Befristung des Arbeitsvertrags eines approbierten Arztes zur Weiterbildung

 | Gericht:  Bundesarbeitsgericht (BAG)  | Aktenzeichen: 7 AZR 300/20 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Arbeitsrecht

Urteilstext

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. Mai 2020 - 2 Sa 127/20 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 31. August 2019 geendet hat.

Die Beklagte betreibt ein Klinikum, in dem eine Weiterbildung von approbierten Ärzten zu Fachärzten für Anästhesiologie angeboten wird. Die Weiterbildungsermächtigung der im Zeitraum 2008 bis 2019 hierfür zuständigen Ärzte belief sich - zumindest ab dem 1. Juli 2009 - auf 60 Monate. Die Beklagte stellte die Klägerin, eine approbierte Ärztin, zum Zwecke der Facharztausbildung mit Arbeitsvertrag vom 22. Februar 2008 „auf der Grundlage von § 14 Abs. 2 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge“ befristet für die Zeit vom 1. März 2008 bis zum 28. Februar 2010 als Ärztin in der Klinik für perioperative Medizin und Anästhesiologie mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 36 Stunden ein. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2009 wurde die Arbeitszeit der Klägerin auf ihren mit der Verpflichtung zur Versorgung ihrer minderjährigen Kinder begründeten Antrag auf 22 Wochenstunden herabgesetzt.

Am 22. Januar 2010 schlossen die Parteien mit Wirkung ab dem 1. März 2010 einen bis zum 28. Februar 2013 befristeten „Arbeitsvertrag für Ärztinnen/Ärzte nach dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung“ zur Weiterbildung der Klägerin zur Fachärztin für Anästhesiologie. Im Juli 2012 erhöhten sie auf Antrag der Klägerin deren wöchentliche Arbeitszeit rückwirkend ab dem 15. Juni 2012 von 22 auf 32 Stunden.

Auf Antrag der Klägerin, ihren Arbeitsvertrag über den 28. Februar 2013 hinaus bis zum Erreichen des Facharztstatus zu verlängern, schlossen die Parteien am 12. Februar 2013 mit Wirkung ab dem 1. März 2013 einen bis zum 31. Mai 2014 befristeten weiteren „Arbeitsvertrag für Ärztinnen/Ärzte nach dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung“. Ab dem 25. Januar 2014 befand sich die Klägerin wegen der Geburt ihres dritten Kindes in Mutterschutz und ab dem 14. Mai 2014 bis zum 31. Dezember 2016 in Elternzeit. Am 30. Mai 2014 schlossen die Parteien mit Wirkung ab dem 1. Juni 2014 einen bis zum 28. Februar 2017 befristeten „Arbeitsvertrag für Ärztinnen/Ärzte nach dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung“, der eine Arbeitszeit von 32 Wochenstunden vorsah.

Am 30. Mai 2016 vereinbarten die Parteien in Abänderung des Vertrags vom 30. Mai 2014 eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über den 28. Februar 2017 hinaus bis zum 28. Februar 2018. Zum 1. Juni 2016 nahm die Klägerin ihre Tätigkeit bei der Beklagten während ihrer Elternzeit mit einer Arbeitszeit von acht Stunden pro Woche wieder auf. Ab dem 2. Januar 2017 betrug die Arbeitszeit der Klägerin 16 Wochenstunden.

Im Februar 2018 vereinbarten die Parteien in Abänderung des Vertrags vom 30. Mai 2014 eine Befristung ihres Arbeitsverhältnisses bis zum 28. Februar 2019 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 16 Stunden. Nachdem die Klägerin erfahren hatte, dass Beschäftigungszeiten mit einer Arbeitszeit von weniger als 20 Wochenstunden nicht auf die Weiterbildungszeit anrechnet werden, einigten sich die Parteien am 21. Juni 2018 in Abänderung des Vertrags vom 30. Mai 2014 auf eine Wochenarbeitszeit von 20 Stunden ab dem 1. Juni 2018 sowie von 40 Stunden ab dem 1. August 2018.

Im November 2018 beantragte die Klägerin erneut eine Verlängerung ihres Arbeitsvertrags und bat um Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags. Nachdem die Beklagte der Klägerin vergeblich die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31. August 2019 angeboten hatte, vereinbarten die Parteien am 22. Februar 2019 in Abänderung des Vertrags vom 30. Mai 2014 eine Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. August 2019. Im Februar 2019 schrieb die Beklagte eine unbefristete Vollzeitstelle eines Assistenzarztes oder Facharztes für Anästhesiologie aus.

Am 10. Juli 2019 wurde der Klägerin die Anerkennung zur Fachärztin für Anästhesiologie ausgesprochen. Mit E-Mail vom 12. Juli 2019 bat die Klägerin die Beklagte erfolglos um die Entfristung ihres Arbeitsvertrags.

