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Anspruch auf kostenlose Übermittlung von Behandlungsdokumentation gegen Krankenhaus

 | Gericht:  Landgericht (LG) Görlitz  | Aktenzeichen: 5 O 2/21 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Sonstiges

Urteilstext

 

Tenor

 

1.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine unentgeltliche Auskunft zu erteilen über die bei ihr gespeicherten personenbezogenen sowie patientenrelevanten Daten der Klägerin und zwar durch Übermittlung einer (in einem gängigen Format gefertigten) Kopie der vollständigen Behandlungsunterlagen für den Behandlungszeitraum ab dem 01.01.2020 (mit Ausnahme der bereits mit E-Mail vom 21.08.2020 übersandten Zusammenfassung des Behandlungsverlaufs vom 20.08.2020; Anl. K 1).

2.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

4.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 €.

5.

Die Berufung wird zugelassen.

Streitwert: 6.000,00 €.

Tatbestand

 

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf unentgeltliche Auskunft in Anspruch über ihre Behandlungsdokumentation.

Im Januar 2020 und in dem Zeitraum vom 29.04.2020 bis 01.05.2020 wurde die Klägerin (geb. am 05.04.2004) bei der Beklagten, im Krankenhaus Bautzen, stationär behandelt.

Die Klägerin forderte die Beklagte auf, ihr unentgeltlich Auskunft nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO zu erteilen durch Übermittlung der vollständigen Behandlungsdokumentation im PDF-Format. Darüber hinaus bot sie der Beklagten an, die Daten nicht im PDF-Format, sondern in einem Format ihrer Wahl (auch in Papierform) zur Verfügung zu stellen.

Mit Schreiben vom 20.08.2020 erteilte die Beklagte eine zusammenfassende Auskunft (K 1). Diese Zusammenfassung beinhaltet die Angabe des jeweiligen Behandlungszeitpunkts oder Behandlungszeitraums und die jeweilige Fachabteilung, bei der eine Behandlung durchgeführt wurde (z.B. Notfallambulanz, Durchgangsarzt, Klinik für Kinder und Jugendmedizin). Es wurde jeweils abstrakt mitgeteilt, dass Diagnosen, medizinische Falldaten und Abrechnungsdaten erfasst wurden und das z.B. Abrechnungen an die Kassenärztliche Vereinigung übertragen wurden, ein Überweisungsschein für eine weiterbehandelnde Fachärztin ausgestellt wurde und z.B. ein ambulanter Arztbrief an die weiterbehandelnde Fachärztin übersandt wurde, ohne die zugrunde liegenden Tatsachen mitzuteilen.

Die Klägerin trägt vor, bei der Beklagten fehlerhaft behandelt worden zu sein und deshalb (in einem künftigen Prozess) ein Schmerzensgeld von 30.000,00 € verlangen zu können.

Die Auskunft vom 20.08.2020 sei unvollständig, weil z.B. nicht mitgeteilt worden sei, welche Diagnosen gestellt wurden und welche Laborwerte erhoben wurden.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine unentgeltliche Auskunft über die über die Klägerin bei ihr gespeicherten personenbezogenen Daten durch Übermittlung der vollständigen Behandlungsdokumentation im PDF-Format für den Behandlungszeitraum ab dem 01.01.2020 mit Ausnahme der bereits mit Email vom 21.08.2020 übersandten Zusammenfassung des Behandlungsverlaufes vom 20.08.2020 (Anlage K 1) zu erteilen.

und hilfsweise:

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine unentgeltliche Auskunft über die über die Klägerin bei ihr gespeicherten personenbezogenen sowie patientenrelevanten Daten durch Übermittlung der vollständigen Behandlungsunterlagen in einem gängigen Format für den Behandlungszeitraum ab dem 01.01.2020 mit Ausnahme der bereits mit E-Mail vom 21.08.2020 übersandten Zusammenfassung des Behandlungsverlaufes vom 20.08.2020 (Anlage K 1) zu erteilen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte hält die Klage für unzulässig, weil der Klageantrag nicht hinlänglich bestimmt sei.

Sie trägt vor, die Auskunft sei bereits vollständig erteilt mit dem Schreiben vom 20.08.2020 und dadurch, dass die Klägerin die Arztbriefe erhalten habe, worauf sie bereits mit E-Mail vom 14.09.2020 hingewiesen habe (K 2).

Weitere Auskünfte könne die Klägerin deshalb nicht unentgeltlich verlangen, sondern nur gegen ein angemessenes Entgelt erhalten.

