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Angemessenheit der Ausbildungsvergütung

 | Gericht:  Bundesarbeitsgericht (BAG) Erfurt  | Aktenzeichen: 6 AZR 224/05 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Arbeitsrecht

Urteilstext

 

Tenor

1.

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 14. Februar 2005 - 15 Sa 93/04 - wird zurückgewiesen.

 

2.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Angemessenheit der vereinbarten Ausbildungsvergütung für die Monate Oktober 2003 bis Mai 2004.

 

Die Parteien schlossen am 28. Mai 2003 einen Ausbildungsvertrag über die Ausbildung der Klägerin in der Zeit vom 1. September 2003 bis zum 31. August 2006 zur Mediengestalterin für Digital- und Printmedien, Fachrichtung Mediendesign mit der produktspezifischen Spezialisierung Print-Produkte. Nach Buchst. E des Ausbildungsvertrags wurde im ersten Ausbildungsjahr eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 472,95 Euro brutto, im zweiten Jahr von 524,07 Euro brutto sowie im dritten Jahr von 575,20 Euro brutto vereinbart.

 

Die Ausbildung erfolgt nach dem betrieblichen Ausbildungsplan gemäß der Verordnung über die Berufsausbildung zur Mediengestalterin für Digital- und Printmedien und entsprechend dem von den Verbänden der Druckindustrie zur Verfügung gestellten Ausbildungsplan. Wesentliche Ausbildungsinhalte sind ua. Medienintegration, Qualitätsmanagement, Telekommunikation, gestaltungsorientierte Arbeitsvorbereitung, Kommunikation, Konzeption und Gestaltung. Die Beklagte, welche nicht tarifgebunden ist, bildet neben der Klägerin weitere Auszubildende nur im Bereich des Fotografenhandwerks aus. Die Ausbildung des Fotografen unterscheidet sich wesentlich von der Ausbildung zum Mediengestalter. Gemäß der Verordnung über die Berufsausbildung zum Fotografen vom 12. Mai 1997 umfasst das Ausbildungsberufsbild ua. die Erarbeitung von Bildkonzeptionen, deren gestalterische Umsetzung sowie die Aus- und Weiterverarbeitung von Bildinformationen auf unterschiedlichen Bildträgern. Es handelt sich hierbei um eine Ausbildung nach der Handwerksordnung. Demgegenüber ist Ziel einer Ausbildung zum Mediengestalter weniger die Vermittlung von handwerklichen Fähigkeiten. Voraussetzung für die Ausbildung zur Mediengestalterin ist regelmäßig ein höherer Schulabschluss.

 

Im Bereich der Handwerkskammer Pforzheim beläuft sich die Ausbildungsvergütung für den Ausbildungsberuf des Fotografen im ersten Ausbildungsjahr auf 275,00 Euro, im zweiten Ausbildungsjahr auf 305,00 Euro und im dritten Ausbildungsjahr auf 325,00 Euro. Die Beklagte zahlt an alle Auszubildenden unabhängig von der Art der Ausbildung den Mittelwert zwischen der Ausbildungsvergütung für Mediengestalter und Fotografen.

 

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte führe mindestens zum Teil Tätigkeiten in der Druckvorstufe aus. Die bearbeiteten Daten gingen zum Teil in Abstimmung mit den Kunden direkt in den Druck. Mit Ausnahme von Retuschen an Digitalfotos erbringe die Beklagte keine fotografischen Arbeiten. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, ihre Tätigkeit stelle eine Ausbildung entsprechend der Ausbildungsordnung der Druckindustrie dar. Als Maßstab für eine angemessene Ausbildungsvergütung müsse das Lohnabkommen für die Druckindustrie, gültig ab dem 1. April 2003, herangezogen werden. Nach einer Informationsbroschüre der Handwerkskammer Karlsruhe belaufe sich die Ausbildungsvergütung für die Berufsausbildung zum Mediengestalter im ersten Ausbildungsjahr auf 735,53 Euro und nach der Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit auf 733,00 Euro. In dem Lohnabkommen der Druckindustrie sei eine Ausbildungsvergütung von 748,09 Euro vorgesehen. Die tatsächlich geleistete Ausbildungsvergütung in Höhe von 472,95 Euro sei nicht angemessen. Unter Berücksichtigung eines Abschlags von 20 % im Hinblick auf die in der Druckindustrie geltende Ausbildungsvergütung stehe ihr ein monatlicher Differenzanspruch in Höhe von 125,52 Euro zu. Dies ergebe für die Monate Oktober 2003 bis Mai 2004 einen Betrag in Höhe von 1.004,18 Euro.

 

Die Klägerin hat beantragt:

 

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.004,18 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 5. Juli 2004 zu zahlen.