Mit ihrer am 17. September 2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 23. September 2019 zugestellten Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsvertrags zum 31. August 2019 geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei nicht nach § 1 ÄArbVtrG sachlich gerechtfertigt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift lägen nicht vor; im Übrigen sei die Vorschrift verfassungs- und unionsrechtswidrig. Der Beklagten sei es nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs verwehrt, sich auf die Befristung zu berufen. Das Verhalten der Beklagten sei zudem treuwidrig, weil sie der Klägerin eine rechtsverbindliche Zusage auf Entfristung des Arbeitsvertrags erteilt habe.

Die Klägerin hat beantragt

1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 22. Februar 2019 mit dem 31. August 2019 beendet worden ist;

2.
die Beklagte zu verurteilen, sie bis zur Rechtskraft einer Entscheidung über die Entfristungsklage als Fachärztin für Anästhesiologie weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Befristungskontrollklage nicht stattgegeben werden. Der Senat kann auf der Grundlage der bislang getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilen, ob das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristung in der Verlängerungsvereinbarung vom 22. Februar 2019 am 31. August 2019 geendet hat.

I.
Das Landesarbeitsgericht hat mit einer rechtsfehlerhaften Begründung angenommen, die im Verlängerungsvertrag vom 22. Februar 2019 vereinbarte Befristung zum 31. August 2019 sei unwirksam.

1.
Das Landesarbeitsgericht hat zwar zutreffend erkannt, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht bereits nach § 1 Abs. 5 ÄArbVtrG, § 17 Satz 2 TzBfG, § 7 KSchG wirksam ist. Die Klägerin hat mit ihrer am 17. September 2019 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 23. September 2019 zugestellten Klage die dreiwöchige Klagefrist nach § 1 Abs. 5 ÄArbVtrG, § 17 Satz 1 TzBfG gewahrt und die Rechtsunwirksamkeit der vereinbarten Befristung rechtzeitig geltend gemacht. Die Frist begann gemäß § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB am Sonntag, den 1. September 2019 als dem auf das vereinbarte Ende des Arbeitsverhältnisses folgenden Tag und endete gemäß § 188 Abs. 2 BGB, § 222 Abs. 2 ZPO am Montag, den 23. September 2019.

2.
Das Landesarbeitsgericht hat der Klage jedoch mit der rechtsfehlerhaften Begründung stattgegeben, die die Dauer der Weiterbildungsbefugnis des weiterbildenden Arztes unterschreitende Befristung sei nicht nach § 1 Abs. 3 Satz 6 ÄArbVtrG zulässig gewesen, weil zuvor zwischen den Vertragsparteien kein mindestens auf die Dauer der Weiterbildungsbefugnis des weiterbildenden Arztes befristetes Arbeitsverhältnis bestanden habe.

a)
Die Befristung des Arbeitsvertrags eines approbierten Arztes zum Zwecke der Weiterbildung iSv. § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG darf nach § 1 Abs. 3 Satz 5 ÄArbVtrG den Zeitraum nicht unterschreiten, für den der weiterbildende Arzt die Weiterbildungsbefugnis besitzt. Beendet der weiterzubildende Arzt bereits zu einem früheren Zeitpunkt den von ihm nachgefragten Weiterbildungsabschnitt oder liegen bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Anerkennung im Gebiet, Schwerpunkt, Bereich sowie für den Erwerb eines Fachkundenachweises oder einer Bescheinigung über eine fakultative Weiterbildung vor, darf nach § 1 Abs. 3 Satz 6 ÄArbVtrG auf diesen Zeitpunkt befristet werden.

b)
Nach § 1 Abs. 3 Satz 6 ÄArbVtrG kann die Vertragslaufzeit kürzer bemessen sein als die Dauer der Weiterbildungsbefugnis des weiterbildenden Arztes, wenn bei Vertragsschluss absehbar ist, dass der weiterzubildende Arzt das Weiterbildungsziel innerhalb der in Aussicht genommenen Vertragslaufzeit erreichen wird (vgl. BAG 13. Juni 2007 - 7 AZR 700/06 - Rn. 30, BAGE 123, 109). Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts setzt dies auch im Fall eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags der Parteien nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG mit demselben Weiterbildungsziel und demselben weiterbildenden Arzt nicht voraus, dass die Parteien zuvor einen mindestens der Dauer der Weiterbildungsbefugnis des weiterbildenden Arztes entsprechenden Arbeitsvertrag geschlossen haben. Dies ergibt die Auslegung der Vorschrift (zu den Grundsätzen der Gesetzesauslegung vgl. BAG 19. Mai 2021 - 5 AS 2/21 - Rn. 7).

