Urteilstext
Tenor
Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße hat aufgrund der Beratung vom 14. Januar 2015 für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für eine kieferorthopädische Behandlung in Gestalt der adhäsiven Befestigung eines Klebebrackets.
Der Kläger legte dem Beklagten vor Beginn der kieferorthopädischen Behandlung seiner Tochter einen Behandlungsplan vor. Dort wurden unter Ziffer 6100 Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) die Eingliederung eines Klebebrackets sowie unter Ziffer 2197 GOZ eine adhäsive Befestigung jeweils mit entsprechenden Kostenansätzen ausgewiesen.
Der Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 26.11.2013 darauf hin, dass die kieferorthopädische Behandlung dem Grund nach beihilfefähig sei; allerdings sei die adhäsive Befestigung nach Ziffer 2197 GOZ Bestandteil der Eingliederung eines Klebebrackets und mit der Gebühr nach Ziffer 6100 GOZ abgegolten.
Mit Beihilfeantrag vom 4.4.2014 machte der Kläger unter anderem Aufwendungen über EUR 1.550,86 für eine kieferorthopädische Behandlung seiner Tochter geltend, nachgewiesen durch die Rechnung des Fachzahnarztes für Kieferorthopädie, Dr. ..., vom 31.3.2014.
Der Beklagte setzte die beihilfefähigen Aufwendungen in dem Beihilfebescheid vom 9.4.2014, in der Fassung des Korrekturbescheides vom 22.7.2014, auf EUR 1.264,92 fest und gewährte unter Berücksichtigung eines Beihilfebemessungssatzes von 80 v. H. eine Beihilfe in Höhe von EUR 1.011,94. Seine Entscheidung, die nach Ziffer 2197 GOZ in Rechnung gestellte Leistung (EUR 285,94) nicht als beihilfefähig anzuerkennen, begründete der Beklagte damit, dass die adhäsive Befestigung als Bestandteil der Eingliederung eines Klebebrackets, mit der Gebühr nach Ziffer 6100 GOZ abgegolten sei.
Hiergegen richtete sich der am 15.4.2014 erhobene Widerspruch. Zur Begründung seines Widerspruchs legte der Kläger eine Stellungnahme des behandelnden Fachzahnarztes für Kieferorthopädie vom 20.1.2014 vor. Danach habe die Bundeszahnärztekammer festgestellt, dass die Ziffer 2197 GOZ auch neben der Ziffer 6100 GOZ berechnet werden könne. Da die Eingliederung eines Klebebrackets auch mit Glasionomerzzement, ohne die aufwendigen Kautelen einer adhäsiven Befestigung mit Säureätztechnik, möglich sei, müsse Ziffer 2197 GOZ neben Ziffer 6100 GOZ anwendbar sein. Außerdem werde die Position 6100 GOZ gegenüber der Position 2197 GOZ nur mit 35 Punkten höher bewertet. Schon diese geringe Differenz rechtfertige keine Vereinnahmung der adhäsiven Befestigung durch die Position 6100 GOZ unter dem Aspekt des Zielleistungsprinzipes; andernfalls wäre die Positionierung des Brackets nur mit 35 Punkten bewertet, was der Verordnungsgeber nicht gewollt haben könne, zumal die Materialkosten für ein Stan- dardbracket bereits mit enthalten sein sollten. Unter Hinweis auf den Wortlaut der §§ 12, 16 der Beihilfenverordnung (BVO) machte er ergänzend geltend, dass Aufwendungen bereits dann als beihilfefähig definiert würden, wenn sie im Rahmen einer notwendigen Behandlung entstünden. Diese Notwendigkeit ergebe sich aus dem vorgelegten Heil- und Kostenplan. Es werde nicht auf die Notwendigkeit der Aufwendungen abgestellt. Es könne vom Beklagten auch nicht argumentiert werden, dass nur die von ihm vorgenommene Auslegung der GOZ richtig sei. Im Streitfall sei notfalls durch ein Gutachten der Zahnärztekammer zu klären, ob die Abrechnung korrekt sei. Aus seiner Sicht und Kenntnis ergäben sich auch in Anbetracht einer Stellungnahme des Bundesgesundheitsministeriums keine Zweifel an der Korrektheit der Abrechnung. Hierzu verwies der Kläger auf Urteile des AG Recklinghausen, des Amtsgerichtes Pankow/Weißensee und des Amtsgerichtes Bayreuth.
