Beschlusstext
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 16. Mai 2022 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 15.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die 80-jährige Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Widerruf ihrer Approbation.
Sie ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und war bis zum Jahr 2013 als Ärztin in vertragsärztlicher Praxis niedergelassen. Die Antragstellerin besitzt keine Kassenzulassung.
Die Antragstellerin war jedenfalls bis Mitte Dezember 2021 für die Dr. A. GmbH tätig. Gründer und Geschäftsführer dieser GmbH ist ihr Sohn. Gegenstand der Gesellschaft bzw. ihrer Rechtsnachfolgerin ist die Entwicklung und Vermarktung von Software für die telemedizinische Diagnose, Therapieempfehlungen und gegebenenfalls Krankschreibung von Patienten, insbesondere wegen Erkältungssymptomen. Die Antragstellerin übte – nach ihren eigenen Angaben – ihre ärztliche Tätigkeit bis zu diesem Zeitpunkt in den Kanzleiräumen ihres Sohnes in Hamburg und an ihrer Privatadresse in Hamburg aus. Eigene Räume zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit standen ihr nicht zur Verfügung. Dabei handelte es sich bei den Kanzleiräumlichkeiten gleichzeitig um die ursprünglich im Impressum der Website C angegebene Adresse der Dr. A. GmbH. In der eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin vom 15. Februar 2022 heißt es, dass sie seit Ende 2021 über „analoge Praxisräume“ in Berlin verfüge.
Die Website ermöglichte unstreitig seit Dezember 2018 jeder Person, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (im Folgenden: AU-Bescheinigung) ausschließlich auf elektronischem Wege zu erhalten. Für die Dr. A. GmbH unterzeichnete u.a. die Antragstellerin die jeweiligen AU-Bescheinigungen. Der Online-Vorgang zur Erlangung einer AU-Bescheinigung stellte sich ausweislich der unbestrittenen Angaben der Antragsgegnerin sowie des Urteils des Hamburgischen Gerichts für Heilberufe vom 27. Oktober 2021 wie folgt dar: Nach Aufruf der Website „www.....de“ gelangte der Nutzer durch Anwahl der Felder ,,AU-Schein anfordern" und „Krankschreibung anfordern" zu einer Maske, in der verschiedene Erkrankungen aufgeführt waren, aus denen eine durch Anklicken ausgewählt werden konnte. Durch Anklicken einer der vorgenannten Erkrankungen gelangte der Nutzer zu einem Fragebogen, der sich auf das ausgewählte Krankheitsbild bezog. Der jeweilige Fragebogen enthielt unterschiedliche Fragestellungen. Zu Beginn wurden Fragen zu konkreten Beschwerden gestellt, die mit „Ja" oder „Nein" beantwortet werden konnten. Daran schloss sich in der Regel ein Feld mit der Aufforderung „Wählen Sie Ihre Symptome" an. In diesem Feld fanden sich die Symptome in Schlagwörtern, die vom Nutzer angeklickt werden konnten. Dann folgte jeweils die Frage „Haben Sie darüber hinaus weitere Symptome?", die wiederum mit „Ja" oder „Nein" beantwortet werden konnte. Hier folgte in einigen Fällen die Frage, ob der „Patient" durch die Beschwerden in seiner Arbeitsfähigkeit beschränkt sei. Beim Komplex „Rückenschmerzen" folgte die Frage, ob der Patient mehr als vier Stunden am Tag sitzend arbeite. Teilweise wurde überhaupt nicht auf die Auswirkungen der Beschwerden auf die Arbeitsfähigkeit eingegangen. Weitere Fragen zur Symptomatik oder zur konkreten Arbeitsunfähigkeit wurden nicht gestellt. Es schlossen sich folgende weitere Fragen an: wann ist das erste Symptom aufgetreten? (Antwortmöglichkeiten: heute, gestern, vorgestern, vor über zwei Tagen), ab wann brauchen Sie eine AU? (Antwortmöglichkeiten: vorgestern, gestern, heute), für wie viele Tage fühlen Sie sich arbeitsunfähig? (Antwortmöglichkeiten: ein Tag, zwei Tage, drei Tage). Nach Beantwortung dieser Fragen durch Anklicken wurde dem Nutzer an dieser Stelle mitgeteilt, dass der Arzt dem Wunsch des Patienten zur Dauer der Arbeitsunfähigkeit folgen werde. Im Anschluss an diese Mitteilung wurde der Nutzer zu einem weiteren Fragenkatalog weitergeleitet, der sich mit dem Ausschluss von Risiken befasste bzw. wurde dem Nutzer folgende Mitteilung gemacht: „Es tut uns leid! Leider können Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit unseren Dienst nicht nutzen, da sie Ausschlusskriterien erfüllen oder eine verlässliche Diagnose so nicht möglich ist. Wir empfehlen Ihnen dringend, sich mit einem Telearzt in Verbindung zu setzen!". Wurde z.B. die erste Frage des Fragebogens „Regelschmerzen", die wie folgt lautete: „Haben Sie mittelstarke bis starke krampfartige Schmerzen im Unterbauch?“ (Antwortmöglichkeiten: Ja bzw. Nein) mit „Nein" beantwortet, gelangte man automatisch zu der Mitteilung „Es tut uns leid". In dieser Mitteilung war wiederum die Option „zurück" anzuklicken, die es dem Nutzer durch einen Mausklick ermöglichte, zu dem von ihm ausgefüllten Fragebogen zu gelangen und die dort erbetenen Angaben erneut zu machen bzw. inhaltlich zu verändern und anzupassen. Nach Änderung der Angaben konnte der Fragebogen erneut „abgeschickt" werden mit der Möglichkeit, auf der Grundlage der nunmehr geänderten Angaben eine AU-Bescheinigung zu erlangen. Nach Ausfüllen des Fragebogens gelangte der Nutzer zu einem weiteren Fragebogen, der ausschließen sollte, dass der „Patient" an einem Krankheitsbild oder einer Symptomatik litt, die dringend durch einen persönlichen Kontakt mit einem Arzt abgeklärt werden sollte:,,Risiken: falls eines der folgenden Risiken bei Ihnen vorliegt, können Sie unseren Service leider nicht nutzen. Im Zweifel oder wenn Sie eine Frage nicht verstehen, antworten Sie bitte zu ihrer eigenen Sicherheit mit „Ja"." Vor Beantwortung der anschließenden Fragen zur Bewertung des Risikos wurde der Nutzer darauf hingewiesen, unter welchen Umständen er keine AU-Bescheinigung ausgestellt bekommen könne. Wurden die Fragen zu etwaigen Risiken mit „Nein" beantwortet, konnte dieser Fragenkatalog über das Feld ,,Weiter" beendet werden. Wurde die Eingabe „Weiter" angeklickt, gelangte der Nutzer zu einer Eingabemaske, in die er personenbezogene Daten wie Name, Vorname, Geburtsdatum, E-Mail etc. eingeben konnte. Nach der Eingabe war eine Auswahl zu treffen zwischen der Möglichkeit, die AU-Bescheinigung als PDF-Dokument oder zusätzlich per Post zugesandt zu bekommen. Die erste Alternative kostete 14,- Euro. Die zusätzliche Übermittlung einer AU-Bescheinigung auf dem Postweg kostete weitere 8,- Euro. Der Nutzer wurde sodann zum Bezahlen mit unterschiedlichen Zahlweisen weitergeleitet. Nachdem der Nutzer bezahlt hatte, wurde ihm durch Zusendung einer E-Mail oder „WhatsApp" eine automatisiert erstellte AU-Bescheinigung digital zugeleitet. Die von den Nutzern angegebenen Informationen wurden ungeprüft übernommen.
Die online ausgestellten PDF-AU-Bescheinigungen wurden mit einer bereits voreingestellten Faksimile-Unterschrift der Antragstellerin versehen. Entschied der Nutzer sich in der „Produktauswahl" neben der PDF-AU-Bescheinigung auch für die postalische Übersendung einer AU-Bescheinigung, wurde ihm eine eigenhändig von der Antragstellerin unterschriebene AU-Bescheinigung zugesandt.Die Tätigkeit der Antragstellerin beschränkte sich in diesen Fällen allenfalls auf eine Überprüfung der Schlüssigkeit der bereits auf der Bescheinigung vorausgefüllten Diagnose anhand der Angaben der Kunden im Online-Formular.
Außerdem konnten über die Websiten www.....com und www.....de Corona-Selbsttest-Zertifikate erlangt werden. Hierzu hieß es nach den unbestrittenen Angaben der Antragsgegnerin auf der Website www. .com, dies sei ein „Gültiger COVID-19 Antigen Schnelltest-Nachweis für Urlaub, Arbeitsplatz, Schule etc. - schnell & einfach vom Online Arzt ab 0€." Für den Erhalt eines Zertifikats war die Angabe, man habe sich selbst negativ getestet, ausreichend. Ohne ärztliche Rücksprache wurde ein Zertifikat generiert und dem Empfänger per E-Mail zugesandt. Auf den in der Sachakte befindlichen Zertifikaten befindet sich wiederum die Faksimile-Unterschrift und der Praxisstempel der Antragstellerin. Auf dem Formular der Selbsttest-Zertifikate, die mit der Faksimile-Unterschrift der Antragstellerin versehen sind, findet sich folgende Erklärung:
„Die u.g. Person hat keine Symptome und ist nicht mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert, da sie einen negativen Antigen-Test gemacht hat unter meiner fachärztlichen Überwachung meiner Arztpraxis i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TestV gemäß § 2 Nr. 7 SchAusnahmV.“
Auf der Internetseite www.....com wurde ursprünglich eine Zahl von mind. 2000 Selbsttest-Zertifikaten (bis August 2021) eingeräumt.
Mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 27. Oktober 2021 (41 H 7/20) erteilte das Hamburgische Berufsgericht für die Heilberufe der Antragstellerin wegen Berufsvergehen einen Verweis und erlegte ihr eine Geldbuße von 6000,- Euro auf. Die Antragstellerin habe sich in den drei von der Ärztekammer Hamburg benannten Fällen Berufsvergehen nach § 25 Satz 1, § 7 Abs. 3, § 2 Abs. 2, § 17 Abs. 1 und § 21 der Berufsordnung der Hamburger Ärzte und Ärztinnen vom 27. März 2000 i.d.F.v. 17. Dezember 2018 i.V.m. § 27 Abs. 3 Nr. 1 des Hamburgischen Kammergesetzes für die Heilberufe vom 14. Dezember 2005 i.d.F. vom 17. Dezember 2018 (im Folgenden: HmbKGH) schuldig gemacht, indem sie ohne persönlichen Kontakt den drei benannten Personen AU-Bescheinigungen ausgestellt habe.
Mit Bescheid vom 23. November 2021 untersagte die Ärztekammer Hamburg der Antragstellerin u.a.,,,Zertifikate auf der Grundlage eines insbesondere auf der Website „www. .com" abzurufenden Fragebogens auszustellen, die bescheinigen, dass die Kundin/der Kunde unter ihrer fachärztlichen Überwachung einen negativen Corona-SARS-CoV-2-Antigen-Test gemacht habe, wenn Sie die Kundin oder den Kunden weder gesehen und identifiziert, noch selbst getestet oder eine Selbsttestung vor Ort überwacht haben".
Mit Bescheid vom 21. Januar 2022 widerrief die Antragsgegnerin die Approbation der Antragstellerin und ordnete die sofortige Vollziehung an. Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch, über den bislang noch nicht entschieden ist.
Am 21. Februar 2022 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs nachgesucht. Mit Beschluss vom 16. Mai 2022 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt: Nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens sei anzunehmen, dass sich die Antragstellerin als berufsunwürdig erwiesen habe, weil sie über mehrere Jahre in einem automatisierten Verfahren über das Internet massenhaft AU-Bescheinigungen gegen Entgelt unter ihrem Namen sowie auch zahlreiche Testzertifikate zum sog. Corona-Schnelltest ohne verlässliche Prüfung ausgegeben habe. Dabei sei die Ausstellung der mit ihrer Unterschrift versehenen AU-Bescheinigungen erfolgt, ohne dass sie jemals mit den betreffenden Personen wegen ihrer angegebenen Erkrankungen – persönlich, per Videoschaltung oder per Telefon – in Kontakt getreten sei. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass sie ihre berufsspezifischen Pflichten auch zukünftig nicht beachten werde und es ihr damit an der notwendigen Zuverlässigkeit zur Ausübung des Arztberufs i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 BÄO fehle. Die Interessenabwägung zwischen den betroffenen öffentlichen Interessen an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Approbation einerseits und den privaten Interessen der Antragstellerin, von den Wirkungen des Widerrufs bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben, andererseits gehe zu Lasten der Antragstellerin aus.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die mit der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen es nicht, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben.
Die in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO normierte Obliegenheit des Beschwerdeführers, die Gründe darzulegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen, erfordert substantiierte Ausführungen, weshalb die Überlegungen des Verwaltungsgerichts falsch sind und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben, sowie eine geordnete Auseinandersetzung mit der Entscheidung dergestalt, dass der Beschwerdeführer den Streitstoff sichtet, ihn rechtlich durchdringt und sich mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses befasst; das Entscheidungsergebnis, die entscheidungstragenden Rechtssätze oder die für die Entscheidung erheblichen Tatsachenfeststellungen müssen mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt werden (vgl. statt vieler nur Kaufmann, in: BeckOK VwGO, Posser/Wolff, Stand 1. Januar 2020, § 146 Rn. 14 m.w.N). Es genügt daher nicht, auf das erstinstanzliche Vorbringen pauschal Bezug zu nehmen oder dieses lediglich zu wiederholen (Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 73 f., 79 m.w.N.). Hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf zwei oder mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, so muss sich ein Beschwerdeführer mit jeder der Begründungen auseinandersetzen und jede Begründung in Zweifel ziehen (Guckelberger, a.a.O., § 146 Rn. 77 m.w.N.).
1.
Die Antragstellerin macht mit ihrer Beschwerdebegründung zunächst geltend, dass sich das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin für den Entzug der Approbation an keiner Stelle mit den von ihr vorgetragenen Ansichten hinsichtlich des Verständnisses eines „digitalen Praxissitzes“ auseinandergesetzt habe. Die angemieteten Räume in Berlin erfüllten die Vorgaben der Berufsordnung und eigneten sich auch für den Betrieb einer Arztpraxis zur Erbringung von telemedizinischen Leistungen. Es gehe vorliegend nicht um einen Praxisort für die Erbringung von Leistungen mit unmittelbarem Patientenkontakt, sondern um einen Ort, von dem aus die „digitalen“ Leistungen angeboten und erbracht würden. Dies gelte mit Blick auf die Räume in Berlin und erst Recht für die Räumlichkeiten in Hamburg.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts infrage zu stellen. Das Verwaltungsgericht hat zur örtlichen Zuständigkeit der Antragsgegnerin ausgeführt (BA S. 4 f.), dass ein Zuständigkeitswechsel zu einer Berliner Behörde gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 HmbVwVfG nicht erfolgt sei. Es teile die Einschätzung der Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin tatsächlich nicht, wie von ihr angegeben, seit dem 26. November 2021 nicht mehr in Hamburg, sondern unter einer Adresse in Berlin ärztlich tätig sei. Die Behauptung einer Verlagerung ihrer ärztlichen Tätigkeit von Hamburg nach Berlin erfolge nach den erkennbaren Umständen nur zum Schein, um sich dem Zugriff der Hamburger Behörden zu entziehen, die sich schon seit geraumer Zeit mit ihrem berufsrechtlich beanstandeten Verhalten befasst hätten. Es erscheine absolut fernliegend, dass die Antragstellerin zur Berufsausübung seit November 2021 von ihrem Wohnort in Hamburg nach Berlin pendele. Zudem handele es sich bei der fraglichen Adresse in Berlin laut Internetauftritt des Anbieters „w......“ um spontan im „Monats-Abo“ anmietbare möblierte Büroräume bzw. anmietbare Arbeitsplätze in einem gemeinsamen Büroraum in einem Gesamtkomplex mit gemeinschaftlich nutzbaren Bereichen wie Konferenzräumen etc. Abgesehen davon, dass sich diese Örtlichkeit für den Betrieb einer Arztpraxis mit unmittelbarem Patientenkontakt nicht eigne, habe die Antragstellerin auch keinen Mietvertrag hierfür vorgelegt. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales in Berlin, Referat für Berufsrecht habe der Antragsgegnerin am 6. Januar 2022 schließlich auch mitgeteilt (Bl. 246 d. Sachakte), dass die Antragstellerin weder im dortigen Register geführt werde noch der dortigen Behörde bekannt sei, was ebenfalls gegen einen Wechsel der örtlichen Zuständigkeit spreche. Die Antragstellerin setzt sich mit dieser Argumentation des Verwaltungsgerichts nicht, wie es nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO erforderlich ist, substantiiert auseinander. Ihre Ausführungen zum „digitalen Tätigkeitssitz“ und zur berufsrechtlichen Vereinbarkeit eines solchen sind nicht geeignet, den Ansatz des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen, dass eine Verlagerung der ärztlichen Tätigkeit von Hamburg nach Berlin tatsächlich nicht erfolgt sei.
Überdies verfangen die Ausführungen der Antragstellerin zum „digitalen Praxissitz“ auch in der Sache nicht. Eine rein digitale Praxis sieht das Gesetz nicht vor. Diesem Gedanken steht bereits die Regelung des § 17 Abs. 1 Berufsordnung der Hamburger Ärztinnen und Ärzte vom 27. März 2000 i.d.F. v. 6. September 2021 (im Folgenden: BO) entgegen. Danach ist die Ausübung ambulanter ärztlicher Tätigkeit außerhalb von Krankenhäusern einschließlich konzessionierter Privatkliniken an die Niederlassung in einer Praxis (Praxissitz) gebunden, soweit nicht gesetzliche Vorschriften etwas Anderes zulassen. Unter „Niederlassung“ eines Arztes versteht man die öffentlich erkennbare Bereitstellung zur Ausübung des ärztlichen Berufs in selbstständiger Praxis. Dazu kommt die Bereitschaft des Arztes, sich der Allgemeinheit zur ärztlichen Versorgung zur Verfügung zu stellen. Dies bringt die Verpflichtung mit sich, dass der Arzt seine Praxis entsprechend der notwendigen personellen, sachlichen und räumlichen Voraussetzungen einrichtet, die es ihm ermöglichen, zu jeder Zeit ärztliche Tätigkeit nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst auszuüben, und dass er seinen Beruf grundsätzlich in oder (etwa bei Hausbesuchen) im Zusammenhang mit dieser Praxis ausübt (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.1977, IV ZR 69/76, BGHZ 70, 158, juris Rn. 10;OLG Saarbrücken, Urt. v. 19.7.2006, 5 U 53/06-5,NJW-RR 2006, 1623, juris Rn. 31). Sinn und Zweck der Regelung ist die räumliche Erreichbarkeit des Arztes für den Patienten. Mit § 17 Abs. 1 BO trifft die Ärztekammer in der Berufsordnung gemäß ihrem Regelungsauftrag nach § 28 Abs. 2 Nr. 13 HmbKGH nähere Bestimmungen zu der nach § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HmbKGH bestehenden Berufspflicht, dass die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit in einer Einrichtung der ambulanten Patientenversorgung stattzufinden hat. Für die Ärztekammer besteht allerdings keine Ermächtigungsgrundlage nach dem Hamburgischen Kammergesetz für die Heilberufe von dieser in § 27 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HmbKGH statuierten Berufspflicht durch die Regelung von Ausnahmen abzuweichen. Eine Ermächtigungsgrundlage wäre aber erforderlich, weil die Regeln der Berufsordnung die gesetzlichen Pflichten nur ergänzen und ihnen vielfach konkreten Inhalt geben dürfen. Sie dürfen die Berufspflichten aber weder einschränken noch verändern (vgl. Lipp, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, 8. Aufl. 2021, II.A. Rn. 23). Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin kann § 7 Abs. 3 Satz 3 BO schon deshalb keine gesetzliche Ausnahmevorschrift i.S.d. § 17 Absatz 1 BO darstellen.
