Bestimmung anwendbaren Rechts für einen Arzthaftungsprozess wegen unzureichender Aufklärung eines deutschen Patienten über Nebenwirkungen der Medikamentierung einer Hepatitis C-Erkrankung in einem schweizer Universitätsspital

 | Gericht:  Bundesgerichtshof (BGH) Karlsruhe  | Aktenzeichen: VI ZR 217/10 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Sonstiges

Urteilstext

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 3. August 2010 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

 

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt den beklagten Arzt wegen unzureichender Aufklärung über die mit einer Medikamenteneinnahme verbundenen Risiken auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.

 

Am 13. Juli 2004 stellte sich der in Deutschland wohnhafte Kläger in dem von dem Schweizer Kanton Basel-Stadt betriebenen Universitätsspital zur ambulanten Behandlung einer chronischen Hepatitis C-Erkrankung vor. Die Personalien des Klägers wurden in das Computersystem des Spitals aufgenommen und ein mit der Bezeichnung "Kantonsspital Basel" versehenes Deckblatt der Krankenakte erstellt. Die ersten Gespräche und Untersuchungen erfolgten am 13. und 15. Juli 2004 durch Prof. Dr. B. Am 26. Juli 2004 übernahm der beim Spital beschäftigte Beklagte die weitere Behandlung. Er verordnete dem Kläger eine medikamentöse Therapie in Form von Tabletten und Eigeninjektionen über eine Dauer von 24 Wochen, die - nach Erstinjektion im Universitätsspital am 30. Juli 2004 - am Wohnort des Klägers unter begleitender Kontrolle seines Hausarztes stattfand. Die Rechnungen für die Behandlung wurden von dem Universitätsspital Basel erstellt und von dem Kläger bezahlt. Im November 2004 brach der Kläger die Therapie ab.

 

Der Kläger, der gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB die Anwendung deutschen Rechts als des Rechts des Erfolgsortes gewählt hat, macht geltend, bei ihm seien schwere Nebenwirkungen der Medikamente aufgetreten, über die er nicht ausreichend aufgeklärt worden sei und die zu seiner Arbeitsunfähigkeit geführt hätten.

 

Das Landgericht hat mit Zwischenurteil vom 10. Juli 2006 seine internationale Zuständigkeit bejaht. Die hiergegen gerichteten Rechtsmittel des Beklagten hatten keinen Erfolg (vgl. Senatsurteil vom 27. Mai 2008 - VI ZR 69/07, BGHZ 176, 342). Mit Urteil vom 26. November 2009 hat das Landgericht die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als (endgültig) unbegründet abgewiesen wird. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts, dessen Urteil in VersR 2011, 542 veröffentlicht ist, kann der Kläger nicht gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB die Anwendung deutschen Rechts als des Rechts des Erfolgsortes verlangen. Denn der Sachverhalt weise eine wesentlich engere Verbindung zum Schweizer Recht auf (Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB). Der Kläger habe unstreitig mit dem Spital einen Behandlungsvertrag abgeschlossen, in dessen Ausführung er vom Beklagten behandelt worden sei und der eine besondere rechtliche oder tatsächliche Beziehung zwischen den Beteiligten begründe. Der Behandlungsvertrag unterliege nach Art. 27, 28 EGBGB Schweizer Recht. Die akzessorische Anknüpfung des Deliktsstatuts an das Vertragsstatut scheitere nicht daran, dass der Beklagte nicht Vertragspartei geworden sei. Wenn der Behandlungsvertrag mit dem Krankenhaus oder Spital geschlossen werde, müsse sich die deliktische Haftung für ärztliches Handeln im Rahmen des Behandlungsverhältnisses, wozu auch die Aufklärung durch den Arzt gehöre, nach der Rechtsordnung richten, die auch für den Behandlungsvertrag gelte. Erst eine solche Anknüpfung sorge dafür, dass die Interessen des Beklagten beachtet und unangemessene Ergebnisse vermieden würden, weil bei Anwendung einer anderen als der Schweizer Rechtsordnung die dort bestehenden Haftungsprivilegien keine Wirkung entfalten könnten. Das zwischen dem Kanton Basel-Stadt und dem Kläger bestehende Schuldverhältnis habe auch schon vor der behaupteten Aufklärungspflichtverletzung bestanden. Denn der Behandlungsvertrag sei konkludent mit Beginn der Behandlung des Klägers im Kantonsspital am 13. Juli 2004 zustande gekommen, während die Verordnung der Medikamente erst nach einer Reihe von Untersuchungen am 26. Juli 2004 erfolgt sei. Auch der erforderliche sachliche Zusammenhang zwischen der schuldrechtlichen Sonderbeziehung und dem Schadensereignis sei gegeben. Er sei derartigen Behandlungsverträgen immanent, da die aus dem Behandlungsvertrag folgende Aufklärungspflicht durch den behandelnden Arzt zu erfüllen sei. Eine eventuelle Vertragsverletzung sei grundsätzlich auch als deliktisches Handeln des Arztes zu qualifizieren. Auch habe der tatsächliche Schwerpunkt der ärztlichen Behandlung in der Schweiz gelegen, nachdem sich der Beklagte in ein staatliches Spital in der Schweiz begeben habe und dort von "beamteten" Ärzten behandelt worden sei. Bei Unterwerfung der Haftung eines "beamteten" Schweizer Arztes unter das deutsche Deliktsrecht sei die Souveränität des Schweizer Staates berührt. Zwar komme das sogenannte Amtsstaatsprinzip, wonach ein Staat das hoheitliche Handeln eines anderen Staats nicht seiner eigenen Hoheitsgewalt unterwerfen dürfe, beim Handeln "beamteter" Ärzte in staatlichen Krankenanstalten nicht zur Anwendung, weil es sich dabei nicht um die Ausübung hoheitlicher Rechte handele; jedoch spreche auch der hinter diesem Prinzip stehende Gesichtspunkt für eine akzessorische Anknüpfung.

