Urteilstext
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 4. Juni 2009 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schmerzensgeld und Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen vermeintlicher Fehler im Zusammenhang mit einer bei ihr im Alter von drei Wochen vorgenommenen Leistenhernien-Operation, die der Beklagte zu 1 als Operateur und der Beklagte zu 2 als Anästhesist in einem Kreiskrankenhaus durchgeführt haben.
Der Beklagte zu 1 führte bei einem Besuch der Eltern der Klägerin in seiner Praxis im Behandlungszimmer ein Aufklärungsgespräch mit der Mutter der Klägerin. Der Vater befand sich zu diesem Zeitpunkt im Wartezimmer. Er hatte ein Aufklärungsformular über die geplante Operation erhalten, welches er ausfüllte und auf dem er - ebenso wie später seine Ehefrau - durch seine Unterschrift die Einwilligung zu dem Eingriff erklärte.
Der Beklagte zu 2 führte zwei Tage vor dem Eingriff mit dem Vater der Klägerin ein Telefonat über die bevorstehende Operation, dessen Inhalt streitig ist. Am Morgen vor der Operation unterzeichneten die Eltern der Klägerin ein Einwilligungsformular.
Bei der Operation kam es zu atemwegsbezogenen Komplikationen. Die Sauerstoffsättigung fiel ab, es kam zu einer Kreislaufdestabilisierung und Pulsabfall. Zunächst wurde die Klägerin mit einer Larynxmaske beatmet, dann erfolgte eine Intubation. Es wurde auch eine Herzdruckmassage durchgeführt. Die Klägerin erwachte nach Beendigung der Operation nicht aus der Narkose und musste auf die Intensivstation eines Kinderkrankenhauses verlegt werden. Infolge des Narkosezwischenfalls erlitt die Klägerin eine schwere zentralmotorische Störung, die insbesondere die Fein- und Grobmotorik, die Koordinations- und Artikulationsfähigkeit beeinträchtigt (spastische Tetraparese mit Linksbetonung und dystoner Komponente, Strabismus convergens).
Die Klägerin macht geltend, sowohl die chirurgische als auch die anästhesiologische Aufklärung sei unzureichend gewesen, da nicht beide Elternteile aufgeklärt worden seien. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht ist - wie schon zuvor das Landgericht - aufgrund sachverständiger Beratung zu dem Ergebnis gelangt, dass Behandlungsfehler nicht vorliegen. Darüber hinaus hat es auch Aufklärungsfehler verneint.
Was die chirurgische Aufklärung durch den Beklagten zu 1 anbelangt, hat sich das Berufungsgericht aufgrund seiner Beweisaufnahme die Überzeugung gebildet, dass die Eltern der Klägerin einige Tage vor der Operation in der Praxis des Beklagten zu 1 erschienen seien, wo dieser mit der Mutter der Klägerin, die bereits durch den Kinderarzt vorinformiert gewesen sei, im Behandlungszimmer die Indikation und die Art des Eingriffs besprochen habe. Der Vater der Klägerin sei zwar in der Praxis anwesend gewesen, er habe seine Frau jedoch nicht in das Behandlungszimmer begleitet. Er habe ein Aufklärungsformular über die geplante Operation erhalten, welches er ausgefüllt und auf dem er - ebenso wie später seine Ehefrau - durch seine Unterschrift in den Eingriff eingewilligt habe. Nicht geklärt werden könne, weshalb der Vater der Klägerin nicht mit in das Behandlungszimmer gekommen sei. Insbesondere sei die Behauptung des Vaters der Klägerin nicht bewiesen, ihm sei von der Sprechstundenhilfe gesagt worden, es dürfe nur ein Elternteil in das Behandlungszimmer. Möglicherweise sei der Vater der Klägerin im Wartezimmer geblieben, um sich zwischenzeitlich die übergebenen Unterlagen durchzulesen und auszufüllen. Inhaltlich sei