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Bruch eines Provisoriums kein Behandlungsfehler

 | Gericht:  Landgericht (LG) Paderborn  | Aktenzeichen: 4 O 329/16 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie:  Gebühren

Urteilstext


Tenor

Die 4. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn hat aufgrund mündlicher Verhandlung vom 27.09.2017 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin,

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.


Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten, der Zahnarzt ist, im Zusammenhang mit einer Zahnbehandlung in der Zeit … in Anspruch.

Die Klägerin stellte sich am … in der Zahnarztpraxis des Beklagten mit entzündetem Zahnfleisch am Oberkiefer vor. Im Rahmen der vereinbarten Behandlung wurden die Zähne des Oberkiefers der Klägerin bis auf drei Zähne abgeschliffen und der Oberkiefer mit einem Piastikprovisorium versorgt. Sodann wurde ein Operationstermin im … vereinbart, bei welchem der Klägerin Stifte zum Aufbau einer Zahnprothese eingesetzt werden sollten. Der weitere Behandlungsverlauf und die genauen Behandlungstermine sind darüber hinaus zwischen den Parteien streitig.

Am … forderte die Klägerin durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten den Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes und Schadensersatz in Höhe von EUR 5.731,73 bis zum … auf.

Die Klägerin behauptet, sie haben nach dem Einsatz des ersten Provisoriums keine feste Nahrung zu sich nehmen können und sich nicht artikulieren können. Zudem habe sich das Provisorium immer wieder gelöst und sei auseinandergebrochen. Sie habe den Beklagten daher um ein besseres Provisorium gebeten, der Beklagte habe dies aber mit der Begründung abgelehnt, dass bis zur endgültigen Versorgung keine bessere Behandlung möglich sei. Auch Versuche, ein Provisorium aus einem anderen Material anzupassen, seien gescheitert.

Nach dem Einsatz der Stifte im August sei vereinbart worden, dass die Klägerin zum nächsten Termin im Oktober erscheinen solle. Bis dahin solle sie das angefertigte Provisorium zunächst weiter tragen. Dieses löste sich jedoch mehrmals im Monat und brach auch erneut.

Weiter behauptet die Klägerin, sie habe seit dem Abschleifen der Zähne unter offenliegenden Nerven gelitten und habe vor Schmerzen nicht schlafen gekonnt.

Aufgrund der durch die Beschwerden verursachten psychischen und physischen Schwäche sei die Klägerin immer weiter abgemagert, wodurch das Provisorium noch schlechter gesessen habe und immer wieder herausgefallen sei.

Im Oktober habe der Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass noch bis Ende März mit der Endbehandlung gewartet werden müsse, da noch eine weitere Regeneration des Zahnfleisches notwendig gewesen sei. Nachdem die Klägerin ihn auf eine erhebliche Gewichtsabnahme hingewiesen habe, habe er ihr nur geraten, Schokolade zu lutschen.

Ferner behauptet die Klägerin, am    sei ihr im Schlaf erneut das Provisorium gebrochen. Wegen der Weihnachtsfeiertage habe sie die Praxis des Beklagten erst am … aufsuchen können, wo ihr ein Kollege des Beklagten gemeinsam mit einem Zahntechniker zu einem Keramik-Provisorium geraten habe, welches ihr in der nächsten Woche eingesetzt worden sei. Auch dieses Provisorium habe aber nicht korrekt gepasst und einen Überbiss gebildet. Dies habe dazu geführt, dass die Klägerin nur noch habe lispeln können. Zudem sei das Keramik-Provisorium alle 2-3 Tage herausgefallen und sei darüber hinaus deutlich heller gewesen, so dass die Klägerin um ein Blesching der Zähne am Unterkiefer gebeten habe. Dies sei jedoch so schmerzhaft gewesen, dass es habe abgebrochen werden müssen.

Insgesamt sei die Behandlung deutlich zu lange gewesen und hätte in einem Zeitraum von zwei oder drei Monaten erfolgen können. Zudem hätte der Beklagte ihr ein besser haltendes Provisorium anpassen müssen. Für die durch die Behandlung entstandenen Schmerzen und Beeinträchtigungen sei ein Schmerzensgeld von EUR 15,000,00 angemessen. Zudem habe sie nach Abbruch der Behandlung in der Praxis … ein anderes Provisorium anpassen lassen müssen. Auch diese Kosten in Höhe von EUR 5.731,73 seien durch den Beklagten zu tragen. Zudem müsse der Beklagte auch die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägerin in Höhe von EUR 1,348,27 zahlen, welche durch die Klägerin ausgeglichen seien.

Die Klägerin beantragt,

1.
den Beklagten zu verurteilt, ihr ein angemessenes Schmerzensgeld nach Ermessen des Gerichts für die Zahn-/Zahnersatzbehandlung in seiner Praxis für den Zeitraum … zu zahlen;

2.
den Beklagten zu verurteilt, an sie EUR 5.731,73 nebst fünf % Zinsen über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem    zu zahlen;

3.
den Beklagten zu verurteilen, ihr außergerichtliche Anwaltsgebühren i. H. v. EUR 1.348,27 zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die Klägerin sei vor der Behandlung umfassend über die festgestellten Befunde, die notwendigen Behandlungsmöglichkeiten mit sämtlichen Alternativen und die mit der Behandlung verbundenen Risiken aufgeklärt worden.

