Urteilstext
Tenor
Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Halle hat beschlossen:
1.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen und des Vergleichs vom 04.05.2016 werden gegeneinander aufgehoben.
2.
Der Gebührenstreitwert für das Verfahren erster Instanz und für das Berufungsverfahren wird jeweils auf EUR 2.081,79 festgesetzt.
3.
Der Gegenstandswert des Vergleichs vom 04.05.2016 beträgt EUR 6.081,79.
Gründe
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache durch Vergleich beendet haben, entscheidet das Gericht gemäß § 91a ZPO analog über die Kosten.
Der Erfolg der Berufung wäre in voller Höhe von einer Beweisaufnahme abhängig gewesen, deren Ergebnis nun offen bleibt, so dass eine Kostenaufhebung gemäß § 92 Abs. 1 Alt. 1 ZPO analog sachgerecht erscheint.
1.
Die Kammer folgt der Ansicht des Amtsgerichts nicht, das auch die jüngsten Rechnungen vom 28.06.2012 für nicht ordnungsgemäß erachtete, und die Klage deshalb als derzeit unbegründet abgewiesen hat.
a)
In erster Linie hat das Amtsgericht die Ansicht vertreten, die Abrechnung sei unzureichend, weil sie die nach der GOZ erforderliche Nennung der Beträge und der Steigerungssätze nicht enthalte. Dabei hat das Amtsgericht verkannt, dass es sich um eine Abrechnung gegenüber einem gesetzlich Versicherten nach § 55 Abs. 4 SGB V handelt, nicht um eine solche nach § 55 Abs. 5 SGB V.
aa)
Bei der vertragszahnärztlichen Versorgung mit Zahnkronen, Zahnersatz und Suprakonstruktionen wird vom Sachleistungsprinzip abgewichen, indem ein Geldleistungsanspruch definiert wird; auch für den Fall einer Regelversorgung hat der Versicherte entsprechend den gesetzlichen Grundlagen bereits einen Eigenanteil zu bezahlen. Außer der Regelversorgung kann der Versicherte einen gleich- oder andersartigen Zahnersatz wählen der teilweise oder vollständig nach der GOZ abgerechnet wird. Das gilt entsprechend für zahntechnische Laborkosten, die den Umfang einer Regelversorgung überschreiten. Die gegenüber der Regelversorgung entstehenden Mehrkosten hat der Patient zusätzlich zu tragen.
Nur in den Fällen nach § 55 Abs. 5 SGB V (keine Regelversorgung) liegt eine reine Privatleistung vor. Daher erfolgt die Abrechnung dem Versicherten gegenüber in vollem Umfang unter Zugrundelegung der GOZ. Die Festzuschüsse sind nicht über die KZV abzurechnen. Der Versicherte hat seine Erstattungsansprüche direkt gegenüber seiner Krankenkasse geltend zu machen.
Ein solcher Fall liegt hier aber unstreitig nicht vor. Von dem Gesamtrechnungsbetrag der Rechnung Nr. ... über EUR 5.024,29 hat die Klägerin den Festzuschuss in Höhe von EUR 3.009,46 abgezogen, den die gesetzliche Krankenkasse des Beklagten an die Klägerin geleistet hatte. Der Beklagte hat also insoweit nur seinen Eigenanteil an der Regelversorgung selbst zu zahlen, wie sich aus der Rechnung auch ergibt. Gleiches gilt für die Rechnung Nr. ... 28.06.2012.
bb)
Eine solche Abrechnung findet im Falle des § 55 Abs. 4 SGB V Anwendung. Da der gesetzlich Versicherte nur den Anteil der BEMA-Leistungen selbst tragen muss, der den Festzuschuss übersteigt, ist ihm nicht das (in der Regel ohnehin höhere) Honorar nach der GOZ in Rechnung zu stellen, denn dieses schuldet er gerade nicht. Vielmehr ist ihm das BEMA-Honorar mitzuteilen, von dem nur der Festzuschuss abzuziehen ist, den die Kasse getragen hat. M. a. W.: Es handelt sich nicht um echte privatärztliche Leistungen, die der gesetzlich Versicherte anteilig von seiner Kasse erstattet bekommt, wenn er die Rechnung einreicht (§ 55 Abs. 5 SGB V), sondern es handelt sich um Kassenleistungen, die von der gesetzlichen Krankenkasse mit einem Festbetrag bezuschusst werden, so dass der Versicherte nur seinen Eigenanteil selbst zahlen muss (§ 55 Abs. 4 SGB V).
cc)
Die Abrechnung der BEMA-Honoraranteile ist auch als solche korrekt. BEMA- Leistungen werden nicht mit Beträgen und Steigerungssätzen abgerechnet, sondern - wie hier zutreffend geschehen - mit Punkten unter Angabe der Nummer des Gebührentatbestandes und der betroffenen Zähne.
dd)
Soweit die Rechnung ... tatsächlich Leistungen nach der GOZ enthält (Gebührennummer 504 und 508), weil diese gemäß § 55 Abs.5 SGB V abzurechnen sind, sind die Gebührentatbestände und die betroffenen Zähne genau bezeichnet. Auch die Anzahl der Kronen und Verbindungselemente ist genannt, der jeweilige Betrag und der Steigerungsfaktor von 2,3. Die Kammer hält diese Abrechnung für ausreichend.
b)
Außerdem hat das Amtsgericht eine geeignete schematisierte Darstellung eines Gebisses zur Erläuterung vermisst. Auch hier teilt die Kammer die hohen Anforderungen des amtsgerichtlichen Urteils nicht, weil beide Rechnungen ein Zahnschema in Tabellenform enthalten, das auch für medizinische Laien verständlich ist. Es handelt sich um das im deutschsprachigen Raum durchweg verwendete FDI-Zahnschema.
