Kontakt

Betriebsübergang und Kündigungsschutz

 | Gericht:  Bundesarbeitsgericht (BAG) Erfurt  | Aktenzeichen: 8 AZR 397/06 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Arbeitsrecht

Urteilstext

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 6. März 2006 - 8/1 Sa 465/04 - wird zurückgewiesen.

 

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten sowie über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 31. Juli 2004 hinaus.

 

Die Klägerin war seit 1993 bei verschiedenen Rechtsvorgängern der Beklagten, zuletzt bei der G GmbH & Co. Handels KG und seit dem 1. Juni 2003 bei der Beklagten als Kassiererin/Verkäuferin in einem Lebensmittelmarkt beschäftigt. Mit Schreiben vom 30. März 2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 2004. Im Zeitpunkt der Kündigung beschäftigte die Beklagte vier Arbeitnehmer mit 25 Wochenstunden, einen Arbeitnehmer mit zehn Wochenstunden.

 

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung. Sie ist der Ansicht, das Kündigungsschutzgesetz finde Anwendung. Nachdem bei der G GmbH & Co. Handels KG mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien, bleibe ihr der Kündigungsschutz auch nach dem Betriebsübergang auf die Beklagte erhalten. Dies folge aus Sinn und Zweck des § 613a BGB, wonach der Arbeitnehmer infolge des Betriebsübergangs keine Nachteile erleiden solle. Auch aus einer analogen Anwendung des § 323 UmwG ergebe sich, dass ihr bei einem Wechsel in einen Betrieb mit geringerer Belegschaftsstärke der Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz für zwei Jahre erhalten bleibe.

 

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

 

1.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30. März 2004 nicht zum 31. Juli 2004 aufgelöst worden ist;

2.

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis über den 31. Juli 2004 hinaus zu den bisherigen Bedingungen fortbesteht.

 

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, das Kündigungsschutzgesetz sei mangels ausreichender Beschäftigtenzahl im Zeitpunkt der Kündigung nicht anwendbar. Das Vorhandensein einer bestimmten Beschäftigtenzahl gem. § 23 KSchG stelle kein nach § 613a BGB übergangsfähiges Recht dar. § 323 UmwG finde mangels Regelungslücke keine entsprechende Anwendung.

 

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht in vollem Umfang abgewiesen.

 

I.

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 30. März 2004 zum 31. Juli 2004 sein Ende gefunden habe. Das Arbeitsverhältnis werde mangels Erreichen des Schwellenwertes des § 23 KSchG nicht vom Kündigungsschutzgesetz erfasst. Der Kündigungsschutz beim bisherigen Betriebsinhaber sei durch den Betriebsübergang nicht übergegangen. Der Umstand, ob ein Arbeitnehmer auf Grund der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer Kündigungsschutz genieße, sei kein Recht iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Kündigungsschutz knüpfe insoweit an die Betriebsgröße an und bestehe unabhängig vom einzelnen Arbeitsverhältnis.

 

Eine analoge Anwendung des § 323 UmwG komme nicht in Betracht, weil es sich bei dieser Norm um eine Spezialvorschrift handele, die der Gesetzgeber bewusst nicht auf den Fall eines reinen Betriebsübergangs iSd. § 613a BGB erstreckt habe. Die “Entwertung“ seiner kündigungsschutzrechtlichen Stellung habe der Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung hinzunehmen.

 

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

 

1.

Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Klageantrag zu 1) richtet. Dieses hat zu Recht die Berufung gegen das klageabweisende arbeitsgerichtliche Urteil zurückgewiesen, denn das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis hat auf Grund der ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 30. März 2004 mit Wirkung zum 31. Juli 2004 sein Ende gefunden. Die Kündigung ist wirksam. Sie war nicht auf ihre soziale Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 1 KSchG hin zu überprüfen, da das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung findet. Sonstige Gründe für die Unwirksamkeit der Kündigung sind nicht ersichtlich und werden von der Klägerin in der Revision auch nicht mehr geltend gemacht.

 

a)

Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung der Beklagten vom 30. März 2004 bestand zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis.

 

Ein Erfolg im Kündigungsschutzprozess setzt nach der punktuellen Streitgegenstandstheorie voraus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung noch oder überhaupt ein Arbeitsverhältnis besteht (Senat 30. September 2004 - 8 AZR 462/03 - BAGE 112, 124 = AP BGB § 613a Nr. 275 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 28; 18. April 2002 - 8 AZR 346/01 - AP BGB § 613a Nr. 232 = EzA BGB § 613a Nr. 207) . Hiervon ist im Streitfall auszugehen, obwohl das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen zu dem - von den Parteien nicht in Frage gestellten - Betriebsteilübergang auf die Beklagte zum 1. Juni 2003 getroffen hat. Die Parteien gehen auch in der Revision übereinstimmend davon aus, dass die Beklagte den Lebensmittelmarkt, in dem die Klägerin beschäftigt war, im Wege eines Betriebsteilübergangs gemäß § 613a BGB erworben hat. Anhaltspunkte dafür, dass diese Rechtsauffassung unzutreffend sein könnte, sind nicht ersichtlich. Damit ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf die Beklagte übergegangen (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB).

 

b)

Auf dieses Arbeitsverhältnis findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung, denn im Betrieb der Beklagten waren in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt.