 

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, dass als Maßstab für die Angemessenheit einer Ausbildungsvergütung nicht das Lohnabkommen für die Druckindustrie herangezogen werden könne. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Betrieb, der fotografische und grafische Leistungen erbringe. Insbesondere würde die Beklagte Fotografien für Werbekataloge und ähnliche Werbemittel grafisch aufarbeiten. Eine Vorbereitung der gewonnenen und verarbeiteten Daten für einen späteren Druck würde durch die Beklagte nicht durchgeführt. Die Tätigkeit der Beklagten im Bereich der Fotografie würden etwa ca. 70 % der Gesamttätigkeiten ausmachen. Eine Zuordnung der Beklagten ausschließlich oder zumindest überwiegend zum Bereich der Druckindustrie komme daher nicht in Betracht. Fachlich einschlägig könnten allenfalls die Tarifverträge im Bereich des Fotohandwerks oder der Fotobetriebe sein. Auf ihren Betrieb könnten nicht zwei Tarifverträge, die aus unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen stammten, Anwendung finden. Jedenfalls seien die Tarifverträge für Fotobetriebe sachnäher. Der Gehaltstarifvertrag für die Fotobetriebe sehe im ersten Ausbildungsjahr eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 448,40 Euro vor.

 

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen.

 

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 1.004,18 Euro brutto nebst Zinsen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG aF, § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG nF. Nach dieser Vorschrift hat der Ausbildende dem Auszubildenden eine angemessene Vergütung zu gewähren. Die der Klägerin gezahlte Ausbildungsvergütung ist angemessen.

 

1.

Die Ausbildungsvergütung hat nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts regelmäßig drei Funktionen. Sie soll zum einen dem Auszubildenden bzw. seinen Eltern zur Durchführung der Berufsausbildung eine finanzielle Hilfe sein, zum anderen die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten und schließlich eine Entlohnung darstellen (schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit, BT-Drucks. V/4260 S. 9; BAG 8. Dezember 1982 - 5 AZR 474/80 - BAGE 41, 142, 149 f.; zuletzt 25. Juli 2002 - 6 AZR 311/00 - AP BBiG § 10 Nr. 11 = EzA BBiG § 10 Nr. 9, mwN) . Danach ist eine Vergütung angemessen, wenn sie hilft, die Lebenshaltungskosten zu bestreiten, und zugleich eine Mindestentlohnung für die Leistungen des Auszubildenden darstellt (BAG 30. September 1998 - 5 AZR 690/97 - AP BBiG § 10 Nr. 8 = EzA BBiG § 10 Nr. 4, zu II 1 der Gründe mwN) . § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG enthält jedoch nur eine Rahmenvorschrift (BT-Drucks. V/4260 S. 9). Es ist zunächst Sache der Vertragsparteien, die Höhe der Vergütung festzulegen, sofern nicht bei Tarifgebundenheit beider Parteien oder bei Allgemeinverbindlichkeit die tariflichen Sätze maßgeblich sind. Die Vertragsparteien haben einen Spielraum. Daraus folgt, dass sich die Überprüfung nur darauf erstreckt, ob die vereinbarte Vergütung die Mindesthöhe erreicht, die noch als angemessen anzusehen ist (BAG 10. April 1991 - 5 AZR 226/90 - BAGE 68, 10; zuletzt 25. Juli 2002 - 6 AZR 311/00 - aaO) .

 

2.

Die Angemessenheit der Vergütung wird unter Abwägung der Interessen beider Vertragspartner und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls festgestellt (BAG 15. November 2000 - 5 AZR 296/99 - BAGE 96, 237, 246) . Hierbei ist auf die Verkehrsanschauung abzustellen. Wichtigster Anhaltspunkt dafür sind die einschlägigen Tarifverträge, da sie von den Tarifvertragsparteien ausgehandelt sind und anzunehmen ist, dass in ihnen die Interessen beider Seiten hinreichend berücksichtigt sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Ausbildungsvergütung, die sich an einem entsprechenden Tarifvertrag ausrichtet, stets als angemessen anzusehen (18. Juni 1980 - 4 AZR 545/78 - BAGE 33, 213, 219; 30. September 1998 - 5 AZR 690/97 - AP BBiG § 10 Nr. 8 = EzA BBiG § 10 Nr. 4, zu II 3 der Gründe; zuletzt 8. Mai 2003 - 6 AZR 191/02 - AP BBiG § 10 Nr. 14 = EzA BBiG § 10 Nr. 10, zu II 2 der Gründe) . Nur wenn eine tarifliche Regelung fehlt, kann auf branchenübliche Sätze abgestellt oder eine der Verkehrsauffassung des betreffenden Industriezweigs entsprechende Vergütung zugrunde gelegt werden. In diesem Fall kann auf die Empfehlungen der Kammern oder Handwerksinnungen zurückgegriffen werden. Derartige Empfehlungen sind zwar nicht verbindlich. Sie sind jedoch ein wichtiges Indiz für die Angemessenheit der empfohlenen Sätze.

 

Es ist sachgerecht, als Vergleichsmaßstab auch für die nicht tarifgebundenen Parteien primär Tarifverträge heranzuziehen. Den Empfehlungen der Kammern und Innungen ein größeres Gewicht beizumessen, ist nicht angezeigt, weil sie nicht von Vertretern der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite ausgehandelt worden sind und damit nicht die gleiche Gewähr wie Tarifverträge für die angemessene Berücksichtigung der Interessen beider Seiten bieten (BAG 25. Juli 2002 - 6 AZR 311/00 - AP BBiG § 10 Nr. 11 = EzA BBiG § 10 Nr. 9) .

