Urteilstext
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 5. April 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt von den Beklagten als Erben des verstorbenen Dr. B. Ersatz materiellen Schadens und Zahlung eines Schmerzensgeldes; ferner begehrt er die Feststellung, dass die Beklagten zum Ersatz künftig entstehender Schäden verpflichtet sind.
Der Kläger, damals Berufsfußballspieler, hatte zunächst am 5. Juli 1983 von Prof. Dr. K. wegen einer Erkrankung im linken Kniegelenk eine Mischung verschiedener Medikamente intraartikulär injiziert erhalten. Die Therapie sollte vom Mannschaftsarzt des Vereins des Klägers fortgesetzt werden. Wegen dessen Urlaubsabwesenheit suchte der Kläger am 8. Juli 1983 den Rechtsvorgänger der Beklagten auf, der die von Prof. Dr. K. empfohlenen Medikamente in das linke Kniegelenk injizierte. Im zeitlichen Anschluss bekam der Kläger Schmerzen, wegen derer er ab 11. Juli 1983 stationär im T.-Krankenhaus behandelt wurde. Am 12. Juli 1983 wurde dort das linke Knie operiert. Der Kläger konnte wegen seiner Kniebeschwerden längere Zeit den Beruf als Fußballspieler nicht ausüben. Er macht geltend, der Rechtsvorgänger der Beklagten habe bei der Injektion die Regeln der Hygiene nicht eingehalten und den Kläger nicht auf das erhöhte Infektionsrisiko einer Injektion in das Gelenk hingewiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen D. sei davon auszugehen, dass der Rechtsvorgänger der Beklagten bei der Injektion gegen grundlegende hygienische Selbstverständlichkeiten verstoßen habe. Das sei zwar als grober Behandlungsfehler zu werten. Der Kläger habe aber nicht bewiesen, dass dieser grobe Behandlungsfehler ursächlich für seine Beschwerden geworden sei. Eine Umkehr der Beweislast für den Kausalzusammenhang zu Lasten der Beklagten setze voraus, dass der grobe Fehler geeignet sei, die Beschwerden des Klägers herbeizuführen. Das aber lasse sich nicht mit ausreichender Gewissheit feststellen. Das Krankheitsbild spreche zwar in klinischer Hinsicht mehr für eine bakterielle Infektion als für einen Reizerguss nach einer hyperergisch-allergischen Entzündungsreaktion. Bei den Untersuchungen der Ergussflüssigkeit hätten jedoch die typischen Erreger für eine durch Hygienemängel verursachte Infektion nicht nachgewiesen werden können. Auch sei nach dem orthopädischen Gutachten R. mit Wahrscheinlichkeit von einer hyperergisch-allergischen Entzündungsreaktion des Kniegelenks auszugehen, die allerdings erst zwei bis drei Tage nach dem Eingriff aufgetreten sei. Der Kläger habe damit den ihm obliegenden Beweis nicht erbracht, dass eine Infektion und nicht eine unabhängig von Hygienemängeln aufgetretene allergische Reaktion vorgelegen habe.
Auch Aufklärungsversäumnisse fielen dem Rechtsvorgänger der Beklagten nicht zur Last. Eine Aufklärung über die Risiken der verwendeten Medikamente in der Mischinjektion sei nicht geboten gewesen. Ein besonderes aufklärungspflichtiges Risiko habe nicht bestanden. Der Kläger habe selbst vorgetragen, die verabreichten Medikamente seien nicht dazu geeignet gewesen, einen Kniegelenkserguss herbeizuführen.
II.
Das hält den Angriffen der Revision nicht stand, die sich ausschließlich gegen die Verneinung einer Haftung aus Behandlungsfehler richten.
1.
Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen D. in rechtlich beanstandungsfreier Weise davon ausgegangen, dass der Rechtsvorgänger der Beklagten am 8. Juli 1983 bei Injektion des Medikamenten-"Cocktails" in das linke Kniegelenk gegen grundlegende hygienische Selbstverständlichkeiten verstoßen hat. Dies hat es - sachverständig beraten - als groben Behandlungsfehler gewertet. Das wird von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
2.