 

Der im Arbeitsverhältnis mit der Betriebsveräußerin, der G GmbH & Co. Handels KG, auf Grund der Überschreitung des in § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG vorgesehenen Schwellenwertes zugunsten der Klägerin begründete Kündigungsschutz besteht im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht fort.

 

aa)

Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 30. März 2004 beschäftigte die Beklagte in dem Lebensmittelmarkt 3,5 Arbeitnehmer und unterschritt damit den für das vor dem 1. Januar 2004 begründete Arbeitsverhältnis gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG maßgeblichen Schwellenwert von mehr als fünf Arbeitnehmern. Als sog. Kleinbetrieb fiel der Lebensmittelmarkt damit nicht in den Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes, so dass die Klägerin keinen Kündigungsschutz nach den §§ 1 ff. KSchG genießt.

 

bb)

Demgegenüber bestand für die Klägerin vor dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in dem Arbeitsverhältnis mit der G GmbH & Co. Handels KG Schutz nach §§ 1 ff. KSchG, da der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG in diesem Betrieb nach übereinstimmender Darstellung der Parteien überschritten wurde. Die G GmbH & Co. Handels KG unterhielt mehrere von einer Zentrale aus geleitete Verkaufsfilialen und bildete damit insgesamt einen Betrieb iSd. § 23 Abs. 1 KSchG mit der Folge der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes in allen Filialen, auch wenn diese im Einzelfall selbst den Schwellenwert ggf. nicht überschritten (vgl. hierzu BAG 26. August 1971 - 2 AZR 233/70 - AP KSchG 1969 § 23 Nr. 1 = EzA KSchG § 23 Nr. 1) .

 

cc)

Der auf Grund der Belegschaftsstärke bei der vormaligen Arbeitgeberin der Klägerin über § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG vermittelte Kündigungsschutz besteht nach dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nicht fort. Ein Fortbestand des Kündigungsschutzes trotz Unterschreiten des Schwellenwertes gemäß § 23 Abs. 1 KSchG folgt nach zutreffender Auffassung der Vorinstanzen weder aus § 613a Abs. 1 BGB noch aus einer analogen Anwendung des § 323 Abs. 1 UmwG. Der im Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsveräußerer auf Grund der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer erwachsene Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz geht nicht mit dem Arbeitsverhältnis gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Betriebserwerber über, wenn in dessen Betrieb die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG nicht vorliegen. Das Erreichen des Schwellenwertes des § 23 Abs. 1 KSchG und der dadurch entstehende Kündigungsschutz sind kein Recht iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 KSchG.

 

(1)

Nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt der Betriebserwerber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Betriebs(teil)übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.

 

Ausdrücklich findet sich in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Definition dessen, was unter “Rechte und Pflichten“ iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zu verstehen ist. In der Entscheidung des Neunten Senats vom 7. September 2004 (- 9 AZR 631/03 - BAGE 112, 23 = AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 17 = EzA BGB 2002 § 611 Personalrabatt Nr. 1) wird lediglich ausgeführt, dass grundsätzlich alle bestehenden Ansprüche des Arbeitnehmers erfasst würden. In den Entscheidungen vom 27. Juni 2002 (- 2 AZR 270/01 - BAGE 102, 58 = AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 15 = EzA KSchG § 1 Nr. 55) und vom 18. September 2003 (- 2 AZR 330/02 - AP BGB § 622 Nr. 62 = EzA BGB 2002 § 622 Nr. 2) hat der Zweite Senat seine - der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum im Übrigen entsprechende - Auffassung, die früheren Beschäftigungszeiten seien nach einem Betriebsübergang anzurechnen, damit begründet, dass nur so dem Schutzzweck des § 613a Abs. 1 BGB und der Richtlinie 77/187/EWG bzw. deren Ergänzung durch die Richtlinie 98/50/EG Rechnung getragen werde. Danach solle dem Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Inhabers eines Betriebs oder Unternehmens die Wahrung seiner Rechte gewährleistet bleiben. Die Regelung gewähre einen Inhaltsschutz und wolle insbesondere verhindern, dass eine Betriebsveräußerung zum Anlass eines Abbaus der erworbenen Besitzstände der Arbeitnehmer genommen werde. Danach gehören die früheren Beschäftigungszeiten zu den Rechten iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB.

 

Nach dem Schrifttum werden davon die individualrechtlichen Vereinbarungen unter Einschluss derjenigen tarifvertraglichen Regelungen, die durch Bezugnahme auf einen Tarifvertrag Bestandteil des Einzelarbeitsvertrages geworden sind, erfasst (MünchKommBGB/Müller-Glöge 4. Aufl. § 613a Rn. 78; ErfK/Preis 7. Aufl. § 613a BGB Rn. 66; KR-Pfeiffer 8. Aufl. § 613a BGB Rn. 101) . Hierzu zählen etwa die Dauer der Unternehmens- oder Betriebszugehörigkeit und die davon abhängigen Rechtspositionen (vgl. Staudinger/Annuß BGB 2005 § 613a Rn. 208) .

 

(2)

Die im Streitfall erhebliche Frage, ob der durch die Arbeitnehmerzahl gemäß § 23 Abs. 1 KSchG vermittelte Kündigungsschutz nach §§ 1 ff. KSchG ein Recht iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ist, war bislang kaum Gegenstand der Rechtsprechung oder von Erörterungen im arbeitsrechtlichen Schrifttum.

