Berechnung des Kariesdetektors und dentinadhäsiver Aufbaufüllungen

 | Gericht:  Landgericht (LG) Stuttgart  | Aktenzeichen: 22 O 171/16 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Gebühren

Urteilstext


Tenor

Das Landgericht Stuttgart - 22. Zivilkammer – hat am 02.03.2018 aufgrund des Sachstands vom 23.02.2018 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 7.408,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.01.2016 sowie weitere EUR 729,23 zu zahlen.

1.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

3.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 14.876,22 festgesetzt.


Tatbestand

Der Kläger unterhält bei dem Beklagten eine private Krankenversicherung. Mit der Klage macht er die Erstattung zahnärztlicher Behandlungskosten geltend. Er beruft sich dabei auf den Versicherungsschutz nach dem Tarif GS 1 PLUS. Für zahnärztliche Behandlungen sieht der Tarif gemäß der Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen B II) (Anlage K1) eine Erstattung für Zahnbehandlungsmaßnahmen in Höhe von 100% vor, für Zahnersatzmaßnahmen in Höhe von 75%.

Der Versicherungsschutz ist nach Ziffer III 2b der Versicherungsbedingungen beschränkt auf die Honorarhöchstsätze der gültigen amtlichen Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). Bezüglich der Erstattung von Material- und Laborkosten bei Zahnersatz regelt Ziffer B II 1):


„Erstattet werden (...) Material- und Laborkosten bei Zahnersatz [...] mit 75% des Rechnungsbetrages (...)"

Der Tarif sieht eine jährliche Selbstbeteiligung i. H. v. EUR 255,00 vor.

Der Kläger ließ im Jahr 2015 eine Totalsanierung seines Ober- und Unterkiefers (Erneuerung der insuffizienten Zahnersatzversorgung) durchführen. Die Behandlung wurde in zwei Abschnitten durchgeführt, wobei teilweise keramische Verblendschalen (sog. „Veneers") und zum Teil keramische Vollkronen eingegliedert wurden.

Vor der Durchführung der Behandlung reichte der Kläger bei dem Beklagten die Heil- und Kostenpläne ein, woraufhin diese mitteilte, dass sie nur einen Teil der Kosten erstatten werde, da sie die  Kosten für nicht angemessen halte. Der Kläger wies dies zurück und ließ die Behandlung durchführen.

Für die Behandlung wurde dem Kläger zunächst am … eine Rechnung gestellt (Anlage K3), welche auch zahntechnische Labor- und Materialkosten i. H. v. enthält und sodann am … eine weitere Rechnung über …(Anlage K4), welche zahntechnische Labor- und Materialkosten i. H. v. enthält. Insgesamt weisen die beiden Rechnungen Labor- und Materialkosten i. H. v. EUR 32.424,49 aus.

Diese Rechnungen regulierte der Beklagte mit Leistungsabrechnungen vom … (Anlage K5) und … (Anlage K6). Dabei nahm sie diverse Kürzungen vor. Der Kläger beanstandet mit der vorliegenden Klage die Kürzungen für die zahntechnischen Labor- und Materialkosten, die der Beklagte damit begründete, dass diese Kosten nicht angemessen i. S. d. § 9 GOZ seien. Der Beklagte hat die Labor- und Material kosten auf das Maß gekürzt, dass ihr nach interner Rechnungsprüfung angemessen schien. Die abgerechneten Labor- und Materialkosten in der Rechnung vom … i. H. v. EUR 18.179,99 hat der Beklagte auf einen Betrag von EUR 7.506,06 gekürzt. Erstattet hat er hierauf EUR 5.633,43. Die abgerechneten Labor- und Materialkosten in der Rechnung vom 16.12.2015 i. H. v. EUR 14.244,50 hat der Beklagte auf einen Betrag von EUR 5.962,34 gekürzt. Erstattet hat er hierauf EUR 4.474,33. Insgesamt hat der Beklagte auf beide Rechnungen EUR 10.039,75 an Labor- und Materialkosten erstattet.