aa)
Der Wortlaut des § 1 Abs. 3 Satz 6 ÄArbVtrG spricht gegen die Annahme, die Vereinbarung einer kürzeren als der in § 1 Abs. 3 Satz 5 ÄArbVtrG bestimmten Befristungsdauer setze im Fall eines weiteren Arbeitsvertrags mit demselben Weiterbildungsziel einer Facharztausbildung durch denselben weiterbildenden Arzt neben der Prognose, dass die Weiterbildung innerhalb der in Aussicht genommenen Vertragslaufzeit beendet werden kann, zusätzlich voraus, dass ein von den Parteien zuvor geschlossener Arbeitsvertrag der Mindestbefristungsdauer nach § 1 Abs. 3 Satz 5 ÄArbVtrG entsprochen hat. Der Wortlaut sieht weder eine solche Einschränkung noch eine Unterscheidung zwischen einem ersten und einem weiteren Arbeitsvertrag der Parteien zur Fortsetzung der Weiterbildung bei demselben weiterbildenden Arzt vor. Vielmehr zeigt die Formulierung „bereits zu einem früheren Zeitpunkt“, dass die Befristungsmöglichkeiten nach § 1 Abs. 3 Satz 5 und Satz 6 ÄArbVtrG in einem Regel-/Ausnahmeverhältnis zueinander stehen (NK-GA/Boemke § 1 ÄArbVtrG Rn. 19; APS/Schmidt 6. Aufl. ÄArbVtrG § 3 Rn. 17). Damit hat der Gesetzgeber die Möglichkeit, abweichend von der in § 1 Abs. 3 Satz 5 ÄArbVtrG bestimmten Grundregel eine kürzere Befristung zu vereinbaren, unabhängig davon, ob es sich um den ersten oder um einen weiteren Arbeitsvertrag der Parteien handelt, allein an diePrognose geknüpft, dass die Weiterbildung innerhalb der in Aussicht genommenen Vertragslaufzeit beendet werden kann.

bb)
Für dieses Ergebnis spricht auch der Umstand, dass die in § 1 Abs. 3 Satz 1 ÄArbVtrG geregelte Höchstbefristungsdauer arbeitgeberübergreifend gilt (APS/Schmidt 6. Aufl. ÄArbVtrG § 3 Rn. 19; KR-Treber 12. Aufl. §§ 1 - 3 ÄArbVtrG Rn. 19; ErfK/Müller-Glöge 21. Aufl. ÄArbVtrG § 3 Rn. 8). Daher muss die Vereinbarung einer kürzeren als der in § 1 Abs. 3 Satz 5 ÄArbVtrG bestimmten Befristungsdauer mit einem neuen Arbeitgeber zulässig sein, wenn zu erwarten ist, dass die Weiterbildung innerhalb der in Aussicht genommenen Vertragslaufzeit beendet wird. Andernfalls würde die Regelung faktisch einen Arbeitgeberwechsel in der Weiterbildung verhindern, wenn mit einer der Weiterbildungsbefugnis entsprechenden Befristungsdauer die Höchstbefristungsdauer überschritten würde.

cc)
Sinn und Zweck der in § 1 Abs. 3 Satz 5 und Satz 6 ÄArbVtrG normierten Mindestbefristungsdauer gebieten es auch im Fall eines weiteren Arbeitsvertrags der Parteien

zur Fortsetzung der Weiterbildung bei demselben weiterbildenden Arzt nicht, die Befristungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 3 Satz 6 ÄArbVtrG davon abhängig zu machen, dass zuvor zwischen den Parteien ein nach § 1 Abs. 3 Satz 5 ÄArbVtrG mindestens auf die Dauer der Weiterbildungsbefugnis des weiterbildenden Arztes befristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Durch die Mindestbefristungsdauer soll ausgeschlossen werden, dass junge Ärzte „willkürlich” kurzen Befristungen ausgesetzt werden (BT-Drs. 13/8668 S. 6; BAG 13. Juni 2007 - 7 AZR 700/06 - Rn. 32, BAGE 123, 109). Dazu ist die Mindestvertragsdauer in § 1 Abs. 3 Satz 5 ÄArbVtrG an die Dauer der Weiterbildungsbefugnis des weiterbildenden Arztes, die einen objektiven Anhaltspunkt für die voraussichtliche Dauer der Weiterbildung bietet, geknüpft. Dieser Regelung liegt ebenso wie § 1 Abs. 3 Satz 6 ÄArbVtrG die Wertung zugrunde, dass eine Befristung nicht „willkürlich“ kurz ist, wenn die Vertragslaufzeit der voraussichtlichen Dauer der Weiterbildung entspricht. Der Schutzzweck des § 1 Abs. 3 Satz 5 ÄArbVtrG, eine Stückelung der Beschäftigung während der Dauer der Weiterbildungsbefugnis des weiterbildenden Arztes in mehrere, befristete, Arbeitsverhältnisse zu verhindern (vgl. BAG 13. Juni 2007 - 7 AZR 700/06 - Rn. 32, aaO), rechtfertigt keine Einschränkung des § 1 Abs. 3 Satz 6 ÄArbVtrG. Diesem Schutzzweck ist dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass der weiterzubildende Arzt die Unwirksamkeit eines gegen § 1 Abs. 3 Satz 5 ÄArbVtrG verstoßenden Erstvertrags gerichtlich geltend machen kann.