 

Das Hessische Landesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung vom 28. Januar 1983 (- 13 Sa 827/82 -) ausgeführt, ein Betriebsteilübergang führe nicht zu einer Perpetuierung des gegenüber dem Betriebsveräußerer erworbenen Kündigungsschutzes. Der Übergang der Rechte und Pflichten bedeute kündigungsrechtlich nur, dass die bisherige Betriebszugehörigkeit zur Anrechnung komme und der Betriebsübergang als solcher nicht als Kündigungsgrund in Betracht komme. § 613a BGB führe nicht zu einer Außerkraftsetzung des § 23 Abs. 1 KSchG, denn er beabsichtige nicht, die Voraussetzungen für den allgemeinen Kündigungsschutz zu erleichtern oder eine eigenständige kündigungsschutzrechtliche Regelung zu treffen. Ein anderes Verständnis hätte zur Folge, dass der Arbeitnehmer auf Grund des Betriebsübergangs auf Dauer gegen ein Absinken der für die Anwendbarkeit des KSchG maßgeblichen Arbeitnehmerzahl abgesichert wäre. Sein Arbeitsverhältnis wäre so gegenüber der vor der Betriebsübernahme bestehenden Rechtslage privilegiert.

 

Im Schrifttum vertritt Wickler (Die Arbeitgeberkündigung beim rechtsgeschäftlichen Betriebsinhaberwechsel S. 107) unter Bezugnahme auf das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts die Auffassung, der allgemeine Kündigungsschutz entfalle, wenn der Betriebsteilübergang zu einem Absinken der Beschäftigtenzahl führt. Auch v. Hoyningen-Huene/Linck (KSchG 14. Aufl. § 23 Rn. 20) , Schalle (Der Bestandsschutz der Arbeitsverhältnisse bei Unternehmensumwandlungen S. 324 f.) und Gaul (Das Arbeitsrecht der Betriebs- und Unternehmensspaltung § 20 Rn. 2 ff.) sind der Ansicht, dass der Kündigungsschutz - soweit nicht ein Fall des Rechtsmissbrauchs vorliegt - verloren geht. Allein der von der Klägerin zitierte Pfeiffer (in HaKo KSchG 2. Aufl. § 23 Rn. 31) meint, aus § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ergebe sich der Erhalt des Kündigungsschutzes.

 

Es muss davon ausgegangen werden, dass der weit überwiegende Teil der Rechtslehre eine solche Folge nicht § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB entnimmt. Dies gilt zumindest für diejenigen, die für den Fall, dass der Schwellenwert des § 23 Abs. 1 KSchG - wie im Streitfall - im Zuge eines Betriebs(teil)übergangs unterschritten wird, eine analoge Anwendung des § 323 Abs. 1 UmwG prüfen (so HWK/Willemsen 2. Aufl. § 323 UmwG Rn. 19; Willemsen NZA 1996, 791; APS/Steffan 2. Aufl. § 323 UmwG Rn. 17; Willemsen in Kallmeyer UmwG 3. Aufl. § 323 Rn. 19; Buschmann ArbuR 1996, 285; Kittner/Däubler/Zwanziger-Zwanziger KSchR 6. Aufl. § 323 UmwG Rn. 15; Däubler RdA 1995, 136; Hanau in Hromadka Arbeitsrecht und Beschäftigungskrise S. 81, 89 ff.; Dreher in Bernsau/Dreher/Hauck Betriebsübergang § 613a BGB Rn. 191) . Denn einer solchen Prüfung bedürfte es nicht, wenn sich diese Rechtsfolge unmittelbar aus § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ergäbe.

 

(3)

Der Senat teilt die Auffassung der überwiegenden Meinung im Schrifttum, dass der gemäß § 23 Abs. 1 KSchG von der Belegschaftsstärke abhängige Kündigungsschutz nach den §§ 1 ff. KSchG kein Recht iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ist. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Erreichen des Schwellenwertes des § 23 Abs. 1 KSchG ist kein Recht, sondern allenfalls Tatbestandsvoraussetzung für ein Recht. Der Kündigungsschutz nach den §§ 1 ff. KSchG selbst bedarf keiner individualrechtlichen Vereinbarung, sondern ergibt sich kraft Gesetzes unabhängig vom Willen der Arbeitsvertragsparteien. Erst, wenn seine Geltung unabhängig vom Eingreifen der gesetzlichen Voraussetzungen individualvertraglich vereinbart wird, begründet er ein iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergangsfähiges Recht.

 

