Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 29.01.2015 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (3 O 251/11) aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Düsseldorf zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I. Der Kläger begehrt von den Beklagten, zwei Zahnärzten, im Anschluss an eine Zahnbehandlung Schmerzensgeld und Ersatz eines Verdienstausfallschadens sowie die Feststellung zukünftiger Ersatzpflicht. Er suchte am 09.12.2008 wegen akuter Zahnschmerzen die Praxis des Beklagten zu 1. auf, bei dem der Beklagte zu 2. als angestellter Zahnarzt beschäftigt war und ist. Der Beklagte zu 2. behandelte den Kläger und zog ihm die Zähne 16, 17 und 48. Der Kläger ließ sich noch am Tag der Zahnbehandlung, am Abend des 09.12.2008, wegen des Eintritts einer starken Nachblutung mit einem Rettungswagen zur Universitätsklinik D… verbringen. Dort wurde der Kläger stationär aufgenommen. Weil sich sein Zustand fortlaufend verschlechterte und er unter anderem ein Multiorganversagen, ein temporäres Leberversagen und beidseitiges dauerhaftes Nierenversagen, erlitt, wurde er am 12.12.2008 auf die Intensivstation überführt. Dort wurde er am 13.12.2008 erstmals dialysiert. Es kam beim Kläger zudem zu einer Abszessbildung im Bereich der rechten Wange. Am 17.12.2008 wurde deshalb eine erste Wangeninzision durchgeführt. Postoperativ musste der Kläger intubiert werden. Am 25.12.2008 wurde es nötig, ihm einen Luftröhrenschnitt zu setzen.
Im zugehörigen Operationsbericht heißt es: „Bei dem Patienten besteht eine unklare Sepsis sowie eine zu erwartende langfristige Beatmungspflicht.“ Weil sich das Entzündungsgeschehen weiterentwickelte, wurde am 01.01.2009 eine erneute Wangeninzision notwendig. Auf seinen Wunsch wurde der Kläger am 12.01.2009 in das für ihn wohnortnähere D…-B…-Klinikum N… verlegt. Am 17.01.2009 wurde dort eine abermalige extraorale Abszesseröffnung notwendig.
Am 23.01.2009 wurde der Kläger aufgrund erneuter Verschlechterung seines Gesundheitszustands, unter anderem infolge einer Pneumonie und akuten Lungenembolie, auf die Intensivstation verlegt. Am 24.01.2009 wurde erneut eine Abszessrevision durchgeführt. Aus stationärer Behandlung entlassen wurde der Kläger am 18.02.2009. Ausweislich eines Arztberichts des Neubrandenburger Klinikums vom 27.02.2009 wurde beim Kläger im Abstrich eines Trachealsekrets ein MRSE-Keim diagnostiziert. Während eines erneuten stationären Aufenthalts vom 22.06. bis 26.06.2009 wurde der Luftröhrenschnitt des Klägers operativ verschlossen.
Seit dem 12.01.2009 muss sich der Kläger dreimal wöchentlich der Dialyse unterziehen, nach anfänglichen Behandlungen im Nierenzentrum N… inzwischen an seinem Wohnort in N…. Die Wangeninzisionen beim Kläger führten zu einer Verletzung des Gesichtsnervs mit der Folge einer Lähmung der rechten Wangenseite sowie einer starken Vernarbung. Der Kläger unterzog sich deshalb bei stationärem Krankenhausaufenthalt vom 18. bis 25.11.2009 am 19.11.2009 erstmals einer kosmetischen Operation, deren Ergebnis jedoch noch nicht befriedigend war.
Aus diesem Grund unterzog sich der Kläger im Rahmen eines weiteren stationären Aufenthalts vom 28.01. bis 04.02.2010 einer Eigenfetttransplantation aus der Bauchdeckenmitte in den Bereich der Einziehung der rechten Wange sowie einer nochmaligen Narbenkorrektur. Zwar hat sich die narbige Einziehung der rechten Wange dadurch gebessert. Außer den Kläger immer noch belastenden Narben sind aber eine Mundwinkelschwäche und ein nervöses Zucken der rechten Gesichtshälfte verblieben. Wegen der Lähmung des Gesichtsnervs hat der Kläger zudem Schwierigkeiten beim Essen. Deswegen und aufgrund seiner Nierenerkrankung musste er seine Ernährung vollständig umstellen. In seinen Freizeitaktivitäten ist er sehr eingeschränkt, bisher ausgeübte Sportarten kann er nicht mehr betreiben. Seit dem 01.07.2009 erhält der Kläger, der zuvor als Baggerfahrer beschäftigt war, eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Der Kläger hat behauptet, er sei vom Beklagten zu 2. fehlerhaft behandelt worden, so sei die Zahnextraktion nicht indiziert gewesen. In der Praxis des Beklagten zu 1. sei es zudem zu groben Verstößen gegen Hygienevorschriften, insbesondere die Regeln der Asepsis, gekommen. Seine folgenschwere Bakterieninfektion sei hierauf zurückzuführen.
