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Ansprüche aus DSGVO und Werberecht

 | Gericht:  Landgericht (LG) Wiesbaden  | Aktenzeichen: 5 O 214/18 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Praxisführung , Berufliche Kommunikation

Urteilstext

 

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

 

2. Die Kosten des einstweiligen Verfügungsrechtsstreites trägt die Verfügungsklägerin.

 

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die Verfügungsbeklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin ist ein im Jahr 2012 gegründetes Unternehmen, welches unter der Internetadresse ein Informationsportal betreibt. Auf diesem Informationsportal stellt die Verfügungsklägerin Verbrauchern Informationen zu unterschiedlichsten Auskunfteien in Deutschland bereit. Zu diesen Informationen gehört auch eine Aufklärung darüber, dass Betroffene auf Grundlage von § 34 BDSG bzw. Art. 15 DSGVO einen gesetzlichen Auskunftsanspruch gegen die Auskunfteien haben, Auskunft über die zu ihrer Person gespeicherten personenbezogenen Daten zu erhalten. Zum Angebot der Verfügungsklägerin gehört es, dass der Nutzer der Internetseite einen entsprechenden Antrag auf Auskunft nach Art. 15 DSG VO selbst ausfüllen und generieren kann. Diesen ausgefüllten Antrag kann der Nutzer anschließend herunterladen und ausdrucken und an die entsprechende Auskunftei bzw. an die Verfügungsbeklagte übersenden, um eine kostenfreie Auskunft nach Art. 15 DSG VO zu erhalten. Daneben bietet die Verfügungsklägerin den Nutzer aber auch einen Versandservice an. Nehmen die Nutzer diesen in Anspruch, müssen sie den Antrag nach Art. 15 DSG VO nicht selbst an die Auskunftei bzw. die Verfügungsbeklagte übersenden, sondern die Verfügungsklägerin übernimmt dies für sie und berechnete hierfür eine Servicepauschale von einmalig 9,95 € oder 14,90 € im Jahresabo.

 

Die Verfügungsbeklagte ist eine privatwirtschaftliche Wirtschaftsauskunftei in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Ihr Geschäftszweck ist es, ihre Vertragspartner mit Informationen zur Bonität (Kreditwürdigkeit) Dritter zu versorgen. Die Verfügungsbeklagte erteilt ihren Kunden kostenpflichtig auf Basis unterschiedliche Geschäftsmodelle Auskunft. Ein Score bringt die Wahrscheinlichkeitseinschätzung des Beklagten zum Ausdruck. Die Verfügungsbeklagte ermittelt für jede betroffene Person standardmäßig verschiedene Scores zu verschiedenen Lebenssachverhalten und Branchen. Daher errechnet die Verfügungsbeklagte unterschiedliche Branchenscores, wie den Basisscore, den tagesaktuellen SCHUFA Branchenscore und den historisch übermittelten SCHUFA Score, insoweit wird wegen der näheren Einzelheiten auf Seite 3 und 4 der Schutzschrift der Verfügungsbeklagten vom 7. September 2018 (Bl. 22 der Akte) Bezug genommen.

 

Vor dem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSG VO) war die Verfügungsbeklagte nach § 34 BDSG (BDSG) verpflichtet den Betroffenen einmal pro Jahr auf Aufforderung Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten zu erteilen ("Selbstauskunft"). Unter der Geltung des §§ 34 BDSG hat die Verfügungsbeklagte umfassend Auskunft erteilt über die vorhandenen Daten, insbesondere sämtliche "Branchenscores", inklusive der jeweiligen Scorewerte, Ratingstufe, Erfüllungswahrscheinlichkeit und Risikobewertungen. Der Basisscore, der nicht an Dritte übermittelt wird gibt die allgemeine Bonitätseinschätzung der Verfügungsbeklagten über die betroffene Person wieder. Der tagesaktuelle SCHUFA Branchensscore wird von der Verfügungsbeklagten nur auf eine konkrete Anfrage der betroffenen Person-tagesaktuell unabhängig davon, ob es eine konkrete Kreditwürdigkeitsprüfung gegeben hat,-im Rahmen von Selbstauskunftsersuchen der betroffenen Person errechnet. Es handelt sich quasi um einen hypothetischen Wert, der nur im Rahmen von Selbstauskunftsersuchen errechnet wurde. Der historische übermittelte SCHUFA Score bezeichnet die anlassbezogenen im Rahmen einer Kreditwürdigkeitsprüfung an potenzielle Kreditgeber übermittelten Scores, die von der Verfügungsbeklagten gespeichert worden sind. Gespeicherte Informationen sind nicht tagesaktuell, sondern bleiben als historische Informationen der betroffenen Person verfügbar. Nach der alten Rechtslage unter dem Bundesdatenschutzgesetz enthielt die kostenlose Selbstauskunft nach § 34 BDSG alle 3 genannten Scorearten, da dies den Anforderungen des §§ 34 Abs. 4 BDSG entsprach.