Auch mit dem von dem Zweiten Senat in den zitierten Entscheidungen vom 27. Juni 2002 (- 2 AZR 270/01 - BAGE 102, 58 = AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 15 = EzA KSchG § 1 Nr. 55) und vom 18. September 2003 (- 2 AZR 330/02 - AP BGB § 622 Nr. 62 = EzA BGB 2002 § 622 Nr. 2) näher dargelegten Schutzzweck des § 613a BGB und der ihm zugrunde liegenden Richtlinie lässt sich eine gegenteilige Auffassung nicht begründen. Danach soll die Regelung insbesondere verhindern, dass eine Betriebsveräußerung zum Anlass eines Abbaus der erworbenen Besitzstände der Arbeitnehmer genommen wird. Der in einem Arbeitsverhältnis wegen des Überschreitens des Schwellenwertes bestehende Kündigungsschutz iSd. §§ 1 ff. KSchG zählt nicht zum erworbenen Besitzstand eines Arbeitnehmers, denn er kann bei einer Veränderung der tatsächlichen Grundlagen jederzeit entfallen. Er wächst - anders als die Dauer der Betriebszugehörigkeit - nicht an. Vor einem Wegfall des Kündigungsschutzes ist der Arbeitnehmer auch bei dem Betriebsveräußerer nicht geschützt. Hätte ein Betriebsteilübergang nun zur Folge, dass der Arbeitnehmer den Kündigungsschutz entgegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG behielte, hätte dies eine Aufwertung und Erstarkung dieser Rechtsposition zur Folge, die ohne den Betriebsteilübergang nicht erfolgt wäre. Anders als die Klägerin annimmt, bestünde der Kündigungsschutz bei einem “Übergang“ iSd. § 613a Abs. 1 BGB auch nicht nur ein oder zwei Jahre, sondern vielmehr ohne zeitliche Begrenzung und bis zu einer einvernehmlichen oder einseitigen Änderung. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse auf Grund des Betriebsteilübergangs auf den Erwerber übergehen, würden dadurch auch besser gestellt als die im Restbetrieb verbleibenden Arbeitnehmer, in dem nun ggf. ebenfalls nicht mehr der Schwellenwert des § 23 KSchG erreicht wird.

 

Dass der Verlust des durch die Arbeitnehmerzahl vermittelten Kündigungsschutzes infolge eines Betriebsteilübergangs durch § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht verhindert werden soll, lässt sich darüber hinaus der Wertentscheidungen des Gesetzgebers an anderer Stelle entnehmen, so zuletzt in der Normierung der Unterrichtungspflicht gemäß § 613a Abs. 5 BGB durch das Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom 23. März 2002 (BGBl. I S. 1163). Nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB haben der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die betroffenen Arbeitnehmer über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer zu unterrichten. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucks. 14/7760 S. 19) heißt es:

 

“Die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Betriebsübergangs ergeben sich vor allem aus den unverändert weitergeltenden Regelungen des § 613 a Abs. 1 bis 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Das betrifft Fragen der Weitergeltung oder Änderung der bisherigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, der Haftung des bisherigen Arbeitgebers und des neuen Inhabers gegenüber dem Arbeitnehmer sowie des Kündigungsschutzes.“

 

Im Schrifttum wird damit ausdrücklich eine Unterrichtungspflicht über eine Verschlechterung des kündigungsschutzrechtlichen Status (so Schnitker/Grau BB 2005, 2238) bzw. über das Nichtbestehen von Kündigungsschutz beim Erwerber, wenn die erforderliche Arbeitnehmerzahl nach § 23 KSchG nicht erreicht wird (so Worzalla NZA 2002, 353, 355) , verbunden. Besteht aber eine Verpflichtung über den Verlust des Kündigungsschutzes zu unterrichten, so kann der bei dem Betriebsveräußerer auf Grund der Überschreitung des Schwellenwertes erwachsene Kündigungsschutz nicht auf Grund § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB erhalten bleiben.

 

Dieser Schluss lässt sich auch aus Rechtsprechung und Schrifttum zum Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber ziehen. So hat der Senat in seiner Entscheidung vom 18. März 1999 (- 8 AZR 190/98 - BAGE 91, 129 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 41 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 40) zusammengefasst ausgeführt, dass bei der Prüfung der sozialen Gesichtspunkte die Gründe für den Widerspruch zu berücksichtigen sind. Nur wenn der widersprechende Arbeitnehmer einen baldigen Verlust seines Arbeitsplatzes oder eine baldige wesentliche Verschlechterung seiner Arbeitsbedingungen zu befürchten habe, könne er Arbeitskollegen, die nicht ganz erheblich weniger schutzbedürftig seien, verdrängen. In seiner Entscheidung vom 24. Februar 2000 (- 8 AZR 167/99 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 47 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 104) stellt der Senat in den Entscheidungsgründen unter III 2 c ff konkret darauf ab, das Landesarbeitsgericht habe nicht festgestellt, dass der Kläger in einen Kleinbetrieb gewechselt sei. Im Schrifttum wird im Rahmen der Diskussion, ob ein dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechender Arbeitnehmer bei einer anstehenden betriebsbedingten Kündigung in die Sozialauswahl einzubeziehen ist, als sog. objektiv vertretbarer Grund für den Widerspruch auch der Verlust des Kündigungsschutzes bei dem Erwerberbetrieb wegen des Unterschreitens des Schwellenwertes genannt (vgl. ErfK/Preis § 613a BGB Rn. 104; HWK/Willemsen/Müller-Bonanni § 613a BGB Rn. 361; Staudinger/Annuß § 613a Rn. 194; MünchKommBGB/Müller-Glöge § 613a Rn. 128) . Bildet der Verlust des Kündigungsschutzes bei dem Betriebserwerber indes einen - jedenfalls nach alter Rechtslage zum Kündigungsschutzgesetz - vertretbaren Widerspruchsgrund, so schließt dies gleichzeitig den Erhalt desselben durch § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB aus.