Vom 01.07.2009 bis zum 31.05.2014 habe er aufgrund der eingetretenen Erwerbsunfähigkeit einen Verdienstausfallschaden von 72.726,13 € erlitten. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagten wie bei einem groben Behandlungsfehler beweisen müssten, dass Verstöße gegen Hygienevorschriften für die Bakterieninfektion nicht ursächlich geworden seien. Im Übrigen hätte er über die Gefahr einer Blutvergiftung aufgeklärt werden müssen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000,- €, dessen genaue Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2011 zu zahlen,
2. die Beklagten darüber hinaus gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 72.726,13 € als Verdienstausfallschaden für den Zeitraum vom 01.07.2009 bis zum 31.05.2014 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.06.2014 zu zahlen,
3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm auch allen zukünftigen Verdienstausfallschaden zu ersetzen,
4. weiterhin festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden im Zusammenhang mit der streitgegen-ständlichen zahnärztlichen Behandlung vom 09.12.2008 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben behauptet, die bei der Zahnextraktion verwendeten Instrumente und Geräte würden ordnungsgemäß sterilisiert beziehungsweise seien steril. Bei der Infektion des Klägers habe es sich um rein schicksalhaftes Ereignis gehandelt.
Das Landgericht hat aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 31.10.2011, 21. und 27.11.2012, 16.05.2013, 03.09.2013, 24.02. und 07.05.2014 Beweis erhoben durch Einholung von Sachverständigengutachten, mündliche Anhörung der Sachverständigen sowie die zweifache Vernehmung der Zeugin L…, einer Zahnarzthelferin des Beklagten zu 1.
Wegen des Umfangs und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die genannten Beschlüsse sowie die zahnmedizinischen Gutachten des Sachverständigen Dr. M… vom 15.10.2012 und vom 12.02.2013 (Bl. 113-126, 166-180 GA), das internistisch-infektiologische Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B… vom 10.03.2014 (Bl. 327-341 GA) sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 21.08.2013 (Bl. 237-246 GA) und vom 17.11.2014 (Bl. 417-422 GA) Bezug genommen.
Nach Beweisaufnahme hat das Landgericht die Klage mit Urteil vom 29.01.2015, auf das wegen der weiteren Sachdarstellung gemäß § 540 ZPO verwiesen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keinen Aufklärungs- oder Behandlungsfehler nachgewiesen. Zwar sei der Kläger auf ein mögliches Infektionsrisiko nicht hingewiesen worden. Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei einem Hinweis auf dieses Risiko von der Zahnbehandlung abgesehen hätte. Ein plausibler abweichender Vortrag des Klägers hierzu fehle. Ein Behandlungsfehler durch das Ziehen der Zähne 16, 17 und 48 scheide nach dem Ergebnis der zahnmedizinischen Sachverständigengutachten aus. Der Zahn 18 habe nach den gutachterlichen Feststellungen noch nicht gezogen werden müssen. Der Kläger habe auch keinen Verstoß der Beklagten gegen die Regeln der Asepsis nachgewiesen.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen könne es trotz aller ärztlichen Vorsichtsmaßnahmen dazu kommen, dass Keime in die Operationswunde gelangten und eine Wundinfektion auslösten. Eine solche Infektion rechtfertige noch nicht den Schluss auf einen ursächlichen Hygieneverstoß in der Zahnarztpraxis des Beklagten zu 1. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die ständig in der Praxis durchgeführten Hygienemaßnahmen den Regeln der Asepsis entsprächen. Es sei nicht festzustellen, dass die Infektion des Klägers auf einen MRSE-Erreger zurückzuführen sei. Die Septikämie könne auch durch Erreger ausgelöst worden sein, die bereits im Bereich der Zähne des Klägers vorzufinden gewesen seien. Selbst bei Zugrundelegung eines Hygieneverstoßes in der Praxis des Beklagten zu 1. sei noch überwiegend wahrscheinlich, dass die beim Kläger aufgetretene Sepsis auf solche Keime zurückzuführen sei. Der Gutachter Prof. Dr. B… habe zudem festgestellt, dass „unter Zugrundelegung der (konkretisierten) Bekundungen der einvernommenen Zahnarzthelferin U… L…“ die Regeln der Asepsis im Wesentlichen eingehalten worden seien. Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 437-441 GA) Bezug genommen. Der Kläger hat gegen das ihm am 16.02.2015 zugestellte Urteil mit einem am 16.03.2015 beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er mit einem am 16.04.2015 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Der Kläger rügt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens insoweit als fehlerhaft, als es ihn für die von ihm behaupteten Verstöße gegen Hygienevorschriften für beweisfällig angesehen hat. Das Landgericht habe sich im Rahmen seiner Beweiswürdigung nicht damit auseinandergesetzt, dass die Zeugin L… bei ihrer zweiten Vernehmung anders ausgesagt habe als beim ersten Mal. Auf der Grundlage der ersten Aussage der Zeugin L…, die im Einklang mit dem Vortrag der Beklagten in deren Schriftsatz vom 21.10.2011 gestanden habe, sei der Sachverständige Prof. Dr. B… zu dem Ergebnis gekommen, dass das von ihr beschriebene Vorgehen im Falle der Regelhaftigkeit als ein nicht mehr nachvollziehbarer Hygienefehler anzusehen sei, der nach den Kriterien des Bundesgerichtshofs als grober Fehler einzustufen sei. Die Zeugin habe ihre Aussage nach Vorliegen dieses Gutachtens angepasst. Im Übrigen habe die Zeugin keine ordnungsgemäße Händedesinfektion vor dem Anziehen der Handschuhe bekundet. Eine solche werde von ihm, dem Kläger, mit Nichtwissen bestritten. Insoweit mache er sich auch den Vortrag der Beklagten zu Eigen, dass die Aussage der Zeugin korrekt war. Bei einem groben Hygienefehler müssten die Beklagten beweisen, dass die Infektion auf in seinem Mund zuvor vorhandene Keime zurückzuführen sei. Ausreichend hierfür sei, dass der Fehler generell zur Schadensverursachung geeignet sei, wahrscheinlich brauche der Erfolgseintritt nicht zu sein. Im Übrigen lasse sich auch mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass der später isolierte MRSE-Keim für die bakterielle Infektion ursächlich gewesen sei. Es sei wenig wahrscheinlich, dass er sich damit erst in der Klinik infiziert habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 29.01.2015, Az. 3 O 251/11, wird abgeändert und die Beklagten werden verurteilt:
1. an ihn gesamtschuldnerisch ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 50.000,00 € jedoch nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01. Januar 2011 zu zahlen,
2. ihm gesamtschuldnerisch einen Verdienstausfallschaden in Höhe von 72.726,13 € für den Zeitraum 01. Juli 2009 bis 31. Mai 2014 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 24.06.2014 zu zahlen,
3. es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger gesamtschuldnerisch den über den 31. Mai 2014 hinaus entstehenden weiteren Verdienstausfallschaden zu ersetzen,
4. es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger gesamtschuldnerisch sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus der zahnärztlichen Behandlung vom 09. Dezember 2008 resultieren, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden, hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht Düsseldorf zurückzuverweisen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und führen hierzu aus, dass die Zeugin ihre Aussage nicht angepasst habe. Im Rahmen der ersten Vernehmung am 21.08.2013 sei im Hinblick auf die Bewertung der Angaben durch den anwesenden Sachverständigen Dr. M… lediglich auf eine vollständige Protokollierung verzichtet worden. Aus ihrem, der Beklagten, Schriftsatz vom 21.10.2011 zitiere der Kläger falsch. Mit Schriftsatz vom 28.05.2015 hat der Kläger vorgetragen, in der Praxis des Beklagten zu 1. seien ungeachtet der angepassten Aussage der Zeugin L… schwere Hygienemängel zu verzeichnen. So müssten die manuell gereinigten Instrumente, was die Zeugin nicht bekundet habe, im Dampfsterilisator zunächst unverpackt thermisch behandelt werden, bevor sie in verpackter Form sterilisiert werden dürften.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 15.04.2015 (Bl. 494-520 GA) und seinen Schriftsatz vom 28.05.2015 (Bl. 545-553 GA) sowie die Berufungserwiderung der Beklagten vom 15.05.2015 (Bl. 538-544 GA) und ihren Schriftsatz vom 09.06.2015 (Bl. 556-557 GA) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Berufung hat im Umfang des Hilfsantrags des Klägers Erfolg.
