Urteilstext
Tenor
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Beihilfebescheides des Oberbürgermeisters der Stadt ... vom 12. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2013 verpflichtet, dem Kläger für Aufwendungen für die Rechnung der Dres. ... und ... vom 28. März 2013 eine weitere Beihilfe in Höhe von EUR 121,10 zu gewähren.
Dir Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Der Kläger ist Beamter der Beklagten und im Fachbereich Gesundheit und Verbraucherschutz für Veterinär- und Lebensmittelüberwachung zuständig. Für seinen am 5. Mai 2001 geborenen Sohn T. ist er zu 80 % beihilfeberechtigt.
Für das Einsetzen von neun Klebebrackets im Zusammenhang mit einer kieferorthopädischen Behandlung des Sohnes des Klägers berechneten die Fachzahnärzte für Kieferorthopädie Dres. ... und ... aus ... unter dem 28. März 2013 insgesamt EUR 1.061,97. Dabei setzten sie u. a. die Nr. 2197 des Gebührenverzeichnisses (GV) der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) für die adhäsive Befestigung an.
Der Kläger beantragte am 1. April 2013 die Gewährung einer Beihilfe. Mit Beihilfebescheid vom 12. April 2013 lehnte der Oberbürgermeister der Stadt ..., der in Vertretung für die Beklagte die Beihilfen festsetzt, die Gewährung einer Beihilfe teilweise (Kürzungsbetrag: EUR 151,38) ab und legte zur Begründung dar: Nach dem Runderlass des Finanzministeriums vom 16. November 2012 sei die Nr. 2197 GV/GOZ als Leistungsposition für eine adhäsive Befestigung von Klebebrackets (Nr. 6100 GV/GOZ) nicht berechnungsfähig, weil der Leistungsinhalt der letztgenannten Gebührenziffer eine Klebebefestigung umfasse.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und führte zur Begründung aus: Die ihm vorliegende Kommentierung zur GOZ lasse Berechnung der Nr. 2197 GV/GOZ zusätzlich zur Nr. 6100 GV/GOZ zu. Dem stehe auch der Wortlaut der Nr. 2197 GV/GOZ nicht entgegen. Aus der Leistungsbeschreibung der Nr. 6100 GV/GOZ ergebe sich nämlich nicht zwingend, dass ein Bracket adhäsiv befestigt werde. Vielmehr könne es auch anders befestigt werden, z. B. mittels Glas-Ionomer-Zement. Wenn der Mehraufwand für die adhäsive Befestigung mit der Nr. 6100 GV/GOZ abgegolten sei, verbleibe lediglich eine Differenz von 35 Punkten, weil diese Gebührenziffer mit 165 und die Nr. 2197 GV/GOZ mit 130 Punkten bewertet sei. Mit dieser Punktedifferenz wären dann sämtliche Arbeiten im Rahmen der Nr. 6100 GV/GOZ abgegolten. Unter dieser Voraussetzung könne eine Abrechnung der Nr. 6100 GV/GOZ unter Einschluss des Standardmaterials, das nicht gesondert berechnet werden dürfe, nicht mehr kostendeckend erfolgen. Dies sei Beleg dafür, dass die Adhäsivbefestigung in der Leistungsbeschreibung der Nr. 2197 GV/GOZ nicht berücksichtigt sei.
Daraufhin bat der Oberbürgermeister der Stadt E. die Amtszahnärztin des Landrates des Kreises ..., Dr. ..., um Abgabe einer amtszahnärztlichen Stellungnahme. Diese legte unter dem 19. August 2013 dar: Es handele sich um juristische Fragen, die sie als Amtszahnärztin nicht beantworten könne. Die adhäsive Befestigung stelle aber das übliche und seit Jahrzehnten am meisten verbreitete Klebeverfahren dar. Da für die adhäsive Befestigung in der GOZ in der Fassung von 1988 keine Gebührenposition enthalten gewesen sei, sei sie früher selbstverständlich und unwidersprochen Bestandteil der Nr. 610 GV/GOZ 1988 gewesen. Der Umstand, dass die GOZ in der Fassung von 2012 in einem anderen Abschnitt eine neue Gebührenziffer enthalte, ändere nichts am Leistungsinhalt der unverändert gebliebenen Nr. 6100 GV/GOZ.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2013, dem Kläger zugestellt am 20. September 2013, wies der Oberbürgermeister der Stadt ... den Widerspruch des Klägers unter Wiederholung der amtszahnärztlichen Stellungnahme zurück.