 

(4)

Dieses Auslegungsergebnis, der Verlust des durch die Arbeitnehmerzahl vermittelten Kündigungsschutzes bei Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB wegen Unterschreitung des maßgeblichen Schwellenwertes gemäß § 23 Abs. 1 KSchG im Erwerberbetrieb, steht auch nicht im Widerspruch zu den europarechtlichen Grundlagen der Vorschrift des § 613a BGB. Dasselbe Ergebnis wird nämlich auch im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung der Norm erzielt.

 

(a)

Die Vorschrift des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ist zwar anlässlich der Novellierung des BetrVG mit Wirkung vom 19. Januar 1972 in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen worden. In Umsetzung der Richtlinie 77/187/EWG vom 14. Februar 1977 (ABl. EG Nr. L 61/26 vom 5. März 1977, zuletzt geändert durch RL 2001/23/EG vom 12. März 2001, ABl. EG Nr. L 82/16) wurde die Vorschrift des § 613a BGB mehrfach erweitert. Da die Vorschrift in der jetzigen Fassung auf der Richtlinie beruht, ist sie im Zweifel insgesamt unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs europarechtskonform auszulegen (Senat 13. November 1997 - 8 AZR 82/95 -; 11. September 1997 - 8 AZR 555/95 - BAGE 86, 271 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 16 = EzA BGB § 613a Nr. 153; 22. Mai 1997 - 8 AZR 101/96 - BAGE 86, 20 = AP BGB § 613a Nr. 154 = EzA BGB § 613a Nr. 149; ErfK/Preis § 613a BGB Rn. 1; MünchKommBGB/Müller-Glöge § 613a Rn. 1; HWK/Willemsen § 613a BGB Rn. 2) .

 

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG lautet:

 

“Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.

...“

 

Was Rechte und Pflichten iSd. Vorschrift sind, wird in der Richtlinie nicht definiert.

 

(b)

Der Europäische Gerichtshof hat zu einer Streitfrage wie der hier vorliegenden bislang nicht Stellung nehmen müssen. Bei der Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG und der Herausarbeitung dessen, was Rechte und Pflichten im Sinne dieser Vorschrift sind, hat er regelmäßig auf den Schutzzweck der Richtlinie zurückgegriffen und diesen wie folgt umschrieben (26. Mai 2005 - C-478/03 - EuGHE I 2005, 4389 = AP Richtlinie 77/187/EWG Nr. 1; 14. September 2000 - C-343/98 - EuGHE I 2000, 6659 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 29 = EzA BGB § 613a Nr. 191; 15. Juni 1988 - C-101/87 - Slg. 1988, 3057; 10. Februar 1988 - C-324/86 - Slg. 1988, 739) :

 

“Nach Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie gehen die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über. Auf diese Weise soll die Richtlinie die Wahrung der Rechte der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Inhabers des Unternehmens gewährleisten, indem sie ihnen die Möglichkeit gibt, ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zu den gleichen Bedingungen fortzusetzen, wie sie mit dem Veräußerer vereinbart waren.“

 

In seiner Entscheidung vom 14. September 2000 (- C-343/98 - aaO) hatte der Europäische Gerichtshof darüber zu befinden, ob der Erwerber bei der Berechnung von finanziellen Ansprüchen, die an das Dienstalter der Arbeitnehmer anknüpfen, die bei dem Veräußerer geleisteten Jahre zu berücksichtigen hat. Nach Darlegung des Schutzzwecks der Richtlinie wies er zunächst darauf hin, dass das Dienstalter, das die übernommenen Arbeitnehmer bei ihrem früheren Arbeitgeber erworben hätten, als solches kein Recht darstelle, das die Arbeitnehmer gegenüber ihrem neuen Arbeitgeber geltend machen könnten. Es diene vielmehr dazu, bestimmte finanzielle Rechte zu bestimmen und diese Rechte müssten ggf. vom Erwerber in gleicher Weise, wie sie beim Veräußerer bestanden hätten, aufrechterhalten werden. Die Dienstjahre seien daher bei der Berechnung finanzieller Rechte zu berücksichtigen, soweit sich diese Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Veräußerer ergeben habe, und gemäß den im Rahmen dieses Verhältnisses vereinbarten Modalitäten.

 

In den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 18. Januar 2000, auf die der Europäische Gerichtshof ausdrücklich Bezug nimmt, heißt es dazu ausführlicher, Art. 3 der Richtlinie verlange, dass ein Anspruch hinsichtlich seiner beiden Elemente, also hinsichtlich des Anspruchsgrundes als auch hinsichtlich der Anspruchshöhe übergehe. Der Erwerber sei verpflichtet, die Anspruchshöhe nach dem Berechnungsmodus zu ermitteln, der beim Veräußerer Anwendung gefunden habe.

 

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG aber im Streitfall nicht maßgeblich. Denn der über den Schwellenwert nach § 23 Abs. 1 KSchG vermittelte Kündigungsschutz gemäß den §§ 1 ff. KSchG ist kein Recht, welches auf einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber beruht, sondern folgt - wie oben bereits erwähnt - unabhängig vom Willen der Arbeitsvertragsparteien aus dem Gesetz.