Darüber hinaus liegt es schon aus systematischen Gründen auf der Hand, dass kein Regel-Ausnahmeverhältnis zwischen § 17 Abs. 1 BO und § 7 Abs. 3 Satz 3 BO besteht. § 7 Abs. 3 Satz 3 BO, der im Einzelfall eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird, befindet sich im Abschnitt II. der Berufsordnung. In diesem Abschnitt geht es um die Pflichten des Arztes gegenüber seinen Patienten. Dahingegen befindet sich die Regelung zur Niederlassung und Ausübung der Praxis nach § 17 BO im Abschnitt IV. 1. der Berufsordnung, in dem es um das berufliche Verhalten in Form der Berufsausübung geht. Ein Zusammenhang dieser Regelungen besteht demnach nicht. Vielmehr erscheint es fernliegend, dass sich eine Regelung zur Art der Behandlung eines Patienten auf das Erfordernis eines Praxissitzes niederschlagen soll.
2.
Die Antragstellerin macht weiter geltend, sie sei nicht berufsunwürdig im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO. Sie habe kein schwerwiegendes Fehlverhalten gezeigt, welches mit dem Berufsbild eines Arztes nicht zu vereinbaren sei. Im Einzelnen:
a)
Zunächst wendet die Antragstellerin ein, das Verwaltungsgericht habe nicht den richtigen Maßstab angewendet. Nach dem zur Beurteilung der Berufsunwürdigkeit anzulegenden Maßstab könne nicht jede Verfehlung eines Arztes das erforderliche Ansehen und Vertrauen der Öffentlichkeit verspielen. Vielmehr sei die Feststellung der Berufsunwürdigkeit mit Blick auf den grundgesetzlich gewährleisteten Schutz der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs.1 GG) und das Verhältnismäßigkeitsgebot an hohe Voraussetzungen geknüpft mit der Folge, dass nur gravierendes und rechtssicher festgestelltes Fehlverhalten des Arztes die Feststellung der Berufsunwürdigkeit rechtfertigen könne (vgl. VG Berlin, Urt. v. 13.7.2017, 14 K 146.15, juris Rn. 35). Daran fehle es hier. Erstens sei zu berücksichtigen, dass kein strafrechtlich relevantes Verhalten festgestellt worden sei. Zweitens liege entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts bis heute keine rechtskräftige Entscheidung über die behaupteten Berufsrechtsverstöße vor. Das Urteil des Hamburgischen Berufsgerichts für Heilberufe vom 27. Oktober 2021 sei nicht unanfechtbar geworden (vgl. anhängigen Rechtsstreit unter AZ. 15 Bf 338/21.HBG). Ein nicht rechtskräftiges Urteil – dem grundrechtlichen Restriktionsgebot folgend – könne nicht als Grundlage für die rechtliche Begründung des Widerrufs der Approbation herangezogen werden.
Das Verwaltungsgericht setze sich zudem nicht hinreichend mit dem Verhältnis des hiesigen Verfahrens zu dem berufsgerichtlichen Verfahren auseinander. Abgesehen von den materiell-rechtlich zu diskutierenden Fragen eines Berufsrechtsverstoßes, lasse die betreffende Entscheidung des Berufsgerichts für Heilberufe sogar den Umkehrschluss zu, dass es sich bei den festgestellten Verstößen nicht um ein schwerwiegendes Fehlverhalten im Sinne der Bundesärzteordnung handele. Das Berufsgericht hätte gemäß § 3 Abs. 1, 2, 4 HmbHeilBG die Möglichkeit gehabt, ihre Berufsunwürdigkeit festzustellen und eine Geldbuße bis 50.000,- Euro anzusetzen, wenn es von einem schwerwiegenden Fehlverhalten von ihr – der Antragstellerin – ausgegangen wäre. Das habe es jedoch nicht getan. Dies führe unweigerlich zu der Annahme, dass auch das Berufsgericht in seiner Entscheidung trotz festgestellter Berufsrechtsverstöße weder von einem schwerwiegenden Fehlverhalten noch von der Berufsunwürdigkeit ausgegangen sei.
Auch die übrigen, vornehmlich wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen gegen die Dr. A. GmbH entfalteten vorliegend kein Präjudiz. Ausschließlich ihr Verhalten könne Grundlage der rechtlichen Beurteilung sein. Die Geschäftspraktik der Dr. A. GmbH müsse dahingegen bei der rechtlichen Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Approbationsentzugs außen vor bleiben.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Zweifel zu ziehen. Zunächst hat das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung sehr wohl den richtigen Maßstab zugrunde gelegt. In Übereinstimmung mit dem Vortrag der Antragstellerin hat es ausgeführt (BA S. 6 f.), der hohe Rang der verfassungsrechtlich verbürgten Berufsfreiheit und das im Rechtsstaatsprinzip verwurzelte Verhältnismäßigkeitsgebot bänden die Feststellung der Berufsunwürdigkeit an hohe Voraussetzungen. Die Annahme der Berufsunwürdigkeit erfordere gravierende Verfehlungen des Berufsangehörigen, die geeignet seien, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig zu erschüttern, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos. Das sei dann der Fall, wenn sich der Arzt ein Fehlverhalten zuschulden kommen lassen habe, das bei wertender Betrachtung das für die Behandlung von Patienten unerlässliche spezifische Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstören muss. Davon sei (erst) dann auszugehen, wenn dem Arzt infolge seines Fehlverhaltens nach dem Werturteil aller billig und gerecht Denkenden offenkundig die hierfür grundlegende ärztliche Integrität abzusprechen sei.
Verfehlt ist auch der Einwand der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht hätte bei der Feststellung der Berufsunwürdigkeit im Hinblick auf die Rechtsprechung zu Approbationswiderrufen das Fehlen eines strafrechtlichen Verfahrens zu ihren Gunsten berücksichtigen müssen. Denn für die Feststellung der Berufsunwürdigkeit ist unerheblich, ob die gravierende Verfehlung auch strafbewehrt oder gar im konkreten Fall strafrechtlich geahndet worden ist (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 11.5.2015, 8 LC 123/14,PaPfleReQ 2015, 114, juris Rn. 27;Schelling, in: Spickhoff, Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 5 BÄO Rn. 21). Schon nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO wird nur ein „Verhalten" des Arztes verlangt, aus welchem sich die Unwürdigkeit ergibt, ohne die Strafbarkeit dieses Verhaltens als Voraussetzung zu benennen. Die im Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 3/2745, S. 2) noch vorgesehene Formulierung „sich nicht eines Verhaltens, insbesondere einer schweren strafrechtlichen Verfehlung, schuldig gemacht hat" ist auf die Anregung des Bundesrates (BT-Drs. 3/2745, Anlage 2) als zur Charakterisierung eines zur Unwürdigkeit führenden Verhaltens nicht notwendig angesehen und ausdrücklich gestrichen worden (vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Bundesärzteordnung, BT-Drs. 3/2810, S. 1).
Im Hinblick auf die Entscheidung des Hamburgischen Berufsgerichts für Heilberufe vom 27. Oktober 2021 verkennt die Antragstellerin bereits, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung nicht entscheidungstragend auf dieses Urteil gestützt hat. Zwar hat es – jedenfalls zum Zeitpunkt seiner Entscheidung fehlerhaft – ausgeführt (BA S. 9), dass das Urteil des Hamburgischen Berufsgerichts für die Heilberufe vom 27. Oktober 2021 unanfechtbar geworden sei. Dies ist aber unbeachtlich, weil das Urteil des Berufsgerichts jetzt ohnehin rechtskräftig ist und das Verwaltungsgericht auf der Grundlage des bisherigen Sachstands des Eilverfahrens eine eigene Würdigung des Verhaltens der Antragstellerin vorgenommen hat (BA S. 7 ff.). Dass das Verwaltungsgericht dabei von einem falschen Sachverhalt ausgegangen wäre, legt die Antragstellerin schon nicht substantiiert dar. Vielmehr geht sie darauf gar nicht ein.
Soweit die Antragstellerin darauf abstellt, der Umstand, dass das Maß der gegen sie mit Urteil vom 27. Oktober 2021 verhängten berufsgerichtlichen Maßnahmen am unteren Rand geblieben sei, im Umkehrschluss auch gegen die Annahme ihrer Berufsunwürdigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO spreche, überzeugt dies nicht. Dabei verkennt das Beschwerdegericht nicht, dass das Hamburgische Berufsgericht für Heilberufe, obwohl es im Rahmen der Maßnahmebemessung zu Lasten der Antragstellerin berücksichtigt hat, dass die Antragstellerin an der Ausstellung von AU-Bescheinigungen in 80.000 Fällen in beträchtlichem Umfang mitgewirkt habe (S. 26 d. Urteils zum Az. 41 H 7/20), „nur“ einen Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 6.000,- Euro ausgesprochen hat. Die Antragstellerin übersieht insoweit allerdings, dass das Berufsgericht nicht über die mit der Antragsschrift angeschuldigten Taten hinausgehen kann (vgl. Willems, Das Verfahren vor den Heilberufsgerichten, 2009, Rn. 420) und damit nur das Strafmaß für das Verhalten der Antragstellerin in drei Einzelfällen (S. 12 d. Urteils zum Az. 41 H 7/20) zu finden hatte. Ein Hinweis darauf, dass das Berufsgericht bei einer höheren Anzahl an mit der Antragsschrift angeschuldigten Taten eine der ausgesprochenen Maßnahme vergleichbare Maßnahme verhängt hätte, findet sich hingegen nicht und erscheint auch fernliegend. Das Berufsgericht hat lediglich das Gesamtverhalten der Antragstellerin bei der Maßnahmebemessung berücksichtigt (vgl. Willems, a.a.O., Rn. 428), wogegen nichts zu erinnern ist. Das Verwaltungsgericht hat dahingegen für die Frage, ob der Tatbestand der Berufsunwürdigkeit erfüllt ist, maßgeblich auf das Verhalten der Antragstellerin in Bezug auf 90.000 ausgestellte AU-Bescheinigungen und darüber hinaus auf das Verhalten der Antragstellerin in Bezug auf mindestens 2.000 ausgestellte COVID-19-Selbsttest-Zertifikate – diese waren nicht Gegenstand des heilberufsgerichtlichen Verfahrens – abgestellt. Der durch das Verwaltungsgericht zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich damit in seinem Ausmaß erheblich von dem, den das Berufsgericht zu bewerten hatte. Darauf geht die Antragstellerin nicht im Ansatz ein.
Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin findet sich kein Hinweis darauf, dass die vornehmlich wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen gegen die Dr. A. GmbH bei der rechtlichen Würdigung für das Verwaltungsgericht eine Rolle gespielt haben. Die Antragstellerin übersieht insoweit, dass das Verwaltungsgericht die Annahme ihrer Berufsunwürdigkeit unmittelbar an ihrem Verhalten – der faksimilierten bzw. handschriftlichen Unterzeichnung der AU-Bescheinigungen und der Selbsttest-Zertifikate ohne den erforderlichen Patientenkontakt – und nicht an den Feststellungen anderer Gerichte festgemacht hat.
b)
Die Antragstellerin rügt, ihr sei kein schwerwiegendes Fehlverhalten vorzuwerfen, weil das von ihr angewendete Online-Verfahren im Hinblick auf die AU-Bescheinigungen sowie die Selbsttest-Zertifikate den berufsrechtlichen Regelungen entsprochen habe, die das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss auch bei nur summarischer Prüfung hätte würdigen müssen. Der Unrechtsgehalt ihres Verhaltens beschränke sich allein auf die Frage, ob die von ihr durchgeführte telemedizinische Behandlung der Berufsordnung entspreche. Im Einzelnen:
aa)
Die Antragstellerin trägt vor, im Hinblick auf die AU-Bescheinigungen sei dem angewendeten Verfahren immanent gewesen, dass kein unmittelbar physischer Kontakt zu den Patienten bestanden habe. Dies sei gerade Sinn und Zweck telemedizinischer Angebote. Zur Sicherung vor Missbrauch sei insofern ein individueller Fragebogen erarbeitet worden, um dem Sicherheitsgedanken, der hinter einem unmittelbar physischen Kontakt stehe, gerecht zu werden. Die Frage, ob eine Fernberatung bzw. -behandlung ärztlich vertretbar sei, hänge unmittelbar mit dem Wohl der Patientinnen und Patienten und der Gewissenhaftigkeit der ärztlichen Berufsausübung zusammen. Das Verwaltungsgericht verkenne bei seinen Ausführungen, dass eine individuelle Einzelfallprüfung grundsätzlich auch durch ein standardisiertes Verfahren möglich sei. Das verfahrensgegenständliche standardisierte Verfahren knüpfe ausschließlich an die individuellen Patienteninformationen an und lasse eine Ausstellung einer AU-Bescheinigung nur zu, soweit die eingegebenen Informationen zu einem bestimmten und beschränkten Krankheitsbild führten. Dass bei Krankheitsbildern, die als „Alltagserkrankungen“ in einer Vielzahl aufträten, die Diagnose anhand typischerweise auftretender Symptome bestimmt werde, sei dabei nicht nur bei dem hier vorliegenden Verfahren der Fall, sondern werde auch häufig bei der „klassischen analogen“ Behandlung vor Ort so gehandhabt. Die persönliche Befragung der Patienten dürfe nicht als bloßer Selbstzweck verstanden werden. Im Hinblick auf den Sinn und Zweck neuartiger telemedizinischer Behandlungsmethoden wäre es schlichtweg nicht umsetzbar, wenn bei einer jeden Behandlung ein Verfahren vorausgesetzt würde, das immer auch einen persönlichen Kontakt erforderte. Insofern sei es konsequent, wenn das Tatbestandsmerkmal „Einzelfall“ in § 7 Abs. 3 Satz 3 BO anhand des konkreten Krankheitsbildes bestimmt werde. Folglich könne bei gewissen Krankheitsbildern eine gewissenhafte Behandlung auch ohne persönlichen Kontakt erfolgen. Wenn im Grundsatz stets ein persönlicher Kontakt nötig wäre, würde § 7 Abs. 3 Satz 3 BO entgegen seines offenen Wortlautes, der sich auf alle digitalen Möglichkeiten beziehe, stark eingeschränkt. Auch wenn durch eine solche Auslegung nicht abschließend klar sein sollte, welche „Einzelfallkrankheiten“ von § 7 Abs. 3 BO erfasst würden, lasse sich dieser Unsicherheit gerade vor dem Hintergrund des § 2 BO damit begegnen, dass dies in der gewissenhaften Entscheidungsfreiheit des jeweiligen Arztes liege. Vorliegend werde die gewissenhafte Behandlung durch den Online-Fragebogen, den die Patienten ausfüllen müssten, sichergestellt. Der Fragebogen enthalte eine Anamnese und der weitere Vorgang schließe Patienten aus, deren Antworten der Behandlung zuwiderlaufen würden. Eine zusätzliche Verifizierung der von den Patienten abgegebenen Angaben erfolge sodann qua Plausibilitätsprüfung mit stichpunktartiger persönlicher digitaler Überprüfung. Der Schutzmechanismus – Algorithmus – trete an die Stelle des prüfenden Arztes, welcher zuvor qua Fragebogen – antizipiert – die Grundlage der Anamnese geschaffen habe. Die Überprüfung der Richtigkeit der Patientenangaben durch eine unmittelbare persönliche Kontrolle müsse nur in Zweifelsfällen erfolgen. Auch bei einer Vor-Ort-Behandlung müsse der Arzt auf die Angaben des Patienten vertrauen, da eine Verifizierung nur schwerlich möglich sei. Darüber hinaus stehe auch in vielen Fällen der Vor-Ort-Behandlung die Integrität der konventionellen Behandlung in Frage.
Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ein berufspflichtwidriges Verhalten der Antragstellerin angenommen. Es hat zu seiner Feststellung, dass sich die Antragstellerin als berufsunwürdig erwiesen habe, ausgeführt (BA S. 7 f.), die Antragstellerin habe über mehrere Jahre in einem automatisierten Verfahren über das Internet massenhaft AU-Bescheinigungen gegen Entgelt unter ihrem Namen ohne verlässliche Prüfung ausgegeben. Dabei sei die Ausstellung von mit ihrer Unterschrift versehenen AU-Bescheinigungen erfolgt, ohne dass sie jemals mit den betreffenden Personen wegen ihrer angegebenen Erkrankungen persönlich, per Videoschaltung oder per Telefon in Kontakt getreten sei. Die Bescheinigungen seien allein auf der Grundlage einer formularmäßigen Beantwortung einiger Fragen auf der Internetseite des Unternehmens des Sohnes ausgegeben worden. Mithilfe des automatisierten Verfahrens habe jede interessierte Person ohne Weiteres unabhängig von einer tatsächlich vorliegenden Erkrankung über das Internet eine AU-Bescheinigung der Antragstellerin erwerben können.
Damit stellt das Verwaltungsgericht – wenn auch ohne Benennung einer konkreten Norm – zu Recht darauf ab, dass der Antragstellerin berufsrechtlich vorzuwerfen ist, ohne persönlichen Kontakt zum Patienten AU-Bescheinigungen ausgestellt zu haben. Denn dadurch hat sie gegen ihre Berufspflicht aus § 25 Satz 1 BO verstoßen.
Gemäß § 25 Satz 1 BO – der schon in der Berufsordnung i.d.F. v. 20. Februar 2006 gleich lautete – haben Ärzte bei der Ausstellung ärztlicher Gutachten und Zeugnisse mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung auszusprechen.
Der Begriff des ärztlichen Zeugnisses erfasst jede ärztliche Feststellung über den Gesundheitszustand eines Menschen aufgrund der besonderen ärztlichen Sachkunde. Erfasst sind insbesondere auch ärztliche Bescheinigungen über die krankheitsbedingte Unfähigkeit einer Person, ihrer beruflichen Tätigkeit für einen gewissen Zeitraum nachzugehen. Entsprechend ist die Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit vom Begriff des ärztlichen Zeugnisses im Sinne des § 25 Satz 1 BO erfasst (vgl. Lippert, in: Ratzel/Lippert, MBO-Ä, 5. Aufl. 2010, § 25 Rn. 2).
Die notwendige Sorgfalt nach § 25 Satz 1 BO erfordert eine ärztliche Untersuchung (vgl. § 31 BMV-Ä). Bisher durfte der Arzt die Arbeitsunfähigkeit nur auf Grund unmittelbar persönlicher Untersuchung (vgl. BSG, Urt. v. 16.12.2014, B 1 KR 25/14 R, KrV 2015, 69, juris Rn. 13; Scholz, in: Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, § 25 MBO-Ä Rn. 8) feststellen. Seit dem 19. Januar 2022 sind auch mittelbare persönliche Untersuchungen im Wege einer Videosprechstunde möglich, wenn diese eine hinreichend sichere Beurteilung ermöglichen (§ 92 Abs. 4a Satz 1 SGB V; § 4 Abs. 5 Satz 2 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 SGB V vom 19. Januar 2022). Die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit ausschließlich auf Basis z.B. eines Online-Fragebogens, einer Chat-Befragung oder eines Telefonates ist hingegen ausgeschlossen (vgl. Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Richtlinie über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 SGB V: Ärztliche Fernbehandlung, elektronische Bescheinigung und Ergänzung Ausnahmetatbestände v. 16.7.2020, S. 5, www.g-ba.de/downloads/40-268-6737/2020-07-16_AU-RL_Fernbehandlung eAU_TrG.pdf, Zugriff am 8.12.2022). Damit ist für die ärztliche Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit weiterhin auf einen direkten persönlichen Kontakt zwischen Arzt und Patienten abzustellen, zumal die – insbesondere wirtschaftlichen – Folgen der AU-Bescheinigung erheblich sind. Die festgestellte Arbeitsunfähigkeit begründet für den versicherten Arbeitnehmer den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß § 3 EFZG. § 44 Abs. 1 und 2 SGB V begründet den Anspruch der Versicherten auf Krankengeld. Arbeitslose haben bei unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit gem. § 146 Abs. 1 SGB III weiterhin Anspruch auf Arbeitslosengeld (Leistungsfortzahlung). Diese sozialrechtlichen Grundsätze füllen auch die notwendige Sorgfaltspflicht des Arztes nach § 25 Satz 1 BO aus. Dies gilt unabhängig davon, ob der das Gesundheitszeugnis ausstellende Arzt ein Vertragsarzt oder ein Privatarzt ist.
