Außerordentliche Kündigung bei ständiger Verspätung

 | Gericht:  Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz  | Aktenzeichen: 2 Sa 188/16 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Arbeitsrecht

Urteilstext

 

Tenor

 

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 24.03.2016 - 6 Ca 643/15 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 16.11.2015 nicht aufgelöst ist, sondern bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.05.2016 fortbestanden hat.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) tragen der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

 

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Der 1969 geborene Kläger war seit 10. November 1997 bei der Beklagten als Prüfer in der Qualitätskontrolle gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von zuletzt 3.570,00 € beschäftigt.

Hierbei musste er Versandlisten (Coli-​Listen) erstellen und kontrollieren. In diesen Listen werden, von Kunde zu Kunde unterschiedlich, die später vom Versand zu bearbeitenden Teile für den Kran aufgeführt. Die eingescannte Liste geht dann an den Versand. Der Versand wird von einer Fremdfirma, der Verpackungsfirma Z besetzt, deren Mitarbeiter von 7.00 Uhr bis 15.30 Uhr im Betrieb der Beklagten tätig sind. Der zuständige Versandmitarbeiter prüft die zu versendenden Teile mit der Liste ab und belädt dementsprechend die Lkws, die von 7.30 Uhr bis 15.30 Uhr kommen können.

Der Kläger war nach der für ihn geltenden Betriebsvereinbarung "Lage und Verteilung der Arbeitszeit für das Werk Y" vom 26. September 1995 im Einschichtbetrieb eingesetzt und hatte danach seine Arbeit um 7.00 Uhr aufzunehmen (Anlage 2 zur Betriebsvereinbarung vom 26. September 1995, Bl. 37 d. A.). Eine Gleitzeitregelung existierte für ihn nicht.

Der Kläger war im Jahr 2013 psychisch angeschlagen und ab 03. Juni 2013 arbeitsunfähig erkrankt. Nach einer längeren Arbeitsunfähigkeitsphase wurde eine Wiedereingliederungsmaßnahme mit flexiblen Arbeitszeiten, beginnend ab dem 24. Februar 2014 durchgeführt. Diese war zunächst bis 21. April 2014 befristet und wurde dann bis zum 04. Mai 2014 verlängert. Nach dieser Wiedereingliederung wurde für den Kläger auch im Hinblick darauf, dass sein Vater pflegebedürftig war und er um etwas mehr Zeit bei der Beklagten bat, am 24. Juni 2014 der Arbeitsbeginn einvernehmlich auf 8.00 Uhr gelegt.

In der Folgezeit nahm der Kläger wiederholt die Arbeit erst nach 8.00 Uhr auf und wurde deswegen am 02. Juli 2015 von Herrn X nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Arbeitsbeginn um 8.00 Uhr ist. Als der Kläger in der Folgezeit seine Tätigkeit nicht rechtzeitig aufnahm, wurde er von der Beklagten am 25. August 2015 nochmals per Mail aufgefordert, seine Arbeit um 8.00 Uhr aufzunehmen.

Mit Schreiben vom 15. September 2015 (Bl. 42 d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung wegen Nichteinhaltung des festgelegten Arbeitsbeginns um 8.00 Uhr. Anlässlich der Übergabe dieser Abmahnung am 17. September 2015 fand ein Personalgespräch mit dem Kläger statt, in dem dieser ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass er ab 18. September 2015 wieder gemäß der Betriebsvereinbarung vom 26. September 1995 pünktlich um 7.00 Uhr die Arbeit aufzunehmen hat. Zu diesem Zeitpunkt war der persönliche Grund für die spätere Arbeitsaufnahme um 8.00 Uhr aufgrund des Monate zuvor eingetretenen Todes des Vaters des Klägers weggefallen.

Am 21. September 2015 nahm der Kläger seine Tätigkeit erst um 8.22 Uhr auf, woraufhin er mit Schreiben vom 21. September 2015 (Bl. 48 d. A.) abgemahnt wurde. An den Folgetagen nahm er seine Arbeit am 22. September 2015 um 7.20 Uhr, am 23. September 2015 um 8.00 Uhr, am 24. September 2015 um 8.23 Uhr, am 25. September 2015 um 8.36 Uhr, am 28. September 2015 um 8.17 Uhr, am 29. September 2015 um 8.24 Uhr und am 30. September 2015 um 8.12 Uhr auf. Deswegen wurde ihm mit Schreiben vom 30. September 2015 (Bl. 49 d. A.) eine "letzte Abmahnung" unter Hinweis darauf erteilt, dass er beim nächsten Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten im Zusammenhang mit seinem Arbeitszeitbeginn mit der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechnen müsse.

Nachdem der Kläger seine Arbeit am 06. Oktober 2015 um 7.03 Uhr, am 07. und 08. Oktober 2015 jeweils um 7.01 Uhr und am 12. Oktober 2015 um 7.05 Uhr aufnahm, wurde er wegen dieser Verspätungen erneut von Herrn X daran erinnert, spätestens um 7.00 Uhr die Arbeit aufzunehmen. In der Zeit vom 14. Oktober bis 02. November 2015 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 21. und 27. Oktober 2015 (Bl. 50, 51 d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger jeweils eine Abmahnung, weil er nach seiner am 19. und 26. Oktober 2015 jeweils erfolgten telefonischen Mitteilung über die Fortdauer seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Folgebescheinigung) nicht (rechtzeitig) vorgelegt hat.

Am 03. November 2015 erschien der Kläger um 7.03 Uhr und am 04. sowie 05. November 2015 jeweils um 7.02 Uhr zur Arbeit.

Daraufhin hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 09. November 2015 (Bl. 52 bis 64 d. A.) zu der von ihr beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung zum 31. Mai 2016 an; wegen der Einzelheiten wird auf das Anhörungsschreiben verwiesen. Mit Schreiben vom 12. November 2015 (Bl. 65 - 67 d. A.) äußerte der Betriebsrat Bedenken zur außerordentlichen Kündigung und widersprach der ordentlichen Kündigung; wegen der Begründung des Betriebsrats wird auf seine schriftliche Stellungnahme vom 12. November 2015 (Bl. 66, 67 d. A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 16. November 2015 (Bl. 5 d. A.) kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung, hilfsweise ordentlich zum 31. Mai 2016. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 30. November 2015 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - eingereichten Kündigungsschutzklage.

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 24. März 2016 - 6 Ca 643/15 - Bezug genommen.

Mit dem vorgenannten Urteil hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

Gegen das ihm am 19. April 2016 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 11. Mai 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-​Pfalz am 12. Mai 2016 eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 20. Juni 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-​Pfalz am gleichen Tag (Montag) eingegangen, begründet.

Er trägt vor, die aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigenden Umstände müssten sich zukünftig konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken, weil der Kündigungsgrund zukunftsbezogen sei und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstelle. An einem solchen Kündigungsgrund fehle es bereits. Wie die ihm angelastete Unpünktlichkeit von wenigen Minuten sich belastend auswirken solle, bleibe offen und sei von der Beklagten auch nicht vorgetragen. Weder leide seine Arbeitspflicht noch sei der Betriebsablauf konkret beeinträchtigt worden. Fehle es an derartigen konkreten Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses, dann könne ein bestimmtes beanstandetes Verhalten des Arbeitnehmers keinen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Aus dem Vortrag der Beklagten folge ebenfalls bereits nicht, aus welchen Gründen die Einhaltung der Kündigungsfrist unzumutbar gewesen sein solle. Nach der letzten Abmahnung vom 30. September 2015 sei eine erhebliche Veränderung eingetreten. In wenigen Fällen habe er nur marginal um ein bis zwei und in einem Fall um fünf Minuten verspätet seine Arbeit aufgenommen, wodurch es zu keiner konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses gekommen sei. Er habe seine Arbeitsleistung an sich beanstandungsfrei erbracht und darüber hinaus regelmäßig länger gearbeitet. Dies widerspreche einer beharrlichen Arbeitsverweigerung, was das Arbeitsgericht verkannt habe. Im Rahmen der Interessenabwägung habe das Arbeitsgericht seine Pflichtverletzung als schwerwiegend erachtet, ohne dass sich erschließe, wie eine Verspätung der Arbeitsaufnahme um wenige Minuten dies rechtfertigen solle. Soweit das Arbeitsgericht als gegeben unterstellt habe, dass ab 7.00 Uhr kein Ansprechpartner vorhanden gewesen sein solle, wenn es zu Problemen beim Versand gekommen sei, habe die Beklagte derartiges überhaupt nicht vorgetragen. Im Übrigen sei auch nicht zu erkennen, wie bei einer einminütigen Verspätung der Arbeitsaufnahme Probleme im Bereich des Versandes auftreten könnten. Im Rahmen der Interessenabwägung habe das Arbeitsgericht verkannt, dass sich eine Veränderung in seinem Verhalten aufgezeigt habe. Die Verspätungen von mehreren Stunden in der Vergangenheit seien durchaus seiner besonderen persönlichen Situation (Erkrankung sowie Tod eines nahen Angehörigen) geschuldet gewesen. Auch wenn die Beklagte dies berücksichtigt und dem in der Vergangenheit Rechnung getragen habe, sei aufgrund der letzten Abmahnung eine erhebliche Veränderung erfolgt. Wenn überhaupt noch eine verspätete Arbeitsaufnahme erfolgt sei, habe es sich um wenige einzelne Minuten gehandelt. Hinzu komme noch, dass er seine Arbeitspflichten beanstandungsfrei in dem schon seit langem bestehenden Beschäftigungsverhältnisses erbracht habe. Dazu sei er auch bereit gewesen, überobligatorisch tätig zu werden, was im Ergebnis gewichtiger als die marginale verspätete Arbeitsaufnahme sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 24. März 2016 - 6 Ca 643/15 - abzuändern und

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung noch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 16. November 2015 beendet worden ist,

im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Prüfer in der Qualitätskontrolle weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, der Kläger habe bei seiner Darstellung die der letzten Abmahnung vom 30. September 2015 vorangegangenen Verspätungen ausgelassen, die Gegenstand der mündlichen sowie schriftlichen Ermahnungen und der Abmahnungen vom 15. und 21. September 2015 gewesen seien. Soweit der Kläger versuche, sein weiteres Fehlverhalten regelrecht herunterzuspielen, sei sein geradezu beharrliches und permanentes Zuspätkommen durch die in der Abmahnung vom 30. September 2015 festgehaltenen acht weiteren Verspätungen dokumentiert. Die Verspätungen nach Ausspruch der letzten Abmahnung vom 30. September 2015 müssten als erneute arbeitsvertragliche Pflichtverstöße gewertet werden, auch wenn diese sich nicht in dem größeren Umfang wie zuvor bewegt hätten. Diese Verstöße ließen eindeutig erkennen, dass der Kläger offensichtlich keinerlei Veranlassung gesehen habe, sein Fehlverhalten zu ändern. Bei Nichtausspruch der Kündigung trotz der Vorgeschichte und der Verspätungen vom 06. bis 12. Oktober 2015 wäre sie nicht nur unglaubwürdig geworden, sondern hätte im Extremfall sogar ihr Kündigungsrecht verwirkt. Entgegen der Ansicht des Klägers sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für sie auch unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar gewesen, weil sie aufgrund seines Verhaltens auch im Rahmen der ordentlichen Kündigungsfrist gemäß den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts mit erheblichen Verspätungen und den damit verbundenen Betriebsablaufstörungen hätte rechnen müssen. Die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist wäre zudem mit entsprechenden finanziellen, unzumutbaren Belastungen für sie verbunden gewesen. Aufgrund der klaren Faktenlage könne nicht nachvollzogen werden, inwieweit der Kläger behaupten könne, dass nach der letzten Abmahnung vom 30. September 2015 eine Veränderung des Arbeitsverhaltens zu sehen sei. Vielmehr habe der Kläger auch in der Folgezeit wiederholt die Arbeit zu spät aufgenommen, so dass sich sein Arbeitsverhalten gerade nicht zum Positiven geändert habe. Auch wenn die kündigungsauslösenden Verspätungen sich zum Teil im Fünf-​Minuten-​Bereich bewegt hätten, lasse der Kläger erneut die Vorgeschichte außer Acht, die auch im Hinblick auf die Abmahnungen und die zum Teil deutlichen Verspätungen auf eine beharrliche Verweigerungshaltung schließen lassen würden. Soweit der Kläger seine beanstandungsfreie Arbeitsleistung und die behauptete Mehrarbeit als Korrektiv für sein streitentscheidendes Fehlverhalten anführe, sei dies weder Gegenstand des Verfahrens noch könne derartiger Vortrag im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt werden. Zudem komme es mangels flexibler Arbeitszeitregelung nicht auf die Gesamtarbeitszeit des Klägers an bestimmten Tagen an. Soweit der Kläger im Rahmen der Interessenabwägung in Abrede gestellt habe, dass es durch seine Verspätungen zu Problemen beim Versand gekommen sei, verweise sie auf ihren erstinstanzlichen Vortrag, wonach die im Versand beschäftigten Kollegen des Klägers von dessen Vorarbeit im Sinne der termingerechten Beladung der Lkws abhängig seien, so dass deren Arbeitsablauf durch die zum Teil erheblichen Verspätungen zwangsläufig erheblich gestört worden sei. Auch müsse der Behauptung des Klägers widersprochen werden, er habe im Übrigen seine Pflichten beanstandungsfrei erbracht. Vielmehr seien dem Kläger auch wegen anderweitiger Pflichtverstöße bereits Abmahnungen ausgesprochen worden, die sich damit auch im Rahmen der Interessenabwägung belastend für ihn auswirken müssten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b und c ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

Die Berufung des Klägers hat insoweit Erfolg, als er sich mit seiner Kündigungsschutzklage gegen die außerordentliche fristlose Kündigung vom 16. November 2015 wendet. Die außerordentliche Kündigung ist mangels wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam. Zwar sind die dem Kläger vorzuwerfenden Verspätungen nach den vorangegangenen Abmahnungen an sich geeignet, auch eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Nach der vorzunehmenden Interessenabwägung war es der Beklagten aber gleichwohl nicht unzumutbar, das Arbeitsverhältnis jedenfalls noch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen.

Im Übrigen hat die Berufung keinen Erfolg. Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet, soweit sie sich gegen die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 16. November 2015 richtet. Die ordentliche Kündigung der Beklagten ist aus den von ihr angeführten verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. Mai 2016 wirksam beendet. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist als unechter Hilfsantrag nicht zur Entscheidung angefallen.

I.

Die außerordentliche Kündigung ist nicht nach § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt.

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände "an sich" und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der beiderseitigen Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 19. Januar 2016 - 2 AZR 449/15 - Rn. 28, NZA 2016, 1144).

Wiederholte Unpünktlichkeiten eines Arbeitnehmers sind dann an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, wenn sie den Grad und die Auswirkung einer beharrlichen Verweigerung der Arbeitspflicht erreicht haben. Er- scheint ein Arbeitnehmer ohne rechtfertigenden Grund überhaupt nicht oder verspätet zur Arbeit, dann erbringt er die von ihm geschuldete Arbeitsleistung teilweise nicht oder - sofern nachholbar - nicht zur rechten Zeit. Dies ist ein Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Verpflichtung, die Arbeit mit Beginn der betrieblichen Arbeitszeit aufzunehmen und sie im Rahmen der betrieblichen Arbeitszeit zu erbringen oder während dieses Zeitraumes zur Zuweisung von oder zur Aufnahme der Arbeit zur Verfügung zu stehen. Wenn ein Arbeitnehmer häufig zu spät zur Arbeit erscheint und damit seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis verletzt, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis in der Regel nur durch eine ordentliche Kündigung lösen. Eine außerordentliche Kündigung aus diesem Grunde kommt ausnahmsweise allerdings dann in Betracht, wenn die Unpünktlichkeit des Arbeitnehmers den Grad und die Auswirkung einer beharrlichen Verletzung (Verweigerung) seiner Arbeitspflicht erreicht hat. Eine beharrliche Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsvertrag liegt insbesondere dann vor, wenn eine Pflichtverletzung trotz Abmahnung wiederholt begangen wird und sich daraus der nachhaltige Wille der vertragswidrig handelnden Partei ergibt, den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen zu wollen. In diesem Fall ist es nicht für die Eignung als wichtiger Grund, sondern nur für die Interessenabwägung erheblich, ob es neben einer Störung im Leistungsbereich auch noch zu nachteiligen Auswirkungen im Bereich der betrieblichen Verbundenheit (Betriebsordnung, Betriebsfrieden) gekommen ist (BAG 17. März 1988 - 2 AZR 576/87 - NZA 1989, 261).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das beanstandete Verhalten des Klägers als beharrliche Verletzung der Arbeitspflicht zu bewerten, die als wichtiger Grund zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung an sich geeignet ist.

Entgegen der Ansicht des Klägers sind die Voraussetzungen für eine beharrliche Verletzung der Arbeitspflicht aufgrund seiner Unpünktlichkeit erfüllt. Die Beklagte hat dem Kläger nach den vorangegangenen Ermahnungen und den beiden Abmahnungen vom 15. und 21. September 2015 mit Schreiben vom 30. September 2015 eine "letzte Abmahnung" unter Hinweis darauf erteilt, dass er beim nächsten Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten im Zusammenhang mit seinem Arbeitszeitbeginn mit der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechnen müsse. Die jeweils angegebenen Zeitpunkte der (verspäteten) Arbeitsaufnahme durch den Kläger sind unstreitig. Nach der für das Arbeitsverhältnis des Klägers geltenden Betriebsvereinbarung vom 26. September 1995 war der Kläger verpflichtet, seine Arbeit pünktlich um 7.00 Uhr aufzunehmen. Lediglich in der Zeit vom 24. Juni 2014 bis zum 17. September 2015 hatte die Beklagte ihm aus persönlichen Gründen im Hinblick auf seinen pflegebedürftigen Vater eine spätere Arbeitsaufnahme um 8.00 Uhr gestattet. Danach hat der Kläger bereits mit den in der Abmahnung jeweils zutreffend dokumentierten Zeitpunkten der verspäteten Arbeitsaufnahme an den genannten Tagen die ihm obliegende Verpflichtung zum pünktlichen Antritt seiner Arbeit mehrfach verletzt. Trotz der ihm unter dem 30. September 2015 erteilten "letzten Abmahnung" ist es zu den weiteren Unpünktlichkeiten des Klägers am 06., 07., 08. und 12. Oktober 2015 sowie am 03., 04. und 05. November 2015 gekommen, auch wenn sich diese Verspätungen nur im Bereich von wenigen Minuten bewegt haben. Der Kläger ist nicht nur gelegentlich, sondern trotz der vorangegangenen Abmahnungen fortgesetzt wiederholt verspätet zur Arbeit erschienen und hat damit seine Arbeitspflicht beharrlich verletzt. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend angenommen.

Nach der stets vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung ist es der Beklagten im Streitfall gleichwohl zuzumuten, das Arbeitsverhältnis jedenfalls noch bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. Mai 2016 fortzusetzen.

Im Rahmen der Interessenabwägung ist zunächst zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass sie dem Kläger wegen dessen persönlicher Situation vorübergehend einen späteren Arbeitsbeginn zugebilligt hatte und ihn aufgrund mehrerer Ermahnungen und Abmahnungen zum pünktlichen Arbeitsantritt angehalten hat, bevor sie sich letztlich zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung entschlossen hat. Auch wenn der Kläger nach der zuletzt ausgesprochenen Abmahnung vom 30. September 2015 wiederholt verspätet zur Arbeit erschienen ist, bewegten sich die zuletzt aufgetretenen Verspätungen allerdings lediglich noch im Bereich von wenigen Minuten. Über die mit den Verspätungen jeweils verbundene Leistungsstörung hinaus sind auch keine weitergehenden nachteiligen Auswirkungen feststellbar, die zusätzlich für den Kläger belastend wären. Der Kläger hat bei verspätetem Arbeitsantritt die Arbeit jeweils nachgeholt. Auf der Grundlage des Vortrags der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten lässt sich nicht feststellen, ob und ggf. bei welchen Verspätungen des Klägers es neben der hierin liegenden Störung im Leistungsbereich noch zu nachteiligen Auswirkungen im Betriebsablauf oder für den Betriebsfrieden gekommen ist. Diesbezüglich hat die Beklagte lediglich allgemein darauf verwiesen, dass die im Versand beschäftigten Kollegen des Klägers von dessen Vorarbeit im Sinne der termingerechten Beladung der Lkws abhängig seien, so dass deren Arbeitsablauf durch die zum Teil erheblichen Verspätungen des Klägers zwangsläufig erheblich gestört worden sei. Daraus lässt sich aber nicht nachvollziehbar entnehmen, welche der aufgetretenen Verspätungen sich konkret nachteilig auf den Betriebsablauf durch Eintritt welcher konkreten Störungen ausgewirkt haben sollen. Insbesondere in Bezug auf die zum Ausspruch der Kündigung herangezogenen Verspätungen des Klägers, die sich im Bereich von einer bis maximal fünf Minuten bewegten, ist weder konkret vorgetragen noch ersichtlich, inwieweit derart geringfügige Unpünktlichkeiten eine termingerechte Beladung der Lkws, die erst ab 7.30 Uhr kommen können, erschwert oder die Arbeit der im Versand beschäftigten Kollegen des Klägers beeinträchtigt haben sollen. Zugunsten des Klägers fällt insbesondere seine lange Betriebszugehörigkeit von 18 Jahren ins Gewicht. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei verlaufen war, bis der Kläger nach seiner psychischen Erkrankung um einen späteren Arbeitsbeginn im Hinblick auf seinen pflegebedürftigen Vater gebeten hat und es zuletzt zu den beanstandeten Verspätungen gekommen ist. Auch bei Einbeziehung der vorangegangenen Ermahnungen und Abmahnungen wegen der aufgetretenen Verspätungen und der nicht (rechtzeitig) erfolgten Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (Folgebescheinigungen) in zwei Fällen erscheint es bei Abwägung der beiderseitigen Interessen der Beklagten als zumutbar, das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist noch fortzusetzen. In Anbetracht der langjährigen und bis zum Jahr 2014 beanstandungsfreien Betriebszugehörigkeit des Klägers reichen die zur Kündigung herangezogenen Verspätungen des Klägers von jeweils wenigen Minuten auch unter Berücksichtigung der vorangegangenen Abmahnungen und der Häufigkeit der Verspätungen zur Rechtfertigung einer außerordentlichen fristlosen Kündigung nicht aus. Auch wenn die Beklagte im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen musste, dass es weiterhin zu entsprechenden Verspätungen kommen würde, erscheint es bei Abwägung der beiderseitigen Interessen der Beklagten als zumutbar, darauf mit dem Ausspruch einer ordentlichen Kündigung zu reagieren.

II.

Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung ist hingegen wirksam.

1. Die ordentliche Kündigung der Beklagten ist nach § 1 Abs. 2 KSchG aus den von ihr angeführten verhaltensbedingten Gründen sozial gerechtfertigt.