Überdies beanstandet der Kläger die Kürzungen für die Maßnahmen „Kariesdetektor" und „den tinadhäsive Aufbaufüllung, 2120a GOZ (analog)". Die Kürzung für die Maßnahme „Kariesdetektor" betrug für die erste Rechnung EUR 60,65 und für die zweite Rechnung EUR 132,24. Für die Maßnahme „dentinadhäsive Aufbaufüllung" EUR 415,43. Diese Kürzungen werden damit begründet, dass die Maßnahmen nicht medizinisch notwendig seien.

Der Kläger trägt vor:

der Beklagte habe die Rechnungen im Hinblick auf die Labor- und Materialkosten unberechtigt gekürzt und nicht den vertraglich geschuldeten Betrag erstattet.

Die Labor- und Materialkosten seien vollumfänglich angemessen i. S. d. § 9 GOZ und hätten daher in Höhe von 75% erstattet werden müssen, insgesamt für beide Rechnungen i. H. v. EUR 24.256,82.

Mit der Klage macht er die seines Erachtens bestehende Differenz i. H. v. insgesamt EUR 14.267,70 geltend, … für die erste Rechnung und … für die zweite Rechnung). Die Versicherungsbedingungen sähen abgesehen von der Beschränkung der Leistungspflicht auf 75% der Kosten keine Einschränkung im Hinblick auf die Labor- und Materialkosten vor. Darüber hinaus seien die Kosten für die Labor- und Materialkosten auch deshalb gerechtfertigt, da diese Leistungen von besonders hoher Qualität seien.

Auch die vorgenommenen Leistungskürzungen für die Gebührenpositionen bzw. Behandlungs-maßnahmen seien nicht gerechtfertigt. Der Einsatz eines Kariesdetektors sei medizinisch notwendig gewesen und die adhäsiv verankerten Aufbaufüllungen seien gem. § 6 Abs. 1 GOZ nach der Gebührenposition 2120a GOZ analog berechenbar. Insgesamt macht er für diese Gebühren-positionen mit der Klage EUR 608,52 geltend.

Der Kläger beantragt,

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 14.876,22 nebst Zinsen i. H. v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.01.2016 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten i. H. v. EUR 1.053,15 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor.

die Kürzungen seien gerechtfertigt, da die Labor- und Materialkosten nicht angemessen i. S. d. § 9 GOZ seien. Der Beklagte hat zudem bestritten, dass diese Leistungen von besonders hoher Qualität seien.

Hinsichtlich des Kariesdetektors bestreitet der Beklagte die Abrechenbarkeit nach § 6 Abs. 1 GOZ als Analogposition. Die Untersuchung zur Erhebung des Paradontalbefundes sei Bestandteil der GOZ-Ziffer 0010 und nicht gesondert über § 6 Abs. 1 GOZ als Analogie zu der Gebührenziffer 2020 erstattungsfähig. Auch die Berechnung der dentinadhäsiven Aufbaufüllung nach § 6 Abs. 1 GOZ über Ziffer 2120a analog sei nicht zulässig. Die Vorbereitung eines zerstörten Zahnes mit plastischem Aufbaumaterial zur Aufnahme einer Krone sei bereits in der GOZ-Ziffer 2180 enthalten und eine Analogberechnung nach § 6 Abs. 1 GOZ scheide aus.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage ob der Kariesdetektor und die dentinadhäsive Aufbaufüllung Analogpositionen i. S. d. § 6 Abs. 1 GOZ sind. Darüber hinaus hat das Gericht Beweis erhoben zur Frage der Angemessenheit der Labor- und Materialkosten i. S. d. § 9 GOZ.

Ergänzend wird umfassend auf den Akteninhalt, insbesondere den schriftsätzlichen Vortrag der Parteien, diesem beigefügte Anlagen, das Sachverständigengutachten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2017 Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg, soweit mit ihr eine Zahlung i. H. v. EUR 7.408,00 begehrt wird. Im Übrigen ist sie unbegründet.