Auf diesen Antrag ist das angefochtene Urteil gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO nach pflichtgemäßem Ermessen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Die Voraussetzungen hierfür liegen vor.
Die Aufhebung und Zurückverweisung ist hier mit Blick auf das insoweit eingeräumte Ermessen auch deshalb sachgerecht, weil es wahrscheinlich ist, dass das Landgericht die Sache in personell unveränderter Besetzung erneut verhandeln wird. Die zu erwartende personelle Kontinuität eröffnete die Möglichkeit, auf etwaiges noch vorhandenes richterliches Wissen über den Verlauf bisheriger Zeugenvernehmungen zurückzugreifen.
1. Das Verfahren im ersten Rechtszug leidet an einem wesentlichen Mangel im Sinne von § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Der Mangel liegt in einer lückenhaften Beweiswürdigung, die einen wesentlichen Verfahrensfehler darstellt (vgl. Heßler, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 538 ZPO Rn. 28). Mit Recht rügt die Berufung, dass das Landgericht die Aussage der Zeugin L… nicht ausreichend gewürdigt habe. Das Landgericht hat sich für die Klageabweisung ohne nähere Erläuterung und Begründung auf die Angaben der Zeugin L… aus der Vernehmung vom 17.11.2014 gestützt. Es hat in den Entscheidungsgründen nicht dargelegt, warum dies geschieht und warum den protokollierten Bekundungen der Zeugin aus ihrem ersten Vernehmungstermin, die hiervon deutlich abwichen, die sich der Kläger zu Eigen gemacht hat und die für seine Behauptung sprachen, in der Zahnarztpraxis sei in grober Weise gegen Hygienevorschriften verstoßen worden, demgegenüber nicht zu folgen ist.
Das Landgericht hat sich mit der aus den Protokollen ergebenden Aussagedivergenz nicht auseinandergesetzt. Abweichungen ihrer Aussagen hat es der Zeugin im Rahmen ihrer zweiten Vernehmung nicht vorgehalten. Zwar mag es sein, dass die erste Vernehmung der Zeugin lediglich unvollständig geblieben ist oder unvollständig protokolliert worden ist. Ausführungen, aus denen dies zuverlässig gefolgert werden könnte, finden sich im angefochtenen Urteil aber nicht. Dort wird im Zusammenhang mit der zweiten Aussage der Zeugin lediglich von „(konkretisierten) Bekundungen“ gesprochen, obwohl die Prozessbevollmächtigte des Klägers ausweislich des Protokolls noch im Termin vom 17.11.2014 erklärte, dass sie die Angaben der Zeugin im Rahmen der zweiten Vernehmung wegen des Abweichens der Bekundungen von der früheren Aussage im Termin vom 21.08.2013 nicht für glaubhaft halte.
2. Infolge des wesentlichen Mangels des Verfahrens bedarf es nunmehr einer erneuten umfangreichen Beweisaufnahme im Sinne von § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Die Zeugin L… ist zur Behebung des Verfahrensmangels in Anwesenheit des Sachverständigen Prof. Dr. B… zur Aufklärung der Divergenz ihrer protokollierten Aussagen nochmals zu vernehmen. Die Abweichungen in ihren Aussagen sind ihr vorzuhalten. Gegebenenfalls, auf entsprechenden Antrag einer der Parteien, wird auch der Sachverständige Dr. M… noch als Zeuge zum Ablauf des Termins vom 21.08.2013 vernommen werden müssen. Abschließend wird der Sachverständige Prof. Dr. B… das Ergebnis der Beweisaufnahme erneut aus sachverständiger Sicht zu bewerten haben. Diese Beweisaufnahme ist nicht entbehrlich, sondern ihr Ausgang ist entscheidungserheblich.