 

Nach dem danach anzuwendenden Schweizer Recht sei der Beklagte von jeder Haftung frei. Er gehöre zu dem Personal im Sinne des § 1 Abs. 1 des Haftungsgesetzes, dem gegenüber der geschädigten Person nach § 3 Abs. 2 des Haftungsgesetzes kein Anspruch zustehe. Eine privatärztliche Tätigkeit des Beklagten, wie in § 9 des Spitalgesetzes normiert, behaupte der Kläger nicht; sie stünde auch im Widerspruch zur Abrechnung der Leistungen durch das Spital. Unerheblich sei, ob der Kläger als Privatpatient behandelt worden sei.

 

II.

Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

 

1.

Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nach Schweizer Recht zu beurteilen sind.

 

a)

Dieses Ergebnis folgt - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - allerdings nicht aus dem Grundsatz der kollisionsrechtlichen Sonderanknüpfung von Amtshaftungsansprüchen.

 

aa)

Nach der ganz überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung und Literatur unterliegt die außervertragliche Haftung des Staates und anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften gegenüber Privaten im Bereich des hoheitlichen Handelns nicht dem Deliktsstatut, sondern - vorbehaltlich staatsvertraglicher Sonderregelungen - dem Recht des Amtsstaates (vgl. BT-Drucks. 14/343 S. 10; BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 - III ZR 245/98, BGHZ 155, 279, 282 - Dístomo; OLG Köln, VersR 2000, 590, 591 und NJW 2005, 2860, 2861 f.; LG Rostock, NJ 1995, 489, 490 und IPRax 1996, 125, 126; Staudinger/von Hoffmann, BGB (2001), Art. 40 EGBGB Rn. 109; MünchKommBGB/Junker, 5. Aufl., Art. 4 VO (EG) 864/2007 Rn. 64, 74; jurisPK-BGB/Wurmnest, 5. Aufl., Art. 40 EGBGB Rn. 84; Spickhoff in Bamberger/Roth, BeckOK, Art. 40 EGBGB Rn. 9 (Stand: Januar 2008); AnwK-BGB/Wagner, Art. 40 EGBGB Rn. 90; Palandt/Thorn, BGB, 70. Aufl., Art. 40 EGBGB Rn. 11; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, 9. Aufl., § 11 Rn. 44; Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl., S. 534; Mueller, Das Internationale Amtshaftungsrecht, 1991, S. 163 f.; Hess, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, S. 18; Schurig, JZ 1982, 385, 387 f.; Dutta, AöR 133 (2008), 191, 207 ff.; Vogeler, VersR 2011, 588, 594 f.; kritisch: Halfmeier, RabelsZ 68 (2004), 653, 672 ff.; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. November 1977 - III ZR 79/75, VersR 1978, 231, 233 - insoweit in BGHZ 70, 7 nicht abgedruckt sowie für nach dem 11. Januar 2009 eingetretene Schadensereignisse: Art. 1 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht - Rom II-VO). Dies folgt aus dem völkerrechtlichen Grundsatz der Staatensouveränität, der staatliche Immunität für staatliches Handeln festlegt und dem auch in kollisionsrechtlicher Hinsicht Geltung verschafft werden muss. Wegen der Gleichheit der Staaten darf kein Staat das hoheitliche Handeln eines anderen Staates seiner Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit oder Vollstreckung unterwerfen (vgl. OLG Köln, VersR 2000, 590, 591; Vogeler, aaO; Staudinger/von Hoffmann, aaO; von Hoffmann/Thorn, aaO; MünchKommBGB/Junker, aaO Rn. 75; jurisPK-BGB/Wurmnest, aaO, Rn. 85; Spickhoff in Bamberger/Roth, aaO; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Rn. 371 ff.; a.A. Soergel/Lüderitz, BGB, 12. Aufl., Art. 38 EGBGB Rn. 69; Binder, RabelsZ 20 (1955), 401, 483; Schurig, aaO; Dutta, aaO; von Hein, YPIL 3 (2001) 185, 208 ff.: engste Verbindung des amtshaftungsrechtlichen Sachverhalts zum Recht des Amtsstaats bzw. Ordnungsinteresse des handelnden Staates). Das Amtshaftungsstatut gilt auch für die persönliche Haftung des Amtsträgers für hoheitliches Handeln (vgl. BT-Drucks. 14/343 S. 10; LG Rostock, NJ 1995, 489, 490 und IPRax 1996, 125, 126; Staudinger/von Hoffmann, aaO, Rn. 112; MünchKommBGB/Junker, aaO Rn. 76; jurisPK-BGB/Wurmnest, aaO Rn. 85; von Hoffmann/Thorn, aaO; AnwK-BGB/Wagner, aaO; Palandt/Thorn, aaO; Kropholler, aaO S. 534; Mueller, aaO S. 169; vgl. auch Erwägungsgrund 9 Rom II-VO).

 

Demgegenüber richtet sich sowohl die Haftung des Staates als auch die des Amtsträgers für nicht-hoheitliches Tätigwerden - soweit es um unerlaubte Handlungen geht - nach dem allgemeinen Deliktsstatut (vgl. Staudinger/von Hoffmann, aaO Rn. 110, 112; MünchKommBGB/Junker, 4. Aufl., Art. 40 EGBGB Rn. 196; MünchKommBGB/Junker, 5. Aufl., Art. 4 VO (EG) 864/2007 Rn. 66; AnwK-BGB/Wagner, aaO; Kropholler, aaO S. 535; Schurig, aaO S. 390; für eine Sonderanknüpfung auch bei nicht-hoheitlichem Handeln: Binder, aaO, 401, 483; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl., S. 739 f.). Dieses wäre im Streitfall den Art. 40 ff. EGBGB zu entnehmen. Die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II-VO) ist nicht anwendbar, da das schadensbegründende Ereignis vor dem 11. Januar 2009 eingetreten ist (vgl. Art. 31, 32 Rom II-VO).

