Beschlusstext
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Beklagte hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29.10.2019 wird aufgehoben.
4. Es ist beabsichtigt, den Gegenstandswert des Berufungsverfahrens auf 36.000,00 € festzusetzen.
Gründe
I.
Die 1973 geborene Klägerin suchte im August 2013 den Gesellschafter Dr. W... der Beklagten auf, um eine Gesäßstraffung durchzuführen. Am 18.10.2013 fand ein Gespräch mit dem Gesellschafter Dr. V... statt. Die Klägerin unterzeichnete eine Einwilligungserklärung, in der die operative Straffung des Gesäßes angekreuzt wurde (Anlage K1, B7). Die Optionen der operative Straffung „der Innenseite der Oberschenkel“ und „der Außenseite der Oberschenkel“ waren nicht angekreuzt. Am 27.11.2013 wurde die Operation durch Dr. V... durchgeführt. Neben der Gesäßstraffung wurde auch eine Oberschenkelinnenseitenstraffung durchgeführt, wobei die Schnitte seitlich der großen Schamlippen weitergeführt wurden. Postoperative Kontrollen fanden am 05.12. und 27.12.2013 statt. Am 06.01.2014 entfernte Dr. V... operativ Granulationsgewebe auf der rechten Seite. Es fanden weitere Nachsorgetermine am 31.01.2014 und 25.04.2014 statt. Am 24.03.2015 ließ die Klägerin eine Korrektur der Hautfalten seitlich der großen Schamlippen und im Februar 2017 eine weitere Narbenkorrektur im Bereich der Pofalten vornehmen.
Die Klägerin hat behauptet, es sei eine Gesäßstraffung, ein sogenannter „Brazilian-Butt-Lift“ mit Fettabsaugung und Reinjizierung des Fettgewebes vereinbart worden. Sie wäre an einer dauerhaften Straffung und an später unsichtbaren Narben in den Pofalten interessiert gewesen. Sie sei nicht über eine Oberschenkelinnenstraffung aufgeklärt worden und diese sei auch nicht Gegenstand des Behandlungsvertrages gewesen. Auch über die tatsächliche Schnittführung sei sie nicht aufgeklärt worden. Sie habe diesbezüglich keine Einwilligung erteilt und hätte sie auch nicht erteilt, wenn sie ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre. Die Operation sei nicht lege artis durchgeführt worden. Sie habe durch die Operation breite dicke, sichtbare und sehr schmerzhafte Narben davon getragen. Neben den großen Schamlippen hätten sich störende Hautfalten entwickelt. Sie habe unerträgliche Schmerzen beim Sitzen und Radfahren, jede Hose drücke und schmerze zusätzlich. Auf der rechten Seite sei der Ischiasnerv vernäht worden, so dass Sitzen und Liegen auf der rechten Gesäßseite bis heute nur unter Schmerzen möglich sei. Die Operation habe auch nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass keine Brazilian-Butt-Lift-Operation vereinbart gewesen sei. Die Klägerin sei ordnungsgemäß anhand des Bogens (Anlage B7), den sie mit nach Hause bekommen habe, aufgeklärt worden. Während des Anzeichnens des Operationsfeldes am 27.11.2013 habe die Klägerin erklärt, sie wünsche gleichzeitig eine Straffung der Oberschenkelinnenseiten. Diese sei dann ebenfalls durchgeführt worden. Die Operation sei entsprechend dem Facharztstandard durchgeführt worden.
