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Erneuerung von Zahnersatz nach vier Jahren

 | Gericht:  Amtsgericht (AG) Koblenz  | Aktenzeichen: 152 C 2855/13 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie:  Gebühren

Urteilstext


Tenor

1.
Die Klage wird abgewiesen.

2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit der Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


Tatbestand

Zwischen den Parteien besteht ein privater Krankheitsversicherungsvertrag zu den Tarifen P und Z30 sowie BE/S1. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung, Teil I: Musterbedingungen (MB/KK) sowie Teil II: Tarife P und Z sowie Tarif BE mit den Tarifbedingungen zu Grunde.

Die Parteien streiten um die medizinische Notwendigkeit einer bei der Klägerin im Jahre 2012 durch den Zeugen … vorgenommenen zahnmedizinischen Versorgung.

Die Klägerin hatte im Jahre 2008 eine sog. implantatgetragene Oberkieferprothese anfertigen lassen. Im Jahre 2012 hat sie unter Hinweis darauf, die Oberkieferprothese aus dem Jahre 2008 sei zerbrochen, bei dem Zeugen … eine erneute zahnmedizinische Versorgung durchführen lassen, welche dieser ihr mit der als Anlage K2 zu der Akte gereichten Rechnung vom 15.10.2012 abgerechnet hatte.

Die Klägerin errechnet gegenüber dem beklagten Verein aus den Versicherungsbedingungen einen Zahlungsanspruch in Höhe von EUR 4.394,73, wobei hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnungsweise auf die Ausführungen in der Klageschrift verwiesen wird. Das Implantat aus dem Jahre 2008 ist von der Klägerin weggeworfen worden und stand für eine Begutachtung nicht mehr zur Verfügung.

Die Klägerin trägt vor,

das Implantat aus dem Jahre 2008 sei zerbrochen gewesen. Es habe die medizinische Notwendigkeit einer Erneuerung des Implantates und einer Versorgung auf der Grundlage der von dem Zeugen … durchgeführten Behandlung bestanden.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

1.
den Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von EUR 4.394,73 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und

2.
den Beklagten weiter zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 511,11 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bestreitet eine medizinische Notwendigkeit der von dem Zeugen … durchgeführten Implantatversorgung. Die Implantatversorgung aus dem Jahre 2008 sei nicht erneuerungsbedürftig gewesen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes nimmt das Gericht ausdrücklich Bezug auf die zu der Akte gelangten Schriftsätze und Anlagen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung des Zeugen … welcher die ihm gestellten Beweisfragen am 19.05.2014 schriftlich beantwortet hat, Bl. 72 - 74 d. A. Zudem hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines zahnmedizinischen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen … In dieser Hinsicht wird auf das Gutachten vom 23.09.2014 wie Bl. 78 - 82 d. A. verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen den beklagten Verein keinen fälligen und durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung der Behandlungskosten gemäß Rechnung vom 15.10.2012.

Ein solcher Anspruch hätte sich aus dem zwischen den Parteien bestehenden Krankheitsversicherungsvertrag ergeben können.

Der Beklagte hat die medizinische Notwendigkeit der von der Klägerin bei … durchgeführten zahnmedizinischen Leistungen ebenso bestritten wie eine Erneuerungsbedürftigkeit der zuletzt im Jahre 2008 erfolgten Implantatversorgung der Klägerin.

Für eine solche Erneuerungsbedürftigkeit war die Klägerin ebenso darlegungs- und beweispflichtig wie für eine medizinische Notwendigkeit der von dem Zeugen … durchgeführten zahnmedizinischen Leistungen.

Dieser Beweislast ist sie im Ergebnis nicht nachgekommen.

Unstreitig hat die Klägerin die Implantatversorgung aus dem Jahre 2008 weggeworfen. Diese stand für eine genauere zahnmedizinische Untersuchung nicht mehr zur Verfügung.

Der Zeuge … hatte bei der schriftlichen Beantwortung der ihm gestellten Beweisfragen am 19.05.2014 mitgeteilt, er habe der Klägerin im Oktober 2012 ein Schreiben des Inhalts zugeleitet, die prothetische Versorgung aus dem Jahre 2008 sei zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Schreibens mehr als vier Jahre alt und auf Grund der jahrelangen starken Kaubelastung verschlissen sowie nicht mehr reparabel.

