Urteilstext
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 28.05.2014 (Az.: 29 C 291/12) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 838,70 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.09.2012 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin EUR 120,67 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.12.2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte zu 1/3 und die Klägerin zu 2/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Von der Abfassung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.
1)
Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß §§ 280 Abs. 1, 611 BGB einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in tenorierter Höhe.
Die Beklagte hat insofern eine vertragliche Pflicht verletzt als sie die Klägerin nicht hinreichend über die Folgen des Unterlassens der (gebotenen) zahnmedizinischen Behandlung in Form einer Wurzelkanalbehandlung aufklärte. Ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen ... . ... ... ... lag bereits am 05.05.2011 ein Befund an Zahn 34 vor, der eine apicale Aufhellung aufwies. Der Sachverständige führt in diesem Zusammenhang aus, dass Zahn 34 mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit hätte erhalten werden können, wenn in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang eine endodontische Behandlung durchgeführt worden wäre.
Zwar hat die Beklagte die Klägerin entgegen deren Angaben im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung am 29.05.2013 ausweislich der Dokumentation auf das Erfordernis der Durchführung einer Trepanation durch Brücke hingewiesen bzw. eine solche "empfohlen". Zugleich wurde vermerkt, dass die Patientin noch zuwarten wolle.
Diese (dokumentierte) Form der Aufklärung erfüllt jedoch nicht die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung, bei deren Vorliegen und anschließendem Entschluss des Patienten, die Behandlung nicht durchführen zu wollen, von einer Pflichtverletzung des behandelnden Arztes nicht ausgegangen werden kann. Nur in diesem Falle kann dem Arzt das Verhalten des Patienten nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn dieser sich in Ansehung der Folgen der Nichtvornahme der an sich gebotenen Behandlung gegen eine solche entscheidet. Dies setzt jedoch voraus, dass der Zahnarzt dezidiert auf die maßgeblichen Umstände sowie umfassend auf die Folgen hinweist, die entstehen können, wenn die Behandlung ausbleibt. Nach § 630e BGB muss der behandelnde Arzt über die für die Erteilung der Einwilligung wesentlichen Umstände, insbesondere über "Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie" aufklären. Die Aufklärung muss gemäß § 630f BGB dokumentiert werden.
Nur dann durfte die Beklagte gemäß § 630 e BGB, der mit Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes am 26.02.2013 besteht, jedoch kodifiziertes Richterrecht darstellt und daher von seinem Grundgedanken bereits zuvor inhaltliche Gültigkeit beanspruchte, von einer ordnungsgemäßen Verweigerung der Einwilligung durch die Klägerin ausgehen.
Der Dokumentation der Behandlung ist jedoch nicht zu entnehmen, wie und in welchem Umfang die Aufklärung erfolgte und ob sich die Klägerin ein ausreichendes Bild davon machen konnte, was die Konsequenzen ihrer Entscheidung, von einer Behandlung abzusehen, waren. Die Beweislast hierfür trägt nach § 630 h Abs. 2 S.1 BGB die Beklagte.
§ 630 h Abs. 3 BGB kommt mit seiner Vermutungswirkung nur dann zum Zug, wenn Art und Umfang der Aufklärung hinreichend dokumentiert worden wären und die Klägerin in positiver Kenntnis aller Umstände von der "empfohlenen" Weiterbehandlung abgesehen hätte.
Das bedeutet, dass gemäß § 630h Abs. 3 BGB bei fehlender Dokumentation von Einwilligung und Aufklärung das Fehlen der Aufklärung und Einwilligung vermutet wird. Sofern sich die Klägerin - wie von der Beklagten behauptet und aus der Dokumentation ersichtlich - zunächst zu einem weiteren Zuwarten entschieden haben sollte, obwohl sie unter Schmerzen litt, hätte es der Beklagten oblegen, die Klägerin auf die Folgen dieser Entscheidung hinzuweisen. Denn nur dann hätte die Klägerin die möglichen Folgen dieses Zuwartens abschätzen können. Dass diese Beratung erfolgt ist, ist anhand der Dokumentation jedenfalls nicht zu ersehen. Für die Behauptung der Beklagten, sie habe der Klägerin die Behandlung der Zahnwurzel "empfohlen", bot sie die Vernehmung der Mitarbeiterin ... ... ... ... ... .. an. Zum einen ist dieser Hinweis schon nicht als hinreichende Aufklärung zu werten. Jedenfalls aber hat die Zeugin in ihrer Vernehmung den Vortrag der Beklagten so nicht bestätigt, war sie doch bei dem eigentlichen Gespräch nicht zugegen. Weiteren Beweis hat die Beklagte nicht angeboten.
Auch die Angaben der Beklagten in ihrer persönlichen Anhörung im Termin am 10.12.2014 waren nicht geeignet, von einer ordnungsgemäßen Aufklärung der Klägerin ausgehen zu können. So gab sie an, im Allgemeinen auf die Folgen einer unterbliebenen Wurzelkanalbehandlung hinzuweisen, so dass sie davon ausgehe, dass es auch im Falle der Klägerin so gewesen sein möge.
