahnung der Klägerin sei angesichts ihres strafbaren Verhaltens nicht erforderlich gewesen. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sei den Beklagten nicht zumutbar gewesen. Sie hätten sonst befürchten müssen, Patienten zu verlieren bzw. potentielle Patienten nicht für sich gewinnen zu können. Dagegen habe die Klägerin auch in Ansehung ihres Alters als medizinische Fachangestellte auf dem regionalen Arbeitsmarkt gute Aussichten auf eine Neuanstellung gehabt.

 

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 18. März 2016 zugestellt. Die Berufung ging am 12. April, die Berufungsbegründung am 13. Mai beim Landesarbeitsgericht ein. Die Berufungsbegründung wurde den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 24. Mai zugestellt. Die Berufungserwiderung erreichte am 07. Juni 2016 das Landesarbeitsgericht.

 

Die Klägerin trägt vor, ihr könne kein strafrechtlich relevantes Verhalten vorgeworfen werden. Sie habe nicht vorsätzlich gehandelt. Sie habe am 22. Oktober 2015 gesehen, dass eine ihr und ihrer Tochter bekannte Patientin einen Termin in der Praxis vereinbart gehabt habe. Ohne überhaupt darüber nachzudenken, ob ihr Verhalten erlaubt sei oder nicht, habe sie das Terminblatt fotografiert und es an ihre Tochter übersandt. Sie habe ihre Tochter damit über den ursprünglich vereinbarten Untersuchungstermin der Patientin informiert, aber keine Diagnose mitgeteilt. (Erstmals mit Schriftsatz vom 13. Juli 2016:) Sie könne sich nicht mehr daran erinnern, welchen Begleittext sie der Fotografie beigefügt habe.

 

Sie sei einem Verbotsirrtum unterlegen. Ihre Ausbildungszeit liege mehr als 30 Jahre zurück. Ob sie damals detailliert über die Reichweite der von ihr zu wahrenden Geheimhaltungspflichten unterrichtet worden sei, wisse sie nicht mehr. Ebenso wenig habe sie am 22. Oktober 2015 gewusst, was sie im Detail 3 1/2 Jahre zuvor im Arbeitsvertrag unterzeichnet habe. Die Beklagten hätten es unterlassen, sie eindeutig auf ihre besonderen Verschwiegenheitspflichten hinzuweisen. Sie sei sich deshalb am 22. Oktober nicht bewusst gewesen, falsch zu handeln. Eine vorsätzliche Vertragsverletzung könne ihr nicht vorgeworfen werden.

 

Es hätte daher ausgereicht, sie abzumahnen. Ggf. hätten die Beklagten sie anweisen können, das Smartphone nicht mehr an den Arbeitsplatz mitzunehmen. Tägliche Taschenkontrollen hätten leicht für die Einhaltung der Anweisung sorgen können.

 

Im Übrigen sei die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch nicht erforderlich gewesen, weil sonst die Gefahr bestanden hätte, dass die Beklagten Patienten verlören. Allein auf Grund der räumlichen Entfernungen zwischen ihrem Wohnumfeld, dem der ehemaligen Patientin, die jetzt in Freiburg lebe, und der radiologischen Praxis gehe das Risiko des Patientenverlustes bei einer Großstadt mit ca. 300.000 Einwohnern gegen Null.

 

Die Klägerin beantragt,

 

unter Abänderung des Urteils vom 16.02.2016 wie folgt zu entscheiden:

 

1. Festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 26.11.2015 nicht beendet wurde.

2. Festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 26.11.2015 nicht beendet wurde.

3. Die Beklagten zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits als medizinische Fachangestellte in Vollzeit zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von € 1.950,00 zu beschäftigen.

 

Die Beklagten beantragen,

 

die Berufung der Berufungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim unter Aktz.: 1 Ca 437/15 zurückzuweisen.