Auf dieser Grundlage beanstandet die Revision zu Recht, dass das Berufungsgericht eine Beweislastumkehr zum Kausalzusammenhang zwischen dem groben Behandlungsfehler und den Beschwerden des Klägers verneint hat.
a)
Das Berufungsgericht geht im Ansatzpunkt zwar ohne Rechtsfehler davon aus, dass nach einem groben Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Gesundheitsschaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, zu Gunsten des Patienten von einem Ursachenzusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem eingetretenen Gesundheitsschaden auszugehen ist (st.Rspr.; vgl. Senat, BGHZ 159, 48, 53; 172, 1, 10 f.).
b)
Rechtsirrig meint das Berufungsgericht jedoch, angesichts widersprüchlicher medizinischer Stellungnahmen und der verbleibenden Ungewissheit, ob eine infektiöse oder eine hyperergisch-allergische Entzündungsreaktion des linken Kniegelenks vorgelegen habe, habe es dem Kläger oblegen, den Beweis einer Infektion zu führen. Das trifft nicht zu, verkennt die in der Rechtsprechung zur Beweislastverteilung nach groben Behandlungsfehlern aufgestellten Grundsätze und zieht nicht die gebotenen Folgerungen aus dem Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers.
Wie der erkennende Senat mehrfach (vgl. etwa Senat, BGHZ 159, 48, 54; Urteil vom 16. November 2004 - VI ZR 328/03 - VersR 2005, 228, 229) dargelegt hat, führt ein grober Behandlungsfehler - wie ihn das Berufungsgericht unter den Umständen des Streitfalls zu Recht bejaht hat - regelmäßig zur Umkehr der Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Gesundheitsschaden und dem Behandlungsfehler, wenn dieser geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen. Nahelegen oder wahrscheinlich machen muss der Fehler den Schaden hingegen nicht (vgl. Senat, BGHZ 159, 48, 54 m.w.N.). Eine Verlagerung der Beweislast auf die Behandlungsseite ist nach einem groben Behandlungsfehler nur dann ausgeschlossen, wenn jeglicher haftungsbegründende Ursachenzusammenhang äußerst unwahrscheinlich ist, sich nicht das Risiko verwirklicht hat, dessen Nichtbeachtung den Fehler als grob erscheinen lässt, oder der Patient durch sein Verhalten eine selbstständige Komponente für den Handlungserfolg vereitelt hat und dadurch in gleicher Weise wie der grobe Behandlungsfehler des Arztes dazu beigetragen hat, dass der Verlauf des Behandlungsgeschehens nicht mehr aufgeklärt werden kann (vgl. Senat, BGHZ 159, 48, 55). Diese Grundsätze verkennt das Berufungsgericht, wenn es davon ausgeht, der Kläger habe (nach grob fehlerhafter Behandlung) beweisen müssen, dass es sich um eine Infektion und nicht um eine hyperergisch-allergische Reaktion gehandelt habe.
Wie oben dargelegt, reicht es für die Haftung der Behandlungsseite nach einem groben Behandlungsfehler aus, dass der Fehler generell zur Verursachung des eingetretenen Schadens geeignet ist; wahrscheinlich braucht der Eintritt eines solchen Erfolges nicht zu sein (vgl. Senat, Urteil vom 3. Dezember 1985 - VI ZR 106/84 - VersR 1986, 366, 367). Das Berufungsgericht geht von der generellen Eignung einer intraartikulären Injektion zur Herbeiführung einer Entzündungsreaktion aus, wenn die Injektion unter Außerachtlassung grundlegender Hygieneregeln erfolgt. Es hält jedoch eine allergische Reaktion für wahrscheinlicher und will deshalb keine Beweislastumkehr anwenden, weil die Verletzung der Hygieneregeln auf eine allergische Reaktion keinen Einfluss habe. Indessen schließt dieser Gesichtspunkt eine generelle Eignung des Hygienefehlers für den Gesundheitsschaden nicht aus. Vielmehr wäre der Beweis, dass eine allergische Reaktion vorgelegen hat, Sache des grob fehlerhaft behandelnden Arztes. Eine Beweislastumkehr erfordert nämlich nicht, dass der Behandlungsfehler mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu dem eingetretenen Erfolg geführt hat, sondern lediglich dessen generelle Eignung für den konkreten Gesundheitsschaden (vgl. Senat, BGHZ 85, 212, 216 f.; Urteile vom 3. Dezember 1985 - VI ZR 106/84 - aaO; vom 28. Juni 1988 - VI ZR 217/87 - VersR 1989, 80, 81). Die Unsicherheit, ob der Schaden tatsächlich durch den groben Fehler oder durch eine andere Ursache bedingt ist, soll in einem solchen Fall die fehlerhaft behandelnde Seite aufklären. Insoweit hat das Berufungsgericht die Reichweite der Beweislastumkehr nach einem groben Behandlungsfehler ersichtlich verkannt.
