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Approbationsentzug wegen Steuerhinterziehung

 | Gericht:  Oberverwaltungsgericht (OVG) Land Nordrhein-Westfalen  | Aktenzeichen: 13 A 296/19 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Ausübung des zahnärztlichen Berufs , Sonstiges

Beschlusstext

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 30. November 2018 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 65.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nach den insoweit maßgeblichen Darlegungen des Klägers (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils bestehen dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der angegriffenen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2018 - 2 BvR 350/18 -, juris, Rn. 16.

Das ist hier nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, der auf § 5 Abs. 2 Satz 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO gestützte Bescheid der Bezirksregierung E.          vom 21. Januar 2016, mit welchem die Approbation des Klägers widerrufen worden sei, sei rechtmäßig. Der Kläger habe sich eines Fehlverhaltens schuldig gemacht, aus dem sich jedenfalls seine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergebe. Unter Zugrundelegung der Feststellungen der gegen den Kläger ergangenen Strafbefehle vom 19. Juli 2013 und vom 9. Oktober 2015 stehe fest, dass er in den Veranlagungszeiträumen 2004 bis 2007 vorsätzlich Einkommensteuer in Höhe von insgesamt 86.438,00 Euro und in den Veranlagungszeiträumen 2010 bis 2012 Einkommensteuer in Höhe von insgesamt 68.546,00 Euro hinterzogen sowie für den Veranlagungszeitraum 2008 einen entsprechenden Versuch (Verkürzungssumme 33.162,00 Euro) unternommen habe (Urteilsabdruck Bl.10).          

Die hiergegen gerichteten Einwände verhelfen dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg.       

Ein Arzt ist unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs, wenn er aufgrund seines Verhaltens nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig ist.

Ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 31. Juli 2019 - 3 B 7.18 -, juris, Rn. 9, und vom 16. Februar 2016 - 3 B 68.14 -, juris, Rn. 6, zur entsprechenden Regelung im ZHG, vom 6. März 2003 - 3 B 10.03 -, juris, Rn. 3, und vom 9. Januar 1991 - 3 B 75.90 -, juris, Rn. 3.

Dieses Vertrauen wird zerstört durch eine fortdauernde Berufstätigkeit von Ärzten, die ein Fehlverhalten gezeigt haben, das mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes schlechthin nicht zu vereinbaren ist. Mit diesem Vertrauen untrennbar verbunden ist das Schutzgut der Volksgesundheit, in dessen Interesse Patienten die Gewissheit haben müssen, sich dem Arzt als ihrem Helfer uneingeschränkt anvertrauen zu können, und nicht etwa durch Misstrauen davon abgehalten werden, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.           

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. September 2017 - 1 BvR 1657/17 -, juris, Rn. 13.                                      

Bei der Beurteilung der Unwürdigkeit ist nicht nur auf ein Verhalten abzustellen, das im beruflichen Umfeld auf Missfallen stößt,

            

so ausdrücklich: BVerfG, Beschluss vom 8. September 2017 - 1 BvR 1657/17 -, juris, Rn. 13,            

oder das unmittelbare Arzt-​Patienten-​Verhältnis betrifft.    

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 16. Februar 2016 - 3 B 68.14 -, juris, Rn. 6, und vom 18. August 2011- 3 B 6.11 - juris, Rn. 4.          

Entscheidend ist lediglich, dass es sich um eine gravierende Verfehlung handelt, die geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig zu erschüttern, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos.       

Vgl. ständige Rspr. BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 2016 - 3 B 68.14 -, juris, Rn. 6, m.w.N.               

1.

Von diesen Maßgaben ausgehend begründet der Einwand des Klägers, sein Fehlverhalten betreffe nicht das unmittelbare Arzt-​Patienten-​Verhältnis, keine ernstlichen Zweifel an der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, er sei unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs. Anders als der Kläger meint, erfordert die Annahme der Unwürdigkeit auch nicht (wenigstens) die Verletzung berufsspezifischer Pflichten. Unabhängig davon, dass hier zumindest eine mittelbare berufsspezifische Pflichtverletzung in Rede steht, nämlich die Verletzung der dem Kläger obliegenden Pflicht, sein Einkommen aus seiner Berufstätigkeit als Arzt ordnungsgemäß zu versteuern, können bei entsprechender Schwere im Einzelfall auch nichtberufsspezifische Pflichtverletzungen geeignet sein, das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten nachhaltig zu erschüttern. Von nichts anderem ist die Bezirksregierung E.           ausgegangen, soweit es in der der Zulassungsbegründung beigefügten Anlage 1 heißt "… eine Orientierung erfolgt am Strafmaß und an der Art der Straftat (wobei diese nicht notwendiger Weise einen berufsspezifischen Bezug haben muss); die Straftat muss jedoch geeignet sein, einen Vertrauens- und Ansehensverlust im Arzt-​Patienten-​Verhältnis herbeizuführen."   