Welches das vom Arzt geforderte beste Wissen im Sinne des § 25 Satz 1 BO ist, wird von den Rechtsnormen mitbestimmt, auf deren Grundlage das Zeugnis auszustellen ist. Insoweit erfordert die Ausstellung der AU-Bescheinigung, dass der Arzt auch die dafür maßgeblichen rechtlichen Grundlagen kennt. Auch muss der Arzt sich durch Einsichtnahme in seine Patientenkartei oder durch gründliche Anamneseerhebung bzw. Untersuchung des Patienten das beste Wissen über den Tatsachenstoff verschaffen (vgl. Scholz, in: Spickhoff, Medizinrecht, 4. Aufl. 2022, § 25 MBO-Ä Rn. 6 f.).
Der Arzt kann seine ärztliche Überzeugung nach § 25 Satz 1 BO nur aussprechen, wenn er sich diese durch eine persönliche Untersuchung des Patienten verschafft hat (vgl. Scholz, in: Spickhoff, a.a.O., § 25 MBO-Ä Rn. 9).
Dies zugrunde gelegt hat die Antragstellerin durch die – vollkommen kontaktlose – Ausstellung der mit ihrem Namen versehenen AU-Bescheinigungen eklatant gegen ihre Berufspflicht aus § 25 Satz 1 BO verstoßen. Zum einen hat sie im Hinblick auf die PDF-AU-Bescheinigungen keine Kontrolle über die in ihrem Namen ausgegebenen AU-Bescheinigungen gehabt, weil sie der Dr. A. GmbH für das von ihr entwickelte Online-Verfahren ihre Faksimile-Unterschrift zur Verwendung überlassen hat. Von der Existenz der Kunden, die lediglich eine PDF-AU-Bescheinigung bestellt hatten, hatte sie somit keine Kenntnis. Diese erhielten unmittelbar nach Bestellung lediglich auf der Grundlage von online angeklickten, vorbezeichneten Antwortmöglichkeiten die mit der Faksimile-Unterschrift versehenen AU-Bescheinigungen. Zum anderen hat die Antragstellerin aber auch insoweit gegen die notwendige Sorgfaltspflicht nach § 25 Satz 1 BO verstoßen, als sie – wie von ihr in der mündlichen Verhandlung des Berufsgerichts vorgetragen – auf Bestellung der Kunden die online generierten, mit einer Diagnose versehenen AU-Bescheinigungen handschriftlich unterzeichnet hat, weil sie auch zu diesen Kunden keinerlei persönlichen Kontakt, der ihr unmittelbaren Aufschluss über die Arbeitsfähigkeit des Kunden hätte geben können, hatte (vgl. Protokoll d. Berufsgerichts v. 27.10.2021, S. 104 d. Sachakte). Die ungeprüften Patientenangaben waren auch schon der Sache nach nicht geeignet, für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit herzuhalten, weil ohnehin entscheidungserhebliche Informationen, insbesondere zur konkreten beruflichen Tätigkeit fehlten. Nur mit diesen Informationen kann der Arzt aber beurteilen, ob der Gesundheitszustand dem Nachgehen der konkreten Tätigkeit entgegensteht (vgl. Bartha, in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, 66. Edition Stand: 1.9.2022, § 31 BMV-Ä Rn. 1). Schließlich hat die Antragstellerin bei allen in ihrem Namen ausgestellten AU-Bescheinigungen nicht nach bestem Gewissen gehandelt. Denn sie hat sich weder über die Rechtsnormen, auf deren Grundlage AU-Bescheinigungen auszustellen sind, noch über den Tatsachenstoff bestmöglich informiert. Dabei ist insbesondere zum Nachteil der Antragstellerin zu berücksichtigen, dass das von ihr entwickelte System ermöglichte, den Sachverhalt zu manipulieren, und die individuellen Angaben der Kunden auf dem Online-Formular damit zur Erforschung des Sachverhalts nicht ausreichten. Denn ergaben die Angaben des Kunden, dass er keine AU-Bescheinigung erhält, hatte er die Möglichkeit, zu dem von ihm ausgefüllten Fragebogen zurück zu gelangen und die dort erbetenen Angaben erneut zu machen bzw. inhaltlich anzupassen.
Soweit die Antragstellerin zur Rechtfertigung ihres Handelns auf die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Satz 3 BO verweist, verkennt sie, dass der Anwendungsbereich der Regelung hier bereits nicht eröffnet ist. Die Frage, ob im Rahmen einer Beratung und Behandlung nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BO eine AU-Bescheinigung ausgestellt werden kann, stellt sich daher schon nicht.
Gemäß § 7 Abs. 3 BO beraten und behandeln Ärzte Patienten im persönlichen Kontakt. Sie können dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird.Eine Fernbehandlung liegt demnach vor, wenn der Kranke demjenigen, der die Krankheit erkennen und/oder behandeln soll, Angaben über die Krankheit, insbesondere Symptome oder Befunde, übermittelt und dieser, ohne den Kranken gesehen und die Möglichkeit einer Untersuchung gehabt zu haben, entweder konkret und individuell eine Diagnose stellt und/oder einen Behandlungsvorschlag unterbreitet (vgl. Doepner/Reese, in: BeckOK HWG, Doepner/Reese, 9. Edition Stand: 1.9.2022, § 9 Rn. 47; OLG Köln, Urt. v. 10.8.2012, I-6 U 235/11,WRP 2013, 189, juris Rn. 22).
So verhält es sich bei dem von der Antragstellerin verwendeten Online-Verfahren nicht. Der Tatbestand des § 7 Abs. 3 Satz 3 BO ist nicht erfüllt, weil es an einem individuellen Austausch im Wege der Nutzung irgendeines Kommunikationsmediums zwischen Patient und Arzt fehlt. Allein die Verwendung des standardisierten Formulars genügt dem nicht. Von den bestellten rein online generierten AU-Bescheinigungen hatte die Antragstellerin nicht einmal Kenntnis. Im Hinblick auf die von ihr handschriftlich unterzeichneten Bescheinigungen, die ihr im Büro gezielt vorgelegt worden sind, hat die Antragstellerin selbst angegeben, die Angaben der Patienten nicht im Einzelfall überprüft zu haben. So hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Heilberufsgericht am 27. Oktober 2021 bekundet, dass sie die AU-Bescheinigungen bereits mit einer Diagnose erhalten habe und sie diese nur auf ihre Schlüssigkeit hin überprüfe (S. 104 d. Sachakte). Das Handeln der Antragstellerin zielte mithin nicht darauf ab, dem Patienten eine individuelle Diagnose zu stellen und/oder einen therapeutischen Ratschlag zu erteilen. Gegen das Vorliegen ärztlicher Behandlungen nach § 7 Abs. 3 BO spricht im Übrigen auch der Umstand, dass die Antragstellerin keine Behandlung abgerechnet hat.
Soweit die Antragstellerin dem entgegensetzt, im Hinblick auf den Sinn und Zweck neuartiger telemedizinischer Behandlungsmethoden wäre ein persönlicher Kontakt nicht immer erforderlich, vielmehr müsse die Erforderlichkeit am Tatbestandsmerkmal „Einzelfall“ in § 7 Abs. 3 Satz 3 BO anhand des konkreten Krankheitsbildes bestimmt werden, verkennt sie die Bedeutung dieses Tatbestandsmerkmals. Insoweit verweist das Beschwerdegericht auf die überzeugenden Ausführungen des Hanseatischen Oberlandesgerichts zur gleichliegenden Vorschrift des § 7 Abs. 4 Satz 3 MBO-Ä in seiner Entscheidung vom 5. November 2020 (5 U 175/19, MedR 2021, 912, juris Rn. 56 f.), die es sich zu Eigen macht:
„Der „Einzelfall“ i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 3 MBO-Ä meint das konkrete Arzt-Patienten-Verhältnis und nicht – wie die Beklagte meint – ein spezielles Krankheitsbild, wie z.B. das einer Erkältung. Die Neufassung der Vorschrift soll die Fort- und Weiterentwicklung telemedizinischer, digitaler, diagnostischer und anderer vergleichbarer Möglichkeiten berücksichtigen, aber weiterhin den Grundsatz der Behandlung im persönlichen Kontakt verdeutlichen (Beschlussprotokoll des 121. Deutschen Ärztetags, TOP IV – 01 S. 2 f.). Es ist das grundlegende Ziel, dass konkrete und individuell auf den einzelnen Patienten abgestellte Diagnosen gestellt oder Therapieempfehlungen gegeben werden. Dies muss auch berücksichtigt werden, wenn es um die Frage geht, in welchen Fällen eine Fernbehandlung möglich sein soll.Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich dieses Ergebnis auch aus den „Hinweisen und Erläuterungen zu § 7 Abs. 4 MBO-Ä“ der Bundesärztekammer. Auf S. 3 wird dort als Erläuterung zum Tatbestandsmerkmal des „Einzelfalls“ ausgeführt, dass „die Ärztin bzw. der Arzt jeweils in Bezug auf den einzelnen Behandlungs- bzw. Beratungsfall unter Berücksichtigung sämtlicher Begleitumstände zu prüfen [hat], ob dieser für eine ausschließliche Fernbehandlung im Sinne der Vorschrift geeignet ist“ („Hinweise und Erläuterungen zu § 7 Abs. 4 MBO-Ä“, Stand: 22.03.2019, II.3., Anlage K 11). Schon nach dem Wortlaut der Erläuterungen kann sich der einzelne Beratungs- und Behandlungsfall nur auf das konkrete Arzt-Patienten-Verhältnis beziehen. Zu den Begleitumständen zählt darüber hinaus ausdrücklich der Bezug zu der Patientin oder dem Patienten (III.4. der Hinweise und Erläuterungen). Der „Einzelfall“ i.S.d. § 7 Abs. 4 S. 3 MBO-Ä kann sich nach diesen Ausführungen nicht unabhängig vom einzelnen Patienten lediglich auf ein Krankheitsbild beziehen, sondern meint gerade ein konkretes Arzt-Patienten-Verhältnis.“
Darüber hinaus kann die Antragstellerin sich im Hinblick auf die AU-Bescheinigungen, die in ihrem Namen in dem Zeitraum von Dezember 2018 bis September 2019 ausgestellt worden sind, schon deshalb nicht auf § 7 Abs. 3 Satz 3 BO berufen, weil dieser erst am 1. September 2019 (Hamburger Ärzteblatt 08/2019, S. 44) in Kraft getreten ist. Bis zum 31. August 2019 galten in Bezug auf telemedizinische Behandlungen strengere Regeln. So war in § 7 Abs. 3 BO i.d.F.v. 13. Februar 2012 (Hamburger Ärzteblatt 05/2012, S. 43) normiert, dass der Arzt die individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen durfte; auch bei telemedizinischen Verfahren war zu gewährleisten, dass ein Arzt den Patienten unmittelbar behandelt. Demnach galt ein eindeutiges Verbot einer ausschließlich auf Kommunikationsmedien beruhenden Behandlung.