 

Aber auch ungeachtet dessen besteht keine Verpflichtung des Betriebserwerbers aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG, den bei dem Veräußerer bestehenden Kündigungsschutz trotz Absinkens des Schwellenwertes, zu gewähren. Zwar ergibt sich aus den Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs und des von ihm in Bezug genommenen Schlussantrags des Generalanwalts, dass zur Ermittlung des Inhalts eines Rechts iSd. Art. 3 Abs. 1 der bei dem Veräußerer geltende Modus heranzuziehen ist. Auch dieser richtet sich im Streitfall nach dem Gesetz, nämlich § 23 Abs. 1 KSchG und ist damit abhängig von der jeweiligen Beschäftigtenzahl im Betrieb, einer auch bei dem Veräußerer veränderbaren Größe. Nach diesen gesetzlichen Vorgaben ist der Arbeitgeber insbesondere nicht verpflichtet, von dem einmal erreichten Schwellenwert trotz späterer Veränderungen zugunsten der Arbeitnehmer dauerhaft auszugehen.

 

(c)

Der Senat ist nicht verpflichtet, die Frage, ob Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 77/187/EWG dahingehend auszulegen ist, dass auch ein von der Belegschaftsstärke im Betrieb des Arbeitgebers abhängiger Kündigungsschutz auf den Betriebserwerber übergeht, gemäß Art. 234 Abs. 1 EG dem Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorzulegen.

 

Nach Art. 234 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 EG ist das Bundesarbeitsgericht als letztinstanzliches Gericht verpflichtet, den Europäischen Gerichtshof anzurufen, soweit in einem anhängigen Verfahren über die Auslegung von Gemeinschaftsrecht zu befinden ist. Von einer Anrufung kann es nur dann absehen, wenn der Europäische Gerichtshof über die Auslegungsfrage bereits entschieden hat, oder wenn die zutreffende Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für ernsthafte Zweifel kein Raum besteht (EuGH 6. Oktober 1982 - 283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Slg. 1982, 3415 = AP EWG-Vertrag Art. 177 Nr. 11; BAG 20. November 2001 - 1 AZR 97/01 - BAGE 99, 377 = AP BetrVG 1972 § 113 Nr. 39 = EzA BetrVG 1972 § 113 Nr. 29; 21. Mai 1992 - 2 AZR 449/91 - BAGE 70, 238 = AP BGB § 613a Nr. 96 = EzA BGB § 613a Nr. 103; 22. Juni 1993 - 1 AZR 590/92 - BAGE 73, 269 = AP GG Art. 3 Nr. 193 = EzA GG Art. 3 Nr. 40) . Ob ein solcher Fall gegeben ist, ist unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft zu beurteilen (EuGH 6. Oktober 1982 - 283/81 - aaO) .

 

Der Europäische Gerichtshof hat sich zwar bisher nicht ausdrücklich mit der - wohl nur für das deutsche Recht maßgeblichen - Frage, ob der durch das Erreichen des Schwellenwertes vermittelte Kündigungsschutz ein Recht iSv. Art. 3 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 77/187/EWG ist, befasst. Er hat sich jedoch in zahlreichen - oben bereits zitierten - Entscheidungen mit der Auslegung dieser Norm auseinandergesetzt und ist dabei immer davon ausgegangen, dass “Rechte“ in diesem Sinne grundsätzlich “vereinbarte Rechte“ sind und dass sich die Ermittlung des Inhalts eines Rechts nach den im Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer geltenden Modalitäten richtet. Im Streitfall besteht lediglich der Unterschied, dass sich nicht die Frage nach dem Inhalt, sondern nach dem Bestehen eines Rechts - des Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz - stellt. Hier muss unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs jedoch Entsprechendes gelten. Auch die Frage, ob ein Recht überhaupt besteht, richtet sich nach den im Verhältnis mit dem alten Arbeitgeber geltenden Bestimmungen. Hieraus ergibt sich zugleich, dass der Europäische Gerichtshof über die hier in Frage stehende Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG bereits entschieden hat.

 

Damit ist der durch die Überschreitung des Schwellenwertes gemäß § 23 Abs. 1 KSchG beim Betriebsveräußerer vermittelte Kündigungsschutz auch unter Berücksichtigung des europäischen Rechts kein übergangsfähiges Recht iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Das von der Klägerin reklamierte Schutzniveau bei einem Betriebs(teil)übergang gewährleistet die Richtlinie 77/187/EWG nicht. Der deutsche Gesetzgeber ist bei ihrer Umsetzung in § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB insoweit nicht über die Vorgaben der Richtlinie hinausgegangen.

 

c)

Die Kündigung der Beklagten vom 30. März 2004 ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht in analoger Anwendung des § 323 Abs. 1 UmwG anhand der Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen.

 

aa)

Gemäß § 323 Abs. 1 UmwG verschlechtert sich die kündigungsrechtliche Stellung eines Arbeitnehmers, der vor dem Wirksamwerden einer Spaltung oder Teilübertragung zu dem übertragenden Rechtsträger in einem Arbeitsverhältnis steht, auf Grund der Spaltung oder Teilübertragung für die Dauer von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens nicht. Die inhaltliche Reichweite der Vorschrift ist im Einzelnen streitig. Unstreitig ist jedoch, dass sie jedenfalls die Erhaltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes trotz Absinkens der Beschäftigtenzahl unter die maßgebliche Grenze gewährleisten soll (Willemsen in Kallmeyer § 323 Rn. 11; Joost in Lutter UmwG 3. Aufl. § 323 Rn. 11 jeweils mwN) . Dies folgt auch aus der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (UmwBerG) der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vom 1. Februar 1994 (BT-Drucks. 12/6699 S. 175), wo ausdrücklich auf das Nichterreichen der nach § 23 Abs. 1 KSchG maßgeblichen Beschäftigtenzahl hingewiesen wird.