Ferner trägt die Beklagte vor, die Patientenakte liege nicht digital vor, sondern in Papierform. Diese sei archiviert und zwar in Kamenz. Unter diesen Voraussetzungen sei es ihr nicht zuzumuten, die eingeklagten Auskünfte kostenfrei zur Verfügung zu stellen; sie könne die Auskunft verweigern (§ 34 BDSG).

Die Klägerin verhalte sich darüber hinaus rechtsmissbräuchlich, da sie die Auskunft nicht verlange zur Kontrolle von Datenverarbeitungsvorgängen, sondern zur Vorbereitung eines Schadenersatzprozesses wegen fehlerhafter medizinischer Behandlung.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe


I.
Die Klägerin hat Anspruch auf Auskunft wie tenoriert (Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO). Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

Zu Recht begehrt die Klägerin Auskunft durch Übermittlung der vollständigen Behandlungsunterlagen in einem gängigen Format und zwar unentgeltlich.

1.
Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt. Die Klägerin hat den Zeitraum für den sie die Behandlungsunterlagen begehrt, genau bezeichnet (ab dem 01.01.2020). Zugleich hat sie inhaltlich genau bestimmt, welche Auskünfte sie haben will, indem sie die vollständigen Behandlungsunterlagen verlangt. Damit ist erkennbar für die Beklagte und für die Vollstreckungsorgane, dass damit die vollständige Patientenakte der Beklagten über die Klägerin gemeint ist. Diese Patientenakte sammelt und dokumentiert sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen; Arztbriefe sind in die Patientenakte aufzunehmen (§ 630 f. Abs. 2 BGB).

2.
Die Patientenakte hat die Beklage der Klägerin bislang unstreitig nicht zur Verfügung gestellt.

Mit dem Schreiben vom 20.08.2020 (K 1) hat die Beklagte ersichtlich - lediglich - diejenigen Informationen an die Klägerin übermittelt, die in Art. 15 Abs. 1 a) ff. DSGVO näher bezeichnet sind.

Der Auskunftsanspruch reicht jedoch deutlich darüber hinaus.

Artikel 15 Abs. 1 DSGVO normiert drei Ansprüche der betroffenen Person. Zum ersten das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob überhaupt Daten verarbeitet werden, die sie als Person betreffen, zum zweiten, wenn dies der Fall ist, ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und zum dritten ein Recht auf Informationen, die unter a) ff. näher bestimmt sind.

Bezogen auf diese Ansprüche hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 20.08.2020 dem Recht auf Informationen entsprochen nicht aber dem daneben bestehenden Anspruch auf Auskunft über die bei ihr verarbeiteten personenbezogenen Daten.

Was unter personenbezogenen Daten zu verstehen ist, hat der Verordnungsgeber ausdrücklich definiert.

Mit Blick auf die hier interessierende Behandlungsdokumentation und die Gesundheitsdaten gilt folgendes:

"Gesundheitsdaten" (sind) personenbezogene Daten, die sich auf die körperliche oder geistige Gesundheit einer natürlichen Person, einschließlich der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen, beziehen und aus denen Informationen über deren Gesundheitszustand hervorgehen (Art. 4 Nr. 15 DSGVO).

Der Verordnungsgeber hat ausdrücklich folgendes begründet: Zu den personenbezogenen Gesundheitsdaten sollten alle Daten zählen, die sich auf den Gesundheitszustand einer betroffenen Person beziehen und aus denen Informationen über den früheren, gegenwärtigen und künftigen körperlichen oder geistigen Gesundheitszustand der betroffenen Person hervorgehen. Dazu gehören auch Informationen über die natürliche Person, die im Zuge der Anmeldung für sowie der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen i.S.d. Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates für die natürliche Person erhoben werden, Nummern, Symbole oder Kennzeichen, die einer natürlichen Person zugeteilt wurden, um diese natürliche Person für gesundheitliche Zwecke eindeutig zu identifizieren, Informationen, die von der Prüfung oder Untersuchung eines Körperteils oder einer körpereigenen Substanz, auch aus genetischen Daten und biologischen Proben, abgeleitet wurden, und Informationen etwa über Krankheiten, Behinderungen, Krankheitsrisiken, Vorerkrankungen, klinische Behandlungen oder den physiologischen oder biomedizinischen Zustand der betroffenen Person unabhängig von der Herkunft der Daten, ob sie nun von einem Arzt oder sonstigen Angehörigen eines Gesundheitsberufs, einem Krankenhaus, einem Medizinprodukt oder einem In-vitro-Diagnostikum stammen (Erwägungsgrund 35 zur DSGVO).

Weiter begründet der Verordnungsgeber: Eine betroffene Person sollte ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten, die erhoben worden sind, besitzen und dieses Recht problemlos und in angemessenen Abständen wahrnehmen können, um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können .(Erwägungsrund 63, S. 1 zur DSGVO).