I. Hauptentscheidung

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

1.
Anspruch auf Erstattung der Analogpositionen gem. Ziffer B. II. der Allgemeinen Versicherungsbedingungen

Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Maßnahmen Kariesdetektor und dentinadhäsive Aufbaufüllung aus Ziffer B. II i. H. v. weiteren EUR 608,52. Ziffer B. II. der zwischen den Parteien vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Kosten ambulanter und stationärer Behandlungen sowie zahnärztlicher Leistungen nach dem Tarif GS1 (im Folgenden „AVB").

a) Kariesdetektor

Der Kläger hat gegen der Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Einsatz des Kariesdetektors nach § 6 Abs. 1 GOZ i.V.m. den AVB.

Der Sachverständige hat zur Überzeugung des Gerichts und ohne erkennbare technische oder logische Fehler dargelegt, dass es sich bei der Anwendung des Kariesdetektors nach Exkavation um eine eigenständige Behandlungsmaßnahme handelt, die in das Gebühren-verzeichnis der GOZ nicht aufgenommen ist.

Unter einem Kariesdetektor werden färbende Substanzen verstanden, welche auf das Dentin aufgebracht werden. Durch den Farbstoff werden noch vorhandene kariöse Bezirke identifiziert, die größere Poren als gesundes Dentin aufweisen. Der Sachverständige hat dargelegt, dass diese Maßnahme kein methodisch notwendiger, operativer Einzelschritt nach § 4 Abs. 2 GOZ ist und damit nicht methodisch notwendiger Bestandteil einer anderen Leistung.

Weder in GOZ-Ziffer 0010 noch an anderer Stelle ist der Einsatz eines Kariesdetektors be-schrieben. Der Sachverständige hat insofern überzeugend dargelegt, dass die GOZ keine Positionen aufweist, die einen Kariesdetektor nach den anerkannten Regeln der Wissenschaft und Zahnbehandlung voraussetzt.

Daher kann sie gem. § 6 Abs. 1 GOZ entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses der GOZ berechnet werden. Der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass die hier erfolgte analoge Heranziehung der GOZ-Ziffer 2020 mit einem Faktor 2,0 hierfür angemessen und üblich ist.

b) Dentinadhäsive Aufbaufüllung („mehrschichtiger Aufbau mit Kompositmaterial")

Auch die im vorliegenden Fall angewandte Mehrschichttechnik mit Kompositmaterial zum Aufbau ist eine Analogposition i. S. d. § 6 Abs. 1 GOZ und nicht eine bereits in der GOZ-Ziffer 2180 enthaltene Maßnahme.

Zwar sind unmittelbar zur Versorgung mit dem Aufbau gehörende Maßnahmen mit der Be-wertung nach GOZ-Ziffer 2180 abgegolten. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Gebührenziffer. Allerdings bedeutet dies nicht, dass über die üblichen Maßnahmen hinaus-gehende Aufbautechniken, insbesondere im Hinblick auf die unterschiedlichen Möglichkeiten der plastischen Aufbaufüllung zwingend unter diese Gebührenziffer fallen.

Der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass sich gewöhnliche Aufbaufüllungen z. B. mit Zementen im Hinblick auf den Arbeitsaufwand ganz erheblich von einem mehrschichtigen Aufbau mit Kompositmaterialien unterscheiden. Dieses Mehrschichtverfahren ist jedoch deutlich weniger invasiv als die herkömmlichen Methoden, da hierdurch beispielsweise das Abtöten von Zähnen vermieden werden kann. Dieser Aspekt wurde vom Verordnungsgeber der GOZ nicht hinreichend berücksichtigt, und die Gebühren-Ziffer 2180 auf konventionelle Methoden ausgerichtet. Das Leistungsverzeichnis basiert noch auf der Sprachfassung aus dem Jahr 1965, als solche modernen Mehrschichttechniken noch nicht gängig waren. Im Hinblick auf die heutzutage für die Zahnheilkunde zentrale Bedeutung des möglichst minimalinvasiven Eingriffs, entsprechen diese Methoden nach überzeugender Darlegung des Sachverständigen nicht mehr dem heutigen Behandlungsstand. Die Gebührenziffer wurde daher vom Stand der Wissenschaft überholt und ihre Heranziehung führt nicht zu angemessenen Ergebnissen. In der gesetzlichen Krankenversicherung sind daher zu diesem Themenkomplex auch erheblich höhere Vergütungen anerkannt. Es ist nicht ersichtlich, weshalb Privatpatienten diesbezüglich schlechter gestellt werden sollten.