 

Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift kommt im Streitfall mangels Vorliegen einer Spaltung oder Teilübertragung nicht in Betracht.

 

bb)

Die Frage, ob § 323 Abs. 1 UmwG auf Umstrukturierungsfälle außerhalb des Umwandlungsgesetzes, etwa wie im Streitfall auf einen Betriebsteilübergang im Wege der Einzelrechtsnachfolge, analog anzuwenden ist, ist streitig und wird von der herrschenden Meinung verneint. Soweit ersichtlich, war sie bislang noch nicht Gegenstand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung.

 

(1)

Die herrschende Meinung lehnt eine analoge Anwendung des § 323 Abs. 1 UmwG - soweit es sich nicht um Fälle des Rechtsmissbrauchs handelt - ua. deswegen ab, weil der Gesetzgeber trotz Kenntnis der Problematik von einer umfassenden Regelung abgesehen habe (so v. Hoyningen-Huene/Linck § 23 Rn. 20; Gaul § 20 Rn. 128 ff.) . Zum Teil wird überdies angemerkt, eine den Kündigungsschutz betreffende Regelungslücke liege bereits deshalb nicht vor, weil mit § 613a Abs. 4 BGB bzw. § 613a Abs. 1 BGB bereits kündigungsrechtliche Schutzvorschriften vorhanden seien (Mengel Umwandlungen im Arbeitsrecht S. 451 f.; Kittner/Däubler/Zwanziger-Zwanziger § 323 UmwG Rn. 15) . Andere sprechen sich ohne nähere Begründung - zT unter Hinweis auf den spezialgesetzlichen Charakter der Norm - gegen die analoge Anwendung des § 323 Abs. 1 UmwG aus (Willemsen in Kallmeyer § 323 Rn. 19; HWK/Willemsen § 323 UmwG Rn. 19; ders. NZA 1996, 791, 800; APS/Steffan § 323 UmwG Rn. 17; Hanau in Hromadka S. 81, 91) .

 

(2)

Die Vertreter der gegenteiligen Auffassung weisen auf die vergleichbare Sachlage im Fall der Ausgliederung und Übertragung von Betriebsteilen sowie auf die nach der herrschenden Meinung zum früheren § 321 UmwG (Übergangsmandat des Betriebsrats bei Betriebsspaltung) ohne weiteres zulässige analoge Anwendung auf Betriebsspaltungen außerhalb des Umwandlungsrechts hin und begründen so eine analoge Anwendung der Vorschrift (so Buschmann ArbuR 1996, 285, 287; Däubler RdA 1995, 136, 146) .

 

(3)

Der Senat folgt der herrschenden Lehre. Für eine analoge Anwendung der Vorschrift besteht mangels Vorliegens einer Regelungslücke kein Raum. Der Gesetzgeber wollte mit § 323 Abs. 1 UmwG eine besondere arbeitsrechtliche Schutzvorschrift allein für das Umwandlungsrecht schaffen. Dies ergibt sich zunächst aus der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (BT-Drucks. 12/6699 S. 174). Dort heißt es:

 

“Zu den §§ 321 bis 323

Die §§ 321 bis 323 sehen arbeitsrechtliche Sondervorschriften für den Fall der Spaltung oder Teilübertragung eines Rechtsträgers nach dem Dritten und Vierten Buch vor. Diese Vorschriften sind notwendig, um den Besonderheiten der neuen Rechtsinstitute der Spaltung und Teilübertragung auch arbeitsrechtlich Rechnung zu tragen.“

 

Im Übrigen wird in der Begründung des Gesetzentwurfs (S. 78) davon ausgegangen, dass sich im Bereich der Sozialpolitik bei Umwandlungen neben den Fragenkreisen Mitbestimmung, Betriebsverfassungsrecht und Tarifvertragsrecht der Fragenkreis des Rechts des einzelnen Arbeitsverhältnisses ergibt. Hierfür wird festgehalten, dass § 613a BGB gelte und dieser lediglich einer formalen Änderung (in Form des § 613a Abs. 3 BGB) bedürfe. Beides verdeutlicht, dass der Gesetzgeber von einer offenbar weitgehend generellen Geltung des § 613a BGB im Umwandlungsrecht ausgegangen ist, für die Spaltung und die Teilübertragung jedoch darüber hinausgehende Sondervorschriften mit den §§ 321 ff. schaffen wollte. Vor allem aber war ihm bewusst, dass er dabei über das Schutzniveau des ebenfalls in die Überlegungen einbezogenen § 613a BGB hinausgeht.

 

Auch der Hinweis der eine analoge Anwendung befürwortenden Auffassung auf die allgemein anerkannte analoge Anwendung des früheren § 321 UmwG auf Fälle außerhalb des Umwandlungsrechts greift nicht. Denn hier hat der Gesetzgeber mit der Schaffung des am 28. Juli 2001 in Kraft getretenen § 21a BetrVG (Gesetz zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, BGBl. I S. 1852) auf die offenbar als planwidrig empfundene Regelungslücke reagiert und ein allgemeines betriebsverfassungsrechtliches Übergangsmandat geschaffen. Eine Ergänzung des allgemeinen Kündigungsschutzrechts um eine dem § 323 Abs. 1 UmwG entsprechende Vorschrift steht jedoch aus. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat er damit erkannt, dass auch außerhalb des Umwandlungsrechts ein Bedürfnis nach allgemeinen Vorschriften bzgl. der Folgen von Betriebsteilungen besteht und ist gleichwohl nur im Betriebsverfassungsrecht normativ tätig geworden. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Normierung der Verpflichtung zur Unterrichtung über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs in § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB signalisiert, dass eine Folge des Übergangs des Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 1 BGB eine Änderung des Kündigungsschutzes sein kann. Eine analoge Anwendung des § 323 Abs. 1 UmwG zugunsten der Klägerin kommt damit nicht in Betracht.