Der Kläger hat am 17. Oktober 2013 vor dem Verwaltungsgericht ..., welches das Verfahren mit Beschluss vom 4. November 2013 – 3 K 4983/13 – an das erkennende Gericht verwiesen hat, Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klage führt er ergänzend aus: Die Begriffe "kleben" und adhäsive Befestigung" könnten nicht synonym verwendet werden. Wenn die Auffassung der Beklagten zuträfe, wären insgesamt siebzehn Behandlungsschritte bei Ansatz der 1,0-fachen Gebühr mit EUR 0,53 abgegolten. Auch nach Auffassung der Bundesärztekammer und der Kommentarmeinung von Liebold/Raff/Wissing sei die adhäsive Befestigung von der Leistungsbeschreibung der Nr. 6100 GV/GOZ nicht umfasst. Der dem entgegenstehende Runderlass des Finanzministeriums habe hingegen keine normative Wirkung. Die Beklagte habe weder ihre Beihilfeberechtigten noch ihn – den Kläger – konkret auf die Regelungen dieses Erlasses hingewiesen. Außerdem sei die gebührenrechtliche Regelung hier nicht zweifelhaft, sodass eine Information der Beihilfeberechtigten entbehrlich sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Beihilfebescheides des Oberbürgermeisters der Stadt ... vom 12. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2013 zu verpflichten, ihm für Aufwendungen für die Rechnung der Dres. ... und ... vom 28. März 2013 eine weitere Beihilfe in Höhe von EUR 121,10 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Klageantrages wiederholt und vertieft sie die Ausführungen in den streitbefangenen Bescheiden. Ergänzend legt sie dar: Nach Auffassung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg seien die Begriffe "Adhäsivtechnik" und "Klebetechnik" als Synonym zu sehen. Sie habe ihre Beihilfeberechtigten auf die Regelung des Erlasses vom 16. November 2012 nicht gesondert hingewiesen, weil dieser im Ministerialblatt Nr. 29 vom 5. Dezember 2012 veröffentlicht worden sei und landesweit gelte. Der Dienstherr müsse hierüber auch aus Fürsorgegründen nicht gesondert informieren. Insoweit sei auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 11. Oktober 2002 – 19 K 3330/99 – zu verweisen. Die in Rede stehende kieferorthopädische Leistung sei hier am 29. Januar 2013 erbracht worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Erlass schon veröffentlicht gewesen. Dieser beanspruche nicht nur gegenüber den Bediensteten des Landes unmittelbare Geltung. Durch die Formulierung "soweit die Verwaltungsvorschriften keine Regelungen vorsehen" in § 3 Abs. 2 Satz 2 der Beihilfenverordnung Nordrhein-Westfalen (BVO NRW) werde deutlich, dass die Beihilfestellen, gleichgültig, ob es sich um solche des Landes oder der Kommunen handele, sich auf die jeweils einschlägigen Verwaltungsvorschriften stützen könnten. Hierzu rechne auch der zitierte Runderlass. Dass sich in der allgemeinen Beihilfepraxis einige Kommunen die jeweiligen Erlasse ausdrücklich zu Eigen machten, sei kein tragendes Argument dafür, dass zwingend so verfahren werden müsse. Bei Einreichung des Kostenvoranschlages vom 19. September 2012 habe der Kläger noch gar nicht auf die einschlägigen Erlassregelungen aufmerksam gemacht werden können, weil der fragliche Erlass zu diesem Zeitpunkt noch nicht existiert habe. Wegen des Umfangs und der Vielzahl von Änderungen, die allein der Runderlass vom 16. November 2012 mit sich gebracht habe, hätten ihre Bediensteten nicht auf sämtliche Neuregelungen hingewiesen werden können. Dies sei auch in den "Dienstlichen Mitteilungen" vom 8. April 