Der Sachverständige hat ausgeführt, dass in einem Fall wie dem vorliegenden ein Faktor von bis zu zehn erforderlich gewesen wäre, um den Aufwand über die Gebührenziffer 2180 angemessen abzubilden und das Vergütungsniveau bei gesetzlichen Patienten zu erreichen. Das wäre zwar grundsätzlich auch denkbar, passt jedoch nicht zur Verordnungssystematik, die für solche Fälle den Weg des § 6 Abs. 1 GOZ vorsieht. Der Sachverständige hat auch überzeugend ausgeführt, dass die analoge Heranziehung der GOZ-Ziffer 2120a bei einem 2,23-fachen Faktor seines Erachtens angemessen und nachvollziehbar ist.

2.
Anspruch auf Erstattung der Labor- und Materialkosten nach Ziffer B. II. AVB

Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung weiterer Labor- und Materialkosten i. H. v. EUR 6.799,48. Ein darüberhinausgehender Anspruch besteht nicht.

a) Angemessene Labor- und Materialkosten i. S. d. § 9 GOZ

Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist davon auszugehen, dass die abgerechneten Kosten nicht als angemessen im Sinne von § 9 GOZ und damit als nicht vollständig berechnungsfähig anzusehen sind. Die angemessenen Kosten für Laborleistungen und Material werden durch das Gericht auf der Grundlage der Kostenberechnung des Sachverständigen für die gegenüber dem Beklagten erbrachten Laborleistungen und Materialien auf insgesamt EUR 22.452,30 geschätzt.

Gemäß § 9 GOZ ist ein Zahnarzt berechtigt, dem Patienten angemessene Aufwendungen für zahntechnische Leistung in Rechnung zu stellen, die tatsächlich entstanden sind.

Soweit der Beklagte einwendet, dass die Material- und Laborkosten nicht angemessen seien, kann er sich nicht auf das BEL II berufen, da die Angemessenheit der Aufwendungen entgegen der Auffassung des Beklagten nicht anhand dieses Leistungsverzeichnisses ermittelt werden kann. Das BEL II ist nach § 88 SGB V für die gesetzliche Krankenversicherung geschaffen worden. Dementsprechend beruht es auf Gesichtspunkten, die mit den Maßstäben der Privatversicherung nicht einschränkungslos vereinbar sind (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.05.1996 - 4 U 43/95 = VersR 1997, 217 LG Köln, Urteil vom 04.11.2009-23 0 236/06).

Ein Rückgriff auf die BEL II widerspricht den im konkreten Fall maßgeblichen Rechtsgrundlagen des zu gewährenden Versicherungsschutzes. Dieser ergibt sich allein aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag, den Allgemeinen Versicherungsbedingungen und den diese ergänzenden Tarifen und Tarifbedingungen BGH, Urteil vom 18.01.2006 - IV ZR 244/04, juris-Rn. 9 = VersR 2006, 497). Diese enthalten keinen Anhalts¬punkt dafür, dass die BEL II auf den vereinbarten Leistungsumfang in irgendeiner Weise Einfluss nehmen könnte.