dd)
Dies steht nicht im Widerspruch zu der Senatsentscheidung vom 13. Juni 2007 (- 7 AZR 700/06 - BAGE 123, 109). Der Senat hat entschieden, dass § 1 Abs. 3 Satz 5 ÄArbVtrG nach dem Ende eines dieser Bestimmung entsprechenden befristeten Arbeitsvertrags im Rahmen der Höchstbefristungsdauer des § 1 Abs. 3 Satz 1 ÄArbVtrG den Abschluss eines auf die voraussichtliche Dauer der Weiterbildung befristeten weiteren befristeten Arbeitsvertrags mit demselben Weiterbildungsziel und demselben weiterbildenden Arzt mit einer die Dauer der Weiterbildungsbefugnis unterschreitenden Laufzeit zulässt. Das bedeutet nicht, dass der Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags mit demselben Weiterbildungsziel und demselben weiterbildenden Arzt nicht nach § 1

Abs. 3 Satz 6 ÄArbVtrG zulässig ist, wenn ihm kein § 1 Abs. 3 Satz 5 ÄArbVtrG entsprechender Erstvertrag vorausgegangen ist.

II.
Die Revision der Beklagten ist nicht gemäß § 561 ZPO zurückzuweisen, weil sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt.

1.
Entgegen der Ansicht der Klägerin begegnen die Regelungen des ÄArbVtrG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

a)
Die durch § 1 ÄArbVtrG eröffneten Befristungsmöglichkeiten für Ärzte in Weiterbildung sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

aa)
Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Vertragsfreiheit der Beschäftigten im beruflichen Bereich. Das Grundrecht garantiert die freie Wahl des Arbeitsplatzes und schützt den Entschluss, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen, ein Arbeitsverhältnis beizubehalten oder es aufzugeben. Zudem schützt Art. 12 Abs. 1 GG die Vertrags- und Dispositionsfreiheit der Arbeitgeber zum Abschluss von Arbeitsverträgen mit den Beschäftigten (vgl. BVerfG 6. Juni 2018 - 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 - Rn. 38, BVerfGE 149, 126; BAG 19. Dezember 2018 - 7 AZR 70/17 - Rn. 38, BAGE 164, 370). Der Staat ist verpflichtet, das Individualarbeitsrecht so zu gestalten, dass die Grundrechte der Parteien zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden. Soweit die Privatautonomie ihre regulierende Kraft nicht zu entfalten vermag, weil ein Vertragspartner kraft seines Übergewichts Vertragsbestimmungen einseitig setzen kann, müssen staatliche Regelungen auch ausgleichend eingreifen, um den Grundrechtsschutz zu sichern (BVerfG 6. Juni 2018 - 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 - Rn. 42, aaO). Bei der Verwirklichung der ihm obliegenden Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG hat der Gesetzgeber - wie auch sonst bei der Verfolgung berufs-, arbeits- und sozialpolitischer Ziele – einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfG 6. Juni 2018 - 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 - Rn. 60, aaO; BAG 17. April 2019 - 7 AZR 410/17 - Rn. 30; 26. Oktober 2016 - 7 AZR 140/15 - Rn. 22, BAGE 157, 141). Daher können Maßnahmen, die der Gesetzgeber zum Schutz eines wichtigen Zieles für erforderlich hält, verfassungsrechtlich nur beanstandet werden, wenn nach den ihm bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisherigen Erfahrungen feststellbar ist, dass Regelungen, die als Alternativen in Betracht kommen, die gleiche Wirksamkeit versprechen, die Betroffenen indessen weniger belasten (BVerfG 11. Juli 2017 - 1 BvR 1571/15, 1 BvR 1588/15, 1 BvR 2883/15, 1 BvR 1043/16, 1 BvR 1477/16 - Rn. 162, BVerfGE 146, 71; BAG 27. März 2019 - 10 AZR 318/17 - Rn. 49).

bb)
Der Gesetzgeber verfolgt mit den Regelungen zur befristeten Beschäftigung von Ärzten in Weiterbildung die legitimen arbeits- und sozialpolitische Ziele, eine stärkere Fluktuation von Ärzten im Krankenhausbereich zu fördern (BT-Drs. 10/3559 S. 3) und so die erforderliche Anzahl an Weiterbildungsplätzen zur Verfügung zu stellen und die Versorgung der Bevölkerung durch qualifiziert weitergebildete Ärzte zu erhalten (BTDrs. 13/8668 S. 5). Seine Einschätzung, es bedürfe hierzu der Schaffung befristeter Beschäftigungsmöglichkeiten, hält sich innerhalb des ihm zustehenden Beurteilungs- und Prognosespielraums. Gleich wirksame, aber weniger einschneidende Mittel, um die verfolgten Ziele zu erreichen, sind nicht ersichtlich. Das erforderliche Mindestmaß an Bestandsschutz wird durch das Erfordernis des Sachgrunds der zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung (§ 1 Abs. 1 ÄArbVtrG) sowie durch die Regelungen zur Mindestund Höchstbefristungsdauer (§ 1 Abs. 3 ÄArbVtrG) gewährleistet.

b)
Die Regelungen des ÄArbVtrG verstoßen auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

aa)
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sowie wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reicht er vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse (vgl. für die st. Rspr. BVerfG 8. Juni 2016 - 1 BvR 3634/13 - Rn. 16 und Rn. 19; BAG 19. November 2020 - 6 AZR 449/19 - Rn. 24). Im Fall der Ungleichbehandlung von Personengruppen besteht regelmäßig eine strenge Bindung des Gesetzgebers an die Erfordernisse des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine Norm verletzt danach dann den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn durch sie eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (BVerfG 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07 - Rn. 75 f., BVerfGE 133, 377; 8. Februar 1990 - 1 BvR 1593/89 - zu 1 der Gründe).

bb)
Das mit den Regelungen zur befristeten Beschäftigung von Ärzten in der Weiterbildung nach dem ÄArbVtrG verfolgte Ziel, eine stärkere Fluktuation von Ärzten im Krankenhausbereich zu fördern (BT-Drs. 10/3559 S. 3) und so die erforderliche Anzahl an Weiterbildungsplätzen zur Verfügung zu stellen und die Versorgung der Bevölkerung durch qualifiziert weitergebildete Ärzte zu erhalten (BT-Drs. 13/8668 S. 5), ist ein legitimes Ziel, welches dem wichtigen Gemeinwohlinteresse der Gesundheit der Bevölkerung dient. Es begründet gewichtige Unterschiede zwischen der Gruppe der Ärzte in der Weiterbildung einerseits und sonstigen befristet Beschäftigten andererseits, die die nach dem ÄArbVtrG erweiterten Möglichkeiten der befristeten Beschäftigung von Ärzten in der Weiterbildung gegenüber denen nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen (BVerfG 8. Februar 1990 - 1 BvR 1593/89 - zu 1 der Gründe; APS/Schmidt 6. Aufl. ÄArbVtrG § 3 Rn. 11; KR-Treber 12. Aufl. §§ 1 - 3 ÄArbVtrG Rn. 11).

2.
§ 1 ÄArbVtrG ist entgegen der Ansicht der Klägerin mit den Vorgaben der EGB-UNICE- CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 (Rahmenvereinbarung) vereinbar.

a)
Aus dem zweiten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung, aus ihren Allgemeinen Erwägungen 6 und 8 sowie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) geht hervor, dass feste Beschäftigungsverhältnisse einen wichtigen Aspekt des Arbeitnehmerschutzes darstellen, während befristete Arbeitsverträge nur unter bestimmten Umständen den Bedürfnissen sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer entsprechen können (vgl. EuGH 11. Februar 2021 - C-760/18 - Rn. 48 mwN). Die Richtlinie 1999/70/EG und die inkorporierte Rahmenvereinbarung verlangen daher von den Mitgliedstaaten, zur Verhinderung von Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge entweder sachliche Gründe zu bestimmen, die eine Verlängerung befristeter Arbeitsverträge oder Arbeitsverhältnisse rechtfertigen (§ 5 Nr. 1 Buchst. a Rahmenvereinbarung), oder die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge oder Arbeitsverhältnisse (§ 5 Nr. 1 Buchst. b Rahmenvereinbarung) oder die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge oder Arbeitsverhältnisse (§ 5 Nr. 1 Buchst. c Rahmenvereinbarung) festzulegen. Entschließt sich ein Mitgliedstaat zu einer dieser Maßnahmen oder zu mehreren, hat er das unionsrechtlich vorgegebene Ziel der Verhinderung des Missbrauchs durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu gewährleisten (EuGH 19. März 2020 - C- 103/18 ua. - [Sánchez Ruiz] Rn. 55 mwN; BAG 26. Oktober 2016 - 7 AZR 140/15 - Rn. 25, BAGE 157, 141). Es ist Aufgabe der nationalen Gerichte, im Rahmen ihrer Zuständigkeit diesem Ziel bei der Auslegung der nationalen Vorschriften Rechnung zu tragen (vgl. EuGH 14. September 2016 - C-16/15 - [Pérez López] Rn. 35 mwN; BAG 20. Januar 2021 - 7 AZR 193/20 - Rn. 21).

b)
Der Gesetzgeber hat sich mit § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG für das Sachgrunderfordernis und zudem mit § 1 Abs. 3 Satz 1 bis Satz 4 ÄArbVtrG für das Erfordernis einer Höchstbefristungsdauer entschieden. Dies genügt den Anforderungen von § 5 Abs. 1 Buchst. a und Buchst. b der Rahmenvereinbarung. Darüber hinaus wirkt auch die Mindestbefristungsdauer der rechtsmissbräuchlichen Inanspruchnahme des Sonderbefristungstatbestands nach dem ÄArbVtrG entgegen (vgl. Rn. 21). Etwaigen missbräuchlichen Vertragsgestaltungen kann zudem durch die bereits nach nationalem Recht gebotene Rechtsmissbrauchs-, Vertragsgestaltungs- oder Umgehungskontrolle (§ 242 BGB) begegnet werden

(BAG 24. August 2016 - 7 AZR 625/15 - Rn. 46, BAGE 156, 170; 9. Dezember 2015 - 7 AZR 117/14 - Rn. 43, BAGE 153, 365).

3.
Die Befristung ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht rechtsmissbräuchlich.

a)
Eine zusätzliche Prüfung der Wirksamkeit der Befristung nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (grundlegend BAG 18. Juli 2012 - 7 AZR 443/09 - Rn. 38, BAGE 142, 308 und - 7 AZR 783/10 - Rn. 33) ist nicht geboten. Diese Grundsätze finden bei Befristungen nach § 1 ÄArbVtrG keine Anwendung, weil sich die zeitlichen Grenzen für den Abschluss befristeter Arbeitsverträge in diesen Fällen aus der gesetzlichen Regelung ergeben (vgl. zu § 2 WissZeitVG BAG 8. Juni 2016 - 7 AZR 568/14 - Rn. 46).

b)
Der Beklagten ist es auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf § 1 ÄArbVtrG zu berufen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die durch § 1 ÄArbVtrG eröffnete Befristungsmöglichkeit im Streitfall rechtsmissbräuchlich genutzt hat, liegen nicht vor. Die Dauer der Beschäftigung der Klägerin und der Umstand, dass sie stets dieselbe Stelle innehatte, lassen nicht auf eine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung schließen. Die befristete Beschäftigung in der gleichen Position ist durch den Weiterbildungszweck bedingt. Eine Beschäftigungsdauer von insgesamt acht Jahren unter Berücksichtigung der nichtanzurechnenden Zeiten ist - unter den sonstigen Voraussetzungen der Regelung - gesetzlich vorgesehen.

c)
Die Befristungsvereinbarung ist nicht wegen einer Zusage der Beklagten, das Arbeitsverhältnis nach Bestehen der Facharztprüfung unbefristet fortzusetzen, rechtsmissbräuchlich. Selbst wenn die Beklagte sich zum Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags verpflichtet haben sollte, führte dies nicht zur Unwirksamkeit der Befristung des Arbeitsvertrags zum 31. August 2019 und zur Begründetheit der vorliegenden Befristungskontrollklage. Ein durch eine entsprechende Zusage erworbener Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags ist mit einer Leistungsklage auf Abgabe einer Willenserklärung geltend zu machen (vgl. BAG 15. Februar 2017 - 7 AZR 143/15 - Rn. 49 mwN).

d)
Die Befristungsabrede zum 31. August 2019 ist auch nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil die Beklagte kurz vor der letzten befristeten Verlängerung des Arbeitsvertrags die Stelle eines Assistenzarztes oder Facharztes für Anästhesiologie in Vollzeit ausgeschrieben hatte. Der Arbeitgeber kann im Rahmen seiner Privatautonomie frei entscheiden, ob er vorhandene Stellen mit einem bereits befristet beschäftigten Arbeitnehmer besetzt, solange er kein verbotenes Differenzierungskriterium iSv. § 1 AGG anlegt oder sonstige sachwidrige Erwägungen anstellt. Anhaltspunkte dafür, dass der Nichtberücksichtigung der Klägerin bei der Besetzung der im Februar 2019 ausgeschriebenen unbefristeten Stelle sachwidrige Erwägungen zugrunde lagen oder die Beklagte aufgrund eines unzulässigen Kriteriums entschieden hätte, sind nicht ersichtlich.

III.
Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts führt nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Sache ist nicht zur Entscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund Befristung am 31. August 2019 geendet hat. Das hängt davon ab, ob die Beschäftigung der Klägerin nach den im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrags vom 30. Mai 2014 bestehenden Planungen und Prognosen ihrer zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung diente und ob zu diesem Zeitpunkt zu erwarten war, dass die Klägerin bis zum Abschluss dieses Vertrags - nichtanrechenbare Zeiten iSv. § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG hinweggedacht - ihre Weiterbildung zur Fachärztin für Anästhesiologie abschließen wird.

1.
Für die Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung sind die Umstände bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags vom 30. Mai 2014 maßgebend.

a)
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist bei mehreren aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen grundsätzlich nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrags auf ihre Rechtfertigung zu überprüfen. Dies beruht auf der Erwägung, dass die Vertragsparteien durch den Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue Rechtsgrundlage stellen, die künftig für ihre Rechtsbeziehungen allein maßgebend ist (BAG 24. Februar 2016 - 7 AZR 182/14 - Rn. 14). Einen solchen Inhalt hat eine Vereinbarung nach § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG jedoch nicht. Durch sie wird das Arbeitsverhältnis nicht insgesamt auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt und die ursprüngliche Befristung der gerichtlichen Kontrolle entzogen (vgl. zu § 57c Abs. 6 Nr. 5 HRG BAG 23. Februar 2000 - 7 AZR 825/98 - zu II 1 der Gründe; vgl. zur Anwendbarkeit dieser Rspr. auf eine Vereinbarung nach § 2 Abs. 5 WissZeitVG Dörner Der befristete Arbeitsvertrag 2. Aufl. Rn. 127). Vielmehr wird lediglich dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Nichtanrechnung der in § 1 Abs. 4 Nr. 1 bis Nr. 5 ÄArbVtrG genannten Zeiten Genüge getan. Diese Nichtanrechnung erfolgt nicht automatisch, sondern setzt eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien voraus (vgl. zu § 57c Abs. 6 HRG BAG 23. Februar 2000 - 7 AZR 825/98 - zu II 1 der Gründe), bezüglich derer der Arbeitgeber einem Kontrahierungszwang unterliegt (BAG 24. April 1996 - 7 AZR 428/95 - zu III 2 a der Gründe, BAGE 83, 52). Daher setzt die Wirksamkeit einer Nichtanrechnungsvereinbarung nach § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG die sachliche Rechtfertigung der Befristung des letzten der oder den Vereinbarungen nach § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG vorausgehenden Arbeitsvertrags voraus. Dabei kommt es entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht darauf an, ob die Befristung des vorausgehenden Arbeitsvertrags innerhalb der Frist des § 17 Satz 1 TzBfG angegriffen wurde. Streitgegenstand der Befristungskontrolle bleibt der zuletzt abgeschlossene Arbeitsvertrag. Im Falle der Verlängerung nach § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG werden lediglich beide Verträge in dem Sinne als Einheit behandelt, dass der alte Vertrag Rechtsgrundlage des Arbeitsvertrags bleibt (vgl. zum sog. Annex BAG 13. Juni 1990 - 7 AZR 361/89 - zu I 1 c aa der Gründe). Im Falle einer wirksamen Verlängerung ginge eine Befristungskontrollklage gegen die ursprüngliche Befristung ins Leere (vgl. zu § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 WissZeitVG BAG 30. August 2017 - 7 AZR 524/15 - Rn. 27, BAGE 160, 117).

b)
Danach kommt es auf die sachliche Rechtfertigung der im Arbeitsvertrag vom 30. Mai 2014 vereinbarten Befristung an.

aa)
Der Vertrag vom 30. Mai 2014 ist keine Vereinbarung iSv. § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG. Die Klägerin konnte aufgrund der Inanspruchnahme von Elternzeit die Verlängerung ihres Arbeitsvertrags für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 28. Februar 2017 nicht nach § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG verlangen.

(1)
Für die Dauer eines Unterbrechungszeitraums ohne Arbeitsleistung besteht kein Anspruch auf Abschluss eines Verlängerungsvertrags iSv. § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG. Das folgt aus dem Zweck der Vorschrift. Dieser ist darauf gerichtet, die Beendigung des Arbeitsvertrags um die anzurechnende Zeit hinauszuschieben. Dadurch soll der angehende Facharzt davor geschützt werden, dass er durch die in § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG geregelten Unterbrechungszeiten eine befristete Beschäftigungszeit nicht ausschöpfen kann und dadurch gehindert wird, seine praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erproben und zu erweitern. Dauert der Unterbrechungszeitraum über das vertraglich vereinbarte Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus an, ist eine tatsächliche Beschäftigung des Arztes nicht möglich. Daher erfolgt die Sicherung des Beschäftigungsanspruches nach § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG durch den Abschluss eines um die anrechenbare Zeit befristeten Arbeitsvertrags im Anschluss an die Vertragslaufzeit oder - bei einer darüber hinaus fortdauernden Unterbrechung - im Anschluss an den Unterbrechungszeitraum (BAG 24. April 1996 - 7 AZR 428/95 - zu III 2 a der Gründe, BAGE 83, 52).

(2)
Danach war die Beklagte nicht nach § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG verpflichtet, mit der Klägerin einen Verlängerungsvertrag für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis zum 28. Februar 2017 zu schließen. Die Klägerin hatte bereits ab dem 14. Mai 2014 Elternzeit in Anspruch genommen; sie wurde während der Elternzeit bis zum 31. Mai 2016 nicht beschäftigt.

bb)
Bei den Änderungsverträgen vom 30. Mai 2016, vom 8. Februar 2018 und vom 22. Februar 2019 handelt es sich dagegen um Verlängerungsverträge iSv. § 1 Abs. 4 Nr. 3 ÄArbVtrG.

(1)
Nach dieser Vorschrift sind ua. nicht anzurechnen die Elternzeit und Zeiten der Schutzfristen vor und nach der Entbindung nach § 3 MuSchG, soweit eine Beschäftigung nicht erfolgt ist. Dies umfasst auch Zeiten, in denen während relativer Beschäftigungsverbote oder während der Elternzeit eine zulässige Teilzeitbeschäftigung erfolgt ist; allerdings ist die Elternzeit in diesem Fall für die Dauer der Teilzeitbeschäftigung nur zeitanteilig zu berücksichtigen, soweit die Beschäftigung nicht erfolgt (vgl. zur Parallelvorschrift des § 2 Abs. 5 Nr. 3 WissZeitVG APS/Schmidt 6. Aufl. WZVG § 2 Rn. 75 f.).