 

bb)

Die Frage, ob eine Tätigkeit kollisionsrechtlich als hoheitlich oder nicht-hoheitlich zu qualifizieren ist, bestimmt sich grundsätzlich nach der Rechtsordnung, die die Kollisionsnorm aufgestellt hat, d.h. für nicht der Rom II-Verordnung unterliegende Fälle nach dem am Gerichtsort geltenden, hier also deutschem Recht ("lex fori" - vgl. Senatsurteil vom 23. März 2010 - VI ZR 57/09, VersR 2010, 910 Rn. 12; BGH, Urteile vom 19. Dezember 1958 - IV ZR 87/58, BGHZ 29, 137, 139; vom 22. März 1967 - IV ZR 148/65, BGHZ 47, 324; vom 28. Februar 1996 - XII ZR 181/93, FamRZ 1996, 601, 604; Beschluss vom 12. Juli 1965 - IV ZB 497/64, BGHZ 44, 121, 124; Kropholler, aaO, § 16 I; Palandt/Thorn, aaO, Einleitung vor Art. 3 EGBGB Rn. 27 f., jeweils mwN; Dutta, aaO S. 206; von Hein, aaO S. 205; a.A. Mansel, IPRax 1987, 210, 214). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Beweggrund der kollisionsrechtlichen Sonderanknüpfung von Amtshaftungsansprüchen der völkerrechtliche Grundsatz der (relativen) Staatenimmunität ist, so dass die in diesem Zusammenhang zur Abgrenzung hoheitlichen Verhaltens ("acta iure imperii") von nicht-hoheitlicher Tätigkeit ("acta iure gestionis") entwickelten Rechtsgrundsätze heranzuziehen sind (vgl. Staudinger/von Hoffmann, aaO Rn. 111; MünchKommBGB/Junker, 4. Aufl., Art. 40 EGBGB Rn. 196; Vogeler, aaO S. 594 f.). Für die Unterscheidung maßgebend ist die Natur des jeweils zu beurteilenden staatlichen Handelns oder des streitigen Rechtsverhältnisses; als hoheitlich gilt nur ein Verhalten, das nicht auch von einer Privatperson vorgenommen werden kann (vgl. BVerfGE 16, 27, 62 f.; 46, 342, 366; 64, 1, 42 f.; BVerfG NJW 2006, 2542 Rn. 18; Senatsurteil vom 26. September 1978 - VI ZR 267/76, NJW 1979, 1101; BAGE 113, 327, 33; Staudinger/von Hoffmann, aaO Rn. 111; MünchKommBGB/Junker, 4. Aufl., Art. 40 EGBGB Rn. 196; Vogeler, aaO S. 594 f.; von Schönfeld, NJW 1986, 2980, 2984; Kronke, IPRax 1991, 141, 142; MünchKomm-ZPO/Zimmermann, 3. Aufl., § 20 GVG Rn. 12; Kissel/Mayer, GVG, 6. Aufl., § 20 Rn. 4; Zöller/Lückemann, ZPO, 28. Aufl., § 20 GVG Rn. 4; Hess, aaO S. 39 f.; vgl. auch EuGH, Urteil vom 21. April 1993 - C 172/91 - Sonntag, Slg. 1993, I-1963 Rn. 21 ff. zu Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Brüsseler Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie Art. 2 Nr. 2 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit vom 2. Dezember 2004, A/RES/59/38).

 

cc)

Nach diesen Grundsätzen beurteilt sich die Haftung des Beklagten nach dem den Art. 40 ff. EGBGB zu entnehmenden Deliktsstatut. Für eine Anknüpfung an das Recht des Amtsstaates ist kein Raum, da das nach Auffassung des Klägers haftungsauslösende Verhalten des Beklagten - die unzureichende Aufklärung im Rahmen der ärztlichen Behandlung des Klägers durch den Beklagten - kollisionsrechtlich als nicht-hoheitlich zu qualifizieren ist. Der Beklagte ist nicht in Ausübung ihm zustehender Hoheitsgewalt, sondern wie eine Privatperson tätig geworden. Er hat die gleichen Aufgaben wahrgenommen wie ein in einem privaten Spital angestellter Arzt. Auf den Umstand, dass die ärztliche Behandlung von Patienten in einem Kantonsspital nach Schweizer Recht grundsätzlich als hoheitliche Tätigkeit anzusehen ist (vgl. Schweizerisches Bundesgericht, BGE 111 II 149 E. 3b S. 151; 115 Ib 175 E. 2 S. 179; Urteil 4C.378/1999 vom 23. November 2004 E. 2), kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an.