Für den Begriff der Angemessenheit der Labor- und Material kosten ist auch nicht erheblich, dass bei vermeintlich 90% der Versicherten, nämlich den gesetzlich versicherten Patienten, Labor- und Materialkosten nur auf Basis der BEL II erstattungsfähig sind. Private Versicherungen sind nach ihren eigenen privatrechtlichen Regelungen und ihrem eigenen Vertragszweck zu beurteilen. Die Gesetze zur Sozialversicherung geben wegen ihrer Andersartigkeit und ihrer anderen Leistungsvoraussetzungen insoweit keinen tauglichen Maßstab für die Beurteilung, ob der Versicherungsnehmer einer privaten Krankenversicherung unangemessen benachteiligt wird (BGH, Urteil vom 18.01.2006, a. a. O., juris-Rn. 16).

Die Auffassung, dass sich die Üblichkeit an den Maßstäben der BEL II ausrichten müsse, wäre zudem nicht sachgerecht. Sie verkennt die Unterschiede zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Die Beiträge und Leistungen werden in der gesetzlichen und in der privaten Krankenversicherung nach jeweils unterschiedlichen Gesichtspunkten errechnet und erbracht. Die BEL II gilt zudem bundeseinheitlich, so dass örtliche Abweichungen aufgrund kalkulatorischer Besonderheiten der Zahnlabors nicht berücksichtigt werden können. Das Argument, 90% aller zahntechnischen Leistungen würden im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht und nach diesem Leistungsverzeichnis abgerechnet, verkennt, dass die Üblichkeit und Angemessenheit auf die jeweilige Leistung und Qualität des Produkts bezogen ist, und dass der Privatversicherte eine höhere Qualität der Leistung erwarten darf (vgl. OLG Köln, Urteil vom 30.09.1998 - 5 U 168/96, juris-Rn. 20 = VersR 99, 302).

Privatärztliche und kassenärztliche Leistungen können auch deshalb nicht gleichgestellt werden, da für den Kreis der in einer gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten ein stringentes Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs.4 SGB V besteht. Dieses ist auch im Zusammenhang mit prothetischen Versorgungen anzuwenden. Bei der Beurteilung der von Privatpatienten zu zahlenden angemessenen Vergütung im Sinne des § 9 GOZ finden allgemeine wirtschaftliche Erwägungen hingegen keine Berücksichtigung, sondern es kommt allein auf die konkreten in Auftrag gegebenen Arbeiten und die hierfür angemessene Vergütung an (OLG Hamm, Urteil vom 06.02.2006 - 3 U 26/00, juris-Rn. 63).

Maßgeblich für die Angemessenheit i. S. d. § 9 GOZ ist daher, ob die Labor- und Materialkosten im Hinblick auf das Preis-Leistungsverhältnis in einem nachzuvollziehenden, marktgerechten Verhältnis zueinander stehen. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass stets auch die Ortsüblichkeit beachtet werden muss, denn zahntechnische Leistungen werden von Zahnärzten in aller Regel in der Region angefragt, in der sie ansässig sind und nicht überregional oder gar international. Die Angemessenheit bestimmt sich außer nach den örtlichen Verhältnissen insbesondere nach dem besonderen Aufwand, der dem beauftragten Zahntechniker entsteht. Dabei ist darauf abzustellen, welcher Preis nach der Schwierigkeit, dem Zeitaufwand und der bestellten und tatsächlich erbrachten Qualität angemessen ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.05.2002-1-8 U 32/01, juris-Rn. 61).

Für den vorliegenden Fall hat der Sachverständige überzeugend dargelegt, dass die erbrachten zahntechnischen Leistungen besonders hohe qualitative Anforderungen erfüllen, die sich zwangsläufig auf die Kostenberechnung auswirken und im Einzelfall eine erhöhte Vergütung für Einzelpositionen verständlich machen. Nach der nachvollziehbaren Darstellung des Sachverständigen, der die dem Kläger berechneten Vergütungen für Laborleistungen und Material mit von anderen - ebenfalls auf hohem Niveau arbeitenden - Labors berechneten Honoraren für die hier erbrachten Leistungen verglichen hat, sind die Forderungen des Klägers in der Gesamtbetrachtung trotz der hohen angelegten Qualität deutlich überhöht. Die abgerechneten Kosten liegen zu 217% über den von den Vergleichslabors eingeholten Kostenvoranschlägen. Selbst wenn man die beiden Vergleichslabore als Vergleich heranzieht, deren Kostenvoranschläge unter den ausgewählten Laboren deutlich nach oben ausreißen, betrüge die streitgegenständliche Abrechnung noch immer 163 % der dort veranschlagten Kosten. Das kann auch angesichts der hohen Qualität der streitgegen¬ständlichen Leistung nicht mehr als angemessen betrachtet werden.