 

Sie tragen vor, ihnen sei die Weiterbeschäftigung der Klägerin auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar gewesen. Das Verhalten der Klägerin sei nicht erlaubt gewesen. Sie betrieben eine Spezialpraxis, die ein besonderes Vertrauen in der überweisenden Ärzteschaft in Anspruch nehme. Ein Fehlverhalten in ihrer Praxis falle auch auf die überweisenden Ärzte zurück. Sie könnten das Vertrauen der Kollegen nur in Anspruch nehmen, wenn sie dieses rechtfertigten. Das Verhalten der Klägerin habe weder bei den Patienten noch in der Ärzteschaft Vertrauen geschaffen. Bei Missbrauch von Patientendaten müssten die überweisenden Ärzte wissen, dass die betreffende Mitarbeiterin nicht mehr bei ihnen (den Beklagten) arbeite. Auch der Patient, der sich berechtigterweise über den Datenmissbrauch beschwert habe, wolle die betreffende Mitarbeiterin nicht mehr sehen. Sie hätten aber keinen Arbeitsplatz ohne Patientenberührung.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 16. Februar 2016 (1 Ca 437/15) hat keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Klagantrag Ziff. 3, mit dem sich die Klägerin gegen die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. November 2015 wandte, zu Recht abgewiesen. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. November hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf dieses Tages aufgelöst. Sie ist wirksam, denn sie erfüllt die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB. Den Beklagten war es auf Grund des Verhaltens der Klägerin bei Berücksichtigung aller Umstände und der beiderseitigen Interessen nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist (§ 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB) am 31. Dezember 2015 fortzusetzen.

 

1.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB in zwei Schritten zu prüfen. Zunächst ist festzustellen, ob der Kündigungssachverhalt ohne seine Besonderheiten „an sich“, d.h. typischer Weise geeignet ist, als wichtiger Grund die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu begründen. Kann dies bejaht werden, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob dem Kündigenden bei Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls und der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 10. Juni 2010, 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227, Rn. 16; Urteil vom 25. Oktober 2012, 2 AZR 495/11, NZA 2013, 319, Rn. 14).

 

2.

Das Verhalten der Klägerin am 22. Oktober 2015 war an sich - losgelöst von den besonderen Umständen und den beiderseitigen Interessen - geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zu begründen.

 

a)

Das Verhalten am 22. Oktober 2015 stellt eine schwerwiegende vorsätzliche Verletzung der arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitspflicht der Klägerin dar (§ 2.1.1 des Arbeitsvertrags). Die Klägerin hat den Namen und den zu untersuchenden Körperbereich der ihr persönlich bekannten Patientin vorsätzlich an ihre Tochter weitergeleitet. Dabei unterlag sie keinem Verbotsirrtum. Sie selbst trägt vor, sie habe sich nichts dabei gedacht, als sie das Terminblatt der Patientin fotografierte und das Foto an die Tochter versandte. Es hat sie nicht gekümmert, ob sie das durfte. Sie nahm damit die Möglichkeit einer erheblichen Vertragsverletzung billigend in Kauf (bedingter Vorsatz). Ein Verbotsirrtum würde dagegen die Vorstellung der Klägerin voraussetzen, es sei ihr erlaubt, die Patientendaten zur Befriedigung familiärer Neugier weiterzuleiten. Gedankenlosigkeit begründet eine derartige Vorstellung nicht. Der Vortrag der Klägerin lässt insoweit konsequenter Weise offen, worauf sich eine solche Vorstellung hätte stützen können. Auch in der Laiensphäre - die Klägerin ist allerdings medizinische Fachkraft - war klar, Patientennamen gehen die Tochter nichts an. Das gilt erst recht, wenn die Patientin persönlich bekannt ist.