Die Antragstellerin hat den Verstoß gegen die Berufspflicht nach § 25 Satz 1 BO auch unter Berücksichtigung ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 15. Februar 2022 (Bl. 47 d. Gerichtsakte) jedenfalls billigend in Kauf genommen. Als tätige Ärztin ist sie gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 4 HmbKGH verpflichtet, sich über die für ihre Berufsausübung geltenden Bestimmungen zu unterrichten. Dies umfasst zum einen die Regelung des § 25 Satz 1 BO, zum anderen aber auch die speziellen Regelungen zu der Ausstellung von AU-Bescheinigungen, insbesondere dann, wenn dies nahezu die einzige ärztliche Tätigkeit ist, die der Arzt durchführt. Es musste für die Antragstellerin als langjährige Ärztin auf der Hand liegen, dass die Duldung der Verwendung ihrer Faksimile-Unterschrift für das reine Online-Verfahren der Dr. A. GmbH nicht den berufsrechtlichen Pflichten entsprach, weil sie dadurch bewusst die Kontrolle über die Verwendung ihrer Unterschrift abgegeben hat. Ohne konkrete Kenntnis im Einzelfall wurden in ihrem Namen automatisiert Bescheinigungen ausgestellt. Dass dies in einem krassen Widerspruch zu der Regelung der Berufsordnung steht, musste der Antragstellerin klar sein. Aber auch im Hinblick auf die von der Antragstellerin handschriftlich unterzeichneten AU-Bescheinigungen konnte sie nicht von einem berufspflichtgemäßen Verhalten ausgehen. Sie nahm jedenfalls billigend in Kauf, gegen ihre Berufspflicht zu verstoßen, denn als langjährige Ärztin musste sie wissen, dass die Arbeitsunfähigkeit eines Patienten ohne konkreten Austausch mit diesem – insbesondere auch zu seiner beruflichen Tätigkeit – nicht attestiert werden kann. Soweit sie sich darauf beruft, gedacht zu haben, dass ihr Handeln von der Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BO gedeckt gewesen sei, hätte ihr bewusst sein müssen, dass schon der Tatbestand einer (Fern-)Behandlung nicht erfüllt ist. Ihr ist insoweit konkret vorzuwerfen, die Hinweise und Erläuterungen zu § 7 Abs. 4 MBO-Ä der Bundesärztekammer vom 22. März 2019 nicht beachtet zu haben, in denen ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass nach aktuellem Stand davon auszugehen sei, dass das Vertragsarztrecht Ärzte „an der Ausstellung von AU im Rahmen ausschließlicher Fernbehandlung“ hindere (S. 6; www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/_old-files/downloads/pdf-Ordner/Recht/HinweiseErlaeuterungenFernbehandlung.pdf; abgerufen am: 9.12.2022). Zudem hat sie in ihrer Anhörung vor dem Heilberufsgericht selbst eingeräumt, von drei Fällen gewusst zu haben, in denen Arbeitsgerichte die AU-Bescheinigungen nicht akzeptiert hätten (S. 103 d. Sachakte).Auch in der vom 27. August 2020 datierenden Anschuldigungsschrift der Ärztekammer, die der Antragstellerin gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 HmbHeilBerGerG zugestellt worden ist, wird der Berufspflichtverstoß bei der Ausstellung der AU-Bescheinigungen benannt und es wird darin auch auf das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Hamburg betreffend die Dr. A. GmbH (Az.: 406 HK O 56/19) vom 3. September 2019 Bezug genommen. In diesem Urteil heißt es – wenn auch in Zusammenhang mit dem Wettbewerbsrecht –, dass es mit der ärztlichen Sorgfalt nicht vereinbar sei, wenn der Arzt grundsätzlich auf den persönlichen Kontakt mit dem Patienten verzichte, bevor er eine AU-Bescheinigung ausstelle. Schließlich verfängt auch der Verweis der Antragstellerin darauf, dass sie der rechtlichen Einschätzung ihres Sohnes sowie der K. Rechtsanwälte“ vertraut habe, nicht. Es wäre ihrerseits angezeigt gewesen, sich eine unabhängige rechtliche Einschätzung einzuholen. Denn auch das Rechtsgutachten der Rechtsanwälte K. (Bl. 49 ff. d. Gerichtsakte) hat die Dr. A. GmbH in Auftrag gegeben. Unabhängig davon trifft das Gutachten ohnehin nur Aussagen zu den Selbsttest-Zertifikaten.
bb)
Die Antragstellerin wendet im Hinblick auf die Selbsttest-Zertifikate ein, das Verwaltungsgericht habe fälschlicherweise übersehen, dass sie im Rahmen des angewendeten Verfahrens aufgrund des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient auf die Angaben der Kunden habe vertrauen dürfen. Die für die Eigenverantwortung zugelassenen Corona-Antigentests, welche auf der Internetseite der Dr. A. GmbH bzw. der Nachfolgerin vorgegeben würden, seien allesamt so konzipiert, dass selbst Laien ohne Weiteres in der Lage seien, diese bei sich anzuwenden und so ein konkretes Testergebnis zu erhalten. Diese Tests könnten also auch ohne die originäre Überwachung durch einen Arzt vor Ort durchgeführt werden. Mit Blick auf das zwischen einem Arzt und einem Patienten bestehende Vertrauensverhältnis dürfe der Arzt auch ohne entsprechende Anhaltspunkte nicht davon ausgehen, dass die vom Patienten getätigten Angaben unwahr seien. Auch sei nicht zwingend eine Überwachung per Video erforderlich, da zu den nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BO genannten Kommunikationsmedien auch das Internet als solches zähle. Letztlich ergebe sich aus den hier zu prüfenden Regelungen auch kein zwingendes Erfordernis, dass die „Überwachung“ synchron zu der Ausführung des Tests oder eine „ärztliche Rücksprache“ erfolgen müsse.
Auch dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt (BA S. 8 f.), die Antragstellerin habe COVID-19-Testzertifikate über negative Antigen-Schnelltests über das Internet ausgestellt, obwohl ihr hierfür nur jeweils das Foto eines gebrauchten Test-Kits vorgelegen habe. Weder habe eine Überwachung der von den Einsendern oder von irgendeiner anderen Person durchgeführten Tests stattgefunden, noch habe anhand des Fotos die Gewähr bestanden, dass das auf dem Foto des Test-Kits ersichtliche Testergebnis auch tatsächlich der Person habe zugeordnet werden können, die das Zertifikat auf der Internetseite für sich bestellt habe. Ausweislich der Angabe auf der Internetseite www.....com belaufe sich die Zahl ausgestellter Selbsttest-Zertifikate auf mindestens 2.000 (bis August 2021). Nach einem Zeitungsinterview mit dem Sohn der Antragstellerin lägen die täglichen Nutzerzahlen sogar im fünfstelligen Bereich. Dieses Vorgehen der Antragstellerin verdeutliche, dass sie nicht gewillt oder in der Lage sei, Erhebungen anzustellen, die für ihre fachliche Aussage unabdingbar seien.
Damit stellt das Verwaltungsgericht – wenn auch hier ohne Benennung einer konkreten Norm – zu Recht darauf ab, dass der Antragstellerin berufsrechtlich vorzuwerfen ist, ohne persönlichen Kontakt zum Patienten Corona-Selbsttest-Zertifikate ausgestellt zu haben. Auch dies verstößt gegen die Berufspflicht aus § 25 Satz 1 BO.
Da die streitgegenständlichen Zertifikate eine ärztliche Feststellung über den Gesundheitszustand eines Menschen treffen, fallen sie unter die von § 25 Satz 1 BO erfassten ärztlichen Zeugnisse.
Die nach § 25 Satz 1 BO notwendige Sorgfalt bei der Ausstellung ärztlicher Atteste erfordert – wie bereits oben ausgeführt – grundsätzlich einen persönlichen Kontakt zwischen Arzt und Patienten. Das ergibt sich auch aus den speziellen Regelungen zu den COVID-19- Testzertifikaten. Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Testverordnung – TestV) ist das Ausstellen von Testzertifikaten unzulässig, wenn Antigen-Tests zur Eigenanwendung – wie hier – ohne Überwachung durchgeführt werden.
Die Antragstellerin hat gegen diese Pflicht aufs Gröbste verstoßen. Indem sie ihre Faksimile-Unterschrift sowie ihren Stempel auch für dieses Angebot der Dr. A. GmbH zur Verfügung gestellt hat, wurden in ihrem Namen Zertifikate erstellt, von denen sie keine Kenntnis hatte. Aber auch wenn die Antragstellerin die Testzertifikate persönlich erstellt haben sollte (S. 105 f. d. Sachakte), verletzte dies die Berufspflicht. Denn es gab keinen persönlichen Kontakt zum Kunden. Weder fand eine Überwachung der von den Einsendern oder von irgendeiner anderen Person durchgeführten Tests statt, noch bestand anhand des eingereichten Fotos die Gewähr, dass das auf dem Foto des Test-Kits ersichtliche Testergebnis auch tatsächlich der Person zugeordnet werden konnte, die das Zertifikat auf der Internetseite für sich bestellt hat.