Die erforderlichen Voraussetzungen für eine Ausnahme von dieser Beweislastumkehr hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, insbesondere hat es nicht festgestellt, dass eine Verursachung der Beschwerden durch die Hygienemängel äußerst unwahrscheinlich sei, zumal auch das Gutachten R., auf das sich das Berufungsurteil stützt, eine allergische Reaktion nur für wahrscheinlich, nicht aber eine bakterielle Infektion für äußerst unwahrscheinlich hält. Der Sachverständige D. hat mehr Befunde gesehen, die für eine Infektion sprechen, als Befunde, die für eine hyperergisch-allergische Reaktion sprechen. Der fehlenden Nachweisbarkeit von Infektionserregern im Punktat hat der Sachverständige dagegen keine entscheidende Bedeutung beigemessen.
c)
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung muss der Kläger auch nicht etwa eine Infektion beweisen; es genügt vielmehr, dass er den ihm entstandenen (Primär-)Schaden und die generelle Eignung des groben Fehlers zur Verursachung dieses Schadens nachweist (vgl. Senat, BGHZ 159, 48, 54; Urteile vom 3. Dezember 1985 - VI ZR 106/84 - aaO; vom 16. November 2004 - VI ZR 328/03 - aaO, jeweils m.w.N.). Diesen Beweis hat der Kläger geführt.
Primärschaden ist im Streitfall der behauptete Gelenkschaden in seiner konkreten Ausprägung (vgl. Senat, Urteil vom 21. Juli 1998 - VI ZR 15/98 - VersR 1998, 1153, 1154), also der Kniegelenkserguss mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung und der erhöhten Temperatur. In einem solchen Fall muss die grob fehlerhaft vorgehende Behandlungsseite beweisen, dass die Schädigung nicht durch den groben Behandlungsfehler - hier also nicht durch Verletzung der Hygieneregeln - hervorgerufen worden ist, so dass es zu ihren Lasten geht, wenn sie nicht eine allergische Reaktion als Schadensursache beweisen kann.
3.
Die Frage einer Haftung des Beklagten wegen eines Aufklärungsfehlers ist nicht Streitstoff der Revision geworden. Ausführungen dazu fehlen in der Revisionsbegründung. Wie eine Berufungsbegründung (dazu vgl. Senat, Urteil vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 228/05 - VersR 2007, 414) muss auch die Begründung einer uneingeschränkt zugelassenen Revision klarstellen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen der Rechtsmittelführer das Berufungsurteil angreift (vgl. Senat, Urteil vom 5. Dezember 2006 - VI ZR 228/05 - aaO). Im Streitfall hat sich die Revisionsbegründung nicht auf die Frage der Haftung wegen eines Aufklärungsfehlers erstreckt, sondern auf die Haftung wegen eines Behandlungsfehlers beschränkt. Damit hat sie Erfolg, weil das angefochtene Urteil aus den dargelegten Gründen aufzuheben ist (§ 562 Abs. 1 ZPO).
Die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung des Senats (§ 563 Abs. 3 ZPO), liegen jedoch nicht vor. Das Berufungsgericht wird die erforderlichen Feststellungen - gegebenenfalls nach weiterem Vortrag der Parteien und weiterer Beweisaufnahme - zu treffen haben (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).