Das Landgericht hat ein Sachverständigengutachten eingeholt und die Parteien angehört. Es hat mit Urteil vom 12.04.2014 die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 20.000,00 € verurteilt und festgestellt, dass diese verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus der Behandlung vom 27.11.2013 zu ersetzen. Es hat einen Aufklärungsmangel bejaht.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihr Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt. Zur Begründung trägt sie vor, das Landgericht sei zu Unrecht von einer mangelhaften Aufklärung ausgegangen. Der von der Beklagten verwendete Aufklärungsbogen sei üblich. Dort werde auch ausgeführt, dass es sich um einen Eingriff handele, bei dem naturgemäß mit postoperativer Schmerzsymptomatik zu rechnen sei. Die Durchtrennung von Hautnerven sei intensiv erörtert worden, und hierbei handele es sich nicht um einen Behandlungsfehler, sondern ein um der Operation immanentes Risiko. Der Sachverständige habe angegeben, dass Schmerzen, die über ein Jahr hinaus bestehen, sehr selten seien und darüber nicht speziell aufgeklärt werden müsse. Unzutreffend habe das Landgericht angenommen, dass die Aufklärung deshalb mangelhaft sei, weil nicht über „chronische“ Schmerzen aufgeklärt worden sei. Schmerzen seien naturgemäß nicht ein zeitiger Umstand, sondern beanspruchten einen gewissen Zeitraum. Der Bundesgerichtshof habe angenommen, dass die Aufklärung über das Risiko der „Lähmung“ auch eine „dauerhafte Lähmung“ umfasse. Dies sei vergleichbar mit der Begrifflichkeit „Schmerzen“. Zudem sei die Klägerin durch zwei vorangegangenen kosmetische Operationen an der Brust und der Oberschenkelaußenseite operationserfahren. Schließlich sei auch die Erweiterung der Schnittführung von der Einwilligung der Klägerin umfasst. Der Operateur Dr. V... habe die Aufklärung nachvollziehbar geschildert. Weshalb das Landgericht Leipzig sich nicht davon überzeugen konnte, dass die Klägerin den Wunsch nach einer Oberschenkelinnenseitenstraffung geäußert habe, sei nicht nachvollziehbar, zumal bei der Klägerin eine deutliche Fixierung auf einen ästhetischen Körper festzustellen sei. Die Notwendigkeit der längeren Schnittführung ergebe sich schon aus dem Umstand, dass die Klägerin gesagt habe, sie neige zur Narbenbildung. Im Übrigen wäre insoweit von einer hypothetischen Einwilligung auszugehen.
II.
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von Schmerzensgeld von 20.000,00 € verurteilt und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu erstatten gemäß §§ 630a ff., 280, 249, 253 BGB.
Der Arzt haftet für alle den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteiligen Folgen, wenn der ärztliche Eingriff nicht durch eine wirksame Einwilligung gedeckt und damit rechtswidrig ist. Eine wirksame Einwilligung des Patienten setzt eine ordnungsgemäße Aufklärung nach §§ 630d Abs. 2, 630e BGB voraus. Die Beklagte war verpflichtet, über Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder Therapie aufzuklären, § 630e Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Patient muss zur Wahrnehmung seines Selbstbestimmungsrechtes durch eine gebotene vollständige Aufklärung auch über die bestehenden Risiken in die Lage versetzt werden, eigenständig zu entscheiden, ob und zu welchem Zeitpunkt er sich auf das Risiko einlassen will (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 15.12.2017 - 26 U 3/14). Bei einer kosmetischen Operation - wie hier -, die medizinisch nicht zwingend geboten ist, reicht eine umfassende Risikoaufklärung nicht aus. Vielmehr gehört es zur besonderen Verantwortung des Arztes, seinem Patienten das Für und Wider mit allen Konsequenzen und Alternativen schonungslos vor Augen zu führen (vgl. Senat, Urt. v. 03.09.2009 - 4 U 239/08 - juris). Dies betrifft nicht nur die Risiken der vom Arzt konkret ins Auge gefassten Operationsmethode, sondern bereits die Wahl der Behandlungsmethode als solche (vgl. Senat, a.a.O.).
