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Erfüllungsort für Zahlungsansprüche eines Krankenhauses

 | Gericht:  Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe  | Aktenzeichen: 13 U 126/09 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie:  Gebühren

Urteilstext

 

Tenor

1.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 23. März 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels und der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin - an das Landgericht zurückverwiesen.

 

2.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

3.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird festgesetzt auf 20.223,00 €.

 

4.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage des Universitätsklinikums F. auf Begleichung ihrer Forderung aus einer stationären Behandlung des Beklagten als unzulässig abgewiesen, weil das Landgericht Freiburg örtlich nicht zuständig sei.

 

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiter. Der Beklagte hat für den Fall eines Erfolgs der Berufung Zurückverweisung an das Gericht des ersten Rechtszuges beantragt.

 

Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

 

II.

Die Berufung der Klägerin ist begründet. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Freiburg ist unter dem Gesichtspunkt des Gerichtsstands des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) gegeben.

 

Die Frage, ob bei einem stationären Aufenthalt des Patienten der Sitz der Klinik Erfüllungsort nicht nur für die Leistungen des Krankenhauses, sondern auch für die Bezahlung des Entgelts des Patienten ist, ist streitig.

 

Die herrschende Meinung ist auch nach den Entscheidungen des Bundesgerichthofs zum Erfüllungsort für Gebührenforderungen von Rechtsanwälten (BGH Beschluss vom 11.11.2003, X ARZ 91/03 und Urteil vom 04.03.2004, IX ZR 101/03) der Auffassung, dass der Sitz der Klinik Erfüllungsort sei (BayObLG MDR 2005, 1397; OLG Celle, MDR 2007, 604, Palandt-Grüneberg, BGB, 69. Aufl. 2010, § 269 Rn. 13 m.w.N.; Zöller-Heßler, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 29 Rn. 25 „Krankenhausaufnahmevertrag“ m.w.N.; für EU-Bereich: OLG Oldenburg NJW-RR 2008, 1597). Der Gegenmeinung (OLG Zweibrücken NJW-RR 2007, 1145) hat sich das Landgericht angeschlossen.

 

Der Senat schließt sich der zutreffenden Auffassung der herrschenden Meinung an, wonach bei einem Krankenhausaufnahmevertrag Erfüllungsort auch für Entgeltforderungen gegen den Patienten der Sitz der Klinik ist. Zu Recht stellen die genannten obergerichtlichen Entscheidungen auf den eindeutigen Schwerpunkt des Vertrages ab. Bei einer Klinikbehandlung ist nicht nur sowohl für Vorgespräche als auch für sämtliche Einzelheiten der Behandlung der Sitz der Klinik maßgeblich, außerdem muss sich der Patient auch zwingend und unter allen Umständen an diesen Ort begeben. Der Ort der Behandlung prägt den Vertrag und unterscheidet ihn da damit ganz entscheidend von einem Anwaltsvertrag. Keineswegs hat der Bundesgerichtshof dieses Argument des vertragscharakteristischen Schwerpunktes des Vertrages generell aufgegeben (so aber Prechtel, MDR 2006, 246). Vielmehr hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Suche nach dem Schwerpunkt alleine für einen einheitlichen Erfüllungsort ohne zusätzliche weitere Umstände nicht ausreichen kann (Beschluss vom 11.11.2003), dass aber - wie beispielsweise beim Bauvertrag - der Ortsbezug durchaus ein besonderes, vertragscharakteristisches Gepräge hervorrufen kann (Urteil vom 04.03.2004). Beim Krankenhausaufnahmevertrag liegt nicht nur der Schwerpunkt, sondern die Gesamtheit der vertragscharakteristischen Tätigkeit am Sitz der Klinik, der Vertrag ist ausschließlich durch die Behandlung in der Klinik charakterisiert.