(2)
Danach konnte die Klägerin den Abschluss der Verlängerungsverträge vom 30. Mai 2016, vom 8. Februar 2018 und vom 22. Februar 2019 verlangen. § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG ermöglicht im Rahmen der Dauer der nichtanrechenbaren Zeit auch den Abschluss mehrerer Verlängerungsverträge. Die Gesamtlaufzeit der Verlängerungsverträge unterschreitet mit zwei Jahren und sechs Monaten die Dauer der nach § 1 Abs. 4 Nr. 3 ÄArbVtrG nichtanrechenbaren Zeit. Diese errechnet sich unter Berücksichtigung der Elternzeit und der Zeiten der Schutzfristen vor und nach der Entbindung nach § 3 MuSchG ohne Beschäftigung vom 25. Januar 2014 bis zum 31. Mai 2016 (zwei Jahre, vier Monate, 7 Tage) sowie unter anteiliger Berücksichtigung der Elternzeit mit Teilzeittätigkeit im Umfang von 8 Wochenstunden vom 1. Juni 2016 bis zum 31. Dezember 2016 (7 Monate x 4/5 = 5,6 Monate) auf mehr als zwei Jahre und neun Monate. 49 Unschädlich ist, dass der Änderungsvertrag vom 30. Mai 2016 vor Ablauf der Vertragslaufzeit des Arbeitsvertrags vom 30. Mai 2014 geschlossen wurde. Der Anspruch nach § 1 Abs. 4 Nr. 3 ÄArbVtrG besteht schon vor Ablauf des Zeitvertrags (vgl. APS/Schmidt 6. Aufl. ÄArbVtrG § 3 Rn. 21).

2.
Die nach § 1 Abs. 3 Satz 1 und Satz 4 ÄArbVtrG zulässige Höchstbefristungsdauer von acht Jahren ist mit dem bis zum 28. Februar 2017 befristeten Vertrag vom 30. Mai 2014 nicht überschritten. Zwar bestand das Arbeitsverhältnis der Parteien am 28. Februar 2017 bereits seit neun Jahren. Auf die Höchstbefristungsdauer ist jedoch der auf Antrag der Klägerin für die Zeit vom 1. März 2013 bis zum 31. Mai 2014 geschlossene Verlängerungsvertrag nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 ÄArbVtrG nicht anzurechnen. Nach dieser Vorschrift sind ua. Zeiten einer Ermäßigung der Arbeitszeit um mindestens ein Fünftel der regelmäßigen Arbeitszeit, die für die Betreuung oder die Pflege eines Kindes unter 18 Jahren gewährt worden sind, bis zur Dauer von zwei Jahren nicht auf die Höchstbefristungsdauer anzurechnen. Diese Voraussetzungen lagen bei Abschluss des für die Zeit vom 1. März 2013 bis zum 31. Mai 2014 befristeten Arbeitsvertrags vom 12. Februar 2013 vor. Die Arbeitszeit der Klägerin war auf ihren auf die Pflicht zur Betreuung ihrer minderjährigen Kinder gestützten Antrag hin ab dem 1. Januar 2009 von 36 auf 22 Wochenstunden herabgesetzt worden und bis zum 14. Juni 2012 unverändert geblieben.

3.
Der Senat kann auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht beurteilen, ob die Beschäftigung der Klägerin nach den im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrags vom 30. Mai 2014 bestehenden Planungen und Prognosen ihrer zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung iSv. § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG diente (zu den Anforderungen vgl. BAG 14. Juni 2017 - 7 AZR 597/15 - Rn. 17 ff., BAGE 159, 237) und ob zu diesem Zeitpunkt erwartet werden konnte, dass die Klägerin bis zum Abschluss dieses Vertrags - nichtanrechenbare Zeiten iSv. § 1 Abs. 4 ÄArbVtrG hinweggedacht - ihre Weiterbildung zur Fachärztin für Anästhesiologie abschließen wird, § 1 Abs. 3

Satz 6 ÄArbVtrG. Beide Parteien haben sich hierzu bislang nicht geäußert, da sie nicht berücksichtigt haben, dass es für die sachliche Rechtfertigung der Befristung auf die Umstände bei Abschluss des Arbeitsvertrags vom 30. Mai 2014 ankommt. Nachdem weder das Landesarbeitsgericht noch die Parteien bislang diesen Gesichtspunkt in den Blick genommen haben, gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör und der Grundsatz der Gewährleistung eines fairen Verfahrens (vgl. dazu BAG 18. März 2020 - 5 AZR 36/19 - Rn. 54 mwN, BAGE 170, 172), den Parteien und hierbei zunächst der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten im Rahmen des fortgesetzten Berufungsverfahrens Gelegenheit zu geben vorzutragen, ob die Beschäftigung der Klägerin nach den im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrags vom 30. Mai 2014 bestehenden Planungen und Prognosen ihrer zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung iSv. § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG diente und ob zu diesem Zeitpunkt erwartet werden konnte, dass die Klägerin bis zum Abschluss dieses Vertrags ihre Weiterbildung zur Fachärztin für Anästhesiologie abschließen wird.

IV.
Der Weiterbeschäftigungsantrag ist von der Zurückverweisung umfasst.

Klose/Waskow/M. Rennpferdt/Mertz/J. Glatt-Eipert


Ausdruck Urteil - PDF