Urteilstext
Tenor
1.
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 28. Mai 2003 - 3 Sa 321/02 - wird zurückgewiesen.
2.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung der Jahresprämie 2000.
Die Klägerin war bei der Beklagten in der Zeit vom 10. Januar 2000 bis zum 30. April 2001 als Finanzbuchhalterin beschäftigt. Sie verdiente seit Juni 2000 monatlich 4.000,00 DM bzw. 2.045,17 Euro brutto. Nach § 4 Ziff. 4 des zwischen den Parteien vereinbarten Arbeitsvertrages war die Zahlung des Gehalts jeweils am letzten Tag des Monats fällig. Die Beklagte versprach der Klägerin mit Schreiben vom 28. November 2000 die Zahlung einer Jahresprämie. Das Schreiben hat, soweit hier von Interesse, folgenden Wortlaut:
"Jahresprämie 2000
…
Als Anerkennung für Deine Leistungen in diesem Geschäftsjahr und als Ansporn für die vor uns liegende schwierige Phase ist die Prämie gedacht. Deine Jahresprämie 2000 beträgt:
4.000,00 DM
Da die Finanzdisposition schwierig ist, müssen wir die Zahlung auf zwei Monate verteilen: 50 % Deiner Prämie werden wir mit der Gehaltsabrechnung Dezember und die anderen 50 % mit der Januar-Abrechnung auszahlen.
Bitte beachte, daß die Voraussetzung für diese Prämie Deine Betriebszugehörigkeit bis mindestens 30.06. 2001 ist."
Mit der Abrechnung Dezember 2000 und Januar 2001 zahlte die Beklagte die Jahresprämie zu je 50 % aus. Die Klägerin kündigte in der 14. Kalenderwoche des Jahres 2001 das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der auch arbeitsvertraglich vorgesehenen Frist des § 622 Abs. 1 BGB zum 30. April 2001. In der Abrechnung für den Monat April zog die Beklagte daraufhin 2.045,17 Euro brutto als "Weihnachtsgeldrückzahlung" vom Gehalt der Klägerin ab. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 23. Mai 2001 erfolglos auf, die einbehaltene Jahresprämie bis spätestens 6. Juni 2001 an die Klägerin zu zahlen.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte die gewährte Sonderzahlung zu Unrecht zurückgefordert habe. Die bis zum 30. Juni 2001 reichende Bindungsfrist sei unwirksam. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum zulässigen Bindungszeitraum bei Zahlung einer Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Monatseinkommens habe die Klägerin bis zum 31. März 2001 mehrere bestehende Kündigungsmöglichkeiten ausgelassen und erst eine nach dem 31. März 2001 liegende Kündigungsmöglichkeit gewählt. Im Übrigen müsse auch Berücksichtigung finden, dass die Beklagte die Jahresprämie in zwei Teilbeträgen gezahlt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.045,17 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 6. Juni 2001 zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, eine freiwillige Jahresprämie von einem Monatsgehalt könne mit einer Bindung bis 30. Juni des Folgejahres und mit einem entsprechenden Rückzahlungsvorbehalt verbunden werden. Das müsse aus Gründen der Rechtssicherheit auch vor dem Hintergrund der durch das Kündigungsfristengesetz vom 7. Oktober 1993 geänderten Kündigungsfristen gelten. Die Höhe der Jahresprämie liege hier sogar über dem durchschnittlichen Bruttogehalt des Jahres 2000.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
I.
Das Landesarbeitsgerichts hat angenommen, der Anspruch auf Zahlung des vollen Gehalts für den Monat April 2001 sei nicht nach § 389 BGB erloschen, weil ein aufrechenbarer Rückzahlungsanspruch der Beklagten hinsichtlich der im Dezember 2000 und Januar 2001 ausgezahlten Jahresprämie in Höhe von 2.045,17 Euro nicht bestehe. Die Zahlung einer Jahresprämie in Höhe eines Monatsgehalts habe die Klägerin nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen insoweit an das bestehende Arbeitsverhältnis binden können, als diese gehalten gewesen sei, das Arbeitsverhältnis erst nach dem 31. März 2001 zum nächstmöglichen Kündigungstermin zu beenden. Genau so habe sich die Klägerin mit der zum 30. April 2001 ausgesprochenen Kündigung verhalten. Die in dem Schreiben vom 28. November 2000 vorgesehene Rückzahlungsklausel sei insoweit unwirksam, als sie die Klägerin bis zum 30. Juni 2001 binde. Ob für die zulässige Dauer der Bindung auf die Höhe der gezahlten Teilbeträge abzustellen sei, bedürfe folglich keiner Entscheidung.