 

Seit Geltung der DSG VO vom 25. Mai 2018 wird der tagesaktuelle SCHUFA Branchenscore nicht mehr im Rahmen des gesetzlichen Selbstauskunftsanspruch beauskunftet . Der Basisscore sowie die vorhandenen historisch übermittelten SCHUFA Scores sind noch Bestandteil der Auskunft. Die kostenlose Datenkopie nach Art. 15 DSG VO wird von der Verfügungsbeklagten grundsätzlich schriftlich erteilt.

 

Die Verfügungsklägerin hat mit anwaltlichem Schreiben vom 3.9. 2018 die Verfügungsbeklagte aufgefordert, es ab sofort zu unterlassen unvollständige Auskünfte nach Art. 15 Buchst. DSGVO zu erteilen und die Auskünfte lediglich in Papierform anzubieten. Die Verfügungsbeklagte ließ mit anwaltlichem Schreiben vom 7.9.2018 mitteilen, dass sie keine Unterlassungsverpflichtungserklärung in dieser Sache abgeben wird und wies die Ansprüche der Verfügungsklägerin zurück.

 

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, dass durch die Datenschutzgrundverordnung der Auskunftsanspruch des Betroffenen in Art. 15 DSGVO neu gefasst worden ist und die Verfügungsbeklagte als datenverarbeitende Stelle verpflichtet ist, sowohl den Betroffenen die Möglichkeit zu geben ihren Antrag auf Auskunft elektronisch zu stellen, als auch auf elektronischem Wege eine Auskunft zu erteilen. Zudem müsse die Auskunft unverzüglich erfolgen. Schließlich könne ein Betroffener den Anspruch jederzeit geltend machen und nicht nur einmal jährlich.

 

Nunmehr erteile die Verfügungsbeklagte die Auskünfte nur noch teilweise, nämlich lediglich unter Angabe eines "Basisscores". Die einzelnen Branchenssores würden nicht mehr beauskunftet werden. Die Branchenscores halte die Verfügungsbeklagte weiterhin zum Abruf bereit, jedoch nur im Rahmen einer kostenpflichtigen Anfrage.

 

Im Übrigen halte die Verfügungsbeklagte die Auskünfte nach Art. 15 DSG VO nur auf Papier bereit. Sie stelle die Information auch nicht in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung, wenn eine betroffene Person den Antrag elektronisch gestellt hat. Eine Identifizierung könnte anhand des Personalausweises erfolgen oder dadurch, dass die Verfügungsbeklagte einen Zugangscode per Post dem Verfügungskläger schickt und dass anhand dieses Verifizierungscodes er dann auf die Daten zugreifen könne. Der Gesetzestext sei eindeutig, so dass kein Spielraum für eine Auslegung eröffnet sei. Art. 15 DSG VO sei zu Art. 12 DSG VO lex specialis und gehe deshalb vor und beziehe sich nicht nur auf die Entgeltpflicht. Es sei eindeutig geregelt, dass eine elektronische Auskunft zu erfolgen habe. Art. 12 Abs. 6 DSG VO sei eine Ausnahmeregelung für den Fall, dass nur bei berechtigten Zweifeln eine Identitätsprüfung vorzunehmen sei. Es bestünden keine unwägbare Risiken für die Verfügungsbeklagte, wenn ein Zivilgericht im Rahmen der Prüfung eines Unterlassungsanspruches eine andere Auffassung zu der Übermittlung der Daten auf elektronischem Weg gewinne als die Datenschutzkonferenz. Dies sei dem Prinzip der Gewaltenteilung schuldet. Es sei das Interesse der Verfügungsklägerin, dass die Auskunft ohne Medienbruch erfolge, da die elektronische Übermittlung der Daten die Verarbeitung und Abarbeitung durch die Verfügungsklägerin vereinfachen würde.