 

b)

Die Maßgeblichkeit Schweizer Rechts ergibt sich aber - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - aus Art. 41 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EGBGB.

 

aa)

Art. 41 EGBGB verdrängt als Ausnahmebestimmung in besonders gelagerten Fällen die allgemein gehaltenen Anknüpfungsregeln der Art. 38 bis 40 Abs. 2 EGBGB - mithin auch das vom Kläger in Anspruch genommene Wahlrecht des Verletzten aus Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB - und beruft ein anderes Recht zur Anwendung, mit dem der zu beurteilende Sachverhalt eine wesentlich engere Verbindung aufweist (vgl. Staudinger/von Hoffmann, aaO, Art. 41 EGBGB Rn. 2; MünchKommBGB/Junker, 4. Aufl., Art. 41 EGBGB Rn. 2; Palandt/Heldrich, BGB, 67. Aufl., Art. 41 EGBGB Rn. 3; jurisPK-BGB/Wurmnest, Art. 41 EGBGB Rn. 10; Kreuzer, RabelsZ 65 (2001), 383, 433). Die Bestimmung trägt dem Umstand Rechnung, dass allgemein formulierte Kollisionsnormen im Einzelfall das von ihnen angestrebte Ziel der Anknüpfung an den Schwerpunkt der Rechtsbeziehung verfehlen, und entspricht dem Gedanken der kollisionsrechtlichen Gerechtigkeit, wonach möglichst der gesamte Lebenssachverhalt einer einheitlichen Rechtsordnung zu unterstellen und nicht in verschiedene Rechtsbeziehungen, die jeweils unterschiedlichen Rechtsordnungen unterstehen, aufzusplittern ist (vgl. Staudinger/von Hoffmann, aaO Rn. 2, 9 mwN; jurisPK-BGB/Wurmnest, Art. 41 EGBGB Rn. 10; Kreuzer, aaO, S. 432 ff.; Kropholler, aaO, § 53 IV 4.; von Hoffmann/Thorn, aaO, § 11 Rn. 40). Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmung ist, dass der zu beurteilende Lebenssachverhalt bei Berücksichtigung der Gesamtumstände mit der normalerweise zur Anwendung berufenen Rechtsordnung in geringem, mit einer anderen Rechtsordnung jedoch in wesentlich engerem Zusammenhang steht (vgl. BT-Drucks. 14/343 S. 13). Gemäß Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB kann sich eine wesentlich engere Verbindung zu einem anderen Recht aus einer besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Beziehung zwischen den Beteiligten im Zusammenhang mit dem (außervertraglichen) Schuldverhältnis ergeben (akzessorische Anknüpfung). Die Sonderbeziehung muss bereits zum Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses bestehen und mit dem haftungsrechtlich relevanten Geschehen in sachlichem Zusammenhang stehen (vgl. BT-Drucks. 14/343 S. 13; Senatsurteil vom 23. März 2010 - VI ZR 57/09, VersR 2010, 910 Rn. 13; Staudinger/von Hoffmann, aaO, Art. 41 EGBGB Rn. 11; MünchKommBGB/Junker, 4. Aufl., Art. 41 EGBGB, Rn. 21; jurisPK-BGB/Wurmnest, aaO Rn. 11; Kreuzer, aaO, S. 433 f.).

 

bb)