die Aufklärung des Beklagten zu 1 zutreffend und vollständig gewesen. Beide Sachverständige hätten übereinstimmend bestätigt, dass es sich bei der Leistenhernienoperation bei Mädchen, auch wenn diese neugeboren seien, um einen einfachen Eingriff handele. Die Operation sei objektiv dringlich gewesen. Ein Abwarten hätte ganz erhebliche Risiken für die Klägerin zur Folge gehabt und dies als Alternative darzustellen, wäre ein Fehler gewesen. Die Aufklärung durch den Beklagten zu 1 sei auch nicht deshalb unzureichend gewesen, weil er nur mit der Mutter der Klägerin gesprochen habe. Aus chirurgischer Sicht habe es sich bei der Operation nur um einen einfachen Eingriff gehandelt, so dass eine ausführliche Besprechung der Vorgehensweise und der Risiken mit beiden Elternteilen nicht erforderlich gewesen sei. Der Vater der Klägerin sei in die Aufklärung und Einwilligung insoweit einbezogen gewesen, als er das Aufklärungsformular erhalten, dieses ausgefüllt und unterzeichnet habe. Beide Elternteile seien demnach ausreichend über die chirurgische Seite des Eingriffs informiert und mit der Operation einverstanden gewesen.
Was die anästhesiologische Aufklärung anbelangt, hält es das Berufungsgericht für ausreichend, dass der Beklagte zu 2 den Vater der Klägerin über die bevorstehende Anästhesie seiner Tochter telefonisch aufgeklärt hat. In dem circa 15 Minuten dauernden Telefonat, das der Vater der Klägerin als angenehm und vertrauensvoll geschildert habe, habe dieser hinreichend Gelegenheit gehabt, sich zu informieren. Dabei habe ihn der Beklagte zu 2 in dem vom Sachverständigen als vollständig und zutreffend bezeichneten Aufklärungsgespräch in gebotenem Umfang über die Risiken der Anästhesie aufgeklärt, insbesondere auf die Gefahren hingewiesen, die sich bei der Operation verwirklicht haben (Atemstörungen, Beatmungsprobleme, Herz-Kreislaufprobleme und Querschnittslähmung). Im Übrigen habe der Sachverständige Narkosezwischenfälle sowohl bei einem drei Wochen alten Neugeborenen als auch bei wenige Monate alten Säuglingen als extrem selten bezeichnet. Die Tatsache, dass der Beklagte zu 2 nur mit dem Vater gesprochen habe, sei angesichts des im unteren bis allenfalls mittleren Anforderungs- und Risikoprofil liegenden Eingriffs rechtlich unbedenklich. Der Beklagte zu 2 habe sichergestellt, dass nicht allein der Vater über die Operation seiner Tochter entschieden habe, indem er darauf bestanden habe, dass beide Elternteile vor der Operation anwesend gewesen seien. Er habe dabei beiden Elternteilen nochmals Gelegenheit zu Fragen gegeben und beide hätten sodann ihr Einverständnis zur Operation erteilt, indem sie den Anästhesiebogen (einschließlich der handschriftlich vermerkten Risiken) unterzeichnet hätten. Da sich die Rechtsprechung jedoch bislang nicht mit der Möglichkeit einer telefonischen Aufklärung befasst habe, sei die Revision wegen der Frage zuzulassen:
"Genügt eine telefonische Aufklärung über die Risiken einer Anästhesie bei einer ansonsten einfachen Operation zwei Tage vor dem Eingriff den Anforderungen der Rechtsprechung an ein "vertrauensvolles Aufklärungsgespräch zwischen Arzt und Patient", insbesondere, wenn der Arzt unmittelbar vor der Operation nochmals ausdrücklich nachfragt, ob noch Unklarheiten bestehen oder Fragen offen sind?"
II.
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
1.
Die Revision greift das Berufungsurteil nicht an, soweit dieses Behandlungsfehler verneint hat. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
2.