Der Kläger ist erstinstanzlich für von ihm behauptete Behandlungsfehler, die nicht im Zusammenhang mit Verstößen gegen Hygienevorschriften stehen, sowie für die Behandlung ursächlich gewordene Aufklärungsfehler beweisfällig geblieben. Der Kläger hat sie nicht mehr zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht. Die Berufung stützt sich allein auf die behauptete Verletzung von Hygienevorschriften. Wären der Entscheidung insoweit ausschließlich die Bekundungen der Zeugin L… aus dem Termin vom 21.08.2013 zugrunde zu legen, so wären die vom Kläger auf die Verletzung von Hygienevorschriften gestützten Ansprüche dem Grunde nach voraussichtlich gerechtfertigt. Gegenüber dem Beklagten zu 1. ergäben sie sich vertraglich aus §§ 611, 280 Abs. 1 BGB und daneben aus Delikt. Gegenüber dem Beklagten zu 2. als angestelltem Zahnarzt bestünden zwar keine vertraglichen Ansprüche, aber solche aus § 823 Abs. 1 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB kämen in Betracht.
Die Zeugin hat im Rahmen ihrer ersten Vernehmung ausweislich des Sitzungsprotokolls Folgendes bekundet: „Bei der Sterilisierung wird auch ein Thermodesinfektor eingesetzt; nach dessen Verwendung wird das eingesetzte chirurgische Instrument augenscheinlich überprüft; sofern noch „Reste“ an diesem sind, werden auch diese entfernt – in der Regel bewerkstelligt der eingesetzte Thermodesinfektor jedoch eine vollständige Reinigung […] Danach wird das Instrument / werden die Instrumente sofort in Folie verpackt und eingeschweißt.“
Nach den Gutachten vom 10.03.2014 wären die aus diesen Angaben der Zeugin zu folgernden hygienischen Mängel im Falle ihrer Regelhaftigkeit – für die bei Zugrundelegung der Angaben der Zeugin vieles spräche – wie ein grober Behandlungsfehler zu bewerten. Es widerspreche, so der Sachverständige, jeglicher Lebenserfahrung, dass die Instrumente nach der Sterilisation beim Umverpacken kontaminationsfrei aus dem Thermodesinfektor aseptisch in Folie verpackt und eingeschweißt werden könnten. Aus gutachterlicher Sicht bestehe, die Richtigkeit der Zeugenaussage unterstellt, eine unzweifelhafte Verletzung des medizinischen Standards und der ärztlichen Sorgfaltspflicht bei der Aufbereitung von Medizinprodukten, die mit Haut und Schleimhäuten der Patienten regelhaft in Berührung kommen und diese durchdringen. Es handele sich um einen nicht nachvollziehbaren Hygienefehler, der einem durchschnittlichen Zahnarzt nicht unterlaufen dürfe.
Auf der Grundlage dieser und der übrigen medizinischen Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. B… im Gutachten vom 10.03.2014 wäre – die Richtigkeit und Vollständigkeit der von der Zeugin bekundeten Tatsachen vorausgesetzt – aus rechtlicher Sicht von einem groben Hygienefehler auszugehen. Es würde sich um einen Fehler handeln, der objektiv nicht mehr verständlich wäre, weil er einem Zahnarzt schlechterdings nicht unterlaufen beziehungsweise in einer Zahnarztpraxis nicht vorkommen dürfte. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass ein grober Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetreten Art herbeizuführen, regelmäßig zu einer Umkehr der Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden führt (vgl. BGH, Urt. v. 08.01.2008 – VI ZR 118/06, Juris). Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen einem groben Verstoß gegen Hygienevorschriften (grober Hygienefehler) und einer bakteriellen Infektion im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer Behandlung kann nichts anderes gelten (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1988, 40). Für die Annahme einer Beweislastumkehr reicht es aus, dass der Fehler – wie hier – geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen. Es ist nicht erforderlich, dass der Fehler den Schaden nahelegt oder wahrscheinlich macht (BGH, Urt. v. 08.01.2008 – VI ZR 118/06, Juris). Zwar ist eine Verlagerung der Beweislast auf die Behandlungsseite ausnahmsweise dann ausgeschlossen, wenn, was der Arzt darzulegen und zu beweisen hat, jeglicher haftungsbegründende Ursachenzusammenhang gänzlich oder äußerst unwahrscheinlich ist (BGH, Urt. v. 08.01.2008 – VI ZR 118/06; Urt. v. 27.04.2004 – VI ZR 34/03, Juris).