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der vorliegend zu beurteilende Lebenssachverhalt steht bei Berücksichtigung sämtlicher Umstände mit der gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB zur Anwendung berufenen deutschen Rechtsordnung in geringem, mit der Schweizer Rechtsordnung jedoch in wesentlich engerem Zusammenhang. Auch wenn zwischen den Parteien kein vertragliches Rechtsverhältnis bestand, sind ihre Beziehungen zueinander maßgeblich durch das zwischen dem Kanton Basel-Stadt als Träger des Universitätsspitals und dem Kläger bestehende und in der Schweizer Rechtsordnung verwurzelte ärztliche Behandlungsverhältnis geprägt (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation vor Inkrafttreten des Art. 41 EGBGB: Senatsurteil vom 13. März 1984 - VI ZR 23/82, BGHZ 90, 294, 297; vgl. auch Staudinger/von Hoffmann, aaO, Rn. 17 f.). Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, begründete dieses Behandlungsverhältnis, aufgrund dessen der Beklagte den Kläger ärztlich behandelte, eine enge tatsächliche Beziehung zwischen den Parteien, die im Zeitpunkt der angeblich unzureichenden Aufklärung über die mit der Medikamenteneinnahme verbundenen Risiken schon bestand und in einem sachlichen Zusammenhang mit dem haftungsbegründenden Ereignis steht. Diese Beziehung kann kollisionsrechtlich keine andere Beurteilung erfahren als das ihr zugrunde liegende und sie prägende Behandlungsverhältnis (so auch Vogeler, aaO S. 596; Rumetsch, MedR 2011, 289, 290).

 

(1)

Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts begab sich der Kläger aus freien Stücken in die Schweiz, um sich in dem Universitätsspital Basel ärztlich behandeln zu lassen. Zu diesem Zweck begründete er ein ärztliches Behandlungsverhältnis mit dem Kanton Basel-Stadt als Träger des Spitals und ließ sich im Spital umfassend untersuchen, beraten und die erste Injektion verabreichen. Die erbrachten ärztlichen Leistungen vergütete er durch Zahlung an das Spital. Der beim Spital beschäftigte Beklagte war einer der behandelnden Ärzte und mit der Erfüllung der dem Kanton aufgrund des mit dem Kläger bestehenden Behandlungsverhältnisses obliegenden Pflichten betraut. Er hatte hierbei die im Kanton Basel-Stadt. geltenden Verhaltenspflichten und Standesregeln zu beachten (vgl. Rumetsch, aaO, 290; Deutsch in Festschrift Ferid, 1978, S. 117, 122, 134 f.). Der behauptete Aufklärungsfehler unterlief dem Beklagten im inneren sachlichen Zusammenhang mit der Erfüllung der sowohl den Kanton aufgrund des Behandlungsverhältnisses mit dem Kläger als auch ihn als behandelnden Arzt treffenden Pflichten.

 

(2)

Das zwischen dem Kanton Basel-Stadt und dem Kläger bestehende ärztliche Behandlungsverhältnis unterliegt gemäß Art. 28 EGBGB dem Schweizer Recht.

 

(a)

Das Behandlungsverhältnis ist kollisionsrechtlich als vertragliches Schuldverhältnis im Sinne der Art. 27 ff. EGBGB zu qualifizieren. Bei der Auslegung der Art. 27 - 37 EGBGB ist zu berücksichtigen, dass diese Bestimmungen mit Ausnahme von Art. 29a EGBGB auf dem Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980 (BGBl. II 1986 S. 810) beruhen (Art. 36 EGBGB). Der Begriff der vertraglichen Schuldverhältnisse im Sinne der Art. 27 ff. EGBGB ist deshalb übereinkommensautonom zu bestimmen; als Ausgangspunkt kann dabei der im internationalen Verfahrensrecht für die Eingrenzung vertraglicher Streitigkeiten im Rahmen der Erfüllungsortzuständigkeit (Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ/EuGVVO) entwickelte Vertragsbegriff herangezogen werden (vgl. MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl., Vorbemerkung zu Art. 27 EGBGB Rn. 19 und Art. 36 EGBGB Rn. 15). Danach kommt es darauf an, ob von einer Partei eine freiwillige Verpflichtung übernommen wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Januar 2005 - Rs. C-27/02, Slg. 2005, I-481, Engler, Rn. 50 f. mwN; MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl., Vorbemerkung zu Art. 27 EGBGB Rn. 19). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, da der Kläger die ärztliche Behandlung im Universitätsspital Basel freiwillig in Anspruch genommen und sich zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet hat.