Der Sachverständige hat eine konkrete Berechnung der Kosten für eine mit der Behandlung des Beklagten identische Behandlung vorgenommen. Auf dieser Basis ist die realistische Beurteilung der Angemessenheit der Kosten möglich. Die Auswahl der fünf Labors, die der Sachverständige zum Vergleich herangezogen hat, ist nicht zu beanstanden. Dabei kann dahinstehen, ob der Einwand des Klägers zutrifft, dass es mitunter Labors geben mag, die in vergleichbarer Höhe abrechnen wie es im vorliegenden Fall geschehen ist. Selbst bei Wahrunterstellung würde dies nicht bedeuten, dass diese Kosten angemessen sind. Der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass er nur solche Labore ausgewählt hat, die seiner Auffassung und Erfahrung nach, vergleichbar hohe Qualität erbringen, wie es vorliegend der Fall war. Das Gericht hat keinen Anhaltspunkt dafür, dass diese Einschätzung des Sachverständigen nicht korrekt sein könnten. Zweifel an der Sachkunde und Glaubwürdigkeit des Sachverständigen bestehen nicht.

Soweit der Kläger zuletzt nachträglich, nachdem er bereits Gelegenheit hatte, sich ausführlich mit dem Sachverständigengutachten auseinanderzusetzen und den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zu dem Gutachten zu befragen, einwendet, bei den Labor- und Materialkosten seien die spezifischen Anweisungen des behandelnden Zahnarztes zu berücksichtigen gewesen, rechtfertigt dies keine abweichende Bewertung. Denn der Sachverständige hat ausgeführt, dass er bei den Kostenvoranschlägen der Vergleichslabors die hohe Qualität der Ausführung im vorliegenden Fall gerade berücksichtigt habe.

Dass die Kostenvoranschläge nicht jede Einzelposition aufführen, die in den streitgegenständlichen Rechnungen enthalten sind, ist unschädlich. Der Sachverständige hat überzeugend erläutert, dass die Auflistung der Einzelpositionen nichts auszusagen hat, sondern es im Ergebnis auf die Gesamtleistung ankomme. Der Detailgrad der Abrechnungen variiere dabei stark. Dass ein Labor einzelne Positionen gesondert in der Abrechnung auflistet, bedeutet jedoch nicht, dass das Vergleichslabor, das diese Leistung nicht gesondert auflistet, sie nicht ebenfalls ausgeführt und in der Rechnung berücksichtigt hat. Vielmehr ist es regelmäßig der Fall, dass Labore Einzelpositionen in Gesamtpositionen berücksichtigen und nicht separat auflisten, diese aber durchaus in ihrer Kalkulation und Abrechnung in übergeordneten Positionen enthalten sind.

Dass der Sachverständige nicht sämtliche streitgegenständlichen Einzelrechnungen geprüft hat, rechtfertigt für sich genommen, keine ergänzende Beweisaufnahme. Die vom Sachverständigen nicht in seiner Vergleichsübersicht gegenübergestellten drei Einzelrechnungen über insgesamt EUR 4.370,64 machen nur einen kleinen Teil der insgesamt angefallenen Labor- und Materialkosten aus. Für die Prüfung der Angemessenheit dieser Kosten kann daher im Rahmen der angezeigten Schätzung der angemessenen Kosten durch das Gericht auf das Verhältnis abgestellt werden, das der Sachverständige bei dem Hauptteil der Rechnungen ermittelt hat. Demnach geht das Gericht davon aus, dass die geltend gemachten und abgerechneten Kosten i. H. v. insgesamt EUR 32.424,49 vorliegend 217% der durchschnittlichen ortsüblichen Kosten betragen, womit der ortsübliche Durchschnitt heruntergerechnet insgesamt bei EUR 14.968,20 liegt (46% der abgerechneten Kosten).