Diesen Anforderungen genügt die Aufklärung nicht. Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass über die Operationserweiterung an der Oberschenkelinnenseite nicht ausreichend aufgeklärt wurde und es daher an einer wirksamen Einwilligung der Klägerin fehlt. Insoweit ist es nicht ausreichend, dass sie den als Anlage B7 vorgelegten Aufklärungsbogen zuvor erhalten hatte und sich auch über die mögliche Straffung an der Oberschenkelinnenseite hätte informieren können. Die Aufklärung muss mündlich durch den Behandelnden erfolgen gemäß § 630e Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Inhaltes des schriftlichen Aufklärungsbogens reicht nicht aus. Unstreitig wurde in dem Aufklärungsgespräch vom 18.10.2013 die Straffung der Oberschenkelinnenseite nicht besprochen. Gegenstand des Gespräches war vielmehr nur die Straffung des Gesäßes. Entsprechend ist auch nur diese Operationsvariante im Aufklärungsbogen angekreuzt worden. Dr. V... hat ein Gespräch über die Straffung der Oberschenkelinnenseite am 18.10.2013 auch nicht geschildert.
Ob am 27.11.2013 - wenige Stunden vor dem operativen Eingriff - über eine Oberschenkelinnenstraffung gesprochen worden ist, kann dahinstehen. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, so war die Aufklärung nicht rechtzeitig gemäß § 630e Abs. 2 Nr. 2 BGB. Die Aufklärung muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann. Zwar mag bei risikoarmen diagnostischen und ambulanten Eingriffen eine Aufklärung am Tag der Durchführung des Eingriffes ausreichend sein. Hier handelt es sich jedoch nicht um einen solchen einfachen Eingriff. Die Klägerin wurde stationär aufgenommen und erst am Folgetag am 28.11.2013 aus dem Krankenhaus entlassen. Unabhängig davon hat Dr. V... auch nicht geschildert, dass er am 27.11.2018 vor der Operation nochmals über sämtliche Risiken der Straffung der Oberschenkelinnenseiten aufgeklärt hat.
Ebenso zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Aufklärung im Übrigen deshalb unzureichend gewesen ist, weil die Klägerin nicht auf die Gefahr von chronischen Schmerzen hingewiesen worden ist. In dem Aufklärungsbogen wird vielmehr der Eindruck erweckt, dass die Schmerzen nur vorübergehender Natur sind. Dort heißt es:
„In den ersten Tagen nach dem Eingriff werden Sie durch die Straffung des Gewebes ein stärkeres Spannungsgefühl und auch den üblichen Wundschmerz verspüren. Während der Wundschmerz innerhalb weniger Tage nachlässt, bildet sich das Spannungsgefühl meist erst ca. nach vier bis sechs Wochen zurück.“
Dr. V... erklärte bei seiner Anhörung vor dem Landgericht, dass er auch über Schmerzen aufkläre, da ja eine Wunde verursacht werde. Er sage den Patienten, dass es Schmerzen geben werde nach der Operation, die aber bei den Patienten sehr unterschiedlich sein könnten. Aus dem Hinweis auf „unterschiedliche Schmerzen“ wird der Patient nur entnehmen können, dass Dauer und Intensität variieren können, aber nicht, dass sie dauerhaft bleiben können. Das Risiko von bleibenden Schmerzzuständen ist hiervon nicht umfasst. Ein Hinweis darauf war aber erforderlich. Denn das Risiko von chronischen Beschwerden war bekannt. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass Narbenschmerzen für derartige Operationen in der medizinischen Literatur beschrieben seien und man daher wisse, dass solche Schmerzen auftreten und bleiben können. Insoweit kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29.09.1998 (VI ZR 268/97 - juris) berufen. Dort hatte der Bundesgerichtshof angenommen, dass der in der schriftlichen Einwilligungserklärung als Risiko erwähnte Begriff „Lähmung“ auch die „dauernde Lähmung“ umfasse. Gleichwohl hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass dem Vortrag der Patientin, ihr sei auf Nachfrage erklärt worden, dass es zu einer kurzzeitigen Lähmung kommen könne, nachgegangen werden müsse. Der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Zum Einen wurde im Aufklärungsbogen nicht allgemein auf „Schmerzen“ hingewiesen, sondern auf den „üblichen Wundschmerz“, der „innerhalb weniger Tage nachlässt“. Mit dieser Formulierung wird der unzutreffende Eindruck erweckt, dass es sich um ein Risiko eines vorübergehenden Zustandes handelt. Den Angaben des Dr. V... kann nicht entnommen werden, dass er im Gespräch die Aufklärung in diesem Punkt über chronische Schmerzen ergänzt hat. Zum Anderen handelt es sich hier um einen kosmetischen Eingriff, bei dem die Anforderungen an die Aufklärung wesentlich höher sind. Je weniger ein ärztlicher Eingriff medizinisch geboten ist, umso ausführlicher und eindrücklicher ist der Patient, dem dieser Eingriff angeraten wird oder den er selbst wünscht, über dessen Erfolgsaussichten und etwaige schädliche Folgen zu informieren (vgl. BGH, Urt. v. 06.11.1990 - VI ZR 8/90). Dies gilt im besonderen Maße für kosmetische Operationen (BGH, a.a.O.). Dem Patienten müssen etwaige Risiken deutlich vor Augen gestellt werden, damit er genau abwägen kann, ob er einen etwaigen Misserfolg des ihn immerhin belastenden Eingriffes und darüber hinaus sogar bleibende Entstellungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen in Kauf nehmen will, selbst wenn diese auch nur entfernt als eine Folge des Eingriffs in Betracht kommen (so BGH, a.a.O.).