 

Die Verfügungsklägerin habe gegen die Verfügungsbeklagte einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. Art. 15 DSG VO. Sie habe ein Recht auf eine umfassende Kopie der personenbezogenen Daten. Es komme nicht darauf an ob die Scorewerte bereits errechnet und gespeichert vorliegen oder aufgrund des Algorithmus und der gespeicherten personenbezogenen Daten jederzeit errechnet werden können. Die Art der Vorhaltung der Daten (Scores auf Anfrage) dürfe nicht zu einer Umgehung des Auskunftsrechtes führen. Der Betroffene muss auf seinen Antrag nach Art. 15 DSG VO hin Auskunft erhalten, welche Daten die Verfügungsbeklagte-gegebenenfalls auf Anfrage hinvorhält, denn diese sind Gegenstand der Verarbeitung. Die Verfügungsbeklagte habe über alle personenbezogenen Daten, die zum Zeitpunkt der Anfrage vorhanden sind, Auskunft zu erteilen. Durch die DSGVO sei keine Absenkung des Schutzniveaus einhergegangen. In § 34 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 und 2 BDSG sei ausdrücklich geregelt gewesen; dass Daten, deren Personenbezug erst bei der Berechnung hergestellt werden, ebenfalls zu beauskunften seien. Auch nach der neuen Rechtslage müsse eine Auskunft auf Basis von Art. 15 DSG VO so ausgelegt werden. Aus den Erwägungsgründen zu 6,9 und 10 der DSG VO sei ersichtlich, dass ein hohes Schutzniveau von der Verordnung angestrebt werde. Einer besonderen Regelung hinsichtlich errechenbarer Scorewerte bedürfe es daher nicht. Es seien nicht nur die bei einer Stelle gespeicherten, sondern sämtliche von ihr irgendwie verarbeiteten Daten zu beauskunften, insoweit wird auf den Begriff der Verarbeitung gemäß Art. 4 Nr. 2 DSG VO Bezug genommen.

 

Mit Art. 8 Abs. 1 Grundrechtscharta, Art. 16 Abs. 1 Buchst. a EU V, Art. 1 Abs. 2 DSG VO wäre es nicht vereinbar, das Auskunftsrecht dahin auszulegen, dass bei der datenverarbeitenden Stelle bereits zum Abruf bereitgehaltene und damit vorhandene Daten nicht beauskunftet werden müssen.

 

Art. 15 Abs. 3 S. 3 Buchst. DSG VO bestimme nach seinem eindeutigen Wortlaut, dass die Informationen in einem elektronischen Format zur Verfügung zu stellen sind.

 

Die Wiederholungsgefahr sei gegeben, da sich die Verfügungsbeklagte geweigert habe eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben.

 

Er habe keine Leistungsverfügung beantragt, sondern eine Unterlassungsverfügung und demzufolge komme es nicht auf die Frage eines existenziellen Gläubigerinteresses an.

 

Der Verfügungsgrund ergebe sich aus § 12 Abs. 2 UWG. Der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin hole eine Auskunft zu seiner eigenen Person auf seinen eigenen Namen regelmäßig bei der Verfügungsbeklagten ein. Als er dann die Auskunft bekommen habe hätte er festgestellt, dass ja" " die Hälfte" fehle und habe daraufhin recherchiert. Erst in diesem Zusammenhang habe er sich die Webseite der Verfügungsbeklagten angeschaut. In diesem Zusammenhang habe er auch gesehen, dass die Auskunft auf Papier erteilt werde und nicht wie vom Gesetz vorgesehen auf elektronischem Weg.

 

Die Verfügungsklägerin beantragt:

 

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an ihren gesetzlichen Vertretern.

Untersagt, im geschäftlichen Verkehr

 

- Auskünfte nach Art 15 DSGVO zu erteilen, ohne über sämtliche Scores der jeweils betroffenen Person zu informieren, welche durch die Antragsgegnerin jederzeit auf Grundlage vorhandener Datensätze und eines vorhandenen Algorithmus generiert werden können, insbesondere wenn diese von ihr zur entgeltlichen Abfrage bereitgehalten werden;

 

- Auskünfte nach Art 15 DSGVO lediglich in Papierform zu erteilen, soweit die betroffene Person den Antrag elektronisch stellt und nichts anderes angibt.