 

d)

Die Fortgeltung des nach den §§ 1 ff. KSchG gewährten Kündigungsschutzes folgt auch nicht aus der schriftlichen Vereinbarung der Klägerin mit der G GmbH & Co. Handels KG vom 26. Mai 2003 und der dortigen Regelung, dass die Bedingungen des gültigen Arbeitsvertrages unverändert weiter gelten. Die Vereinbarung wurde bereits nicht mit der Beklagten geschlossen. Sie hat lediglich ihre Kenntnisnahme auf dem Schreiben verzeichnet. Ohne ihre Beteiligung an dieser vertraglichen Vereinbarung kann zu ihren Lasten keine Regelung getroffen werden. Es kann daher dahinstehen, ob der zitierten Regelung überhaupt im Wege der Auslegung der Fortbestand des Kündigungsschutzes entnommen werden kann.

 

e)

Somit unterfällt das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht dem Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes. Die Kündigung ist daher nicht auf ihre soziale Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 1 KSchG hin zu überprüfen. Andere Unwirksamkeitsgründe für die Kündigung sind nicht erkennbar. Sie werden von der Klägerin in der Revision auch nicht mehr geltend gemacht. Die unter Bezugnahme auf das arbeitsgerichtliche Urteil gemachten Ausführungen des Landesarbeitsgerichts hierzu werden von ihr nicht angegriffen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat folglich auf Grund der Kündigung der Beklagten vom 30. März 2004 mit Wirkung zum 31. Juli 2004 sein Ende gefunden. Die Kündigungsschutzklage war ebenso wie die Berufung und Revision der Klägerin unbegründet.

 

2.

Die Revision ist auch zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufung mit dem Klageantrag zu 2) (Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses über den 31. Juli 2004 hinaus) richtet.

 

a)

Die Klägerin hatte diesen zunächst auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren gestellten Antrag im Termin zur Verhandlung vor der Kammer wieder zurückgenommen und in der Berufung erneut gestellt. Mit der Zulässigkeit dieser entsprechend § 263 ZPO als Klageänderung zu behandelnden Klageerweiterung gemäß § 533 ZPO hat sich das Landesarbeitsgericht nicht auseinandergesetzt. Die Klägerin greift das landesarbeitsgerichtliche Urteil ausweislich der in der Revisionsbegründung angekündigten Anträge jedoch auch insoweit an. Allerdings begründet sie dies an keiner Stelle. Dies führt indes nicht zur Unzulässigkeit der Revision. Zwar gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO die Angabe der Revisionsgründe. Hat das Berufungsgericht über mehrere Streitgegenstände mit jeweils eigenständiger Begründung entschieden, muss die Revision für jeden Streitgegenstand begründet werden, andernfalls ist sie hinsichtlich des nichtbegründeten Streitgegenstandes unzulässig (BAG 13. März 2003 - 6 AZR 585/01 - BAGE 105, 205 = AP BAT § 11 Nr. 7) . Das Landesarbeitsgericht hat sich jedoch mit dem Klageantrag zu 2) in keiner Weise auseinandergesetzt, einer eigenständigen Revisionsbegründung bedurfte es daher durch die Klägerin ebenfalls nicht.

 

b)

Die von dem Landesarbeitsgericht nicht geprüfte Zulässigkeit der Klageänderung gemäß § 533 ZPO kann letztlich dahinstehen, denn die Klage ist mangels eines Feststellungsinteresses unzulässig.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - BAGE 85, 262 = AP KSchG 1969 § 4 Nr. 38 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 57; 27. Januar 1994 - 2 AZR 484/93 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 28 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 48) ist neben der gegen eine bestimmte Kündigung gerichteten Kündigungsschutzklage die Erhebung einer allgemeinen Feststellungsklage auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses möglich. Die Feststellungsklage nach § 256 ZPO setzt auch im Kündigungsschutzprozess ein besonderes Feststellungsinteresse voraus. Dieses besteht nicht schon deshalb, weil eine bestimmt bezeichnete Kündigung ausgesprochen worden und wegen dieser ein Kündigungsschutzrechtsstreits anhängig ist. Es ist vielmehr erforderlich, dass der klagende Arbeitnehmer durch Tatsachenvortrag weitere streitige Beendigungstatbestände in den Prozess einführt oder wenigstens deren Möglichkeit darstellt und damit belegt, warum dieser, die Klage nach § 4 KSchG erweiternde, Antrag zulässig sein, dh. warum an der - noch dazu alsbaldigen - Feststellung ein rechtliches Interesse bestehen soll. Hieran fehlt es im Streitfall. Die Klägerin begründet den Klageantrag zu 2) an keiner Stelle.

 

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.


Ausdruck Urteil - PDF