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Beweisaufnahme im Arzthaftungsprozess

 | Gericht:  Oberlandesgericht (OLG) Bremen  | Aktenzeichen: 5 W 7/13 | Entscheidung:  Beschluss
Kategorie:  Schadenersatzrecht

Urteilstext

 

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten vom 15.10.2012 gegen die Anordnungen/Verfügungen des Landgerichtes vom 02.10. und 11.10.2012 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.

 

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 29.125,- € festgesetzt.

 

Gründe 

1.

Die Klägerin nimmt den Beklagten, ihren früheren Zahnarzt, wegen angeblich fehlerhafter Behandlung auf Schadensersatz in Anspruch. Mit Beweisbeschluss vom 26.06.2012 hat das Landgericht die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens über die behaupteten Behandlungsfehler angeordnet (Bl. 138). Mit Verfügungen des Vorsitzenden vom 02.10.2012 und vom 11.10.2012 (Bl. 160, 170) nach entsprechender Beratung der Kammer wurden die Parteien und der Sachverständige darauf hingewiesen, dass der Beklagte kein Recht auf Teilnahme an der Untersuchung der Klägerin durch den Gutacher ohne deren Einverständnis habe. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Beschwerde vom 15.10.2012. Da die Klägerin einer Anwesenheit des Beklagten nicht zugestimmt hat, erfolgte ihre Untersuchung durch den Gutachter am 18.10.2012 ohne die Teilnahme des Beklagten; das schriftliche Sachverständigengutachten vom 06.01.2013 liegt inzwischen vor.

 

2.

Die Beschwerde des Beklagten gegen die richterlichen Verfügungen des Kammervorsitzenden vom 02.10. und 11.10.2012 ist unzulässig.

 

a)

Wie der Beklagte nicht verkennt, sind Beweisbeschlüsse des Gerichtes gemäß § 355 Abs. 2 ZPO grundsätzlich unanfechtbar. Das gilt entsprechend - und erst recht- für die prozessleitenden Maßnahmen gemäß § 404a ZPO, die als ergänzende Anordnungen keiner weitergehenden Überprüfung durch Rechtsmittel unterliegen können als der eigentliche Beweisbeschluss selbst, dessen sachgerechter Ausführung sie dienen (so auch BGH NJW-RR 2009, 995 m.w.N.). Dabei kommt es im vorliegenden Fall für die Frage der Zulässigkeit des Rechtmittels auch nicht darauf an, ob diese Maßnahmen vom Vorsitzenden der Kammer allein, wenn auch nach Beratung, getroffen werden konnten oder entsprechend dem Wortlaut der Bestimmung eine Maßnahme der Kammer („Das Gericht hat…. zu leiten“…) erforderlich gewesen wäre.

 

b)

Ebenso zutreffend ist allerdings, worauf sich der Beschwerdeführer beruft, dass es von diesem Grundsatz der Unzulässigkeit des Rechtsmittels Ausnahmen dort gibt, wo die Durchführung der Zwischenentscheidung für eine Partei solche Nachteile mit sich bringt, die sich im weiteren Verfahren nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr vollständig beheben lassen (BGH a.a.O., m.w.N.). Ein solcher Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Ihn hat der BGH nicht einmal in der genannten, vom Beklagten selbst zitierten Entscheidung bejaht, in welcher die Klägerin im Falle der Teilnahme der Beklagten an einem Ortstermin auf dem klägerischen Betriebsgelände die Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen befürchtete. Vielmehr hat der BGH die Klägerin darauf verwiesen, gegenüber der Anordnung der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme durch das Gericht von ihrem Hausrecht gegenüber der Beklagten Gebrauch zu machen und das Risiko einzugehen, dass über die Rechtmäßigkeit der Weigerung, die Beklagte an der Beweisaufnahme teilnehmen zu lassen, im Rahmen der Beweiswürdigung, ggf. unter dem Gesichtspunkt der Beweisvereitelung, zu befinden sein würde.

 

Entsprechendes gilt im - umgekehrten - vorliegenden Fall. Auch hier kann die Klägerin im Ergebnis nicht gezwungen werden, die Teilnahme des Beklagten an der Begutachtung zu dulden, derartige Zwangsmittel sieht die ZPO nicht vor (vgl. OLG Frankfurt, GesR 2011, 295). Verweigert die Klägerin dem Beklagten allerdings zu Unrecht die Teilnahme an der Begutachtung, ist der Beklagte damit keineswegs endgültig rechtsschutzlos gestellt. Vielmehr ist die Berechtigung ihrer Weigerung im Rahmen der Beweiswürdigung der im Wesentlichen von der Klägerin zu beweisenden Tatsachen durch das Landgericht zu beurteilen und ggf. im Rechtsmittelzug im Rahmen der Anfechtung der Endentscheidung zu überprüfen (BGH a.a.O.) und eventuell sogar zu korrigieren (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.).

 

Zu Unrecht beruft sich der Beklagte daher auf eben diese Entscheidung als Beispielsfall für einen unwiederbringlichen Nachteil für eine Partei, wenn ein Rechtsmittel gegen einen Beweisbeschluss nicht zugelassen wird. Zwar hat das OLG Frankfurt a.a.O. einen solchen Fall in der Tat bejaht, allerdings genau für die umgekehrte Konstellation, in der nämlich dem Zahnarzt die Teilnahme an der Begutachtung gestattet worden ist und zum Schutze der Rechte der Patientin dieser ein Beschwerderecht hiergegen zugestanden wurde, weil in der Tat die unberechtigte Teilnahme an dem Termin durch den Beklagten und die damit verbundene Verletzung des Persönlichkeitsrechtes der Klägerin faktisch nicht mehr korrigiert werden können (so ausdrücklich OLG Frankfurt, a.a.O., a.E.), insbesondere nicht durch Beweiserleichterungen welcher Art auch immer.

 

c)

Einer Beantwortung der streitigen Frage, inwieweit der beklagte Zahnarzt ein Anwesenheitsrecht bei der gutachterlichen Untersuchung seiner früheren Patientin hat, bedarf es wegen der Unzulässigkeit des Rechtsmittels daher an dieser Stelle derzeit nicht (zum Meinungsstand vgl. auch insoweit OLG Frankfurt, a.a.O.).

 

d)

Bei diesen Gegebenheiten kann es auch dahingestellt bleiben, ob das Rechtsmittel vorliegend auch schon deshalb unzulässig ist, weil die Begutachtung - und auch die Erstellung des Gutachtens - bereits erfolgt sind und die begehrte Teilnahme seitens des Beklagten am Termin somit ohnehin nicht mehr möglich ist. Seiner Beschwerde dürfte daher das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, da er einen eventuell rechtswidrigen Ausschluss von der Begutachtung nur noch, allerdings auch ausreichend, auf anderem Wege geltend machen kann, wie oben im einzelnen dargetan.

 

3.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO. Die Höhe des Streitwertes richtet sich nach dem Wert der Hauptsache, ähnlich wie in dem Verfahren betreffend ein Befangenheitsgesuch gegen den Sachverständigen, da es hier wie dort letztlich um die Verwertbarkeit des Gutachtens in der Hauptsache geht. Nicht zufällig stützt der Beklagte auf diesen Sachverhalt nunmehr auch das entsprechende Befangenheitsgesuch gegen den Sachverständigen, ohne dass über dessen Berechtigung im Hinblick auf einen Sachverständigen, jedenfalls sofern er lediglich den gerichtlichen Anweisungen Folge leistet, hier schon zu befinden wäre.


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