Das Berufungsgericht ist - entgegen der Auffassung der Revision - in tatrichterlicher Würdigung ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass die Eltern der Klägerin aufgrund einer hinreichenden Aufklärung durch den Beklagten zu 1 über die chirurgische Seite der Operation wirksam ihre Einwilligung in den Eingriff erteilt haben.
a)
Aufklärungspflichtig ist grundsätzlich jeder Arzt für diejenigen Eingriffs- und Behandlungsmaßnahmen, die er selbst durchführt, und nur soweit sein Fachgebiet betroffen ist (vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., C Rn. 106 f. m.w.N.). Da die anästhesiologische Aufklärung durch den Beklagten zu 2 - wenn auch später - erfolgt ist, konnte sich der Beklagte zu 1 auf eine Aufklärung über die chirurgischen Risiken des Eingriffs beschränken und musste nicht auch noch - wie die Revision meint - über die Risiken der für den Eingriff erforderlichen Anästhesie aufklären.
b)
Das Berufungsgericht hat die Einwilligung in den Eingriff mit Recht nicht deshalb für unwirksam erachtet, weil - worauf die Revision abheben will - der Beklagte zu 1 das Aufklärungsgespräch nur mit der Mutter der Klägerin geführt hat.
aa)
Nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Senatsurteile BGHZ 144, 1, 4; 105, 45, 47 ff.) bedarf es bei einem minderjährigen Kind in den Fällen, in denen die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam zusteht, zu einem ärztlichen Heileingriff der Einwilligung beider Elternteile. Jedoch wird man jedenfalls in Routinefällen davon ausgehen können, dass der mit dem Kind beim Arzt erscheinende Elternteil ermächtigt ist, die Einwilligung in die ärztliche Behandlung für den abwesenden Elternteil mitzuerteilen, worauf der Arzt in Grenzen vertrauen darf, solange ihm keine entgegenstehenden Umstände bekannt sind. In anderen Fällen, in denen es um ärztliche Eingriffe schwererer Art mit nicht unbedeutenden Risiken geht, wird sich der Arzt darüber hinaus vergewissern müssen, ob der erschienene Elternteil die Ermächtigung des anderen hat und wie weit diese reicht; er wird aber, solange dem nichts entgegensteht, auf eine wahrheitsgemäße Auskunft des erschienenen Elternteils vertrauen dürfen. Darüber hinaus kann es angebracht sein, auf den erschienenen Elternteil dahin einzuwirken, die vorgesehenen ärztlichen Eingriffe und deren Chancen und Risiken noch einmal mit dem anderen Elternteil zu besprechen. Geht es um schwierige und weit reichende Entscheidungen über die Behandlung des Kindes, etwa um eine Herzoperation, die mit erheblichen Risiken für das Kind verbunden sind, dann liegt eine Ermächtigung des einen Elternteils zur Einwilligung in ärztliche Eingriffe bei dem Kind durch den anderen nicht von vornherein nahe. Deshalb muss sich der Arzt in einem solchen Fall die Gewissheit verschaffen, dass der nicht erschienene Elternteil mit der vorgesehenen Behandlung des Kindes einverstanden ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 105, 45, 47 ff.).
bb)
Im Streitfall führte der Beklagte zu 1 zwar das Aufklärungsgespräch allein mit der Mutter der Klägerin. Er konnte aber - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - aufgrund der vorliegenden Umstände davon ausgehen, dass auch der Vater einverstanden war.
Nach den Feststellungen des sachverständig beratenen Berufungsgerichts handelte es sich im Streitfall aus chirurgischer Sicht um einen relativ einfachen Eingriff. Der Vater der Klägerin war in der Praxis mit erschienen, er begleitete lediglich seine Ehefrau nicht in das Behandlungszimmer, in dem das Aufklärungsgespräch stattfand. Er hatte jedoch nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts ein einschlägiges Aufklärungsformular erhalten, dieses ausgefüllt und es - ebenso wie seine Ehefrau - unterschrieben. Unter diesen Umständen durfte der Beklagte zu 1 davon ausgehen, dass der Vater der Klägerin die Mutter ermächtigt hatte, das Aufklärungsgespräch allein zu führen. Dass der Vater der Klägerin - wie sie behauptet - von der Sprechstundenhilfe des Beklagten zu 1 davon abgehalten worden sein soll, ihrer Mutter in das Behandlungszimmer zu folgen, hat das Berufungsgericht gerade nicht festgestellt und musste es deshalb - entgegen der Auffassung der Revision - seiner Beurteilung auch nicht zugrunde legen.