Der Beklagte half dem Widerspruch nicht ab und erläuterte dem Kläger seine Sicht der Sach- und Rechtslage mit Schreiben vom 22.4.2014, 6.6.2014 sowie vom 18.7.2014 und verwies auf ein Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums vom 31.10.2013, eingereicht in dem vor dem erkennenden Gericht geführten Rechtsstreit 1 K 780/13.NW. In diesem Schreiben habe das Ministerium im Einzelnen ausgeführt, dass es nicht der Intention des Verordnungsgebers entspreche, die Ziffer 2197 GOZ für die adhäsive Befestigung von Klebebrackets in Ansatz zu bringen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.9.2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte unter Wiederholung und Vertiefung der vom Beklagten zuvor vorgebrachten Argumente aus: Zu den für die adhäsive Befestigung geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von EUR 285,94 (Ziffer 2197 GOZ) könne dem Kläger keine Beihilfe gewährt werden. Gebühren für eine zahnärztliche Behandlung seien nur in angemessenem Umfang beihilfefähig (§ 8 Absatz 1 BVO). Die Angemessenheit von zahnärztlichen Leistungen beurteile sich ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der GOZ (§ 8 Absatz 3 Ziffer 2 BVO). Gebühren, die danach nicht berechenbar seien, seien nicht beihilfefähig. Das Bundesverwaltungsgericht habe bereits in seinem Urteil vom 30.6.1996 (Az.: 2 C 10.95) klargestellt, dass die Abrechnung zahnärztlicher Leistungen grundsätzlich sowohl von der Beihilfestelle, als auch durch die Verwaltungsgerichte hinsichtlich ihrer Angemessenheit voll überprüfbar sei. In der Regel sei davon auszugehen, dass die Gebührensätze der GOZ eindeutig seien und auch von der Beihilfestelle mit eindeutigem Ergebnis ausgelegt werden könnten. Es werde jedoch nicht verkannt, dass Zahnärzte/Zahnärztekammern die Gebührenordnung zum Teil abweichend auslegten. Dies möge insbesondere dann vertretbar sein, wenn die Rechtsprechung zu umstrittenen Gebühren nicht einheitlich sei oder eine Entscheidung im ordentlichen Rechtsweg nicht vorliege. Bestünden ausnahmsweise bei objektiver Betrachtung widerstreitende Auffassungen über die Berechtigung eines Gebührenansatzes, sei dieser beihilferechtlich als angemessen anzusehen, soweit der vom Zahnarzt in Rechnung gestellte Betrag einer zumindest vertretbaren Auslegung der Gebührenordnung entspreche und der beihilfepflichtige Dienstherr nicht für rechtzeitige Klarheit über die von ihm vertretene Auslegung gesorgt habe. Diese Klarstellung der Auslegung durch den Dienstherrn müsse nicht allgemein bezogen sein (zum Beispiel durch Richtlinien oder einen Erlass); vielmehr sei entscheidend, dass konkret zwischen dem Dienstherrn und dem betreffenden Beamten für rechtzeitige, d. h. vor der streitgegenständlichen Behandlung, Klarheit gesorgt worden sei, welcher Auffassung der Dienstherr folge. Sei eine solche rechtzeitige Klarstellung über die gebührenrechtliche Auffassung der Verwaltung erkennbar für den Beihilfeberechtigten erfolgt und sei diese vertretene Auffassung gebührenrechtlich zutreffend, müsse der Beihilfeberechtigte sich hierauf verweisen lassen. Hinsichtlich der Berechnung der Gebühr nach Nr. 2197 neben der Gebühr nach Nr. 6100 GOZ habe das für das Beihilferecht des Landes Rheinland-Pfalz zuständige Ministerium der Finanzen eine Stellungnahme des Amtszahnarztes, Herrn Dr. ..., eingeholt. Aus der Stellungnahme des Dr. … gehe Folgendes hervor:
„…