Da die Kosten vorliegend unangemessen hoch sind, sind sie auf das angemessene Maß zu kürzen. Dieses ist überschritten, wenn ein Missverhältnis zwischen der erbrachten Leistung und den dafür abgerechneten Kosten besteht. Die Kosten sind daher nicht nur dann angemessen, wenn sie genau dem ortsüblichen Mittelwert vergleichbar hochwertiger Leistungen entsprechen, sondern sie können auch darüber liegen, solange - im Rahmen des Marktüblichen - kein Missverhältnis im Hinblick auf die erbrachte Leistung besteht.

Das Gericht zieht diese Grenze im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der besonders hohen Qualität der Ausführung bei einer Überschreitung des marktüblichen Mittelwerts in Höhe von 150% der vom Sachverständigen ermittelten ortsüblichen Durchschnittspreise. Diese große Spanne rechtfertigt sich, wie auch die vorliegenden Vergleichskostenvoranschläge zeigen, dadurch, dass die berechneten Kosten der Labore untereinander stark variieren. So liegen zwei der herangezogenen Vergleichslabore bei ca. 140% des Mittelwerts aller fünf Labore. Eine darüberhinausgehende Spanne ist jedoch nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Fall nicht angezeigt. Wie ausgeführt, ist dabei nicht entscheidungserheblich, ob - wie der Kläger zuletzt ausführt - einzelne Labore möglicherweise ähnlich hohe Preise veranschlagen wie das im streitgegenständlichen Fall geschehen ist. An der zutreffenden Auswahl der Vergleichslabore und der sachverständigen Einschätzung zum ortsüblichen Marktpreis für vergleichbare Leistungen bestehen aus Sicht des Gerichts keine Zweifel.

Damit schätzt das Gericht die noch angemessenen Kosten für die erbrachten Leistungen auf insgesamt EUR 22.452,30 (150% von EUR 14.968,20), wobei der Beklagte zur Erstattung i. H. v. 75% dessen verpflichtet ist.

b) Erlöschen durch Erfüllung des Beklagten, § 362 Abs. 1 BGB

Das Gericht ist nach der Erläuterung des Beklagten mit Schriftsatz vom 06.12.2017 davon überzeugt, dass der Beklagte mit den Leistungsabrechnungen vom 19.11.2015 und 21.02.2016 eine Gesamtsumme i. H. v. EUR 10.107,76 auf Labor- und Materialkosten erstattet hat.

Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beklagte dementsprechend gem. B. II. 1. AVB auf die erste Rechnung EUR 5.633,43 und auf die zweite Rechnung EUR 4.474,33 gezahlt und den insgesamt für Labor- und Materialkosten bestehenden Anspruch i. H. v. EUR 15.716,61 (75% von EUR 20.955,48) somit i. H. v. EUR 10.107,76 erfüllt hat. Somit verbleibt gem. § 362 Abs. 1 BGB ein Anspruch i. H. v. EUR 6.799,48.

3.
Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosien, §§ 280, 286, 288 BGB

Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB i. H. v. EUR 729,23. Entgegen der Auffassung der Beklagten wurde eine an den Kläger adressierte Kostennote vorgelegt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Kosten von einer Rechtsschutzversicherung ausgeglichen worden sind. Der Gegenstandswert war jedoch auf EUR 7.408,00 zu reduzieren.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2 i. V. m. 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB. Die Leistungsablehnung erfolgte spätestens mit der Leistungsabrechnung vom 21.01.2016. Dementsprechend befand sich der Beklagte spätestens ab dem 22.01.2016 in Verzug.

II.
Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.


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