Konkrete Erinnerungen hatte die Beklagte an die Situation nicht. Die Kammer ist daher nicht davon überzeugt, dass die Beklagte - gemessen an den dargestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung - die Klägerin aufgeklärt hat.
Dass die Klägerin - wie die Beklagte im Schriftsatz vom 16.12.2014 vortragen lässt - bestritten hat, dass ihr die Behandlung des Zahns überhaupt angeraten worden sei, vermag an dem Umstand der fehlenden Ordnungsgemäßheit der Aufklärung nichts zu ändern.
Ebenso wenig ist der dahingehende Vortrag der Beklagten, bei Wurzelbehandlungen sei aufgrund ihrer Häufigkeit eine "Aufklärung darüber, dass das (angeratene) (?) Nichtbehandeln von (erkannter) Karies, Parodontitis oder von entzündeten Wurzeln zum Zahnverlust führen kann", nicht dokumentationspflichtig, nicht geeignet, das Vorliegen einer Pflichtverletzung der Beklagten zu verneinen. Zwar ist davon auszugehen, dass Wurzelbehandlungen häufiger durchgeführt werden. Wieso jedoch aufgrund dieses Umstands eine Aufklärung nicht dokumentationspflichtig sein soll, erschließt sich der Kammer nicht.
Erst bei hinreichender, umfassender, sich auf die Folgen des Unterbleibens der Behandlung erstreckender Aufklärung kann sich der Patient - auch bei scheinbaren Routineeingriffen wie einer Wurzelkanalbehandlung - ein genaues Bild über die Folgen des Zuwartens machen. Erfolgt eine Aufklärung nicht, was bei unterbliebener Dokumentation vermutet wird, ergibt sich hieraus die Pflichtverletzung, die zur Geltendmachung von Schadensersatz berechtigt.
Der Höhe nach ist der Anspruch der Klägerin auf einen Betrag in Höhe von EUR 838,70 begrenzt, denn nur in dieser Höhe ist der Klägerin ein Schaden entstanden. Ihre Eigenbeteiligung an den Behandlungskosten, die durch die Behandlung bei Zahnarzt ... ... ... ... entstanden sind, betrug EUR 838,70.
2)
Einen Anspruch auf Schmerzensgeld hat die Klägerin hingegen nicht.
Dass die Klägerin über typischerweise mit zahnärztlichen Behandlungsmaßnahmen einhergehenden hinausgehende Beschwerden oder Schmerzen hatte, hat sie nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Worin die zusätzlichen Beschwerden liegen sollen, ist nicht dargetan. So trug die Klägerin mit Schriftsatz vom 02.12.2013 vor, dass sie nach Einsetzen der Brücke in der Folgezeit Schmerzen gehabt und entzündungshemmende Zahngele und Mundspülungen benutzt habe und teilweise Schmerzmittel habe nehmen müssen. Dafür, dass die Klägerin Schmerzen hatte, kann die Beklagte kaum verantwortlich gemacht werden. Inwiefern die Klägerin gerade durch eine fehlende Aufklärung über die Risiken des Zuwartens Schmerzen erlitten haben will, die sie ansonsten nicht oder von kürzerer Dauer erlitten hätte, ist nicht dargetan. Aus der zur Akte gereichten Dokumentation ist zu ersehen, dass die Klägerin gut zwei Monate nach dem Termin bei der Beklagten im Mai, in dem der Klägerin eine Wurzelkanalbehandlung vorgeschlagen worden sein soll, im Juli bei Zahnarzt ... ... ... ... .. vorstellig wurde, der eine Trepanation vornahm. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt sind mögliche über das hinzunehmende Maß hinausgehende Schmerzen nicht mehr allein ursächlich auf die unterlassene Behandlung durch die Beklagte zurückzuführen. Zudem hatte die Klägerin im November 2011, als sie wegen anderer Schmerzen bei Zahnarzt.... ... ... ... vorstellig wurde, an dem streitgegenständlichen Zahn 34 ausweislich des Vortrags in der Klageschrift vom 31.10.2012 keine Schmerzen.
Dies gilt umso mehr aufgrund der Angaben der Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung am 10.12.2014, wonach sie bei gravierenden Schmerzen einen Zahnarzt aufsuche, dies aber im Zusammenhang mit Zahn 34 nicht der Fall gewesen sei. Auch dies spricht gegen ein derartiges Ausmaß der Schmerzen, dass die Zubilligung eines Schmerzensgeldes gerechtfertigt erschiene.
3)
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB. Die Beklagte ist mit Schreiben vom 18.09.2012 unter Fristsetzung bis zum 28.09.2012 zur Zahlung aufgefordert worden.
4)
Aus den vorgenannten Gründen hat die Klägerin auch Anspruch auf Erstattung der von ihr aufgewandten, vorprozessual angefallenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von EUR 120,67. Insbesondere war die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig. Zugrunde zu legen war jedoch ein Gegenstandswert von bis zu EUR 900,--.
Der diesbezügliche Zinsanspruch folgt §§ 291, 288, 187 Abs. 1 BGB.
5)
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EGZPO.
Zur Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 16.12.2014 gab keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.