 

Die Verfügungsbeklagte beantragt:

 

Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

 

Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, dass die Erteilung der Datenkopie nach Art. 15 DSGVO in Schriftform zu erfolgen habe, da die Identität einer eine Datenkopie beantragenden Person nicht zweifelsfrei festgestellt werden könne. Durch den postalischen Versand stelle die Verfügungsbeklagte sicher, dass die sensiblen personenbezogenen Daten nur der betroffenen Person zur Verfügung gestellt werden, zu der sie in ihrem Datenbestand einen passenden Datensatz gefunden hat. Damit erhalte immer die betroffene Person die Selbstauskunft, deren Daten angegeben waren-auch in den Fällen, in denen dieses missbräuchlich durch einen Dritten geschehen sei. Die von der Verfügungsklägerin vorgelegte Anl. A8 belege, dass der Absender frei wählbar eingetragen werden könne, und damit eine verlässliche Identifizierung des Antragstellenden nicht möglich sei. Die Verfügungsbeklagte stünde in engem Kontakt zu der Datenschutzaufsichtsbehörde und mit dem hessischen Datenschutzbeauftragten und der Datenschutzkonferenz, insbesondere auch der Arbeitsgruppe Auskunfteien. Man habe sich bereits im Jahr 2016 über die Thematik der Sicherstellung einer sicheren Identifizierung des Betroffenen ausgetauscht und sei übereingekommen, dass in jedem Fall die sichere Identifizierung Vorrang haben müsse. Demzufolge sei die Übermittlung auf postalischem Wege die derzeit praktizierte Übermittlungsart, um sicherzustellen, dass nur die betroffene Person den Inhalt der so genannten Selbstauskunft erhält. Es bestehe keine Pflicht zur Erteilung einer Auskunft in einem elektronischen Format. Art. 12 Abs. 3 S. 4 DSG VO formuliere selbst "nach Möglichkeit" auf elektronischem Weg. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sei dann möglich, wenn eine besondere Gefährdungslage eine postalische Zusendung erfordere. Eine ausschließlich elektronische Kommunikation sei unsicher, weil eine zweifelsfreie Identifizierung über den elektronischem Weg nicht möglich sei. Diese Ausnahme gelte insbesondere bei Wirtschaftsauskunftsgesellschaften, wie der Verfügungsbeklagten. Diese hätten in der Regel keinen unmittelbaren Kontakt zu der betroffenen Person, sondern erhielten ihre Daten über Dritte. Im Sinn der Sicherung der Vertraulichkeit sei es daher angemessen, Selbstauskünfte nach Art. 15 DSGVO ausschließlich an postalische geprüfte Adressen zu versenden.

 

Im Rahmen der aktuellen Diskussion mit den beteiligten Datenschutzaufsichtsbehörden sei die Überlegung angestellt worden dass man zukünftig eine "Postschleife" einbindet d.h. dass man den postalischen Versand beibehält aber die Selbstauskunft mit einen Zugangscode versieht, der es dem Betroffenen ermöglicht, nachdem er die postalische Selbstauskunft erhalten hat, nochmals auf elektronischem Weg in den Datenbestand, der seine Person betreffe, Einsicht zu nehmen.

 

Die einstweilige Verfügung sei grundsätzlich ausgeschlossen, da die Verfügungsklägerin konkrete Handlungen im Wege der Leistungsverfügung von der Verfügungsbeklagten verlange, die eine Vorwegnahme der Hauptsache zur Folge hätten. Beide Anträge seien auf ein aktives Handeln der Verfügungsbeklagten gerichtet und nicht auf ein Unterlassen. Ein Handlungsanspruch als Verfügungsanspruch komme nicht in Betracht, wenn damit nicht wieder gut zu machende Verhältnisse geschaffen werden und damit die Hauptsache vorweggenommen wird. Im Übrigen sei anerkannt, dass eine einstweilige Verfügung auf Erteilung von Auskunftsansprüchen ausgeschlossen sei (OLG Köln GRUR-RR 2003,296).