 

b)

Es stellt grundsätzlich einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses dar, wenn die medizinische Fachangestellte einer Arztpraxis Patientendaten unbefugt nach außen gibt. Die Gewährleistung der ärztlichen Schweigepflicht auch durch das nichtärztliche Personal ist grundlegend für das erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Die Betreiber medizinischer Einrichtungen haben daher ein gewichtiges Interesse daran, dieses Vertrauen bei Störungen durch Preisgabe von Patientendaten möglichst schnell wiederherzustellen.

 

3.

Die außerordentliche Kündigung der Beklagten war nicht unverhältnismäßig, weil die Beklagten die Klägerin wegen der schwerwiegenden Verletzung ihrer arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitspflichten hätte abmahnen können.

 

a)

Der Arbeitnehmer, der auf Grund eines steuerbaren Verhaltens seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblichem Maße verletzt, ist grundsätzlich vor Ausspruch einer Kündigung abzumahnen. Das gilt auch dann, wenn die Vertragsverletzung des Arbeitnehmers das Vertrauen des Arbeitgebers in seine Person beeinträchtigt, soweit mit einer Wiederherstellung des Vertrauens gerechnet werden kann (vgl. BAG, Urteil vom 04. Juni 1997, 2 AZR 526/96, DB 1997, 2386 (2387)). Einer Abmahnung bedarf es demnach nicht, wenn eine Verhaltensänderung in der Zukunft selbst nach einer Abmahnung nicht zu erwarten ist oder wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass der Arbeitnehmer erkennen konnte, der Arbeitgeber werde diese nicht hinnehmen und das Arbeitsverhältnis beenden (vgl. BAG, Urteil vom 09. Juni 2011, 2 AZR 381/10, NZA 2011, 1027, Rn. 18).

 

b)

Die Weitergabe des Patientennamens einschließlich der beabsichtigten Untersuchung (Körperbereich/MRT) wiegt so schwer, dass die Klägerin erkennen konnte, die Beklagten würden das gemeinsame Arbeitsverhältnis bei einer derartigen Vertragsverletzung beenden. Eine Abmahnung der Klägerin hätte das Vertrauen der Beklagten in ihre Diskretion nicht wiederherstellen können. Der vertrauliche Umgang mit Patientendaten ist für eine Arztpraxis zum einen so grundlegend, dass sich jede Mitarbeiterin bewusst ist, sie stellt ihr Arbeitsverhältnis in Frage, wenn sie Daten unbefugt nach außen gibt. Zum anderen ist der vertrauliche Umgang mit Patientendaten auch so selbstverständlich, dass ein Verstoß hiergegen das für das Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauen der Praxisbetreiber in die Diskretion seiner Angestellten besonders nachhaltig und deshalb unwiederbringlich beeinträchtigt. Das gilt erst recht im Falle der Klägerin, die den im Arbeitsvertrag ausdrücklich aufgenommenen Passus zum Schutz der Patientendaten nur als ein Detail unter Vielen betrachtet und sich deshalb dann, wenn es darauf ankommt, nicht mehr daran erinnern kann und die den Namen der ihr bekannten Patientin ohne Not gedankenlos aus einer Laune heraus weitergibt, was eine erhebliche Gleichgültigkeit gegenüber den Belangen der Patientin deutlich macht. Eine Abmahnung der Klägerin wäre daher nicht geeignet gewesen, das verloren gegangene Vertrauen in die Diskretion der Klägerin wiederherzustellen.

 

4.

Auch die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses war für die Beklagten keine geeignete Handlungsalternative. Den Beklagten war es nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende am 31. Dezember 2015 fortzusetzen. Ihr Interesse an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwog das Interesse der Klägerin an der Einhaltung der Kündigungsfrist.