2013 zum Ausdruck gebracht worden. Vielmehr hätte sich der Kläger danach erkundigen können, ob nach Bekanntgabe der "Dienstlichen Mitteilungen" die Änderungen der beihilferechtlichen Bestimmungen auch für ihn relevant seien. Um jegliche Unsicherheiten über die Anwendung und Maßgeblichkeit des Runderlasses auszuschließen, habe die Beklagte rein vorsorglich nunmehr in den aktuell herausgegebenen neuen "Dienstlichen Mitteilungen" ausdrücklich auf den Runderlass vom 16. November 2012 aufmerksam gemacht. Ohne damit eine Rechtspflicht anerkennen zu wollen, sei sie damit dem Beispiel der Stadt L2. gefolgt. Außerdem sei im Rahmen der vorliegenden Verpflichtungsklage auf den Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung abzustellen. Maßgeblich sei allein, ob – was hier gegeben sei – der Runderlass im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen in Kraft gewesen sei.
Das Gericht hat am 29. September 2014 durch den Berichterstatter einen Erörterungstermin durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die das Gericht im Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO sowie durch den Berichterstatter anstelle der Kammer (§ 87 a Abs. 2 und 3 VwGO) entscheidet, hat Erfolg.
Sie ist zulässig, insbesondere als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 2. Alternative VwGO statthaft, und auch begründet. Der Beihilfebescheid des Oberbürgermeisters der Stadt ... vom 12. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2013 ist im hier streitbefangenen Umfang rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dieser hat Anspruch auf die Gewährung weiterer Beihilfe in Höhe von EUR 121,10 für Aufwendungen für die Rechnung der Dres. ... und ... vom 28. März 2013 (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Als Grundlage für den von dem Kläger geltend gemachten Anspruch kommt § 77 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LBG) vom 21. April 2009 (GV NRW S. 224) in der Fassung des Gesetzes vom 10. November 2009 (GV NRW S. 570) in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen – Beihilfenverordnung Nordrhein-Westfalen (BVO NRW) – in der zur Zeit des Entstehens der Aufwendungen (vgl. § 3 Abs. 5 Satz 2 BVO NRW) geltenden Fassung vom 9. Dezember 2012 (GV NRW. S. 642) in Betracht. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO NRW sind u. a. beihilfefähig die notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang in Krankheitsfällen zur Wiedererlangung der Gesundheit, zur Besserung oder Linderung von Leiden. Über die Notwendigkeit der hier in Rede stehenden Aufwendungen besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Entgegen der Auffassung der beklagten Stadt erweisen sie sich aber auch als beihilferechtlich angemessen.
Die Angemessenheit von Aufwendungen, die auf (zahn)ärztlichen Rechnungen beruhen, beurteilt sich grundsätzlich nach dem Gebührenrahmen der jeweils einschlägigen Gebührenordnung (hier: für Zahnärzte), weil (zahn)ärztliche Hilfe in aller Regel nur nach Maßgabe dieser Gebührenordnung zu erlangen ist. Deshalb setzt die Beihilfefähigkeit zunächst voraus, dass der (Zahn)Arzt die Rechnungsbeträge bei zutreffender Auslegung der Gebührenordnung zu Recht berechnet hat. Nur dann handelt es sich grundsätzlich um Aufwendungen in angemessenem Umfange.
Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 20. März 2008 – 2 C 19.06 –, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht – Rechtsprechungsreport (NVwZ-RR) 2008, 713 m. w. N.