Der erwachsene Mensch hat 32 Zähne, 16 in jedem Kiefer, von denen 8 links und 8 rechts spiegelbildlich angeordnet sind. So ergeben sich - für jedermann verständlich - die vier Gebissquadranten (= Kieferhälften). Allen Zähne wird in der FDI-Tabelle eine zweistellige Kennziffer zugeordnet, wobei die erste Ziffer den Gebissquadraten gegen den Uhrzeigersinn bezeichnet (1 - 4) und die zweite Zahl der Kennziffer die Nummer des Zahns (1 - 8) im Quadranten von vorn nach hinten, beginnend mit dem jeweils ersten Schneidezahn.
Um den betroffenen Gebissquadranten als Laie auch ohne Vorkenntnis dieser Zählweise sofort identifizieren zu können, enthält das FDI-Schema als optische Hilfe zwei Trennlinien. Die horizontale Linie der Tabelle steht für die Trennung zwischen Ober- und Unterkiefer, die vertikale Linie für die Orientierung nach den beiden rechten und den beiden linken Zahnreihen, jeweils aus Sicht des Patienten. So ergibt sich auch optisch die Aufteilung in vier Quadranten. Die Kennziffer „11" steht also beispielsweise für den ersten Schneidezahn im Quadranten oben rechts.
Auf Grund dieser offensichtlichen Logik des FDI-Schemas ist die realitätsgetreue Zeichnung eines Gebisses oder die fotografische Abbildung eines Gebissmodells zur Erläuterung für erwachsene Patienten nicht nötig.
Die Gestaltung der Rechnung ist daher auch in dieser Hinsicht ausreichend.
2.
Soweit der Beklagte pauschal bestreitet, dass bei ihm „umfangreiche kieferorthopädische zahnärztliche Maßnahmen durchgeführt" worden seien, ist dieses Bestreiten unerheblich. Da die Behandlung als solche nicht in Frage gestellt wird, sondern sogar als Grundlage für Arzthaftungsansprüche dient, wäre eine konkrete Darlegung erforderlich gewesen, welche der Maßnahmen bestritten werden sollten.
3.
Die vom Beklagten erhobene Verjährungseinrede hat ebenfalls keinen Erfolg.
Das Entstehen eines Zahlungsanspruchs i. S. v. § 199 Abs. 1 BGB setzt Fälligkeit voraus, § 271 BGB. Die Erteilung einer Rechnung ist zwar im Allgemeinen nicht Fälligkeitsvoraussetzung, jedoch gibt es Sonderregelungen durch die die Fälligkeit der jeweiligen Forderung hinausgeschoben wird. Dazu gehört auch § 10 Abs. 1 S. 1 GOZ.
Die Verjährung der Forderungen eines Zahnarztes beginnt deshalb erst, wenn eine' ordnungsgemäße Rechnung erstellt wird (vgl. Palandt-Ellenberger, 75. Aufl. 2016, § 199 BGB, Rz. 6 zum Arzthonorar).
Die dreijährige Verjährung nach § 195 BGB begann hier also erst am 31.12.2012 zu laufen und wurde durch Klageerhebung rechtzeitig gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
4.
Erheblich ist hingegen die Hilfsaufrechnung (§§ 388, 389 BGB) des Beklagten mit einer Schmerzehsgeldforderung aus Arzthaftung.
Der Beklagte hat einen Arztfehler schlüssig vorgetragen, indem er behauptet hat, bei ihm als Diabetiker sei die durchgeführte Prothetik contra-indiziert gewesen, was die behandelnden Ärzte hätten wissen müssen.
Ob diese Behauptung zutrifft, hätte im Wege eines Sachverständigenbeweises geklärt werden müssen, wenn der Rechtsstreit nicht einvernehmlich beendet worden wäre. Der Ausgang dieser notwendigen Beweisaufnahme bleibt völlig offen. Dies rechtfertigt die Kostenaufhebung.
II.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1, 45 Abs. 1 S. 2 GKG. Da im Rechtsstreit durch das Gericht nicht über die Hilfsaufrechnung des Beklagten entschieden wurde, erhöht sie den Streitwert des Verfahrens nicht. Nur für den Gegenstandswert des Vergleichs war die Schmerzensgeldforderung hinzuzurechnen, weil die Parteien sie mit dem Vergleich ebenfalls in vollem Umfang abgegolten haben. Der Beklagte hatte seinen Schmerzensgeldanspruch mit EUR 4.000,00 beziffert (S. 5 der Klageerwiderung). Um diesen Betrag war daher der Vergleichswert zu erhöhen.