II.
Dem folgt der Senat sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung.
1.
Die Klägerin hat gem. § 611 BGB Anspruch auf Zahlung des Gehalts für April 2001 in Höhe von 2.045,17 Euro brutto. Dieser Anspruch ist, ganz abgesehen von den Pfändungsfreigrenzen (§ 394 BGB iVm. §§ 850 ff. ZPO), nicht durch Aufrechnung mit einem Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der Jahresprämie gem. §§ 387 ff. BGB erloschen, denn der Beklagten stand ein solcher Anspruch nicht zu.
2.
Zwar durfte die Beklagte die Gewährung der Jahresprämie grundsätzlich mit einem Rückzahlungsvorbehalt für den Fall verbinden, dass die Klägerin für eine gewisse Zeit weiterhin im Arbeitsverhältnis verblieb. Auch wenn das Schreiben der Beklagten vom 28. November 2000 keine ausdrückliche Rückzahlungsverpflichtung für den Fall vorsah, dass die Klägerin die dort vorgesehene Bindungsfrist nicht einhielt, würde die Nichterfüllung der in der Bindungsklausel vorgesehenen Anspruchsvoraussetzung jedenfalls eine Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin gem. § 812 BGB begründen, wenn diese Klausel wirksam wäre. Derartige Bindungs- und Rückzahlungsklauseln dürfen einen Arbeitnehmer allerdings nicht in unzulässiger Weise in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) behindern. Sie unterliegen insoweit einer Inhaltskontrolle durch die Arbeitsgerichte gem. § 242 BGB (vgl. jetzt § 307 BGB).
a)
Nach den vom Bundesarbeitsgericht dazu entwickelten Grundsätzen hätte die Beklagte die Klägerin, wenn auf die Höhe der im Januar 2001 geleisteten Teilzahlung abzustellen wäre, allenfalls bis 30. April binden dürfen, da der Teilbetrag unter einem Monatsgehalt lag (vgl. dazu BAG 21. Mai 2003 - 10 AZR 390/02 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 250 = EzA BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 9, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
b)
Nichts anderes ergäbe sich, wenn stattdessen auf den Gesamtbetrag der von der Beklagten gewährten Jahresprämie 2000 abgestellt würde. Dann betrüge dieser genau ein Monatsgehalt. Dass die Klägerin im Jahr 2000 im Durchschnitt weniger als monatlich 4.000,00 DM verdient hatte, ist unerheblich, denn abzustellen ist insoweit auf das bei Auszahlung der Jahresprämie maßgebliche Monatsgehalt (BAG 20. März 1974 - 5 AZR 327/73 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 82 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 41).
Der Klägerin war es in diesem Fall nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur zuzumuten, über den 31. März 2001 hinaus zu bleiben und erst zum nächstmöglichen Kündigungstermin nach dem 31. März 2001 zu kündigen (vgl. BAG 10. Mai 1962 - 5 AZR 452/61 - BAGE 13, 129; 10. Mai 1962 - 5 AZR 353/61 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 23; 27. Oktober 1978 - 5 AZR 754/77 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 99 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 61; 9. Juni 1993 -10 AZR 529/92 - BAGE 73, 217; 21. Mai 2003 - 10 AZR 390/02 - AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 250 = EzA BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 9, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Dörner/Luczak/Wildschütz Arbeitsrecht in der anwaltlichen und gerichtlichen Praxis 2. Aufl. C Rn. 691; MünchArbR/Hanau § 69 Rn. 49; Kittner/Zwanziger/Schoof Arbeitsrecht § 54 Rn. 42). Auch dann durfte die Klägerin das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2001 kündigen, ohne dass sie die Jahresprämie zurückzahlen musste.
Die Angleichung der Kündigungsfristen von Angestellten und Arbeitern in § 622 BGB gibt keine Veranlassung zur Änderung dieser Rechtsprechung. Auch früher konnten Arbeitgeber und ihre Angestellten bereits eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende vereinbaren. Auch jetzt wäre es den Parteien unbenommen gewesen, beidseitig längere Kündigungsfristen zu vereinbaren.
3.
Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 288 iVm. § 284 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.