Ergänzend führte der Zeuge … aus, bei der Klägerin liege auf Grund der Implantatpfeiler ein unwillkürlich erhöhter Kaudruck vor, weshalb es zu einer verstärkten Abnutzung der implantatgetragenen Oberkieferzähne komme. Durch diese verstärkte Abnutzung komme es zu einer Bißsenkung, welche zu einer weiteren Verstärkung der Kaukraft und damit einhergehend zu einer weiteren Belastung der Prothetik geführt habe. Auf Grund dessen sei es letztlich im Verlauf von mehreren Jahren zu Brüchen der Prothese gekommen. Die Prothese der Klägerin sei aus diesen Gründen mit der zunehmenden Zahl von Reparaturen immer instabiler geworden, weshalb eine Neuanfertigung medizinisch notwendig gewesen sei, Bl. 73 f d. A.

Der Sachverständige … führte bei der Beantwortung der Beweisfrage wie Bl. 81 d. A. Folgendes aus:

„Eine befriedigende Antwort auf die Frage der Erneuerungsbedürftigkeit des Zahnersatzes nach vier Jahren ist aus der Sicht des Sachverständigen nicht möglich. Dazu hätte es der klinischen Überprüfung des alten Zahnersatzes im Munde der Klägerin bedurft. Weiterhin wäre eine genaue materielle Untersuchung der Sekundärkonstruktion nötig gewesen".

Der Sachverständige führte ergänzend aus, eine genaue Erklärung für die häufigen Reparaturen an dem alten Zahnersatz sei nur mit Hilfe einer klinischen Untersuchung möglich gewesen. Diese könne nicht mehr erfolgen, weil die Klägerin den alten Zahnersatz weggeworfen hat.

Weiter führt der Sachverständige … aus, die von dem Zeugen … angesprochenen Bißabsenkungen könnten von ihm nicht mehr festgestellt werden, wären aber ohne die vielen Wiederherstellungen kein Grund zur Neuanfertigung der Zahnprothetik. Von dem Sachverständigen ausgewertete Studien lassen nach einem Ablauf von fünf - sechs Jahren größere Reparaturen und Neuanfertigungen von Zahnersatz notwendig erscheinen. Eine Untersuchung der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik in Gießen habe ergeben, dass von mehr als 500 teleskopverankerten Teilprothesen nach rd. 5,3 Jahren nur bei rd. fünf % Neuanfertigungen wegen Funktionsverlustes durchgeführt werden mussten.

Die von dem Sachverständigen ausgewerteten Studien belegen eine Erneuerungsbedürftigkeit des alten Zahnersatzes der Klägerin gerade nicht.

Bei der Bewertung der Angaben des Zeugen … hatte das Gericht zu berücksichtigen, dass es sich bei diesem um den behandelnden Arzt der Klägerin gehandelt hatte, welcher - auch ihr gegenüber - die von ihm mit einem Kostenaufwand von mehr als EUR 10.000,00 durchgeführten zahnmedizinischen Maßnahmen rechtfertigen musste.

Zwar führt der Sachverständige in seiner Schlussbemerkung in dem Gutachten vom 23.09.2014 aus, die medizinische Notwendigkeit der Wiederherstellung des Oberkiefer-Zahnersatzes sei gegeben, um die Kaufunktion, das Sprechen und auch das Aussehen der Klägerin wiederherzustellen.

Damit wird die Frage der Erneuerungsbedürftigkeit der Zahnersatzversorgung aus dem Jahre 2008 allerdings nicht gleichlaufend beantwortet.

Die Erneuerungsbedürftigkeit der im Jahre 2008 erfolgten Versorgung der Klägerin mit Zahnersatz ist bei dieser Sachlage nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen.

Das Gericht hat gemäß § 286 ZPO ohne Bindung an Beweisregeln und nur dem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob es an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Dabei setzt § 286 ZPO nicht eine von allen Zweifeln freie Überzeugung voraus. Das Gericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumschlüsseliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.

Die Beweislage gebietet hier Zweifeln, kein Schweigen.

Die Erneuerungsbedürftigkeit der Zahnersatzversorgung der Klägerin aus dem Jahre 2008 ist bei dieser Sachlage nicht nachgewiesen. Es kam deshalb nicht auf die –bestrittene - Behauptung der Klägerin an, ob der Zahnersatz zerbrochen sei.
Selbst wenn er zerbrochen gewesen wäre, hätte dies keinen Aufschluss zu der Frage geben können, aus welchen Gründen er zerbrochen ist.

Die Klägerin ist mithin für die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs beweisfällig geblieben.

Mangels Bestehens eines Hauptanspruchs schuldet der Beklagte der Klägerin auch nicht Zahlung von Nebenforderungen.

Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Der Gebührenstreitwert wird auf EUR 4.394,73 festgesetzt.


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