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Anforderungen an die ärztliche Aufklärung

 | Gericht:  Oberlandesgericht (OLG) Hamm  | Aktenzeichen: I-26 U 46/21, 26 U 46/21 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Schadenersatzrecht , Berufliche Kommunikation , Sonstiges

Urteilstext

Tenor


Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17. Februar 2021 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bochum abgeändert.


Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Mai 2018.


Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die Klägerin in Höhe von 2.976,79 EUR von der Gebührenrechnung ihres Prozessbevollmächtigten für dessen außergerichtliche Tätigkeit freizustellen.


Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen materiellen und derzeit nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden zu ersetzen aus Anlass der Hüft-TEP-Implantation rechts vom 19. Januar 2017 und des Pfannenwechsels rechts vom 24. Mai 2018, sowie solche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, die aus einer heute nicht absehbaren Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin folgen und die auf der streitgegenständlichen Handlung der Beklagten beruhen, zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und/oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.


Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.


Das angefochtene und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.


Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.


Die Revision wird nicht zugelassen.


Gründe


I.
Die Klägerin macht ein Schmerzensgeld sowie Feststellungsansprüche aus einer behaupteten fehlerhaften Behandlung durch den Beklagten zu 1) im Krankenhaus der Beklagten zu 2) und aus Aufklärungsdefiziten in der Zeit vom 12.01.2017 bis zum 07.06.2017 geltend.


Die am 00.00.0000geborene Klägerin leidet seit ihrer Kindheit an einer Hüftdysplasie. In ihrer Kindheit wurden zwei Umstellungsosteotomien notwendig. Sie litt aufgrund der Grunderkrankung unter einer fortgeschrittenen Hüftgelenksarthrose (Coxathrose). Vor dem hier streitgegenständlichen Eingriff übte sie ihren Beruf als gelernte (...) in Vollzeit aus.


Im Dezember 2014 stellte sich die Klägerin erstmals bei dem Beklagten zu 1) vor, um sich aufgrund von Schmerzen zunächst vorbeugend über die Indikation und die Möglichkeit eines operativen Eingriffs an ihrer Hüfte zu informieren. Der Beklagte zu 1) riet zu einer zementfreien Hüftgelenktotalendoprothese rechts (Hüft-TEP).


Die Beschwerden der Klägerin verschlimmerten sich, sodass sie im Oktober 2016 wieder vorstellig wurde. Es wurde ein erneutes Röntgenbild gefertigt. Der Beklagte zu 1) bejahte die Operationsindikation. Die Klägerin entschied sich dazu, den operativen Eingriff durchzuführen.


Nach stationärer Aufnahme der Klägerin am 18.01.2017 wurde mit ihr ein Aufklärungsgespräch durch den Zeugen Z geführt. Die Details hierzu sind streitig. Der zugehörige und von der Klägerin sowie Z unterschriebene proCompliance-Aufklärungsbogen "Hüftgelenkendoprothese" enthält zahlreiche individualisierte Eintragungen.


Die Operation wurde mithilfe von Röntgenaufnahmen zweidimensional digital geplant.
Am 19.01.2017 wurde die Operation durch den Beklagten zu 1) als Oberarzt in der Klinik der Beklagten zu 2) durchgeführt. Es wurde rechtsseitig eine zementfreie Hüft-TEP gewählt (Pfanne ALLOVIT Größe S/48, Schaftgröße 02, Keramikkopf S). Intraoperativ zeigte sich erwartungsgemäß eine dysplastische Hüftgelenkpfanne rechts. Die Pfannenkomponente konnte nach der entsprechenden Fräsur des Pfannenlagers eingesetzt werden.


Der postoperative stationäre Behandlungsverlauf war unauffällig. Die Wundheilung verlief reizlos und die Röntgenkontrollen zeigten eine regelgerechte Implantatlage. Postoperativ konnte die Klägerin unter physiotherapeutischer Anleitung an Unterarmgehstützen mobilisiert werden. Es wurde eine Beinlängendifferenz zu Ungunsten der linken Seite von 1,5 cm diagnostiziert. Es folgte ein entsprechender Ausgleich von 1 cm für das linke Bein. Das rechte Bein durfte sie für 6 bis 8 Wochen nicht voll belasten, um die Einheilung der Prothese nicht zu gefährden. Die Klägerin wurde am 25.01.2017 aus der stationären Behandlung entlassen.


Nachdem das Bein wieder einer Vollbelastung ausgesetzt wurde, stellte sich die Klägerin aufgrund von Schmerzen im Mai 2017 erneut vor. Es zeigte sich eine Pfannendislokation mit Fraktur des Pfannenbodens nach Implantation der Hüf-TEP rechts in nativen Röntgenbildern und in der Computertomographie. Aufgrund dieses Befundes wurde mit der Klägerin ein Pfannenwechsel besprochen.