Und weiter: Dies schließt das Recht betroffene(r) Personen auf Auskunft über ihre eigenen gesundheitsbezogenen Daten ein, etwa Daten in ihren Patientenakten (a.a.O. S. 2).

All diese personenbezogenen Daten, die die Beklagte von Gesetzes wegen in der Patientenakte zu sammeln hat, hat die Beklage der Klägerin bislang nicht zur Verfügung gestellt, insbesondere die Patientenakte als Ganzes bislang nicht ausgehändigt.

Das Auskunftsbegehren der Klägerin, das Verlangen nach Aushändigung der Patientenakte, der vollständigen Behandlungsunterlagen, ist auf eine erste Kopie der personenbezogenen Daten gerichtet. Diese ist unentgeltlich zur Verfügung zu stellen (Art. 15 Abs. 3 DSGVO).

Die Klägerin kann der Beklagten nicht vorschreiben, ihr eine Kopie der Behandlungsunterlagen im PDF - Format auszuhändigen; die Beklagte kann die Kopie, die sie auszuhändigen hat, in jedem gängigen Format anfertigen.

3.
a) 
Der Auskunftsanspruch der Klägerin ist auch nicht weitergehend einzuschränken etwa mit Blick auf Arztbriefe, die ihr bereits ausgehändigt worden wären. Die Beklagte hat insoweit keinen Beweis geführt. Aus dem Schreiben vom 20.08.2020 (K 1) ist - lediglich - ersichtlich, dass Arztbriefe für diesen Zeitraum an die jeweils weiterbehandelnde Fachärztin geschickt wurden.

b)
Das Auskunftsbegehren der Klägerin ist auch nicht rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB); ein Weigerungsrecht steht der Beklagten nicht zu (Art. 12 Abs. 5 DSGVO).

Der Verordnungsgeber hat das Auskunfts- und Informationsrecht der betroffenen Person nicht von einem bestimmten Motiv abhängig gemacht. Der betroffenen Person kann das Auskunftsrecht nicht deshalb abgesprochen werden, weil diese neben dem Interesse an den verarbeiteten Daten zum Beispiel noch das Ziel verfolgt, Schadensersatzansprüche gegen denjenigen, der die Daten verarbeitet, zu prüfen, auch dann nicht, wenn die betroffene Person, wie hier, die Daten daraufhin überprüfen will, ob dem Verantwortlichen ein Behandlungsfehler unterlaufen ist.

Art. 12 DSGVO regelt gerade, dass der Verantwortliche es der betroffenen Person zu erleichtern hat, seine Rechte gemäß den Art. 15 - 22 DSGVO auszuüben. Hürden sollen gerade nicht aufgebaut, sondern abgebaut werden. Art. 12 Abs. 5 DSGVO soll ersichtlich - lediglich - vor querulatorischen, exzessiven Auskunftsbegehren (die damit auch rechtsmissbräuchlich sein könnten) schützen. Der Auskunftsantrag der Klägerin ist jedoch weder querulatorisch noch übermäßig, grenzenlos.

c)
Die Beklagte kann die Auskunft auch nicht nach den Vorschriften des § 34 Abs. 1 Nr. 2 BDSG verweigern. Dieses Verweigerungsrecht setzt voraus, dass die Auskunftserteilung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. Das ist vorliegend nicht der Fall.

Der Umstand allein, dass die Beklagte die Daten in Papierform verarbeitet hat und die Papierakten archiviert hat, begründet keinen unverhältnismäßigen Aufwand.

Die Datenschutzgrundverordnung und das Bundesdatenschutzgesetz gelten ausdrücklich auch für die manuelle Datenverarbeitung, für Akten und Aktensammlungen (Art. 2 Abs. 1 DSGVO, Erwägungsgrund 15). Der Verordnungsgeber geht damit grundsätzlich davon aus, dass eine Auskunftserteilung auch aus Papierakten gewollt und zumutbar ist.

Auch die Archivierung, selbst an einem entfernteren Ort, steht der Auskunftserteilung nicht entgegen. Würde man dies anders sehen, könnte jeder Verantwortliche sich der Auskunftsverpflichtung entziehen, indem er Daten materialisiert und an einem entfernten Ort archiviert.

Hinzu kommt, dass die Klägerin ihren Auskunftsanspruch genau bezeichnet und deutlich begrenzt hat auf die Patientenunterlagen, die bei der Beklagten vorhanden sind ab dem 01.01.2020, und damit die Auskunft auch wegen ihres Umfanges nicht unzumutbar ist.

II.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG i.V.m.§ 3 ZPO.


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