Ausreichende Feststellungen sind hierzu bislang jedoch nicht getroffen worden. Die Fragestellung ist nicht ausdrücklich Gegenstand der Beweisaufnahme gewesen. Den vorliegenden Sachverständigengutachten lässt sich eine Antwort hierauf schon deshalb nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen. So äußert sich der infektiologische Sachverständige Prof. Dr. B… nur dahingehend, dass die „schicksalhafte Entstehung [der Sepsis] wesentlich wahrscheinlicher“ sei. Auf dieser Grundlage ist das Landgericht bei unterstelltem Hygienefehler von einer gleichwohl überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer schicksalhaften Entwicklung ausgegangen. Einer gänzlichen oder äußersten Unwahrscheinlichkeit jeglichen haftungsbegründenden Ursachenzusammenhangs steht die lediglich überwiegende Wahrscheinlichkeit eines anderen Kausalzusammenhangs jedoch nicht gleich. Wäre daher auf der Grundlage der Aussage der Zeugin L… vom 21.08.2013 von einer Beweislastumkehr auszugehen, müssten die Beklagten beweisen, dass die Hygienefehler in der Zahnarztpraxis für die Infektion des Klägers nicht ursächlich geworden sind.
Die Fragestellung ist bislang nicht ausdrücklich Gegenstand der Beweisaufnahme gewesen. Die bisherigen sachverständigen Äußerungen zur Wahrscheinlichkeit einer ausschließlich schicksalhaften Entwicklung lassen einen ausreichend sicheren Schluss auf eine fehlende Ursächlichkeit nicht zu. Die neuerliche Beweisaufnahme ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht deshalb entbehrlich, weil eine Verletzung von Hygienevorschriften bereits ungeachtet der ausweislich der Protokollierung divergierenden Bekundungen der Zeugin L… feststeht. Zwar mag die Zeugin eine Händedesinfektion vor dem Anziehen der Einweghandschuhe nicht geschildert haben. Daraus lässt sich jedoch nicht der Schluss ziehen, dass sie sich die Hände nicht desinfiziert. Vielmehr kann sie die Schilderung dieses Umstands schlicht vergessen haben. Ausweislich des Protokolls ist sie hierzu nicht ausdrücklich befragt worden. Es reicht daher nicht aus, dass der Kläger, der für Hygienemängel in der Praxis des Beklagten zu 1. darlegungs- und beweisbelastet ist, eine ordnungsgemäße Händedesinfektion mit Nichtwissen bestreitet. Soweit der Kläger nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist im Schriftsatz vom 28.05.2015 gestützt auf den Hygieneleitfaden des Deutschen Arbeitskreises für Hygiene in der Zahnmedizin erstmals vorträgt, manuell gereinigte Instrumente müssten im Dampfsterilisator thermisch behandelt werden, erst danach dürften sie in verpackter Form im Dampfsterilisator sterilisiert werden, gilt Entsprechendes. Entgegen der Annahme des Klägers lässt sich den protokollierten Angaben der Zeugin L… nicht zweifelsfrei entnehmen, dass das Vorgehen in der Praxis des Beklagten zu 1. den im Hygieneleitfaden (dort unter Nr. 4 und 5) genannten Vorgaben nicht entspricht. Eine Befragung der Zeugin zu exakt diesen Abläufen ist nicht protokolliert worden. Der Hinweis des Klägers auf ihre Aussage geht daher insoweit ins Leere und ist als Beweis seiner Behauptung, die Vorgaben des Hygieneleitfadens seien in der Zahnarztpraxis nicht eingehalten worden, nicht geeignet.
3. Neben der Aufhebung des Urteils erübrigt sich die Aufhebung des zugrunde liegenden Verfahrens, da die Beweiserhebung als solche nicht fehlerhaft, sondern allenfalls lückenhaft war, weil in ihrem Rahmen die Divergenzen der protokollierten Zeugenaussagen nicht aufgeklärt worden sind und der zur Aufhebung führende Verfahrensfehler im Übrigen in einer lückenhaften Beweiswürdigung liegt, die erst mit dem Urteil zu Tage getreten ist.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Einer Abwendungsbefugnis gemäß § 711 ZPO bedarf es ungeachtet der Nichtanwendbarkeit von § 713 ZPO im Falle der Aufhebung und Zurückverweisung nicht (vgl. OLG Düsseldorf, JurBüro 1985, 1729).
Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 152.726,13 € (Klageantrag zu 1.: 50.000,- €; zu 2.: 72.726,13 €; zu 3.: 20.000,- €; zu 4.: 10.000,- €) festgesetzt.