 

Im Rahmen der Interessenabwägung müsse berücksichtigt werden, dass die Schutzinteressen der Betroffenen bei der Abwägung einzustellen seien und nicht das Interesse der Verfügungsklägerin an einem reibungslosen, ohne Medienbruch Abarbeiten der ihr vorliegenden Anfragen. Auch sei zu berücksichtigen, dass man der Verfügungsbeklagten im Falle des Erlasses der begehrten Leistungsverfügung ein Risiko aufbürden würde sich gegenüber den Betroffenen schadenersatzpflichtig zu machen, wenn die verlässliche Identifizierung des Antragstellers entfiele. Der Erlass einer Leistungsverfügung würde die Verfügungsbeklagte in Widerspruch zu dem mit den maßgeblichen Aufsichtsbehörden vereinbarte Vorgehensweise bei der Selbstauskunft setzen, da sie bei Befolgung einer etwaigen Leistungsverfügung sich in Widerspruch zu den in den einschlägigen Arbeitsgruppen vereinbarten Vorgehensweise setzen müsste.

 

Im Übrigen ergebe sich aus der Anlage A8 dass der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin vom Inhalt der Webseite bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung am 23. 8. 2018 Kenntnis hatte. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung beziehe sich auf die Auskunft, die auf der Webseite erteilt wird und nicht die Auskunft, die als Folge der E-Mail vom 21.7.2018 von der Verfügungsbeklagten erteilt worden sei, insoweit wird wegen der näheren Einzelheiten auf Seite 10 der Antragsschrift Bezug genommen. Die Verfügungsbeklagte rügt die fehlende Glaubhaftmachung des Vortrages der Verfügungsklägerin, dass erstmals der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin Kenntnis davon erlangt habe, dass die Auskunft auf Papier erteilt werde und nicht auf elektronischem Wege.

 

Es fehle an einem Wettbewerbsverstoß, da die von der Klägerin behaupteten Verstöße gegen Art. 15 DSG VO nicht vorlägen. Streitig sei schon, ob Verstöße gegen die DSG VO überhaupt den Rechtsbruchtatbestand des § 3 Buchst. a UWG erfüllen könnten.

 

Es fehle aber auch an einem Verstoß gegen die Vorschriften der DSGVO. Die Auskunftsverpflichtung nach Art. 5 DSGVO unterscheide sich von der ehemaligen Vorschrift des §§ 34 BDSG im Wesentlichen. Die Vorschrift des §§ 34 Abs. 4 BDSG sei durch die DSGVO ersatzlos entfallen. Dementsprechend bedürfe es zur Erfüllung der gesetzlichen Auskunftsansprüche keiner Berechnung des tagesaktuellen SCHUFA Branchenscores. Dieser sei ein solcher tagesaktueller Score, der nach der Neuregelung der DSGVO gerade nicht mehr bei der Auskunftserteilung extra berechnet werden müsse.

 

Die Auslegung der Datenschutzgrundverordnung dürfe sich nicht an der überholten deutschen Rechtslage zu § 34 BDSG orientieren, da mit der Datenschutzgrundverordnung ein einheitliches Datenschutzrecht für die gesamte EU geschaffen werden sollte. Dann könne sich aber eine Auslegung dieser Datenschutzgrundverordnung nicht an den Datenschutzniveau der Bundesrat Deutschland orientieren, sondern an den Maßstäben die in sämtlichen EU-Ländern vorgelegen habe. Bereits die Schaffung des § 34 Abs. 4 BDSG sei als nachträgliche Regelung umstritten gewesen, da sie teilweise als europarechtswidrig angesehen wurde. Die mit § 34 Abs. 4 BDSG vorgesehene Auskunft auf eine Berechnung sei als Fremdkörper im Datenschutzrecht angesehen worden. Diese Regelung habe auch nur für Auskunfteien gegolten. Demgegenüber habe Art. 15 DGSVO den Anspruch für alle Bereiche zu gelten, bis hin in die öffentliche Verwaltung. Daraus folge, dass der europäische Verordnungsgeber sich von der nationalen Besonderheit des §§ 34 Abs. 4 BDSG gelöst habe. Nicht jede denkbare Konstellation könne für einen Branchenscore berechnet werden, da sich die Auskunftssituation je nach der Branche ändere.