2.

Das Vorbringen des Klägers begründet weiter nicht die Annahme, es fehle an einer gravierenden Verfehlung. Deren Vorliegen erfordert nicht, dass der Arzt eine schwere gemeingefährliche oder gegen eine Person gerichtete, von der Allgemeinheit besonders missbilligte, ehrenrührige Straftat begangen hat, die ein die Durchschnittsstraftat übersteigendes Unwerturteil enthält und zu einer tiefgreifenden Abwertung seiner Persönlichkeit führt. Ein gravierendes Fehlverhalten kann - je nach Umständen des Einzelfalls - auch in anderen Konstellationen vorliegen. Abweichendes folgt nicht aus dem Beschluss des VGH Baden-​Württemberg vom 29. September 2009 - 9 S 1783/09 -. Diesem ist lediglich zu entnehmen, dass jedenfalls unter den beschriebenen Voraussetzungen die Unwürdigkeit zu bejahen ist (Rn. 3: „Unwürdigkeit ist u.a. dann zu bejahen, wenn …“).

Dass der Kläger ein gravierendes Fehlverhalten an den Tag gelegt hat, das geeignet ist, das Vertrauen zwischen Arzt und Patienten nachhaltig zu erschüttern, stellt der Kläger auch im Übrigen nicht durchgreifend in Frage. Auch wenn nicht jedes Steuervergehen die Annahme der Unwürdigkeit rechtfertigt, ist eine solche Annahme jedenfalls regelmäßig in Fällen gerechtfertigt, in denen ein schwerwiegendes, beharrliches steuerliches Fehlverhalten die Annahme rechtfertigt, der Arzt setze sich im eigenen finanziellen Interesse in einem erheblichen Maß über strafbewehrte, im Interesse der Allgemeinheit bestehende Bestimmungen hinweg.             

Vgl. zum Widerruf der Approbation in Fälle der Steuerhinterziehung: OVG NRW, Beschlüsse vom 31. März 2010 - 13 A 2837/09 -, juris, Rn.7 , und vom 25. Mai 1993 - 5 A 2679/91 -, juris; Bay. VGH, Beschluss vom 28. November 2016 - 21 ZB 16.436 -, juris, Rn. 14; Nieders. OVG, Beschluss vom 4. Dezember 2009 - 8 LA 197/09 -, juris, Rn. 6.

            

Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt (Urteilsabdruck Bl. 12):     

"Die vom Kläger begangenen Steuerhinterziehungen nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO begründen ein schwerwiegendes Fehlverhalten. Der Kläger hat über einen langen Zeitraum seine Einnahmen als Arzt nicht bzw. nicht vollständig erklärt. Er hat mit persönlicher Bereicherungsabsicht gehandelt und einen erheblichen Schaden von insgesamt fast 155.000,00 Euro für die Allgemeinheit bewirkt. Darüber hinaus hat er einen noch höheren Schaden zu bewirken versucht. Solche Steuerhinterziehungen sind keine „Kavaliersdelikte“, sondern gravierende Straftaten, welche jedenfalls mittelbar im Zusammenhang mit dem Beruf des Klägers stehen. Dabei ist unerheblich, ob der Kläger auf Anraten seiner steuerlichen/finanziellen Berater oder auf eigene Initiative gehandelt hat. Er hat jedenfalls das „Geschäftsmodell“ bewusst für sich genutzt. Es handelt sich auch nicht um einen – möglicherweise anders zu bewertenden – „einmaligen Ausrutscher“. Der Kläger hat die Praxis der Abrechnung seiner Honorare über fremde Konten über Jahre weg verfolgt und die entsprechenden Einnahmen nicht deklariert. Die Beharrlichkeit des Fehlverhaltens – selbst nach Tatentdeckung – und das Ausmaß des Schadens offenbaren im vorliegenden Einzelfall, dass der Kläger um des eigenen Vorteils willen bereit war, sich über die finanziellen Interessen der Allgemeinheit hinwegzusetzen und dieser einen erheblichen Nachteil zuzufügen. Das vom Kläger gezeigte Verhalten zur Verschleierung seiner Einnahmen zeugt von erheblicher krimineller Energie. Insbesondere sein Handeln nach Einleitung des ersten Strafverfahrens belegt eindrücklich, dass eine Einsicht in das begangene Unrecht und Reue fehlten.  