Ob der (Zahn)Arzt seine Forderung zu Recht, also unter zutreffender Auslegung der Gebührenordnung, geltend gemacht hat, ist eine der Beihilfegewährung vorgreifliche Rechtsfrage des zivilrechtlichen (Zahn)Arzt-(Privat-)Patienten-Verhältnisses, über das die Zivilgerichte letztverbindlich entscheiden. Deren Auslegung des (zahn)ärztlichen Gebührenrechts oder Beurteilung der konkreten Gebührenstreitigkeit präjudiziert die Angemessenheit der Aufwendungen im beihilferechtlichen Sinne.
So ständige Rechtsprechung des BVerwG, vgl. zuletzt: Beschluss vom 19. Januar 2011 – 2 B 70.10 –, juris.
Denn auf Grund seiner Fürsorgepflicht hat der Dienstherr die Beihilfe nach den Aufwendungen zu bemessen, die dem Beamten wegen der notwendigen Inanspruchnahme eines (Zahn)Arztes in Übereinstimmung mit der Rechtslage tatsächlich entstehen.
Ist eine Entscheidung zwischen Patient und Behandler im ordentlichen Rechtsweg – wie häufig und auch im vorliegenden Fall – nicht ergangen, hat der Dienstherr zu prüfen, ob die Abrechnung des (Zahn)Arztes den Vorgaben des Beihilferechts entspricht, insbesondere ob die vom (Zahn)Arzt geltend gemachten Ansprüche nach materiellem (Gebühren-)Recht begründet sind.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 20. März 2008, a. a. O., S. 714; und vom 28. Oktober 2004 – 2 C 34.03 –, Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl.) 2005, 509, 510.
Bestehen bei objektiver Betrachtung ernsthaft widerstreitende Auffassungen über die Berechtigung eines Gebührenansatzes, darf diese Unklarheit nicht zu Lasten des Beihilfeberechtigten in der Weise gehen, dass er entweder auf sein Risiko eine rechtliche Auseinandersetzung mit seinem (Zahn)Arzt bzw. Behandler über die fragliche Rechnungsposition führt oder den zweifelhaften Gebührenanteil selbst trägt. In diesen Fällen ist der Dienstherr – will er der vom Behandler vertretenen Auffassung nicht folgen – gehalten, vor Entstehung der Aufwendungen seine Rechtsauffassung deutlich klarzustellen und damit den Beihilfeberechtigten Gelegenheit zu geben, sich vor Inanspruchnahme (zahn)ärztlicher Hilfe darauf einzustellen und ggf. gegenüber dem Behandler darauf zu berufen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2009 – 2 C 79.08 –, NVwZ-RR 2010, 365.
Ausgehend hiervon kann der Kläger die Gewährung weiterer Beihilfe in Höhe von EUR 121,10 (entspricht 80 % von EUR 151,38) für die in der streitbefangenen Rechnung angesetzte Nr. 2197 des Gebührenverzeichnisses (GV) der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) in der seit dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung vom 5. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2661) für die adhäsive Befestigung der Klebebrackets beanspruchen. Denn über die Frage, ob diese Gebührenziffer im Rahmen der Erbringung kieferorthopädischer Leistungen auch dann berechnet werden kann, wenn der Kieferorthopäde bereits die Nr. 6100 GV/GOZ angesetzt hat, bestehen bei objektiver Betrachtung (zumindest) ernsthaft widerstreitende Auffassungen. Vor diesem Hintergrund kann die von der Klägerseite in den Vordergrund gerückte Frage offen bleiben, ob die von der Beklagten vertretene Auffassung, eine solche Nebeneinanderberechnung sei nicht statthaft, (noch) eine vertretbare Auslegung der Gebührenordnung darstellt. Denn auch wenn Letzteres der Fall wäre, hat der Kläger Anspruch auf die begehrte Beihilfe.
Die Nr. 6100 GV/GOZ beschreibt die Leistung "Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme orthodontischer Hilfsmittel" und ist mit einer Punktzahl von 165 bewertet. Sie befindet sich im Abschnitt "G. Kieferorthopädische Leistungen" der GOZ. Die Nr. 2197 GV/GOZ beschreibt die Leistung "Adhäsive Befestigung (plastischer Aufbau, Stift, Inlay, Krone, Teilkrone, Veneer, etc." und ist mit einer Punktzahl von 130 bewertet. Sie befindet sich im Abschnitt "C. Konservierende Leistungen".