 

(b)

Mangels einer Rechtswahl im Sinne des Art. 27 EGBGB beurteilt sich das Behandlungsverhältnis gemäß Art. 28 EGBGB nach dem Recht der Schweiz. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung unterliegt ein Vertrag mangels einer Rechtswahl dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. Gemäß Abs. 2 wird vermutet, dass der Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, die die charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Beim Dienstvertrag, zu dem auch der Arztvertrag gehört, erbringt die charakteristische Leistung im Sinne von Art. 28 Abs. 2 EGBGB grundsätzlich der Dienstverpflichtete (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1994 - III ZR 70/93, BGHZ 128, 41, 48; MünchKommBGB/Martiny, aaO, Art. 28 Rn. 203, 210; Staudinger/Magnus, aaO, Art. 28 EGBGB Rn. 258; Kegel/Schurig, aaO, § 18 I 1d; Palandt/Heldrich, aaO, Art. 28 EGBGB Rn. 14 mwN; Ferrari in Ferrari/Kieninger/Mankowski, Internationales Vertragsrecht, 2007, Art. 28 EGBGB Rn. 77; Deutsch, aaO S. 121 f.; Hübner/Linden, VersR 1998, 793, 794; Stumpf MedR 1998, 546; Fischer in Festschrift Laufs, 2006, S. 781 f.; Kropholler, aaO § 52 III 3). Dies ist vorliegend der Schweizer Kanton Basel-Stadt, der als Träger des Universitätsspitals Basel die ärztliche Behandlung des Klägers übernommen hatte. Die Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB ist auch nicht widerlegt. Vielmehr belegen die unter (1) aufgezeigten Gesichtspunkte, dass der Schwerpunkt der zwischen dem Kläger und dem Kanton bestehenden Rechtsbeziehung in der Schweiz liegt. Eine andere Beurteilung ist entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb geboten, weil sich der Kläger auf Empfehlung seines Hausarztes zur ärztlichen Behandlung in der Schweiz begeben hatte und dieser die dort eingeleitete Therapie durch Blutbildkontrollen begleitend überwacht hatte. Diese Umstände prägen die Rechtsbeziehung zwischen dem Kläger und dem Kanton nicht. Sie treten in der gebotenen Gesamtbetrachtung hinter den in die Schweiz weisenden Gesichtspunkten zurück.

 

(c)

Da Art. 28 EGBGB gemäß Art. 35 EGBGB nur die Sachnormen der jeweiligen Rechtsordnung beruft, kommt es auf die Frage, ob das Schweizer Recht die Verweisung annimmt oder eine Rück- oder Weiterverweisung (renvoi) ausspricht, nicht an.

 

cc)

Keiner Entscheidung bedarf auch die Frage, ob das gemäß Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB zur Beurteilung des vorliegend geltend gemachten deliktischen Schadensersatzanspruchs berufene Schweizer Recht die Verweisung annimmt. Denn im Fall der akzessorischen Anknüpfung an eine besondere Beziehung zwischen den Beteiligten gemäß Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB ist eine Rück- oder Weiterverweisung nach dem Sinn der Verweisung ausgeschlossen (Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EGBGB). Andernfalls würde die mit der akzessorischen Anknüpfung bezweckte einheitliche materiell-rechtliche Beurteilung eines Lebenssachverhalts vereitelt (BT-Drucks. 14/343 S. 8; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, 2. Aufl., § 7 Rn. 228; Staudinger/Hausmann, aaO, Art. 4 EGBGB Rn. 94 f.; von Hein, ZVglRWiss 99 (2000), 251, 274, 277; MünchKommBGB/Sonnenberger, 5. Aufl., Art. 4 EGBGB Rn. 28; AnwK-BGB/Freitag, Art. 4 EGBGB Rn. 18; jurisPK-BGB/Wurmnest, Art. 41 Rn. 8; Palandt/Heldrich, 67. Aufl., Art. 41 EGBGB Rn. 2; Erman/Hohloch, BGB, 12. Aufl., Art. 4 EGBGB Rn. 18; Kreuzer, aaO, S. 431; Spickhoff, NJW 1999, 2209, 2212; Vogeler, aaO, S. 597; von Hoffmann/Thorn, aaO, § 11 Rn. 61; Kropholler, aaO, § 24 II 2. d; a.A. bei akzessorischer Anknüpfung an eine tatsächliche Beziehung: Dörner in Festschrift Stoll, 2001, S. 491, 500).

 

2.