Tatsache ist, dass die Aufzählung bei der GOZ 2197 nicht abschließend ist und sich aufgrund der Systematik der GOZ die Anwendbarkeit der Ziffer 2197 auch nicht nur auf Leistungen des Abschnitts C der GOZ beschränkt. Im Prinzip steht sie somit für kieferorthopädische Leistungen offen. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ darf „ für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist," „ der Zahnarzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnete (...)„ Die Ziffer 6100 umfasst die Eingliederung ei¬nes Klebebrackets. Der Begriff „Klebebracket" setzt zwingend voraus, dass das Bracket „geklebt wird". Dies war nicht immer so; früher wurden Brackets „dem Zahn aufzementiert" (...). Auch nach Etablierung der Adhäsivtechnik gab es Versuche, mit Zementen (wie Glasionomerzementen) Brackets zu befestigen; diese erwiesen sich aber den konventionell (d. h. in Säureätztechnik geklebten) Brackets unterlegen (...). Historisch gesehen wurde die Säureätztechnik im Jahr 1955 durch BUONOCORE in die Zahnmedizin eingeführt. In der Kieferorthopädie wurde dieses Verfahren erstmals im Jahr 1965 eingeführt (...) und ersetzte damit das bis dahin übliche Zementieren. Zum Zeitpunkt des Erlasses der GOZ von 1998 war damit das Kleben von Brackets im Sinne der Adhäsivtechnik längst etabliert. (...) Es spricht somit alles dafür, dass der Begriff „Klebebracket" mit dem Begriff „adhäsiv befestigtes Bracket" zu synonymisieren ist. (...) Auch wenn in der GOZ von „Klebebrackets" und nicht von „adhäsiv befestigten Brackets" die Rede ist, ist daher aufgrund dieser Synonymie davon auszugehen, dass § 4 Abs. 2 Satz 2 damit auch für Klebebrackets gilt in dem Sinne, dass die Ziffer für die adhäsive Befestigung nach GOZ 2197 nicht zusätzlich zur Eingliederung eines Klebebrackets nach GOZ 6100 berechnet werden kann, weil das „Kleben" bereits Bestandteil der Leistung nach GOZ 6100 ist.
…“
Auf der Grundlage dieser Stellungnahme und unter Berücksichtigung des Zielleistungsprinzips in § 4 GOZ gehe der Beklagte davon aus, dass die Ziffer 2197 GOZ als Leistungsposition für eine adhäsive Befestigung für Klebebrackets nicht zusätzlich berechnet werden könne; das Kleben sei bereits Bestandteil der Leistung nach Ziffer 6100 GOZ. Der Beklagte habe im vorliegenden Fall den Kläger auch rechtzeitig über seine gebührenrechtliche Auffassung hinsichtlich der Ziffer 2197 GOZ informiert. Aus Anlass der Vorlage des von dem Kläger am 21.11.2013 eingereichten kieferorthopädischen Behandlungsplanes vom 22.10.2013 habe der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 26.11.2013 darauf hingewiesen, dass die adhäsive Befestigung nach Ziffer 2197 GOZ Bestandteil der Eingliederung eines Klebebrackets, mit der Gebühr nach Ziffer 6100 abgegolten und somit nicht gesondert berechenbar sei. In Kenntnis dieser Mitteilung habe der Kläger nicht erwarten können, dass der Beklagte eine neben der Ziffer 6100 GOZ in Rechnung gestellte Leistung nach Ziffer 2197 GOZ für eine Befestigung gleichwohl als beihilfefähig anerkennen werde. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn fordere nicht den Ausgleich jeglicher aus Anlass von Krankheitsfällen entstandener Aufwendungen und auch nicht deren Erstattung in jeweils vollem Umfang. Die Beihilfe müsse nur sicherstellen, dass der Beamte in den genannten Fällen nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibe, die er auch über eine zumutbare Eigenvorsorge nicht abdecken könne (BVerfGE 83, 89). Es müsse daher in Kauf genommen werden, dass nicht in jedem Einzelfall eine volle Deckung der Aufwendungen erreicht werde. Wegen des nur ergänzenden Charakters der Beihilfe sei es dem Gesetzgeber unbenommen, generalisierende und pauschalierende Regelungen zu tref-fen, die im Einzelfall auch zu Härten und Nachteilen führen könnten. Dies gelte zumindest, solange nicht gegen den Wesenskern der Fürsorgepflicht verstoßen werde. Der Wesenskern der Fürsorgepflicht sei nur verletzt, wenn wegen der Höhe der nicht beihilfefähigen Aufwendungen die amtsangemessene Alimentation nicht mehr gewährleistet wäre. Dies sei aber im Hinblick auf die Höhe des strittigen Betrages nicht zu befürchten.