Die beklagte Stadt hat im Widerspruchsbescheid vom 12. September 2013 unter Berufung auf Nr. 11.2 des Runderlasses des Finanzministeriums vom 16. November 2012 – B 3100 – 3.1.6.2 – IV A 4 – (MBI. NRW S. 699) die Nr. 2197 GV/GOZ als nicht beihilfefähig abgelehnt, weil die Leistung der Nr. 6100 GV/GOZ, die die Behandler ebenfalls abgerechnet hätten, die Eingliederung eines Klebebrackets mitumfasse. Deshalb sei die nach Nr. 2197 GV/GOZ abgerechnete Leistung Bestandteil der Leistung nach Nr. 6100 GV/GOZ und unterfalle dem Abrechnungsverbot nach § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ. Die Begriffe "kleben" und "adhäsiv befestigen" seien danach als Synonyme zu verstehen. Diese Auffassung werde von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg vertreten. Aus dem von Klägerseite vorgelegten Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 26. Juni 2014 (1 S 15/14) lässt sich darüber hinaus entnehmen, dass auch die Vorinstanz (Amtsgericht Hildesheim) mit Urteil vom 7. Februar 2014 (51 C 91/13) eine dementsprechende Ansicht vertreten hat.
Demgegenüber hat der Kläger für seine Auffassung, die beiden Gebührenziffern seien nebeneinander abrechenbar, das vorgenannte Urteil des Landgerichts Hildesheim sowie ein Urteil des Amtsgerichts Berlin Pankow/Weißensee vom 10. Januar 2014 (6 C 46/13) und den Kommentar von Liebold/Raff/Wissing zur GOZ 2012, Kap. 7.2., S. 56 angeführt. Diese Ansicht stützt sich im Wesentlichen darauf, dass der Begriff "Eingliedern" in Nr. 6100 GV/GOZ nicht begriffsnotwendig das adhäsive Befestigen umfasse, sondern in erster Linie die Ein- und Anpassung eines Brackets an den Zahn.
In Fällen wie diesem sind Aufwendungen aber nur dann nicht angemessen im Sinne von § 3 Abs. 1 BVO NRW, wenn – hier unterstellt – die Auslegung der Gebührenordnung zweifelhaft ist und der Dienstherr nicht vor Entstehung der Aufwendungen seine Rechtsauffassung zu der Frage deutlich klargestellt hat, sodass der Beihilfeberechtigte Gelegenheit hatte, sich darauf einzustellen. Ausnahmsweise bestehende Unklarheiten der Gebührenordnungen dürfen nämlich nicht zu Lasten des Beihilfeberechtigten gehen. Der Dienstherr kann die Unklarheiten entweder durch einen konkreten, veröffentlichten Hinweis – etwa durch Richtlinien – auf die Zweifelsfragen ausräumen. Dadurch hat der Beihilfeberechtigte die Möglichkeit, sich vor Entstehung der Aufwendungen gegebenenfalls gegenüber seinem behandelnden Arzt oder Zahnarzt auf diesen Rechtsstandpunkt zu berufen. Der Dienstherr kann die erforderliche Klarheit auch im jeweiligen Verhältnis zum einzelnen Beihilfeberechtigten herbeiführen.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Mai 1996 – 2 C 10.95 –, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1996, 3094; und vom 17. Februar 1994 – 2 C 10.92 –, NJW 1994, 3023.