 

Das Interesse der Klägerin an der Einräumung des gesetzlichen Übergangszeitraums, der in erster Linie der Vorbereitung einer Anschlussbeschäftigung dienen soll, beruhte zunächst auf ihrem fortgeschrittenen Alter. Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass die Beklagten die Klägerin bereits in einem fortgeschrittenen Alter eingestellt hatten und dieser Umstand ihnen nicht zum Nachteil gereichen darf. Relativiert wurde das Interesse der Klägerin an der Einhaltung der Kündigungsfrist zum einen auch dadurch, dass der Arbeitsmarkt für medizinische Fachangestellte - wie das Arbeitsgericht bereits festgestellt hat - auch in Ansehung des Alters der Klägerin zum Zeitpunkt der Kündigung günstig war. Das zeigt ihre Anschlussbeschäftigung ab Februar 2016. Zum anderen konnte von den Beklagten nach 4,3 Jahren Betriebszugehörigkeit keine besonders ausgeprägte Rücksichtnahme auf die Belange der Klägerin erwartet werden.

 

Auf der anderen Seite hatten die Beklagten ein gewichtiges Interesse daran, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin sofort zu beenden. Die Klägerin hatte den Bestand des Arbeitsverhältnisses durch ihr Verhalten in Frage gestellt. Ihr Verhalten zwang die Beklagten dazu, Maßnahmen zu treffen, die gegenüber Patienten und überweisenden Ärzten deutlich machten, dass in ihrer Praxis der Schutz der Patientendaten trotz des Vorfalls am 22. Oktober 2015 gewährleistet ist. Das konnten sie nur durch eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin erreichen. Eine Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist hätte das Risiko mit sich gebracht, dass Patienten oder überweisende Ärzte, denen der Vorfall am 22. Oktober 2015 aus Erzählungen der betroffenen Familie bekannt war, mit der Klägerin in Berührung gekommen wären und so den Eindruck gewonnen hätten, der Schutz der Patientendaten sei in der Praxis der Beklagten nach wie vor nicht gewährleistet.

 

Hinter diesen gewichtigen Interessen der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin trat deren Interesse an einer fristgemäßen Beendigung zurück. Die Beklagten mussten bei einem Bestand des Arbeitsverhältnisses von ca. 4,3 Jahren nicht mit Rücksicht auf die Klägerin gegen ihre eigenen berechtigten Interessen handeln. Eine zeitlich übermäßige Erschwerung der Suche der Klägerin nach einer Anschlussbeschäftigung war zum Kündigungszeitpunkt auf Grund des guten Arbeitsmarktes für medizinische Fachangestellte nicht zu erwarten.

 

Den Beklagten war es daher bei Berücksichtigung aller Umstände und der beiderseitigen Interessen nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin bis zum 31. Dezember 2015 aufrechtzuerhalten. Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB sind erfüllt.

 

5.

Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB ist eingehalten. Die Beklagten hatten erstmals am 16. November 2015 gesicherte Kenntnis vom Kündigungssachverhalt, nachdem sie die Klägerin zur eingegangenen Beschwerde angehört hatten. Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB lief daher am 30. November ab. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. November 2015 ging der Klägerin am 26. November, also vor Ablauf der Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu.

 

Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. November hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf dieses Tages aufgelöst. Das Arbeitsgericht hat den Klagantrag Ziff. 3 zu Recht abgewiesen. Die Klageanträge Ziff. 4 und 6 fallen nicht zur Entscheidung an. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts ist zurückzuweisen.

 

II.

Der Urteilstenor des Arbeitsgerichts ist im Hinblick auf die Kündigung der Beklagten vom 17. November 2015 gem. § 319 Abs. 1 ZPO zu berichtigen. Er weist aus, die Klage werde insgesamt abgewiesen. Das ist offensichtlich unrichtig, denn aus den Entscheidungsgründen, insbesondere dem Abschnitt I 1 a geht hervor, dass das Arbeitsgericht die Klage in Bezug auf die Kündigung der Beklagten vom 17. November 2015 für begründet erachtete. Der Urteilstenor das Arbeitsgerichts ist daher entsprechend zu berichtigen.

 

III.

1.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil ihre Berufung ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 Abs. 1 ZPO).

 

2.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen einer Revisionszulassung gem. § 72 Abs. 2 ArbGG nicht gegeben sind.


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