Nach Zustellung des Widerspruchsbescheids (20.9.2014) hat der Kläger am 9.10.2014 Klage erhoben.
Er trägt unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens vor: Die Stellungnahme von Dr. ... vom 20.1.2014, die auf die Meinung der Bundeszahnärztekammer verweise, spreche für die klägerische Rechtsauffassung. Der Beklagte behaupte indessen, dass das Aufbringen eines Brackets durch Kleben im Sinne der Adhäsivtechnik zum Zeitpunkt des Erlasses der GOZ 1998 schon lange Stand der Technik gewesen sei. Alleine die Tatsache, dass in der neuen GOZ 2012 die „Adhäsive Befestigung" mit der Nummer 2197 mit aufgenommen worden sei zeige, dass die neue Befestigungsart „Adhäsivtechnik" erst in dieser Nummer zum Tragen komme. Das heiße, der Gesetzgeber habe erkannt, dass die Ziffer 6100 „Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme orthodontischer Hilfsmittel" alleine nicht ausreiche. Deshalb sei dem Stand der Technik Rechnung getragen und die neue Nummer 2197 neu geschaffen worden. Des Weiteren seien gegenüber der alten GOZ 1988, Nummer 610 „Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme orthodontischer Hilfsmittel", in der neuen GOZ 2012 Nummer 6100 „Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme orthodontischer Hilfsmittel", keinerlei Anpassungen in den Punkten und dem Honorar vorgenommen worden, was aufgrund erhöhtem Arbeitsaufwand und Materialkosten hätte vorgenommen werden müssen. Zudem ausgehend von der Wertung des VG Köln, Urteil vom 13.12.2013 (Az.: 19 K 4610/12), wonach die Ziffern der GOZ aus Abschnitt C parallel zu den Ziffern der GOZ aus Abschnitt G angewendet werden dürften, bedeute dies, dass Ziffer 2197 GOZ ebenfalls neben Ziffer 6100 GOZ angewendet werden könne. Dieses Ergebnis sei insbesondere auch vor dem Hintergrund der mit den jeweiligen Positionen verknüpften Punkte zu begründen: Mit der Ziffer 6100 GOZ seien das Eingliedern eines Attachement sowie die Materialkosten für ein unprogrammiertes Edelstahlbracket (vgl. Liebold/Raff/Wissing, DER Kommentar BEMA und GOZ, 98. Lieferung, Stand Dezember 2011, Ziffer 6100) erfasst. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass weitere Leistungen Bestandteil der Ziffer 6100 GOZ und diese mit der Ziffer 6100 GOZ abgegolten seien, hätte er dies wie beispielsweise bei der Ziffer 2220 GOZ, in die Abrechnungsbestimmungen aufgenommen. Für die Annahme einer Leistungsumschlüsselung, wie im Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums angeführt, gebe der Referentenentwurf 2011 zur GOZ nichts her. Diese Auffassung vertrete nunmehr auch das LG Hildesheim (Urteil vom 24.7.2014 - 1 S 15/14). Aufgrund seiner familiären Situation, verheirateter und alleinverdienender Vater mit fünf Kindern, sei es überaus wünschenswert, dass das Landesamt für Finanzen anteilig den Rechnungsposten von EUR 285,94 erstatte.
Der Kläger beantragt wörtlich,
der Beklagte wird weitergehend verpflichtet, den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 9.4.2014, Aktenzeichen 000 29 721 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.9.2014, Aktenzeichen 000 29 721 - LfF 1803 teilweise zu ändern und die Kieferorthopädischen Behandlungskosten für Frau … (Tochter des Klägers) gemäß ärztlichem Behandlungsplan des Kieferorthopäden Dr. med. dent. ..., vom 22.10.2013 auch insoweit zu übernehmen, wie diese für die Leistungen der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) Nr. 2197 sowie GOZ Nr. 6100 entstehen.
Hilfsweise:
Der Beklagte wird weitergehend verpflichtet, den Aufwendungen aus dem Behandlungsplan des Kieferorthopäden Dr. med. dent. ..., …, vom 22.10.2013 und dessen Stellungnahme vom 20.1.2014 für den Ansatz der Nummer 2197 GOZ, für die „Adhäsive Befestigung" neben der Nummer 6100 GOZ, für die „Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme orthodontischer Hilfsmittel" zuzustimmen und den Bescheid der Beklagten vom 9.4.2014 und den Widerspruchsbescheid vom 19.9.2014 dahingehend zu ändern, dass anteilig hieraus erwachsene weitere Kosten von EUR 285,94 übernommen werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er erwidert unter Ergänzung und Vertiefung der Erläuterungen im Vorverfahren sowie im Widerspruchsbescheid: Hinsichtlich der Auslegung der GOZ bestehe hier ein Dissens. Er habe den Kläger bereits mit Schreiben vom 26.11.2013 davon in Kenntnis gesetzt, dass die adhäsive Befestigung nach Ziffer 2197 GOZ Bestandteil der Eingliederung eines Klebebrackets sei und damit durch Ziffer 6100 abgegolten werde. Dies bestätige auch die bereits angeführte Stellungnahme des Bundesgesundheitsministeriums. Die vom Kläger angeführten zivilgerichtlichen Entscheidungen seien nicht anwendbar oder beträfen nur eine von mehreren anderen Auslegungsmöglichkeiten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte verwiesen. Dieser war Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe
Der Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO), bleibt der Erfolg versagt.
Die Klage ist mit ihren auslegungsfähigen Anträgen zulässig. Ihr lässt sich entnehmen, dass der Kläger nach Durchführung des obligatorischen Vorverfahrens die Abänderung des Beihilfebescheids vom 9.4.2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 22.7.2014, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.9.2014, mit dem Ziel der Verpflichtung des Beklagten begehrt, eine zusätzlich Beihilfe auf der Basis eines Beihilfesatzes von 80 v. H. für Aufwendungen in Höhe von EUR 285,94 zu bewilligen.
Dem Klagebegehren bleibt jedoch der Erfolg versagt. Der Kläger hat über die oben angeführten Bescheide hinaus keinen Anspruch auf Beihilfe für eine ihm unter dem 31.3.2014 in Rechnung gestellte adhäsive Befestigung i. S. d. Ziffer 2197 GOZ.
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht auf die zutreffenden Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid vom 19.9.2014, denen es folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Zusammenfassend sei hier nochmals ausgeführt:
Der Kläger kann aus § 8 BVO keinen über die gewährte Kostenerstattung hinausgehenden Anspruch auf Beihilfegewährung ableiten.
Seine Auffassung, eine Beihilfegewährung müsse bereits dann erfolgen, wenn Aufwendungen im Rahmen einer notwendigen Behandlung - die Notwendigkeit der Behandlung der Tochter des Klägers ist zwischen den Beteiligten unstreitig - entstünden, steht nicht in Einklang mit den Vorgaben der BVO. Vielmehr bestimmt § 8 Abs. 1 BVO, dass Aufwendungen beihilfefähig sind, wenn sie medizinisch notwendig und der Höhe nach angemessen sind und ihre Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist.
Nach § 8 Abs. 2 BVO sind Aufwendungen aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig, wenn sie medizinisch notwendig waren. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers sind Aufwendungen somit nicht bereits dann beihilfefähig, wenn sie im Rahmen einer notwendigen Behandlung entstehen. Vielmehr müssen die Aufwendungen selbst im Rechtssinne notwendig sein.
Weiterhin müssen die geltend gemachten Aufwendungen angemessen sein. Dies beurteilt sich gemäß § 8 Abs. 3 BVO im vorliegenden Fall nach dem Gebührenrahmen für zahnärztliche Leistungen. Die Abrechnung zahnärztlicher Leistungen ist grundsätzlich sowohl von der Beihilfestelle, als auch durch die Verwaltungsgerichte hinsichtlich ihrer Angemessenheit voll überprüfbar (BVerwG, Urteil vom 30.5.1996 - 2 C 10/95, juris).
Die Entscheidung des Beklagten, die Angemessenheit der Aufwendungen für eine adhäsive Befestigung (Ziffer 2197 GOZ) neben den zugleich geltend gemachten Aufwendungen für die Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme orthodontischer Hilfsmittel (Ziffer 6100 GOZ) zu verneinen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Zur näheren Erläuterung hat der Beklagte im Wesentlichen die Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 30.5.1996, a. a. O.; vgl. weitgehend inhaltsgleich auch: BVerwG, Urteil vom 17.2.1994 - 2 C 10/92 u.a., juris) auf den vorliegenden Fall übertragen. Dieser Rechtsprechung hinsichtlich der Beihilfefähigkeit zahnärztlicher Leistungen bei widerstreitenden Auffassungen folgt auch das OVG RP (Urteil vom 7.4.2006 - 10 A 11692/05, ZBR 2006, 317). Die Ausführungen hierzu im Widerspruchsbescheid vom 19.9.2014 sind zutreffend. Das BVerwG hat seine Entschei¬dungen wie folgt bestätigt (Urteil vom 16.12.2009 - 2 C 79/08, juris):
"Für die Entscheidung, ob nach den Maßstäben des Beihilferechts Aufwendungen für ärztliche Leistungen angemessen sind, ist die Auslegung des ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte maßgebend (vgl. Urteile vom 28. Oktober 2004 - BVerwG 2 C 34.03 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 15 und vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 19.06 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 18). Ist der Beamte vom Zivilgericht rechtskräftig zur Begleichung der Honorarforderung eines Arztes verurteilt worden, ist die Vergütung regelmäßig angemessen im Sinne des Beihilferechts (Urteil vom 25. November 2004 - BVerwG 2 C 30.03 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 16). Ist eine Entscheidung im ordentlichen Rechtsweg nicht ergangen, hat der Dienstherr zu prüfen, ob die vom Arzt geltend gemachten Ansprüche nach materiellem Recht begründet sind (Urteil vom 20. März 2008, a.a.O. Rn. 18). Aufwendungen für ärztliche oder zahnärztliche Leistungen, deren Berechnung auf einer zweifelhaften Auslegung der einschlägigen Gebührenordnung beruht, sind beihilferechtlich schon dann als angemessen anzusehen, wenn der vom Arzt in Rechnung gestellte Betrag bei objektiver Betrachtung einer zumindest vertretbaren Auslegung der Gebührenordnung entspricht und der beihilfepflichtige Dienstherr nicht rechtzeitig für Klarheit über seine Auslegung gesorgt hat (vgl. Urteile vom 17. Februar 1994 - BVerwG 2 C 10.92 - BVerwGE 95, 117 = Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 5 und - BVerwG 2 C 25.92 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 6, vom 21. September 1995 - BVerwG 2 C 37.94 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 11 S. 13 und vom 30. Mai 1996 - BVerwG 2 C 10.95 - Buchholz 270 § 5 BhV Nr. 12). Selbst die Feh-lerhaftigkeit einer Arztrechnung bleibt ohne Folgen, wenn das Verwaltungsgericht - wozu es befugt ist - die Notwendigkeit und Angemessenheit der ärztlichen Leistung feststellt (Urteil vom 20. März 2008 a. a. O. Rn. 9)."
Eine Entscheidung im Zivilrechtsweg über die gegen den Kläger gerichtete Zahnarztforderung ist nicht ergangen. Weiterhin ist die Frage der Auslegung der streitigen Gebührennummern höchstrichterlich nicht geklärt.
Die Auslegung des Klägers, wonach beide streitigen Ziffern der GOZ nebeneinander in Ansatz kommen können, ist in Anbetracht der Stellungnahme des Kieferorthopäden Dr. ... vom 20.1.2014 zu dem Verhältnis zwischen den Ziffern 2197 und 6100 GOZ sowie mit Blick auf die vom Kläger vorgelegten zivilgerichtlichen Entscheidungen bei objektiver Betrachtung vertretbar. Allerdings hat auch der Beklagte basierend auf der Stellungnahme des Amtszahnarztes Dr. ... objektiv vertretbae Argumente gegen ein Nebeneinander beider Gebührenziffern angeführt, die durch die Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit vom 31.10.2013 bekräftigt werden. Der Beklagte kann zwar nicht durch beliebige Bedenken gegen die Anwendbarkeit einer bestimmten Ziffer der GOZ und durch die rechtzeitige Mitteilung hierüber an den beihilfeberechtigten Beamten sich seiner Verpflichtung zur Beihilfegewährung entziehen. Vielmehr bedarf es hierzu, neben den weiteren, oben beschriebenen Anforderungen, bei objektiver Betrachtung ernsthaft wider¬streitenden Auffassungen über die Berechtigung eines Gebührenansatzes (BVerwG, Urteil vom 30.5.1996, a. a. O.). Der Auffassung des Klägers ist der Beklagte freilich im Verlauf des Verfahrens - insbesondere in dem ergangenen Wi¬derspruchsbescheid - unter Befassung mit dem Wortlaut der GOZ, deren Syste¬matik und deren jüngerer Entstehungsgeschichte mit ihrerseits objektiv vertretba¬ren Argumenten entgegen getreten.