3.
Entgegen der Auffassung der Revision ist es rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht aufgrund der getroffenen Feststellungen von einer hinreichenden Aufklärung über die Risiken der Anästhesie durch den Beklagten zu 2 ausgegangen ist.
aa)
Das Berufungsgericht ist in tatrichterlicher Würdigung verfahrensfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt, dass der Beklagte zu 2 den Vater der Klägerin in einem Telefongespräch zwei Tage vor der Operation in gebotenem Umfang vollständig und zutreffend über die Risiken der Anästhesie aufgeklärt hat. Der Auffassung der Revision, dass das Telefongespräch nicht den Anforderungen genügte, die der Senat an ein vertrauensvolles Gespräch zwischen Arzt und Patient stellt, kann unter den besonderen Umständen des Streitfalles nicht gefolgt werden.
bb)
Grundsätzlich kann sich der Arzt in einfach gelagerten Fällen auch in einem telefonischen Aufklärungsgespräch davon überzeugen, dass der Patient die entsprechenden Hinweise und Informationen verstanden hat. Ein Telefongespräch gibt ihm ebenfalls die Möglichkeit, auf individuelle Belange des Patienten einzugehen und eventuelle Fragen zu beantworten (vgl. Senatsurteil BGHZ 144, 1, 13). Dem Patienten bleibt es unbenommen, auf einem persönlichen Gespräch zu bestehen. Handelt es sich dagegen um komplizierte Eingriffe mit erheblichen Risiken, wird eine telefonische Aufklärung regelmäßig unzureichend sein.
cc)
Das Aufklärungsgespräch betraf im Streitfall die typischen Risiken einer Anästhesie im Zusammenhang mit einem - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - eher einfachen chirurgischen Eingriff. Die Anästhesie hatte gewisse, durchaus erhebliche, aber insgesamt seltene Risiken. Nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts dauerte das Telefonat 15 Minuten und wurde von dem Vater der Klägerin selbst als angenehm und vertrauensvoll bezeichnet. Unter diesen Umständen begegnet es aus revisionsrechtlicher Sicht keinen Bedenken, dass das Berufungsgericht die Vorgehensweise des Beklagten zu 2 als zulässige Möglichkeit der Aufklärung über die Risiken der Anästhesie angesehen hat. Dabei hat es mit Recht dem Umstand besondere Bedeutung beigemessen, dass der Beklagte zu 2 bei seinem Telefongespräch mit dem Vater darauf bestanden hat, dass beide Elternteile am Morgen vor der Operation anwesend sind, nochmals Gelegenheit zu Fragen erhalten und sodann ihre Einwilligung zur Operation durch Unterzeichnung des Anästhesiebogens einschließlich der handschriftlichen Vermerke erteilen. Dabei durfte der Beklagte zu 2 mangels entgegenstehender Anhaltspunkte aufgrund des vorangegangenen telefonischen Aufklärungsgesprächs mit dem Vater davon ausgehen, dass dieser bereits die vorgesehenen ärztlichen Eingriffe und deren Chancen und Risiken mit der Mutter besprochen hatte (vgl. Senatsurteil BGHZ 144, 1, 4). Soweit die Revision geltend macht, die handschriftlichen Vermerke auf dem Anästhesiebogen seien unleserlich gewesen, vermag dies angesichts der Tatsache, dass die Eltern Gelegenheit zu Fragen hatten, keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen.