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Ausfallhonorar des Arztes

 | Gericht:  Amtsgericht (AG) Dieburg  | Aktenzeichen: 21 C 831/97 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Schadenersatzrecht , Gebühren

Urteilstext

 

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 993,68 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 04.03.1997 zu zahlen.

 

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 80 % und der Beklagte 20 % zu tragen.

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.600,– DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Die Klägerin darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,– DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt mit der Klage Zahlung des Zahnarzthonorars des Zahnarztes ... aus abgetretenem Recht.

 

Der Beklagte war bei dem Zedenten in zahnärztlicher Behandlung. Es waren Kronenversorgungen der Zähne 24, 25, 26, 27, 36 und 37 sowie weitere Leistungen entsprechend des Heil- und Kostenplanes vom 10.05.1995 geplant.

 

Wegen der Einzelheiten wird auf die Fotokopie des genannten Heil- und Kostenplanes Bezug genommen. Ein Teil der Leistung wurde am 09.05., 10.05. und 27.07.1995 erbracht. Ein weiterer Behandlungstermin war für den 13.11.1995 vorgesehen. Zu diesem Termin erschien der Beklagte nicht.

 

Mit Rechnung vom 05.12.1995 stellte der Zedent sowohl die erbrachten als auch die geplanten Leistungen sowie das aufgebrachte Material in Rechnung.

 

Wegen der Einzelheiten der Rechnung wird auf die Durchschrift (Bl. 53 bis 57 d.A.) verwiesen.

 

Die Abtretung des behaupteten Honoraranspruchs erfolgte mit ausdrücklicher Zustimmung des Beklagten.

 

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte befinde sich wegen der Nichtwahrnehmung des Termins vom 13.11.1995 in Annahmeverzug.

 

Hierzu behauptet sie, der Zedent habe den Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen, daß dieser Termin von ihm wahrgenommen werden müßte, es handele sich nicht um einen vagen Behandlungstermin, sondern um einen fest vereinbarten Behandlungstermin.

 

Die Klägerin beantragt,

 

den Beklagten zu verurteilen, an sie 4.784,37 DM nebst 12,25 % Zinsen seit dem 18.01.1996 sowie 15,– DM vorgerichtlicher Mahnkosten zu zahlen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Er ist der Ansicht, er befinde sich nicht in Annahmeverzug; außerdem liege keine prüfbare Rechnung vor.

 

Er behauptet, die in Rechnung gestellten Leistungen seien an einem Tag überhaupt nicht zu erbringen gewesen. Im übrigen habe der Zedent an diesem Tag andere Patienten behandeln können.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage ist in dem im Tenor genannten Umfang begründet, im übrigen ist sie unbegründet.

 

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 993,68 DM gem. den §§ 611, 398 BGB, für die am 09.05., 10.05. und 27.07.1995 tatsächlich erbrachten Leistungen. 

 

Da der Beklagte der Abtretung auch zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung zustimmte, ist dies wirksam erfolgt.

 

Ein Zurückbehaltungsrecht mit einem Anspruch auf Erteilung einer diese Kosten ausweisenden Rechnung steht dem Beklagten nicht zu.

 

Die Einzelbeträge sind aus der genannten Rechnung den jeweiligen Behandlungsterminen zuzuordnen und der Gesamtbetrag durch eine einfache Addition auszurechnen. Auch die Berechnung der aus diesem Betrag folgenden Mehrwertsteuer ist dem Beklagten zumutbar.

 

Ein Anspruch auf Zahlung der nicht erbrachten Leistungen steht der Klägerin aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

 

Entgegen der Ansicht der Klägerin liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch aus den §§ 611, 615 BGB nicht vor.

 

Ob ein Annahmeverzug vorliegt, richtet sich nach den §§ 293 ff. BGB, hier nach § 296 BGB. Für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift kommt es darauf an, ob die Vereinbarung eines Behandlungstermins als "kalendermäßige Bestimmung" der Leistung anzusehen ist.

 

Die Festlegung eines Besuchstermins bei einem Arzt stellt aber grundsätzlich keine – verzugsbegründende – Fixierung eines Terminbeginns im Sinne des § 615 BGB dar, sondern dient zunächst nur der reibungsloseren Abwicklung des Arbeitsablaufs des frei praktizierenden Arztes. Dies ergibt sich sowohl aus der ärztlichen Gebührenordnung wie aus der gängigen Praxis, die überwiegend bei Ärzten wie bei Patienten davon ausgeht, daß auch ein Ausfall oder ein Verschiebung des Termins keine Ersatzansprüche auslöst, wie auch andererseits korrespondierend der Patient keinen Ausfallersatz für – vielfältige – Wartezeiten im ärztlichen Bereich verlangen kann (LG Heilbronn Urteil vom 10.10.91 – 6 S 330/91 –; LG München II NJW 84, 671; AG München NJW 90, 2939; AG Waldbröl NJW 89, 772).

 

Die gegenteilige Ansicht (Wertenbruch in MedR 91, 167 ff) ist abzulehnen.

 

Sie geht davon aus, daß ein Arzt, der mit einem Patienten einen nach Tag und Uhrzeit bestimmten Behandlungstermin vereinbart, einen für die Behandlung erforderlichen Zeitraum in seinem Terminkalender nur für diesen Patienten reserviert.

 

Dies ist jedoch einseitig an den Vorstellungen des Arztes orientiert. Eine rechtsverbindliche, kalendermäßige Bestimmung kommt erst durch zwei sich entsprechende Willenserklärung zustande. Wie die gängige – gerichtsbekannte – Praxis aber zeigt, gehen sowohl Arzt als auch Patient von der uneingeschränkten Verschiebbarkeit der Termine aus, so daß ein Rechtsbindungswille insoweit nicht in Frage kommt. Das Risiko einer rechtsverbindlichen Terminsvereinbarung wäre aus der Sicht des Patienten so groß und unkalkulierbar, daß er sich darauf nicht einlassen könnte. Selbst eine unverschuldete Verhinderung würde (so Wertenbruch a.a.O.) den Honoraranspruch – nicht selten in beträchtlicher Höhe – auslösen, ohne daß der Arzt Nachholung der Leistung verpflichtet wäre.

 

Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, weil der genannte Verfasser nur dann von einer kalendermäßigen Bestimmung und von einem Anspruch gem. §§ 611, 615 BGB ausgeht, wenn der Arzt ... einen bestimmten Zeitraum für die Behandlung in seinem Terminkalender einträgt und keine weiteren Patienten in dieser Zeit geladen werden. Hierzu ist von Klägerseite jedoch nichts vorgetragen.

 

An diesem Ergebnis würde sich auch nichts ändern, wenn der Beklagte entsprechend der klägerischen Behauptung darauf hingewiesen worden wäre, der Termin müsse wahrgenommen werden "es handele sich nicht um einen vagen Behandlungstermin, sondern um einen festen vereinbarten Behandlungstermin".

 

Wie bereits oben dargelegt, kommt eine "kalendermäßige Bestimmung" im Sinne des § 296 BGB nur dann zustande, wenn sie aus einer gemeinsamen Vereinbarung resultiert. Hier handelt es sich aber um einen einseitigen Hinweis seitens des Zedenten. Es handelte sich um die von Wertenbruch beschriebene einseitige Vorstellung des Zahnarztes mit dem Unterschied, daß sie gem. Klägervortrag laut geäußert wurde.

 

Selbst wenn man obiger Ansicht nicht folgen wollte, so wäre die Klage dennoch abzuweisen.

 

Die Rechnung enthält überwiegend Positionen, die im Heil- und Kostenplan nicht vorgesehen und deshalb nicht vereinbart sind.

 

Der Heil- und Kostenplan enthält die Kronenversorgung der Zähne 24 bis 27, 36, 37. In Rechnung gestellt sind aber "Maßnahmen bei caries profunda" sowie Arbeiten an den Zähnen 22, 30, 38. Zwar trägt die Klägerin vor, der Zedent habe auch "weitere Leistungen" wie sie sich aus dem Heil- und Kostenplan ergeben, geplant. Die in Rechnung gestellten Arbeiten sind jedoch nicht aufgeführt. Ein Auftrag hierfür ist nicht dargetan.

 

Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum der Zedent erschwerte Bedingungen in Rechnung stellte. Es ist davon auszugehen, daß diese bei Aufstellung des Heil- und Kostenplanes nicht erkannt werden konnten, da sie anderenfalls dort aufzuführen gewesen wären. Obwohl es nicht zur Behandlung kam, werden erschwerte Bedingungen in Rechnung gestellt, ohne darzutun, warum diese nachträglich erkannt wurden.

 

Insgesamt machen die durch den Heil- und Kostenplan vereinbarten Leistungen nur einen so geringen Teil der in Rechnung gestellten Arbeiten aus, daß der Heil- und Kostenplan nicht mehr als Grundlage einer Auftragserteilung angesehen werden kann. Ein anderer Auftrag ist aber nicht dargetan, so daß die Klage deshalb insoweit abzuweisen ist.

 

Der Anspruch auf die Zinsen ergibt sich aus § 292 BGB.

 

Weitere Zinsen sind nicht zuzusprechen, da sich der Beklagte nicht in Verzug befand.

 

Bei einer Zuvielforderung ist die Mahnung nur wirksam, wenn der Schuldner die Erklärung des Gläubigers nach den Umständen des Falles als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen muß und der Gläubiger zur Annahme der gegenüber seinen Vorstellungen geringeren Leistung bereit ist. Hierzu ist jedoch nichts vorgetragen.

 

Im übrigen können hier gem. § 242 BGB aus der Mahnung auch deshalb keine Rechte hergeleitet werden, da diese in keinster Weise mit dem Heil- und Kostenplan übereinstimmt und somit jede vertragliche Bindung fehlt.

 

Die Kosten des Rechtsstreits sind entsprechend dem Obsiegen und Verlieren der Parteien gem. § 92 ZPO zu quoteln.

 

Das Urteil ist gem. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.


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