Zu Unrecht beruft die Antragstellerin sich darauf, dass der Arzt auf die Angaben seines Patienten vertrauen dürfe. Denn zwischen den Kunden und ihr bestand bereits keine Arzt-Patienten-Beziehung. Vielmehr hatten die Antragstellerin und die Kunden nicht einmal direkten Kontakt miteinander. Das zeigt sich auch daran, dass die Antragstellerin – wie sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung des Heilberufsgerichts ergibt (Bl. 103 d. Sachakte) – über keine Patientenakten verfügte.
Soweit in dem zum Verfahren eingereichten Rechtsgutachten davon ausgegangen wird, dass § 7 Abs. 4 Satz 2 MBO-Ä, der § 7 Abs. 3 Satz 3 BO entspricht, dazu führe, dass eine Überwachung auch über Kommunikationsmedien stattfinden könne, ist dies unzutreffend. § 7 Abs. 3 Satz 3 BO gelangt auch in Zusammenhang mit den Selbsttest-Zertifikaten nicht zur Anwendung. Der Tatbestand des § 7 Abs. 3 Satz 3 BO ist mangels Behandlung durch die Antragstellerin nicht erfüllt. Unabhängig davon hat keine Überwachung über Kommunikationsmedien bei der Durchführung eines Antigen-Tests zur Eigenanwendung stattgefunden, weil durch das Einreichen eines Fotos nicht gewährleistet ist, dass der Kunde tatsächlich den auf dem Foto verwendeten Selbsttest (ordnungsgemäß) durchgeführt hat.
Die Antragstellerin hat bewusst gegen ihre Berufspflicht nach § 25 Satz 1 BO verstoßen. Auch hier hat sie aufgrund der Duldung der Verwendung ihrer Faksimile-Unterschrift durch die Dr. A. GmbH jegliche Attestierungen ohne ihre Kenntnisnahme gebilligt. Dies allein ist schon offensichtlich mit der ärztlichen Sorgfaltspflicht aus § 25 Satz 1 BO nicht zu vereinbaren. Aber auch bei den von ihr persönlich erstellten Selbsttest-Zertifikaten konnte sie schon aufgrund der von ihr verwendeten Formulare für die Zertifikate nicht davon ausgehen, dass ihr Vorgehen berufspflichtgemäß ist. Denn auf dem Formular versichert die Antragstellerin als Ärztin jeweils, dass die Person, für die das Testzertifikat erstellt wird, „unter meiner fachärztlichen Überwachung meiner Arztpraxis i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TestV gemäß § 2 Nr. 7 SchAusnahmV“ einen Corona-Test gemacht hat. Zudem bestätigt sie, dass die Testung durch einen geeigneten, zugelassenen Test erfolgt ist. Sie gab demnach bewusst nicht der Wahrheit entsprechende Erklärungen ab. Schließlich hätte die Antragstellerin auch durch die öffentliche Berichterstattung im Hinblick auf die COVID-19-Testzertifikate ihr Handeln hinterfragen müssen.
Soweit sie sich mit ihrer eidesstattlichen Versicherung zu ihrer Exkulpation auf das Rechtsgutachten von Rechtsanwalt K. und die Angaben ihres Sohnes beruft, muss ihr – wie bereits oben – vorgeworfen werden, dass sie sich nicht um eine neutrale Beratung bemüht hat.
c)
Die Antragstellerin wendet weiter ein, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts habe sie nicht ihre Approbation als Ärztin dazu missbraucht, „um es dem Unternehmen ihres Sohnes zu ermöglichen, über mehrere Jahre in einem automatisierten Verfahren über das Internet massenhaft AU-Bescheinigungen gegen Entgelt unter ihrem Namen sowie auch zahlreiche Testzertifikate zum Corona-Schnelltest ohne verlässliche Prüfung“ auszugeben. Es sei ihr stets allein um die telemedizinische Versorgung von Patienten und das Vorantreiben der digitalen Gesundheitsversorgung in Deutschland gegangen. Sie und andere Mediziner hätten hierfür ein telemedizinisches Verfahren entwickelt und diese Leistung über die Plattform der Gesellschaft ihres Sohnes angeboten.
Mit dieser Begründung stellt die Antragstellerin die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ebenfalls nicht infrage. Das Verwaltungsgericht hat den Vorwurf des unwürdigen Verhaltens der Antragstellerin entgegen ihrem Vortrag nicht daran festgemacht, dass sie durch ihr Verhalten dem Gewinnstreben des Unternehmens ihres Sohnes gedient habe, sondern daran, dass sie ohne ärztlich selbst erhobenen Befund AU-Bescheinigungen (BA S. 7 f.) und ohne persönliche Überwachung der Vornahme eines Antigen-Tests COVID-19-Testzertifikate über negative Testergebnisse (BA S. 9) massenhaft ausgestellt und damit ihre Berufspflichten schwerwiegend verletzt habe. Dies verkennt die Antragstellerin. Soweit sie sich zur Rechtfertigung ihres Handelns darauf beruft, sie habe durch die telemedizinischen Leistungen die digitale Gesundheitsversorgung weiter vorantreiben wollen, zeigt die Antragstellerin, dass sie – nach wie vor – ihre „Visionen“ zur digitalen Gesundheitsversorgung über ihre ärztlichen Berufspflichten stellt.
3.
Die Antragstellerin rügt, der Approbationswiderruf sei unangemessen. Sie werde im wesentlichen Kern ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG betroffen. Ihr werde die berufliche Lebensgrundlage entzogen, obwohl sie weiterhin ärztlich tätig sein wolle. Zu berücksichtigen sei, dass sie sich seit dem Beginn ihrer ärztlichen Tätigkeit vor 46 Jahren stets berufsrechtskonform verhalten habe. Sie sehe sich schon aufgrund des berufsgerichtlichen Verfahrens enormen – auch finanziellen – Belastungen ausgesetzt.
Auch diese Begründung rechtfertigt nicht die Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts. Die Einwände der Antragstellerin gegen die Annahme ihrer Berufsunwürdigkeit greifen – wie soeben aufgezeigt – nicht durch. Es ist demnach von ihrer Berufsunwürdigkeit auszugehen, so dass die Approbation zwingend zu widerrufen ist (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 13.8.2021, 3 Bf 154/19, n.v.). Die Feststellung der Unwürdigkeit verlangt mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein schwerwiegendes Fehlverhalten, bei dessen Würdigung alle Umstände der Verfehlung(en) zu berücksichtigen sind. Sind die Voraussetzungen der Berufsunwürdigkeit – wie hier – erfüllt, ist der mit dem Widerruf der Approbation verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit gerechtfertigt, ohne dass es – wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt (BA S. 6) – einer zusätzlichen Abwägung mit den persönlichen Lebensumständen des Betroffenen wie etwa Alter und Möglichkeiten anderweitiger beruflicher Tätigkeit bedarf (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.7.2019, 3 B 7/18, GesR 2019, 671, juris Rn. 11; Urt. v. 28.4.2010, 3 C 22/09, BVerwGE 137, 1, juris Rn. 16).
Ferner greift auch das Beschwerdevorbringen nicht durch, unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten hätte es eine Vielzahl milderer Mittel als einen Approbationswiderruf gegeben, die in dieser rechtlich unsicheren Situation zur Anwendung hätten kommen müssen. Eine mildere Maßnahme als der Approbationswiderruf ist nicht ersichtlich. Eine Beschränkung der Approbation, also ein Teilwiderruf, ist gesetzlich nicht möglich (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 13.8.2021, 3 Bf 154/19, n.v.). Die Approbation ist eine unbeschränkte Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufes und als solche unteilbar. Aus diesem Grund kommt auch die Erteilung von „Auflagen“ zur Approbation als Alternative zum Widerruf der Approbation vorliegend nicht in Betracht. Zudem trägt das Gesetz dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zusätzlich durch die Möglichkeit Rechnung, nach Abschluss des Widerrufsverfahrens einen Antrag auf Wiedererteilung der Approbation zu stellen und gegebenenfalls zunächst eine Erlaubnis zur erneuten Ausübung des ärztlichen Berufs auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 BÄO zu erhalten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.4.1998, 3 B 95/97, NJW 1999, 3425, juris Rn. 11; VGH München, Urt. v. 28.6.2017, 21 B 16.2065, medstra 2018, 304, juris Rn. 30). Ein Ruhen der Approbation kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil keiner der Tatbestände des § 6 Abs. 1 BÄO erfüllt ist.
4.
Weiter macht die Antragstellerin geltend, der Widerruf der Approbation werde instrumentalisiert, um zum einen neben dem anhängigen berufsgerichtlichen Verfahren eine weitere unzulässige Sanktion gegen sie zu verhängen und um zum anderen gegen die Dr. A. GmbH bzw. deren Rechtsnachfolgerin vorzugehen. Ein solches Ansinnen sei mit Blick auf die berufsrechtlichen Konsequenzen für sie illegitim.
Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Mit seiner Entscheidung bezweckt das Verwaltungsgericht nicht die Sanktionierung der Antragstellerin. Vielmehr hält es die Maßnahme zur Gefahrenabwehr für erforderlich. Denn es stellt zutreffend darauf ab, dass der Widerruf der Approbation eine Maßnahme zur Abwehr der Gefahren sei, die von der Tätigkeit eines zur Berufsausübung unwürdigen Arztes ausgingen (BA S. 7), und führt sodann auch aus, warum das Verhalten der Antragstellerin das Vertrauen in die Integrität der Ärzteschaft massiv untergrabe und damit die Volksgesundheit gefährde (BA S. 8 und 9). Insofern ist die Annahme der Antragstellerin, der Widerruf der Approbation diene zur (weiteren) Bestrafung ihrer Person, nicht im Ansatz begründet. Eine hinreichende Auseinandersetzung mit den Gründen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts findet seitens der Antragstellerin insoweit auch nicht statt.