Die Revision wendet sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, nach dem anzuwendenden Schweizer Recht sei der Beklagte von jeder Haftung frei.

 

a)

Nach dem im Streitfall anwendbaren § 545 Abs. 1 ZPO in der bis 31. August 2009 geltenden Fassung (vgl. Art. 111 Abs. 1 Satz 1, Art. 112 Abs. 1 Halbsatz 1 des FGG-Reformgesetzes vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586)) kann die Revision nicht darauf gestützt werden, dass die zu überprüfende Entscheidung auf der Verletzung ausländischen Rechts beruhe (vgl. zu § 545 ZPO in der ab 1. September 2009 geltenden Fassung: BGH, Urteil vom 12. November 2009 - Xa ZR 76/07, NJW 2010, 1070 Rn. 21 mwN; Musielak/Ball, ZPO, 8. Aufl., § 545 Rn. 7). Vielmehr sind die Feststellungen des Berufungsgerichts über das Bestehen und den Inhalt sowie die Auslegung und Anwendung von ausländischen Gesetzen für das Revisionsgericht bindend (§ 560 ZPO). Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt auf eine entsprechende Verfahrensrüge in diesem Zusammenhang lediglich, ob der Tatrichter gegen seine Verpflichtung verstoßen hat, das für die Entscheidung eines Rechtsstreits maßgebende ausländische Recht zu ermitteln (§ 293 ZPO, vgl. BGH, Urteile vom 30. April 1992 - IX ZR 233/90, BGHZ 118, 151, 162 ff.; vom 12. November 2003 - VIII ZR 268/02, NJW-RR 2004, 308, 310; vom 21. November 2008 - V ZR 35/08, NJW-RR 2009, 311 Rn. 10, jeweils mwN; Musielak/Ball, aaO Rn. 9 ff.). Diese Rügemöglichkeit ist jedoch nicht unbeschränkt. Sie ist nicht gegeben, wenn mit ihr in Wirklichkeit die Nachprüfung irrevisiblen ausländischen Rechts bezweckt wird (BGH, Urteil vom 30. April 1992 - IX ZR 233/90, aaO).

 

b)

Nach diesen Grundsätzen ist dem Senat die Überprüfung der Fragen verwehrt, ob die ambulante Behandlung privatversicherter ausländischer Staatsbürger - wie das Berufungsgericht angenommen hat - in den Anwendungsbereich des § 3 des Gesetzes des Kantons Basel-Stadt über die Haftung des Staates und seines Personals vom 17. November 1999 (Haftungsgesetz) fällt, der Beklagte gegenüber dem Kläger gemäß § 3 Abs. 1 Haftungsgesetz in Ausübung einer amtlichen Tätigkeit gehandelt und ob er deshalb nach Abs. 2 dieser Bestimmung von der Haftung freigestellt ist. Die Revision wendet sich insoweit lediglich in unbeachtlicher Weise gegen die der revisionsrechtlichen Überprüfung entzogene Anwendung und Auslegung ausländischen Rechts.

 

Ebenso scheitert die Revision aber auch mit ihrer Rüge aus § 286 ZPO. Soweit es um Fragen geht, die nach nicht revisiblem Recht zu entscheiden sind, kann eine derartige Verfahrensrüge nur dann erhoben werden, wenn vom Standpunkt der Auslegung aus, die das Berufungsgericht selbst dem ausländischen Recht gibt, die Urteilsbegründung nach § 286 ZPO zu beanstanden ist, wenn also das Berufungsgericht ein Vorbringen, einen Beweisantrag oder das Ergebnis einer Beweisaufnahme übersehen hat, obwohl es von dem Rechtsstandpunkt aus, den es für das nicht revisible Recht eingenommen hat, beachtlich war (vgl. BGH, Urteile vom 30. April 1957 - V ZR 75/56, BGHZ 24, 159, 164; vom 8. November 1951 - IV ZR 10/51, BGHZ 3, 343, 346 f. mwN; vom 1. April 1987 - IVb ZR 40/86, NJW 1988, 636, 637). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die Revision zeigt kein entsprechendes, in den Tatsacheninstanzen übergangenes Vorbringen auf.

 

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.


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