Zwar geht die Rechtsprechung in dieser Konstellation davon aus, dass die rechtliche Unwägbarkeit der Auslegung der einschlägigen Gebührenordnung sich nicht zu Lasten des beihilfebeantragenden Beamten auswirken darf. Dieser wäre sonst vor die Wahl gestellt, entweder auf sein Risiko eine rechtliche Auseinandersetzung über eine objektiv zweifelhafte Rechtsposition zu führen oder den an sich auf die Beihilfe entfallenden Anteil des zweifelhaften Rechnungsbetrages selbst zu tragen (BVerwG, Urteil vom 20.3.2008 - 2 C 19/06, juris). Deshalb sind die Aufwendungen eines vom Arzt berechneten Betrages schon dann unter Zugrundelegung der Gebührenordnung beihilferechtlich als angemessen anzusehen, wenn sie einer vertretbaren Auslegung der Gebührenordnung entsprechen. Allerdings scheidet eine Beihilfefähigkeit dennoch aus, wenn die Beihilfe gewährende Stelle rechtzeitig Klarheit über die Auslegung der streitigen GOZ-Ziffer schafft (BVerwG, Urteil vom 30.5.1996, a. a. O.):
„Dass die erforderliche Klarheit der Auslegung nicht allgemein bezogen sein muß (etwa durch Richtlinien), sondern konkret zwischen dem Dienstherrn und dem betreffenden Beamten geschaffen sein kann, versteht sich von selbst. Die Einreichung eines Heil- und Kostenplanes mit einer begehrten und erhaltenen Stellungnahme zur Beihilfefähigkeit hat nämlich auch den Sinn, vor der Entstehung erheblicher Kosten klarzustellen, mit welcher Beihilfe der Berechtigte rechnen kann, ihm die Möglichkeit zu geben, eventuell eine andere Art der Ausführung zu wählen, weiter zu verhindern, daß ein Beamter durch voreilige Entschlüsse wirtschaftlichen Nachteil erleidet (vgl. Urteil vom 12. April 1967 - BVerwG 6 C 12.67 - <Buchholz 238.91 Nr. 7 BhV Nr. 1>)"
Der Hinweis auf die Auslegung der GOZ durch die Beihilfe gewährende Stelle muss also nicht zwingend in der BVO selbst oder in einer Verwaltungsvorschrift erfolgen. Es genügt vielmehr, dass rechtzeitig vor dem Behandlungsbeginn die beihilferechtlich verbindliche Auslegung dem betroffenen Beamten mitgeteilt wird. Dies war im vorliegenden Fall geschehen, indem der Beklagte dem Kläger nach Vorlage eines Heil- und Kostenplans am 26.11.2013 schriftlich erläuterte, dass die adhäsive Befestigung nach Ziffer 2197 GOZ Bestandteil der Eingliederung eines Klebebrackets und mit der Gebühr nach Ziffer 6100 GOZ abgegolten und somit nicht gesondert berechenbar ist. Nur der Vollständigkeit halber sei noch angeführt, dass der Beklagte in Abschnitt B Ziffer 10.2 seiner beihilferechtlichen Hinweise zum zahnärztlichen Gebührenrecht (MinBl. 2014, 64), die hier noch nicht herangezogen werden können, klargestellt hat, dass Nummer 2197 GOZ als Leistungsposition für eine adhäsive Befestigung für Klebebrackets (Nummer 6100 GOZ) nicht berechnungsfähig ist, da deren Leistungsinhalt eine "Klebebefestigung" mit umfasst.
Der Kläger konnte von daher nicht erwarten, dass von dem Beklagten die Leistungen nach Ziffer 2197 GOZ neben der Ziffer 6100 GOZ abgerechnet und als beihilfefähig anerkannt würden. Es wäre Sache des Klägers gewesen, den Zahnarzt vor der Behandlung darauf hinzuweisen. Er hat also auf eigenes Risiko gehandelt (BVerwG, Urteil vom 30.5.1996, a. a. O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.