 

Die Verfügungsbeklagte betreibt gegen die Verfügungsklägerin ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz sowie ein Hauptsacheverfahren wegen marken- und wettbewerbsrechtlicher Verstöße auf der Internetseite, die jeweils vor dem Landgericht München I anhängig bzw. rechtshängig sind.

 

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die zur Gerichtsakte gereicht wurden, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer Unterlassungsverfügung gerichtet darauf, dass der Verfügungsbeklagten untersagt wird im geschäftlichen Verkehr,

 

1.

Auskunft nach Art. 15 DSGVO zu erteilen, ohne über sämtliche Scores der jeweils betroffenen Person zu informieren, welche durch die Verfügungsbeklagte jederzeit auf Grundlage vorhandener Datensätze oder eines vorhandenen Algorithmus generiert werden können, insbesondere wenn diese ihr zu entgeltlichen Abfrage bereitgehalten werden;

 

2.

Auskünfte nach Art. 15 Buchst. i SGB lediglich zu erteilen, soweit die betroffene Person den Antrag Elektronik stellt und nichts anderes angibt,

 

ist unbegründet.

 

Es kann offenbleiben, ob die von der Verfügungsklägerin beantragte einstweilige Verfügung als Leistungsverfügung oder als Unterlassungsverfügung zu qualifizieren ist und ob und inwieweit die besonderen Voraussetzungen einer Leistungsverfügung vorliegen müssen oder nicht, insbesondere ob für den Erlass einer Leistungsverfügung Voraussetzung ist, dass nach strenger Prüfung des Verfügungsanspruches und des Verfügungsgrundes nach Maßgabe der §§ 935, 940 ZPO ein "dringendes Bedürfnis" für die Eilmaßnahme besteht oder nicht. Es wird teilweise die Ansicht vertreten, dass als besondere Voraussetzung einer Leistungsverfügung der Gläubiger darzulegen und glaubhaft zu machen hat, dass er auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen ist. Anerkannt ist eine Leistungsverfügung insbesondere bei Not- und Zwangslagen oder Existenzgefährdung außer auf Zahlung auch bei sonstigen Handlungen und in den Fällen zulässig, in denen die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen ist, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich ist und die Verweisung auf das Hauptsacheverfahren praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme. Da es einem begehrten Unterlassungsanspruch immanent ist, dass mit dem Erlass einer entsprechenden einstweiligen Verfügung die Hauptsache vorweggenommen wird, begrenzt die Rechtsprechung die Unterlassungsverfügung zeitlich oder ordnet von Amts wegen entweder eine Sicherheitsleistung an oder setzt eine Frist zu Erhebung der Hauptsacheklage. Demzufolge können die von der Verfügungsklägerin geltend gemachten Unterlassungsansprüche gemäß § 3a, 8 UWG grundsätzlich im Rahmen einer Unterlassungsverfügung durchgesetzt werden. Es kann offenbleiben, ob bereits wegen der Schwere des Eingriffs eine Güterabwägung zwischen den Rechtsgütern der Verfügungsklägerin und der Verfügungsbeklagten zu erfolgen hat, oder um dem besonderen Umstand Rechnung zu tragen, dass mit dem Unterlassungsanspruch letztlich Auskunftsansprüche verfolgt werden. Es wird die Ansicht vertreten, dass ein auf Auskunftserteilung gerichtete Antrag auf Erlass einer einstweilen Verfügung als Vorwegnahme der Hauptsache grundsätzlich unzulässig sei, da die Erfüllung des Auskunftsanspruches durch eine gegebenenfalls abändernde Entscheidung im Hauptsacheverfahren zumindest für den Zeitraum bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig zu machen sei. Deshalb gebiete es der Schutz der Interessen des Auskunftsverpflichteten, die Durchsetzung eines Auskunftsanspruches auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. Dies werde beispielsweise dadurch erreicht, dass eine gesetzliche Dringlichkeitsvermutung ausgeschlossen sei und unter Zugrundelegung der allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze die Verfügungsklägerin den Verfügungsgrund glaubhaft zu machen habe (Vergleiche OLG Köln GRUR-RR 2003,296; Köhler/Bornkamm § 12 UWG Randnummer3.10) oder existenzielle Gläubigerinteressen auf dem Spiel stehen.