An die Aufklärungspflicht sind auch nicht deshalb geringere Anforderungen zu stellen, weil die Klägerin vor dem hier in Rede stehenden Eingriff schon zwei kosmetische Operationen hatte durchführen lassen und sie Fachanwältin für Medizinrecht ist. Allein aus diesen Umständen kann nicht geschlossen werden, dass sie über die erforderlichen medizinischen Kenntnisse verfügt, um die Risiken des konkreten operativen Eingriffs einschätzen zu können.
Soweit der Sachverständige bei seiner Anhörung vor dem Landgericht ausgeführt hat, dass über dauerhafte Schmerzen nicht speziell aufgeklärt werden müsse, weil diese nur sehr selten - vielleicht in 1 von 10.000 Fällen - aufträten, verfängt dies nicht. Über schwerwiegende Risiken, die mit einer Operation verbunden sind, ist grundsätzlich auch dann aufzuklären, wenn sie sich nur selten verwirklichen (vgl. Senat, Urt. v. 28.03.2018 - 4 U 23/18 - juris). Entscheidend für die ärztliche Hinweispflicht ist, ob das betreffende Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftet und es bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet (so Senat, a.a.O.). Dass chronische Schmerzen die Lebensführung nachhaltig beeinträchtigen können, liegt auf der Hand.
Von einer hypothetischen Einwilligung kann nicht ausgegangen werden. Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung vor dem Landgericht geschildert, dass sie niemals einer Schnittführung außerhalb der Gesäßfalten zugestimmt hätte. Bei einer rein kosmetischen Zwecken dienenden, medizinisch nicht indizierten Operation entspricht es der Lebenserfahrung, dass ein Patient durch jede unzureichende Aufklärung in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt ist (so Senat, Urt. v. 03.09.2009 - 4 U 239/08 - juris). Daher ist in Regel von der Plausibilität eines Entscheidungskonfliktes auszugehen, wenn die persönliche Anhörung des Patienten nicht ergibt, dass dieser bereits präoperativ unverrückbar hierzu entschlossen war (so Senat, a.a.O.). Anhaltspunkte sind hierfür nicht ersichtlich. Die Klägerin mag auf einen ästhetischen Körper fixiert gewesen sein. Ihr Wunsch, dass die Narben unsichtbar in den Gesäßfalten verschwinden, steht damit aber im Einklang. Zudem hat sie sich nur mit dem Wunsch nach einer Gesäßstraffung in der Praxis der Beklagten vorgestellt und nicht von vornherein vorgehabt, eine Oberschenkelinnenseitenstraffung durchzuführen.
Der Ansatz von 20.000,00 € als Schmerzensgeld ist nicht zu beanstanden. Da ihre Beschwerden anhalten und die Schadensentwicklung nicht abgeschlossen ist, ist das Feststellungsinteresse ebenfalls gegeben.