Soweit die Antragstellerin meint, dass der Approbationswiderruf gegen die Dr. A. GmbH gerichtet sei, verkennt sie, dass es allein um die Abwehr der von ihrem Verhalten für die Volksgesundheit ausgehenden Gefahren geht. Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ist nicht der Betrieb des Unternehmens ihres Sohnes.
5.
Schließlich macht die Antragstellerin geltend, entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts liege kein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Approbationswiderrufs vor. Zu Unrecht begründe das Verwaltungsgericht das öffentliche Vollzugsinteresse erneut mit ihrer Tätigkeit bei der Dr. A. GmbH bzw. deren Nachfolgerin, obwohl allein ihre ärztliche Tätigkeit Bezugspunkt des Approbationswiderrufs sein dürfe. Selbst wenn die umgehende Unterbindung ihrer Tätigkeit für das Unternehmen ihres Sohnes ein besonderes öffentliches Interesse im Sinne des § 80 Abs. 5 VwGO – was sie anders beurteile – begründe, sei ihre Tätigkeit bei dem Unternehmen nicht Gegenstand des Approbationswiderrufs. Hier seien (nur) die behaupteten schwerwiegenden Berufsrechtsverstöße von Relevanz, die aber gerade nicht vorlägen. Denn der Approbationswiderruf sei keine Maßnahme, um das Handeln der Gesellschaft zu sanktionieren. Im Übrigen sei zwar richtig, dass durch falsche AU-Bescheinigungen Nachteile wirtschaftlicher Art entstehen könnten. Es sei aber nicht dargetan, dass sie häufiger falsche AU-Bescheinigungen ausgestellt habe, als dies beim Handeln „analog“ tätiger Ärzte der Fall sei. Gleiches gelte im Hinblick auf die Selbsttests, da der Selbsttestung ein gewisses Missbrauchspotential immanent sei. Der Sicherungsalgorithmus und das Verlangen eines gekennzeichneten Bildes der Tests böten einen ausreichenden Missbrauchsschutz.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in Frage zu stellen. Das Verwaltungsgericht hat zum besonderen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Approbationsentzuges ausgeführt (BA S. 12 f.), dass dieses, auch gemessen an den strengen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt habe, gerechtfertigt sei. Es seien überwiegende Belange gegeben, die nicht im Missverhältnis zur Schwere des Eingriffs für die Antragstellerin stünden. Das im vorliegenden Fall betroffene öffentliche Interesse an einer umgehenden Unterbindung der Betätigung der Antragstellerin für das Unternehmen ihres Sohnes bei der Ausstellung von AU-Bescheinigungen und COVID-19-Testzertifikaten sei von erheblichem Gewicht. Durch falsche AU-Bescheinigungen entstünden gravierende Nachteile wirtschaftlicher Art, da sie zu unberechtigten Lohnfortzahlungen führten. Das werde hier auch durch die Vielzahl der in der Sachakte der Antragsgegnerin gesammelten Beschwerden deutlich. Bei unzutreffenden negativen Testzertifikaten bestehe die – wenngleich derzeit nur bedingt bedeutsame – Gefahr, dass die getesteten infizierten Personen das Virus bei Gelegenheiten übertrügen, die durch das Erfordernis eines Zertifikats ausgeschlossen werden sollten. Den grundrechtlich geschützten Interessen der Antragstellerin, den Arztberuf bis zum Vorliegen einer bestandskräftigen Entscheidung weiterhin ausüben zu können, komme demgegenüber ein nur relativ geringes Gewicht zu. Für sie führe der Sofortvollzug des Approbationsentzugs nicht zu wirtschaftlichen Einbußen. Ihre eigentliche ärztliche Tätigkeit in der Praxis für Frauenheilkunde und Geburtshilfe habe sie schon im März 2013 beendet. Ihre ärztliche Betätigung für das Unternehmen ihres Sohnes erfolge nach ihren Angaben unentgeltlich. Da die Antragstellerin im September diesen Jahres bereits 80 Jahre alt werde, sei auch nicht zu erwarten, dass sie alsbald eine andere Beschäftigung als Ärztin aufnehmen werde. Solches habe sie auch nicht vorgebracht. Ihr Interesse, während des Hauptsacheverfahrens weiterhin ärztlich tätig sein, sei für sie daher rein ideeller Art.
Mit diesen für die Abwägungsentscheidung des Verwaltungsgerichts tragenden Erwägungen setzt sich die Antragstellerin bereits nicht in einer dem Darlegungserfordernis des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Weise auseinander.
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 8.4.2010, 1 BvR 2709/09, NJW 2010, 2268, juris Rn. 12; Beschl. v. 19.12.2007, 1 BvR 2157/07, NJW 2008, 1369, juris Rn. 20 ff.; Beschl. v. 24.10.2003, 1 BvR 1594/03, NJW 2003, 3618, juris Rn. 15; Beschl. v. 2.3.1977, 1 BvR 124/76, BVerfGE 44, 105, juris Rn. 31) allein die hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Hauptsacheverfahren zum Nachteil des Betroffenen ausgehen wird, zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht ausreicht, sondern die Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr voraussetzt, dass überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen gegen die Grundverfügung einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (BVerfG, Beschl. v. 8.4.2010, a.a.O., m.w.N.).
Die Gesamtwürdigung des Verwaltungsgerichts ist nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin knüpft es für die Annahme der bereits jetzt bestehenden konkreten Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter nicht an die Tätigkeit der Antragstellerin bei der Dr. A. GmbH bzw. deren Nachfolgerin an, sondern an die konkrete ärztliche Betätigung der Antragstellerin bei der Ausstellung von AU-Bescheinigungen und COVID-19-Testzertifikaten, die – wie bereits zuvor vom Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt – berufspflichtwidrig von der Antragstellerin ausgestellt worden sind. Damit ist nichts dafür ersichtlich, dass entgegen dem Vortrag der Antragstellerin eine Sanktionierung des Unternehmens des Sohnes der Antragstellerin erfolgen soll.
Zu Recht nimmt das Verwaltungsgericht auch an, dass die umgehende Unterbindung der Tätigkeit aufgrund der drohenden gravierenden Nachteile wirtschaftlicher Art in Gestalt von unberechtigten Lohnfortzahlungen und aufgrund der Übertragungsgefahr von COVID-19-Infektionen durch unzutreffende negative Testzertifikate gerechtfertigt ist. Soweit die Antragstellerin dagegen einwendet, dass nicht dargetan sei, dass durch ihr Verhalten häufiger falsche AU-Bescheinigungen bzw. Selbsttests ausgestellt würden, als dies beim Handeln „analog“ tätiger Ärzte der Fall sei, kann dieser Vortrag nicht überzeugen. Vielmehr zeigt die Antragstellerin dadurch bereits, dass sie keine Einsicht in die Pflichtwidrigkeit ihres Tuns hat und weiterhin so handeln würde. Dabei verkennt sie, dass die AU-Bescheinigungen – unabhängig von der Richtigkeit der Angaben des jeweiligen Kunden – schon aufgrund ihres Vorgehens von vorhinein den Anforderungen des § 25 Satz 1 BO nicht entsprechen (s.o.). Dies stellt einen wesentlichen Unterschied zu den AU-Bescheinigungen eines „analogen Arztes“ dar. Zudem leuchtet ohne weiteres ein und bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass das Missbrauchspotential bei einem System, bei dem der Kunde über das Internet durch bloßes Anklicken von Symptomen eine AU-Bescheinigung erhält, ungleich höher als bei einem persönlichen Kontakt zum Arzt ist. Auch hinsichtlich der von der Antragstellerin ausgestellten COVID-19-Testzertifikate ist das Missbrauchspotential deutlich erhöht. Soweit die Antragstellerin insoweit vorträgt, dass das Verfahren einen ausreichenden Missbrauchsschutz durch den Sicherungsalgorithmus und das Verlangen eines gekennzeichneten Bildes der Tests biete, trifft dieser Vortrag schon im Tatsächlichen nicht zu. Der Sachakte sind Beschwerden von Betroffenen zu entnehmen, die vorgetragen haben, dass die Beantragung eines Testzertifikats auch ohne Einreichung eines visuellen Nachweises möglich war und auch sonst keine Plausibilitätskontrolle (z.B. Beantragung unter den Namen Max Mustermann oder Mickey Maus) stattgefunden hat (Bl. 143, 147 d. Sachakte). Selbst wenn teilweise ein Bild des selbstausgeführten Tests verlangt worden sein sollte, böte eine solche Kontrolle nicht die erforderliche Gewissheit, die durch das Selbttest-Zertifikat gerade gewährleistet werden sollte.
Soweit sich der Einwand der Antragstellerin, ihr werde die berufliche Lebensgrundlage entzogen, auf die Annahme des Verwaltungsgerichts, ihren grundrechtlich geschützten Interessen, den Arztberuf bis zum Vorliegen einer bestandskräftigen Entscheidung weiterhin ausüben zu können, komme ein nur relativ geringes Gewicht zu, beziehen sollte, dringt sie damit nicht durch. Sie setzt sich auch insoweit mit den Argumenten des Verwaltungsgerichts nicht im Ansatz auseinander und verkennt, dass es im Rahmen der Abwägungsentscheidung zum Sofortvollzug allein um die Frage geht, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung als Abweichung von der im Gesetz grundsätzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs, die sich als zusätzliche Belastung darstellt, gerechtfertigt ist.
5.
Da die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf die Annahme ihrer Berufsunwürdigkeit nicht in Zweifel ziehen konnte, auf die das Verwaltungsgericht selbstständig tragend abgestellt hat, kann dahinstehen, ob sie mit ihrem Vorbringen gegen die den Approbationswiderruf weiter selbstständig tragende Annahme des Verwaltungsgerichts, sie habe sich zudem als unzuverlässig im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO erwiesen, durchdringt, weil es der Beschwerde ohnehin nicht zum Erfolg verhilft.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG in Verbindung mit Ziffern 16.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.