 

Die aufgeworfenen Fragen können deshalb offenbleiben, weil der Verfügungsklägerin als Mitbewerberin nach den §§ 3 Abs. 1, 3 a i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG weder anspruchsberechtigt noch klagebefugt ist.

 

Der Gesetzgeber hat in Kap. 8 (Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen) der Datenschutzgrundverordnung eingehend geregelt, wie die Datenschutzbestimmungen durchzusetzen sind. Im Mittelpunkt steht dabei die von einem Verstoß "betroffene Person". Sie kann sich mit einer Beschwerde an die zuständige Aufsichtsbehörde wenden (Art. 74, 78 DSG VO), die dann ihrerseits tätig wird. Die betroffene Person hat aber auch nach Art. 79 DSG VO selbst das "Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf", wenn sie der Ansicht ist, dass ihre Rechte aus der Datenschutzgrundverordnung verletzt worden sind. Die betroffene Person kann nach Art. 82 DGSVO Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens verlangen. Nach Art. 80 Abs. 1 DSG VO ist die betroffene Person ferner berechtigt, "Organisationen" und "ähnlichen Einrichtungen, die bestimmte Anforderungen erfüllen" zu beauftragen, in ihrem Namen ihre Rechte unter anderem aus Art. 79 DSG VO wahrzunehmen. Art. 80 Abs. 2 DSG VO enthält eine so genannte Öffnungsklausel zu Gunsten der Mitgliedstaaten. Sie können vorsehen, dass jede der in Art. 80 Abs. 1 DSG VO genannten "Organisationen" unabhängig von einem Auftrag der betroffenen Person das Recht hat, deren Rechte aus Art. 77-79 DSG VO in Anspruch zu nehmen, wenn nach ihrer Ansicht deren Rechte verletzt worden sind. Diese Regelung ist nicht unumstritten, weil damit letztlich Dritte über das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen verfügen. Von einer entsprechenden Befugnis der Mitbewerbers des Verletzers, die Rechte der betroffenen Person ohne deren Zustimmung wahrzunehmen, ist in Art. 80 Abs. 2 DSG VO nicht die Rede.

 