Die Klägerin habe ihm nach dem Einsatz des ersten Provisoriums auch nicht um ein besseres Provisorium gebeten, sondern dies sei eine gemeinsame Therapieentscheidung gewesen. Zudem sei vor der weiteren Behandlung der Klägerin ein längerer Zeitkorridor notwendig gewesen, da bei der Klägerin zunächst Knochenaufbau vorgenommen worden sei und danach abgewartet werden müsse, bis Implantate gesetzt werden könnten. Ein Termin im … sei nicht vereinbartgewesen, vielmehr habe die Klägerin sich nach der Behandlung im … erst in sechs
Monaten wieder melden sollen. Die Klägerin sei auch nicht am … in der Praxis des Beklagten vorstellig geworden. Tatsächlich sei die Klägerin am letztmalig in der Praxis des Beklagten erschienen und habe bekundet, dass es ihr gut gehe. Bei diesem Termin sei auch eine Reinigung des Provisoriums durchgeführt worden.

Auch sei die Klägerin nicht im Januar zum Bleaching vorstellig geworden. Vielmehr sei bereits am … ein Bleaching durchgeführt worden. Dies sei in zwei Terminen geschehen und ohne Behandlungsunterbrechung wegen Schmerzen der Klägerin abgelaufen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch ein zahnärztlich-oralchirurgisches Gutachten des Sachverständigen … welches dieser    vorgelegt hat. Auf den Inhalt des schriftlichen Gutachtens vom … wird Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

I.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung des beantragten Schmerzensgeldes aus §§ 630a, 280 I, 823, 249 I, 253 II BGB.

Es konnte kein Behandlungsfehler des Beklagten festgestellt werden.

Die Kammer folgt mit ihrer Einschätzung dabei der Darstellung des Sachverständigen …, der in seinem schriftlichen Gutachten vom … einen Behandlungsfehler nicht feststellen konnte.

Die ärztlichen Pflichten sind auf eine Behandlung und Versorgung des Patienten gerichtet, in der Regel mit dem Ziel der Wiederherstellung seiner körperlichen und gesundheitlichen Integrität, die den Regeln der ärztlichen Kunst, d. h., mindestens dem im Zeitpunkt der Behandlung geltenden medizinischen Standard des jeweiligen Fachgebiets entspricht. Standard ist, was auf dem betreffenden Fachgebiet dem gesicherten Stand der medizinischen Wissenschaft entspricht und in der medizinischen Praxis zur Behandlung der jeweiligen gesundheitlichen Störung anerkannt ist. Der Arzt muss unter Einsatz der von ihm nach diesem Standard zu fordernden sowie seiner speziellen und darüber hinausgehenden persönlichen medizinischen Kenntnisse und Fähigkeiten im konkreten Fall, d. h., unter Berücksichtigung der konkreten Umstände der Behandlung, vertretbar über die diagnostisch und therapeutisch zu treffenden Maßnahmen entscheiden und diese sorgfältig durchführen, insbesondere diejenigen Maßnahmen ergreifen, die von einem gewissenhaften, aufmerksamen Arzt nach dem Standard seines Fachgebiets in dieser Situation erwartet werden dürfen (vgl. Palandt, BGB, § 630a Rdnr. 9, 10; BGH, NJW 2015, 1601; BGH, NJW-RR 2014, 1053).

1.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen … erfolgte die Behandlung der Klägerin entsprechend der fachlichen Regeln. Der Klägerin wurde weder ein ungeeignetes Provisorium eingesetzt, noch erfolgte die weitere Versorgung behandlungsfehlerhaft.

Der Sachverständige    hat anhand der Behandlungsunterlagen festgestellt, dass der Klägerin zunächst am ... ein Kurzzeitprovisorium eingesetzt wurde, welches am … durch ein Langzeitprovisorium ersetzt wurde, welches mit TempBond NE befest.gt wurde. Am … habe sich die Klägerin wegen eines Bruchs des Provisoriums vorgestellt, welcher durch einen Zahntechniker korrigiert wurde. Zudem sei vermerkt worden, dass ein neues Langzeitprovisorium gefertigt werden sollte, wenn das Alte erneut brechen würde.

Am … habe die Klägerin sich erneut wegen eines Bruchs des Langzeitprovisoriums vorgestellt, wobei der Sachverständige aus den Behandlungsunterlagen nicht sicher entnehmen konnte, ob daraufhin der Einsatz eines vorab gefertigten neuen Langzeitprovisorium erfolgte. Hiervon gehe er jedoch anhand des weiteren Behandlungsverlaufs aus.

Am … habe sich auch das neue Langzeitprovisorium gelöst und sei erneut mit TempBond NE befestigt worden. Am ... sei zudem ein kleiner Riss des Langzeitprovisoriums gefunden worden und es sei erneut geplant worden ein neues Provisorium herzustellen. Am … habe sich die Klägerin sodann mit einem erneuten Bruch des Provisoriums vorgestellt weicher mit Tetric Flow A3 repariert worden sei.