Ein Arzt, der auf diese Weise straffällig wird, verliert bei objektiver Würdigung das notwendige Vertrauen in seine Berufsausübung. Ein Gewinnstreben um jeden Preis steht in einem unauflösbaren Widerspruch zu dem in der Öffentlichkeit vorhandenen Bild des helfenden Arztes, der seinen Beruf gewissenhaft und nach den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit ausübt."              

Mit diesen Ausführungen setzt sich der Kläger nicht in der gebotenen Weise auseinander. Soweit er nochmals geltend macht, ihm als steuerlichen Laien sei unbekannt gewesen, dass nach Auszahlung durch die GmbH eine zusätzliche steuerliche Erfassung im Rahmen der Einkommensteuer und somit eine Doppelbesteuerung zu erfolgen habe, hat schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dieser Einwand könne nicht nachvollzogen werden (Urteilsabdruck Bl. 11):           

"So hat bereits das Finanzgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 6. September 2012 (Festsetzung der Einkommensteuer) zur Frage des subjektiven Tatbestandes des § 370 AO ausgeführt:

Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger mit dem von ihm verfolgten „Geschäftsmodell“ die Absicht verfolgte, den Großteil der aus der Tätigkeit für die GmbH erzielten Einkünfte über das betriebliche Konto der GmbH steuerlich zu vereinnahmen. Entsprechend dieser Absicht verfuhr der Kläger, in dem er die Einkünfte im Wesentlichen nicht erklärte. Dass er dadurch mit Wissen und Wollen Einkommensteuer hinterzog, war Teil dieses „Geschäftsmodells“.

Dieser Wertung schließt sich das Gericht nach eigener Würdigung der vorliegenden Unterlagen aus den steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren an. Im Übrigen steht die Eigendarstellung des Klägers im offensichtlichen Widerspruch zu seinem Verhalten während des laufenden ersten Steuerstrafverfahrens. Obwohl ihm ab Januar 2010 bekannt war, dass wegen Einkommensteuerhinterziehung gegen ihn ermittelt wurde, rechnete der Kläger seine Einkünfte aus der ärztlichen Tätigkeit weiter nach dem gleichen Muster über ein fremdes Konto - diesmal das der O.       UG - ab. Ab Oktober 2011 erfolgte die Abrechnung - trotz des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, des Versuchs einer tatsächlichen Verständigung und der Einleitung eines finanzgerichtlichen Verfahrens - in gleicher Weise über das Konto von Herrn Q.           . Selbst nachdem ihm das Finanzgericht Düsseldorf im Urteil vom 6. September 2012 ausdrücklich auseinandergesetzt hatte, dass sein Verhalten den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfülle, änderte der Kläger weder seine Abrechnungspraxis noch gab er entsprechende Einnahmen (für die Veranlagungszeiträume 2010 bis 2011) bei der Finanzverwaltung an. Sogar die Festsetzung der Geldstrafe im Strafbefehl vom 19. Juli 2013 veranlasste den Kläger nicht, sich steuerehrlich zu machen - ausweislich des Strafbefehls vom 9. Oktober 2015 wurde die letzte Tat (Veranlagungszeitraum 2012) mit Bekanntgabe des Steuerbescheides am 12. März 2014 vollendet - sieben Monate nach Rechtskraft des ersten Strafbefehls."                

Dass das Verwaltungsgericht in einer Gesamtschau der den Strafverfahren zu Grunde liegenden Verhaltensweisen zu dem Ergebnis gekommen ist, dass in dem Verhalten des Klägers ein rücksichtsloses Gewinnstreben zum Ausdruck kommt, ist nicht zu beanstanden.  

3.

Soweit der Kläger im Übrigen vorträgt, er sei seit 2013 seinen steuerlichen Pflichten nachgekommen, hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass durch einen bloßen Zeitablauf nicht auf eine Wiedererlangung der Würdigkeit geschlossen werden könne, was insbesondere dann gelte, wenn - wie hier – im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses belastbare Anhaltspunkte für eine Unrechtseinsicht oder Reue beim Kläger weder vorgetragen worden noch sonstwie erkennbar seien.       

4.

Lediglich ergänzend – weil nicht entscheidungserheblich – wird darauf hingewiesen, dass dem Kläger ausweislich der sich in den vorliegenden Verwaltungsvorgängen enthaltenden Schriftstücke des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Köln unter dem 10. Juli 2014 (zugestellt am 16. Juli 2014) mitgeteilt wurde, dass gegen ihn am 21. November 2013 ein (weiteres) Strafverfahren eingeleitet wurde.  

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.      

Der Beschluss ist unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

 

Vorangegangenes Urteil: VG Düsseldorf - 7 K 2276/16


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