a) Das wiederholt schuldhaft verspätete Erscheinen des Klägers im Betrieb trotz einschlägiger vorheriger Abmahnungen ist als Verletzung der Arbeitspflicht an sich geeignet, eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung gemäß § 1 Abs. 1 und 2 Satz 1 KSchG zu rechtfertigen (st. Rspr., vgl. BAG 15. November 2001 - 2 AZR 609/00 - Rn. 36, NZA 2002, 968). Im Streitfall ist der Kläger am 06., 07., 08. und 12. Oktober 2015 sowie am 03., 04. und 05. November 2015 verspätet zur Arbeit erschienen, obwohl die Beklagte ihn kurz zuvor mit Schreiben vom 30. September 2015 eine "letzte Abmahnung" mit dem eindringlichen Hinweis darauf erteilt hatte, dass er beim nächsten Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten im Zusammenhang mit seinem Arbeitszeitbeginn mit der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechnen muss. Damit war der Kläger ausreichend gewarnt gewesen und hat seinen Arbeitsplatz aufs Spiel gesetzt, indem er wenige Tage nach der letzten Abmahnung wiederholt schuldhaft zu spät gekommen ist. Mithin liegt ein die ordentliche Kündigung grundsätzlich rechtfertigender verhaltensbedingter Kündigungsgrund vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es nicht für die Eignung als verhaltensbedingter Kündigungsgrund, sondern nur (zusätzlich) für die Interessenabwägung erheblich (im Sinne einer Belastung des Arbeitnehmers), wenn es neben der Störung im Leistungsbereich außerdem noch zu nachteiligen Auswirkungen im Betriebsablauf oder für den Betriebsfrieden gekommen ist (BAG 17. Januar 1991 - 2 AZR 375/90 - Rn. 20, NZA 1991, 557).

b) Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen erscheint die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses als billigenswerte und angemessene Reaktion der Beklagten auf die dem Kläger vorzuwerfenden Arbeitspflichtverletzungen.

Zwar ist zugunsten des Klägers vor allem seine 18-​jährige und bis 2014 ungestörte Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Weiterhin hat der Kläger bei seinem verspäteten Arbeitsantritt die Arbeit jeweils nachgeholt. Auch wenn sich die nach der letzten Abmahnung vom 30. September 2015 aufgetretenen Verspätungen des Klägers lediglich in einem Bereich von bis fünf Minuten beliefen und sich neben der hierin liegenden Störung im Leistungsbereich keine weitergehenden nachteiligen Auswirkungen auf den Betriebsablauf oder den Betriebsfrieden feststellen lassen, fällt entscheidend zulasten des Klägers ins Gewicht, dass seine fortgesetzt auftretenden Unpünktlichkeiten nach mehreren Ermahnungen und drei einschlägigen Abmahnungen den Grad und die Auswirkung einer beharrlichen Verletzung der Arbeitspflicht erreicht haben. Entgegen der Ansicht des Klägers ist nach der ihm zuletzt erteilten Abmahnung jedenfalls keine Veränderung dahingehend eingetreten, dass er nunmehr pünktlich zur Arbeit erscheint. Vielmehr ist der Kläger, obwohl er mit der letzten Abmahnung vom 30. September 2015 eindringlich darauf hingewiesen wurde, dass er beim nächsten Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten im Zusammenhang mit seinem Arbeitszeitbeginn mit der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechnen muss, wiederum in der Zeit vom 06. bis 12. Oktober 2015 an mehreren Tagen nicht pünktlich erschienen. Daraufhin ist er nochmals von Herrn X daran erinnert worden, spätestens um 7.00 Uhr die Arbeit aufzunehmen. Gleichwohl war er dann am 03., 04. und 05. November 2015 wiederum nicht pünktlich um 7.00 Uhr an seinem Arbeitsplatz. Die Beklagte musste deshalb im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen, dass der Kläger nicht bereit bzw. in der Lage war, seine Arbeitszeiten einzuhalten und es deshalb zu entsprechenden Verspätungen auch in Zukunft kommen würde. Der Kläger hat auch keine nachvollziehbaren Erklärungen für seine ständigen Verspätungen angeben können. Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen erscheint daher die von der Beklagten hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung als billigenswerte und angemessene Reaktion der Beklagten auf die als beharrlich zu bewertenden Arbeitspflichtverletzungen des Klägers durch seine fortlaufende Unpünktlichkeit.

2. Die Kündigung ist auch nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Der Betriebsrat ist mit dem Anhörungsschreiben vom 09. November 2015 ordnungsgemäß zur ordentlichen Kündigung angehört worden und hat hierzu mit seinem Schreiben vom 12. November 2015 abschließend Stellung genommen.

III.

Aufgrund des Unterliegens des Klägers mit dem gegen die ordentliche Kündigung gerichteten Kündigungsschutzantrag ist der als unechter Hilfsantrag gestellte Weiterbeschäftigungsantrag nicht zur Entscheidung angefallen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.


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