Am … sei dann der Einsatz eines neuen Langzeitprovisoriums erfolgt, welches wieder mit TempBond NE befestigt worden sei.

Am … habe sich die Klägerin erneut mit einem Bruch des Provisoriums vorgestellt und es sei eine Wiederbefestigung erfolgt. Zudem sei der Klägerin geraten worden, ein metallarmiertes Langzeitprovisorium fertigen zu lassen.

Am … sei dann vermerkt worden, dass das Provisorium zurzeit halten würde und am … sei dann der Einsatz des metallarmierten Provisoriums erfolgt, welches laut Eintrag gut gesessen habe.

Am … sei vermerkt worden, dass es der Klägerin gut gehe, sich das Provisorium allerdings am … wieder gelöst habe. Es wurde erneut mit TempBond NE befestigt.

Insgesamt bewertet der Sachverständige diesen Ablauf nicht als fehlerhaft. Die notwendigen Behandlungsschritte zum Erstellen eines Provisoriums seien durchgeführt worden. Zwar sei es insgesamt sieben Mal zu einem Bruch gekommen, hieraus folgert der Sachverständige aber keinen Mangel der Behandlung, da die Behandlungsschritte, die zum Erstellen von Provisorien notwendig seien, nach den zahnärztlichen Behandlungsregeln durchgeführt worden seien. Angaben zum Material des Provisoriums könne er dabei nicht sicher machen, da dies in der Behandlungsakte nicht vermerkt worden sei, üblich seien aber Provisorien aus Kunststoff. Auch eine Versorgung mit einem metallverstärkten Provisorium sei bei großen Versorgungen über längere Zeiträume üblich. Der von der Klägerin behauptete Einsatz eines Keramikprovisoriums ungefähr eine Woche nach dem 05.01.2016 sei aus der Akte nicht ersichtlich. Entsprechend könne er auch keine Aissage zu dessen Sitz machen.

2.
Auch eine überlange Behandlungszeit konnte der Sachverständige anhand der Behandlungsunterlagen nicht bestätigen.

Vielmehr sei bei einer Versorgung mit Implantaten eine gewisse Einheilzeit zu berücksichtigen. Diese liegt nach Angaben des Sachverständigen … im Bereich von drei bis sechs Monaten, so dass im Falle der Klägerin keine Verzögerung der Behandlung feststeilbar sei, da diese sich ungefähr in diesem Zeitraum bewegt habe.

3.
Soweit die Klägerin darüber hinaus offenliegende Nerven und durch Schmerzen verursachte Schlaflosigkeit behauptet, konnte der Sachverständige Dr. … schon nicht bestätigen, dass durch die Behandlung überhaupt Nerven offen gelegt worden seien. Die Klägerin habe laut Behandlungsunterlagen nur am 27 11.2014 angegeben, unter empfindlichen Zähnen zu leiden, besonders bei Kälte. Hiernach sei eine Prothesenreinigung durchgeführt worden. Dies sei aber - so der Sachverständige … - kein Hinweis auf freiliegende Nerven.

4.
Die Kammer folgt bei allen vorstehenden Ausführungen den Feststellungen des Sachverständigen … .Der Sachverständige hat im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens vom 28.05.2017 die Beweisfragen nachvollziehbar und überzeugend beantworten können.

Soweit Feststellungen in tatsächlicher Sicht, insbesondere im Wege einer Untersuchung der Klägerin durch den Sachverständigen … nicht getroffen werden konnten, da die Klägerin sich einer entsprechenden Untersuchung nicht unterzogen hat, wirkt sich dies zu Lasten der Klägerin aus, da dieser die Beweislast hinsichtlich der von ihr behaupteten Behanclungsfehler oblag.

Auf diese Folge ist die Klägerin auch per Beschluss der Kammer vom 28.02.2017 hingewiesen worden. Iri dem Beschluss wurde die Klägerin, nachdem sie zweimal nicht zu dem mit dem Sachverständigen … vereinbarten Untersuchungstermin erschienen war, eneut dazu aufgefordert, die körperliche Untersuchung mit dem Sachverständigen binnen einer Frist von drei Wochen abzustimmen und zum Termin zu erscheinen. Sollte sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, drohe ein Ausschluss des Beweismittels nach § 356 ZPO.

Der Prozessvertreter der Klägerin erklärte daraufhin mit Schriftsatz vom …, dass die Klägerin unbekannt verzogen sei und eine Begutachtung nach Aktenlage erfolgen solle.

Ferner erschien die Klägerin auch im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27.09.2017 nicht, so dass auch im Rahmen des Termins keine weitere Aufklärung des Sachverhalts getroffen werden konnte.

II.
Mangels vorwerfbarem Behandlungsfehler haben auch die Anträge auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von EUR 5.731,73 und der Antrag auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten keine Aussicht auf Erfolg.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S.1 und 2 ZPO.


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