Nach diesen Grundsätzen kann sich die beklagte Stadt gegenüber dem Kläger nicht auf den in Nr. 11.2 des vom Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen veröffentlichen Runderlasses gegebenen Abrechnungshinweis zur Nr. 2197 GV/GOZ berufen. Dieser Runderlass konnte im maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen der beklagten Stadt in ihrer Eigenschaft als Dienstherr nicht zugerechnet werden. Die Dienstherreneigenschaft steht – außer dem Bund – dem Land, den Gemeinden, den Gemeindeverbänden oder einer sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zu (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 LBG bzw. § 2 des Beamtenstatusgesetzes – Beamt-StatG –). Als vom Land zu unterscheidender kommunaler Dienstherr ist die Stadt an Runderlasse einer obersten Landesbehörde im Bereich des Beihilfenrechts nicht gebunden. Die Reichweite des Runderlasses des Finanzministeriums vom 16. November 2012 wird als verwaltungsinterne Regelungen durch die Organisations- und Weisungsbefugnis der sie erlassenden öffentlichen Stelle begrenzt. Das Land kann durch seine obersten Behörden nur für deren jeweiligen Geschäftsbereich bindende Verwaltungsvorschriften erlassen. Dieser erstreckt sich nicht auf die beklagte Stadt, denn sie steht im Bereich des Beamtenrechts als Gebietskörperschaft nicht unter der Aufsicht des Landes Nordrhein-Westfalen. Deshalb verfängt auch der Hinweis der Beklagten auf das Urteil des Verwaltungsgerichts L2. vom 11. Oktober 2002 – 19 K 3330/99 – nicht, weil es dort um den Beihilfeanspruch eines Landesbeamten ging. Außerdem ist weder in § 77 LBG als rechtlicher Grundlage der BVO NRW noch in einer anderen gesetzlichen Bestimmung oder gar der BVO NRW selbst geregelt, dass etwaige zur BVO NRW ergehende Verwaltungsvorschriften des Landes auch für die Bereiche der Gemeinden gelten. Die Formulierung "soweit die Verwaltungsvorschriften keine Regelung vorsehen" ist ersichtlich auf die "Verwaltungsvorschriften zur Ausführung der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen (VVzBVO)", die für die hier zu entscheidende Streitfrage nichts hergeben, jedoch nicht auf den vorliegend in Rede stehenden Runderlass bezogen. Soweit die Verwaltungsvorschriften in ihrer Fassung vom 15. September 2014 unter Nr. 3.2.6 auf den Runderlass vom 16. November 2012 verweisen, betrifft dies jedenfalls einen Zeitpunkt nach Entstehen der Aufwendungen und ist für den vorliegenden Fall nicht maßgeblich. Schließlich hat sich die Beklagte den Runderlass des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. November 2012 nicht vor Entstehen der hier streitigen Aufwendungen am 28. März 2013 durch eine entsprechende Information ihrer Beamten durch einen nach außen dokumentierten Hinweis zu eigen gemacht oder sich speziell gegenüber dem Kläger vor dessen Behandlung auf den Runderlass berufen.
Abschließend erlaubt sich das Gericht die Bemerkung, dass die Ausführungen der Beklagtenseite zur Anwendung der "Dienstlichen Mitteilungen" vom 14. November 2014, in denen sie ihre Rechtsauffassung für zukünftige Beihilfefälle klargestellt hat, im Rahmen einer Verpflichtungsklage angesichts des nach dem materiellen Recht klar festgelegten maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in beihilferechtlichen Streitigkeiten neben der Sache liegen. Gleiches gilt für den Verweis auf die Rechtslage unter Geltung des früheren Runderlasses des Finanzministeriums zum zahnärztlichen Gebührenrecht vom 19. August 1998 (den sich die beklagte Stadt jedenfalls bis zum Kammerurteil vom 5. Dezember 2013 (13 K 4696/00) ebenfalls nicht zu eigen gemacht hatte), durch den gebührenrechtliche Streitfragen über erst mit der GOZ in der Fassung vom 5. Dezember 2011, nämlich die Nr. 2197 GV/GOZ, eingeführte Leistungspositionen naturgemäß nicht beantwortet werden konnten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Beschluss:
Ferner hat das Gericht am selben Tage
beschlossen:
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Höhe der streitbefangenen Beihilfe auf 121,10 € festgesetzt.