Am 24.05.2017 wurde der Pfannenwechsel am rechten Hüftgelenk nach entsprechender Aufklärung durchgeführt. Als Revisionsimplantat wurde eine verschraubte Stützschalenpfanne in der Kombination mit einer einzementierten Kunststoffpfanne der Größe 42, 32 mm Metallkopf gewählt.


Postoperativ zeigte sich bei der Klägerin eine neurologische Ausfallsymptomatik am rechten Bein. Eine umgehend durchgeführte fachärztliche neurologische Untersuchung bestätigte eine Läsion am Nervus femoralis mit hierdurch verursachter proximaler Parese des rechten Beines. Weiter bestand auch der Verdacht auf eine Läsion des Nervus gluteus superior.


Nach intensiver physiotherapeutischer und krankengymnastischer Behandlung einschließlich einer Neuro- und Muskelstimulation mittels TENS-Gerät wurde die Klägerin am 07.06.2017 in die ambulante Weiterbehandlung entlassen.


Vor dem streitgegenständlichen Eingriff arbeitete die Klägerin Vollzeit im Y-Krankenhaus. Im Jahr 2016 verdiente sie brutto 37.676,69 EUR, netto 24.838,22 EUR. Nach dem Eingriff bezog sie 78 Wochen lang Krankengeld. Seit ihrer Eingliederung arbeitet sie nach dem Ende des Krankengeldes wieder in Vollzeit.


Die Klägerin hat behauptet, es sei unterlassen worden, vor der Erstoperation die benötigte Prothesengröße genau zu prüfen. Insofern habe keine ordnungsgemäße Prothesenplanung stattgefunden. Wäre diese ordnungsgemäß durchgeführt worden, hätte diese ergeben, dass die Pfanne ALLOVIT Größe S/48, Schaftgröße 02, Keramikkopf S zu groß war. Es hätte richtigerweise die Prothese mit einer Pfanne in der Größe der Zweit-OP eingesetzt werden müssen (Gr. 42, 32 mm Metallkopf). Die unterlassene Befunderhebung sei als grober Behandlungsfehler zu werten. Die Beklagten seien nach dem Modus Operandi "Try and Error" vorgegangen.
Durch diesen Behandlungsfehler leide sie unter starken Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Sie könne sich nur mithilfe von Unterarmgehstützen fortbewegen. Treppensteigen sei nur sehr eingeschränkt und unter schweren Schmerzen möglich.


Der grobe Behandlungsfehler sei in der fehlenden Befunderhebung zur notwendigen Größe der Prothese zu sehen und in dem Einsatz der zu großen Hüftprothese. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien kausal hierauf zurückzuführen und zumindest ab Überschreitung der 6-wöchigen Rekonvaleszenzdauer nach lege artis durchgeführter Operation dem Behandlungsfehler zuzuordnen. Ebenfalls sei der zweite operative Eingriff als Primärschaden der fehlerhaften Erstoperation zuzuordnen, denn ohne den Fehler wäre auch die zweite Operation nicht notwendig gewesen.


Im Aufklärungsgespräch sei nicht darüber informiert worden, dass das neue Gelenk gegebenenfalls nicht passe könnte. Die Klägerin habe darauf vertraut, dass alles seine Richtigkeit habe. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte sie sich in einem Entscheidungskonflikt befunden, jedenfalls hätte sie auf eine ordnungsgemäße Prothesenplanung bestanden.


Ob sich bei der zweiten Operation ein aufgeklärtes OP-Risiko verwirklicht habe oder auch hier ein Aufklärungsmangel vorliege, könne dahinstehen. Denn der Eingriff sei ausschließlich wegen des Einsatzes der zu großen Hüftprothese notwendig geworden.
Es sei nicht absehbar, ob sie ihren Beruf überhaupt weiter ausüben könne. Ein erheblicher Erwerbsschaden sei zu befürchten. Sie sei seit den streitgegenständlichen Operationen vom Schichtdienst und Wochenenddienst befreit. Sie dürfe keine Last mit einem Gewicht von mehr als 5 kg tragen. Auch könne sie sich nur noch an einem Arbeitsplatz aufhalten und nicht mehr an mehreren tätig sein, weil sie hinsichtlich der Mobilität stark eingeschränkt sei. Zudem sei sie in der Haushaltsführung stark eingeschränkt. Sämtliche Tätigkeiten, die Geh- oder Standsicherheit erforderten seien erschwert. Weiterhin seien psychologische Folgeschäden zu befürchten, weil sie mit der derzeitigen Situation und der daraus folgenden Existenzgefährdung stark überfordert sei. Jedenfalls könne nicht gesagt werden, ob sich ihr Zustand in einem "Worst-Case-Szenario" später einmal derart verschlechtere, dass sie sogar auf einen Rollstuhl angewiesen sei.