 

Hinzu kommt als besonderer vertragscharakteristischer Umstand (§ 269 Abs. 1 BGB) das besondere Interesse der Klägerin, im Falle eines Rechtsstreits die Forderungen gegen Patienten am Sitz der Klinik geltend machen zu können. Der Umstand, dass auswärtiger Rechtsschutz - ggfs. auch im Ausland - gesucht werden muss, kann im Rahmen der Prüfung des § 269 BGB grundsätzlich ein maßgeblicher Gesichtspunkt sein, er ist es nur deshalb in aller Regel nicht, weil der regelmäßig aus dem Wohnort des Schuldners folgende Leistungsort auf der zur freien Disposition stehenden Auswahl des Vertragspartners beruht und deshalb die Natur des Schuldverhältnisses unberührt lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2003, X ARZ 91/03). Genau diese Möglichkeit zur freien Disposition bei der Auswahl des Vertragspartners besteht im Fall des Krankenhausaufnahmevertrages nicht. Denn nach § 28 Abs. 1 des LKHG Baden-Württemberg hat Anspruch auf Aufnahme in ein geeignetes Krankenhaus, wer der stationären Versorgung bedarf, das Krankenhaus ist im Rahmen seiner Aufgabenstellung und Leistungsfähigkeit zur Aufnahme verpflichtet (§ 28 Abs. 3 LKHG). Nach § 30 dieses Gesetzes hat jeder Patient im Krankenhaus Anspruch auf die Versorgung, deren er nach Art und Schwere seiner Erkrankung bedarf. Diese Aufnahme- und Behandlungspflicht des Krankenhauses (vgl. Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl. 2002, § 84 Rn. 26) stellt einen weiteren, ganz besonderen vertragscharakteristisch prägenden Umstand dar. Ein Krankenhaus, insbesondere ein Universitätsklinikum, muss Patienten aus dem ganzen Bundesgebiet, ggfs. auch aus dem Ausland aufnehmen, ohne sich seinen Vertragspartner aussuchen zu können. Ohne dies in irgend einer Weise verhindern zu können, wäre es ggfs. gehalten, im Streitfall seine Forderungen im ganzen Bundesgebiet einklagen und sich vor den diversen Gerichten mit den verschiedensten Anwälten gegen die erfahrungsgemäß vielfach gegen eine Honorarklage für ärztliche Leistungen eingewandte fehlerhafte Behandlung (vgl. OLG Celle, a.a.O.) verteidigen zu müssen. Dies erscheint vor dem geschilderten Hintergrund nicht interessengerecht.

 

Erfüllungsort derartiger Forderungen ist deshalb der Sitz der Klinik, die örtliche Zuständigkeit in Freiburg ist gegeben.

 

Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben und, da hierdurch nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden war, der Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Der entsprechende Zurückverweisungsantrag war gestellt. Das Landgericht hat sich mit der materiell-rechtlichen Seite des Rechtsstreits nicht befasst. Die Sache ist insoweit nicht entscheidungsreif, vielmehr wird es voraussichtlich der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedürfen. Vor diesem Hintergrund hat der Senat, wie er es den Parteien bereits angekündigt hat, sein Ermessen auch unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie dahin ausgeübt, dass wegen der anstehenden, möglicherweise umfangreichen Beweisaufnahme eine Zurückverweisung zu erfolgen hat.

 

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, diese wird in der abschließenden Entscheidung des Landgerichts zu erfolgen haben (vgl. Zöller-Heßler, a.a.O., § 538, Rn. 58).

 

Eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) hat nicht zu erfolgen. Die Klägerin hat die Zulassung (nur) für den Fall des Unterliegens beantragt. Da die revisionsrechtliche Prüfung sich auf die Fragen der Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges nicht erstrecken kann (§ 545 Abs. 2 ZPO), kann diese Frage auch nicht auf dem Wege der Zulassung einer revisionsgerichtlichen Überprüfung unterzogen werden ( vgl. Zöller/Heßler,a.a.O., § 546 n.15 m.w.N.).


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