 

3.

Gemessen daran halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Angemessenheit der Ausbildungsvergütung im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Prüfung stand. Die Parteien haben den ihnen bei der Festsetzung der Ausbildungsvergütung eingeräumten Spielraum gewahrt. Die vereinbarte Ausbildungsvergütung erweist sich als angemessen. Es hätte einer eingehenden Begründung der Klägerin bedurft, warum die Höhe der Ausbildungsvergütung dennoch als unangemessen anzusehen sei. Diese ist nicht erfolgt.

 

a)

Die im Berufsausbildungsvertrag vereinbarte Vergütung wurde ihrer Funktion, eine finanzielle Hilfe für die Klägerin zur Durchführung der Ausbildung zu sein, gerecht. Sie erfüllt auch ihre Funktion als Mindestentlohnung für die Leistungen der Klägerin. Dies hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung ist zu berücksichtigen, dass sie über den ortsüblichen Sätzen der Ausbildungsvergütung für das Fotografenhandwerk und der Ausbildungsvergütung nach § 4 Gehaltstarifvertrag vom 6. Juli 2000 für Fotobetriebe in der Bundesrepublik Deutschland liegt.

 

b)

Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass ein Rückgriff auf die Höhe der Ausbildungsvergütung des Lohnabkommens der Druckindustrie nicht erfolgen konnte. Die Klägerin hat nicht erfolgreich dargelegt, dass dieser Tarifvertrag räumlich, zeitlich und fachlich auf den Betrieb der Beklagten Anwendung findet.

 

Ausbildungsvergütungen werden regelmäßig für alle Ausbildungsverhältnisse unabhängig davon, für welchen Ausbildungsberuf die Ausbildung erfolgt, in den entsprechenden Tarifverträgen des jeweiligen Gewerbezweigs geregelt. Eine Differenzierung danach, welchen Abschluss die Ausbildung zum Ziel hat, erfolgt nach den einschlägigen Tarifverträgen nicht. Entscheidend kommt es nur auf den Gewerbe- bzw. Industriezweig an, in welchem die Ausbildung stattfindet. Die Klägerin hat dazu nur behauptet, die Beklagte führe, wie sich aus deren Außenauftritt als Werbeagentur ergebe, zum Teil Tätigkeiten der Druckvorstufe durch. Sie hat damit keine Tatsachen vorgetragen, die darauf schließen lassen, bei dem Betrieb der Beklagten handele es sich um einen solchen, welcher vom fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge der Druckindustrie erfasst werde.

 

c)

Die Klägerin hat das Vorbringen der Beklagten, deren Tätigkeit im Bereich der Fotografie stelle etwa 70 % der Gesamttätigkeiten dar, nur mit Nichtwissen bestritten. Sie ist dem Sachvortrag der Beklagten nicht substantiiert mit Beweisantritt entgegengetreten. Ihrem Vorbringen lässt sich somit nicht entnehmen, dass Regelungen der Ausbildungsvergütung in Tarifverträgen für Fotobetriebe nicht einschlägig sind. Deshalb scheidet ein Rückgriff auf Verlautbarungen der Handwerkskammer oder der Bundesagentur für Arbeit zur Ausbildungsvergütung für die Berufsausbildung zum Mediengestalter aus. Dem steht nicht entgegen, dass die Berufsausbildung zum Mediengestalter eine inhaltlich anspruchsvollere Ausbildung als die Berufsausbildung zum Fotografen ist. Die Höhe der Ausbildungsvergütung orientiert sich nicht an einem bestimmten Ausbildungsberuf, sondern an der Höhe der Sätze der Ausbildungsvergütung in dem jeweiligen Gewerbe- bzw. Industriezweig.

 

4.

Die von der Klägerin mit der Revision erhobene Aufklärungsrüge ist unbegründet. Die Klägerin macht geltend, sie hätte auf entsprechenden Hinweis des Landesarbeitsgerichts vorgetragen, dass die Schwerpunkte der fachlichen Tätigkeit der Beklagten eher der Druckindustrie zuzuordnen sind, und dafür Dokumente zur Einbindung der Beklagten in den “Maul-Belser Medienverbund” vorgelegt, welcher durch den Druckbereich bestimmt werde. Für die Höhe der Ausbildungsvergütung kommt es aber allein darauf an, welchem Gewerbe- bzw. Industriezweig das beklagte Unternehmen mit seinem Ausbildungsbetrieb zuzuordnen ist. Die Beklagte als Ausbildende ist jedoch nach ihrem von der Klägerin nicht widerlegten Sachvortrag überwiegend dem Bereich der Fotografie zuzuordnen. Auf die Einbindung der Beklagten in den “Maul-Belser Medienverbund” und auf dessen eventuelle Zuordnung zum Wirtschaftszweig Druckindustrie kommt es nicht an.


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