Es wird die Frage diskutiert, ob die Durchsetzungsregelungen der DSG VO eine abschließende unionsrechtliche Regelung darstellen oder ob im jeweils nationalen Recht Erweiterungen zulässig sind. Es geht darum, ob der nationale Gesetzgeber über die Öffnungsklausel des Art. 80 Abs. 2 DSG VO hinaus zusätzliche Durchsetzungsregelungen aufstellen darf. Vor allem wird diskutiert, ob die Gerichte wegen eines Vorrangs des Unionsrechts daran gehindert sind, bestehende Regelungen des deutschen Rechtes anzuwenden, die zusätzliche Rechtsbehelfe gewähren könnten. Im Rahmen der Anwendung des §§ 3 Buchst. a UWG wird die Ansicht vertreten, die Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung seien Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3 Buchst. a UWG und dementsprechend seien auch Mitbewerber des Verletzers nach § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG berechtigt, gegen Verstöße vorzugehen (vergleiche Wolff ZD 2018,248). Diese Ansicht verkennt, dass § 3 Buchst. a UWG dann nicht anwendbar ist, wenn die betreffende Regelung in der Datenschutzgrundverordnung die Rechtsfolgen eines Verstoßes abschließend regelt, was wiederum durch Auslegung festzustellen ist (vergleiche im Einzelnen Köhler ZD 2018,337 ff.). Eine solche abschließende Regelung gegenüber § 3 Buchst. a UWG stellen, so Köhler und Barth (Köhler ZD 2018,337 ff., Barth WRP 2018,790) die Art. 70 ff. Datenschutz Grundverordnung dar. Diese Ansicht beruft sich auf den allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, dass Ausnahmeregelungen, wie hier Art. 80 Abs. 2 DSG VO, eng auszulegen sind (ständige Rechtsprechung: EuGH WRP 2015, 1206, Rn. 54) und dementsprechend nicht über den Wortlaut hinaus erweitert werden dürfen. Die Autoren schließen aus dem Umstand, dass der Unionsgesetzgeber nicht schon jedem Verband ein Recht zur Wahrnehmung der Rechte einer betroffenen Person ohne deren Auftrag einräumt hat, sondern dafür ganz konkrete Anforderungen aufstellt, dass der Unionsgesetzgeber keine Erstreckung dieser Befugnis auf Mitbewerber des Verletzers zulassen wollte. Hätte der Unionsgesetzgeber, so die Autoren, dies gewollt, so hätte es nahegelegen, dass er eine dem Art. 11 Abs. 1 RL 2005/29/EG ("einschließlich Mitbewerbern") entsprechende Durchsetzungsregelungen eingeführt hätte. Köhler unterstreicht diese Argumentation durch die Herausarbeitung der unterschiedlichen Schutzzweckbestimmung der DSGVO auf der einen Seite und dem UWG auf der anderen Seite. Die Datenschutzgrundverordnung schützt "die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten", insoweit wird auf Art. 1 Abs. 2 DSG VO Bezug genommen. Damit bringe die Datenschutzgrundverordnung klar zum Ausdruck, dass es um den Individualschutz der Betroffenen geht, vergleichbar dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes nach den §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog. Demgegenüber stehe die Konzeption des UWG. Dieses Gesetz dient "dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen", insoweit wird auf § 1 S. 1 UWG Bezug genommen. Die gesetzliche Konzeption der Datenschutzgrundverordnung hat mit der dargestellten Regelung in Kap. VIII primär die Rechtsdurchsetzung bei den Aufsichtsbehörden angesiedelt, während § 8-10 UWG die Durchsetzung des Lauterkeitsrecht vollständig der privaten Initiative überlässt. Daraus folgt, dass einem Mitbewerber nach den §§ 3 Abs. 1,3 a UWG in Verbindung mit § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG die Klagebefugnis fehlt. Diese vornehmlich in der Literatur vertretene Ansicht findet ihre Bestätigung in der Entscheidung des Landgerichtes Bochum (Landgericht Bochum (12. Zivilkammer), Teil Versäumnis- und Schlussurteil vom 7.8.2018 - I-12 O 85/18 zitiert nach Beck RS 2018,25219). Das Landgericht Bochum hat ausgeführt, dass dem Verfügungskläger eine Klagebefugnis nicht zusteht, weil die Datenschutzgrundverordnung in den Artikeln 77-84 eine die Ansprüche von Mitbewerbern abschließende und ausschließende Regelung enthält. Das Landgericht Bochum hat sich der Ansicht von Köhler mit dem Argument angeschlossen, dass die Datenschutzgrundverordnung eine detaillierte Regelung des anspruchsberechtigten Personenkreises enthält. Danach steht nicht jedem Verband ein Recht zur Wahrnehmung der Rechte einer betroffenen Person zu, sondern nur bestimmten Einrichtungen, Organisationen und Vereinigungen ohne Gewinnerzielungsabsicht unter weiteren Voraussetzungen. Hieraus sei zu schließen, dass der Uniongesetzgeber eine Erstreckung auf Mitbewerber des Verletzers nicht zulassen wollte. Diese Ansicht überzeugt, da es keine Rechtsschutzlücke besteht. Vor dem Hintergrund, dass keine Rechtsschutzlücke im Bereich der Datenschutzgrundverordnung besteht, muss sie auch nicht durch eine Anwendung des §§ 3 Buchst. a UWG geschlossen werden. An diese Überlegungen knüpft die Bundesratsinitiative des Freistaats Bayern an, wonach zur Anpassung zivilrechtlicher Vorschriften an die Datenschutzgrundverordnung ein Gesetzesantrag in den Bundesrat eingebracht worden ist (Bundesratsdrucksache 304 18 vom 6. 20.6.2018) woraus sich ableiten lässt, dass eine Klagebefugnis eines angeblichen Mitbewerbers ausscheiden soll, da ihm bereits eine Abmahnungsmöglichkeit verwehrt wird.

 

Es ist streitig, ob die fehlende Anspruchsberechtigung und fehlende Klagebefugnis zur Abweisung der Klage als unzulässig oder als unbegründet führt, doch handelt es sich bei der Anspruchsberechtigung um eine Frage der Aktivlegitimation und damit um eine Prüfung im Rahmen der Begründetheit der Klage, so dass die Klage auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als unbegründet abzuweisen war.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 ZPO, wonach die Verfügungsklägerin als die unterlegene Partei die Kosten des einstweiligen Verfügungsrechtsstreites zu tragen hat.

 

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6 ZPO in Verbindung § 711 ZPO.


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