Die Klägerin hat daher die Ansicht vertreten, es sei ein Schmerzensgeld von mindestens 20.000,00 EUR angemessen. Daneben seien die Beklagten zum Ersatz der weiteren materiellen und immateriellen Schäden verpflichtet. Sie hat den Feststellungsantrag überschlägig mit einem Erwerbsschaden von 22.845,84 EUR, einem Haushaltsführungsschaden von 63.245,00 EUR und weiteren schadensbedingten Mehraufwendungen (Zuzahlungen, Fahrtkosten, etc) von 5.000,00 EUR beziffert.
Die Beklagten haben behauptet, dass die Behandlung der Klägerin lege artis durchgeführt worden sei. Die Klägerin sei ordnungsgemäß und individuell über ihren Befund und die Operationsrisiken aufgeklärt worden. Insbesondere sei sie hierbei auch über die Risiken des Verbleibens einer Beschwerdesymptomatik, einer Lockerung der Prothese sowie des Erfordernisses weiterer Operationen aufgeklärt worden.


Weiter berufen sich die Beklagten auf den Einwand der hypothetischen Einwilligung. Ausweislich des Aufklärungsbogens "Hüftgelenkendoprothese" sei die Klägerin über Risiken wie Lähmung, Nerven- und Gefäßverletzung, Lockerung und gegebenenfalls weitere Operation aufgeklärt worden. Nach dem Aufklärungsbogen "Transfusion vom Fremdblut oder Fremdblutbestandteilen" sei sie zudem über die Risiken Embolie, Schock, Sepsis und Tod aufgeklärt worden. Gleichwohl habe sie in Kenntnis dieser Risiken bis hin zum Tod in den Eingriff eingewilligt. Sie habe unter einer erheblichen Beschwerdesymptomatik gelitten und hätte daher dem Eingriff in jedem Fall zugestimmt.
Die Prothesenplanung sei unter Beachtung des individuellen vorliegenden Befundes sorgfältig erfolgt. Insbesondere sei die Größe der Prothese aus der allein maßgeblichen ex-ante-Sicht nicht fehlerhaft zu groß gewählt worden.


Die Operation selbst sei nach dem fachmedizinischen Standard durchgeführt worden.
Ein (bestrittener) Behandlungsfehler sei jedenfalls nicht kausal für die geltend gemachten Schäden. Eine Arbeitsunfähigkeit liege nicht vor. Aus der von der Klägerin vorgelegten Anlage K 10 gehe hervor, dass die behaupteten Einschränkungen der Klägerin zur Erwerbstätigkeit am 11.04.2017 zwar empfohlen worden seien, jedoch lediglich für einen Zeitraum für die nächsten drei Monate, also bis Anfang/Mitte Juli 2017. Eine dauerhafte Einschränkung gehe hieraus gerade nicht hervor. Der angeblich monatliche Erwerbsschaden werde insoweit bestritten. Im Übrigen müsse sich die Klägerin die diesbezüglich ersparten Aufwendungen anrechnen lassen, insbesondere ihre täglichen Fahrtkosten.


Das Landgericht hat die Klägerin angehört und Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens des Sachverständigen X sowie durch Vernehmung des Zeugen Z. Hierauf gestützt hat es die Klage abgewiesen.


Ein Behandlungsfehler sei nicht feststellbar. Die Hüftimplantation vom 19.01.2017 sei indiziert und Methode der Wahl gewesen. Bei der Klägerin habe eine erhebliche Hüftgelenksarthrose rechts bei vorbestehender Dysplasie der Hüfte vorgelegen. In Anbetracht dessen und ihres Lebensalters seien alternative Verfahren, wie eine Umstellungsoperation, nicht indiziert gewesen. Zudem habe ein nicht unerheblicher Leidensdruck bestanden. Aufgrund der fortgeschrittenen Hüftgelenksarthrose seien bereits zuvor Umstellungsoperationen erfolgt.


Für die Implantation vom 19.01.2017 habe auch eine präoperative Prothesenplanung vom 12.01.2017 vorgelegen. Es habe sich eine regelrechte Implantierbarkeit der geplanten Schaftkomponente gezeigt und eine ausreichende Verankerung habe möglich erschienen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Pfannenkomponente über den Pfannenboden in Richtung des kleinen Beckens minimal hinausrage. Dies spreche für eine ausreichende Stabilität der implantierten Pfanne.


Eine dreidimensionale Planung, mit der die Knochenstärke hätte festgestellt werden können, sei nicht medizinischer Standard und auch im vorliegenden Fall nicht notwendig gewesen. Der Operateur müsse über die Möglichkeiten einer solchen Planung nicht aufklären. Auf den zweidimensionalen Röntgenbildern ließe sich - genau wie bei einer dreidimensionalen Bildgebung - nicht feststellen, ob eine ausreichende Verankerung im konkreten Fall erreicht werden kann, da auf diesen nicht festgestellt werden könne, wie fest die Prothese sitze. Mit dem hier gewählten Press Fit Verfahren sei es jedoch möglich, die Pfanne tief in das Becken hinein zu stabilisieren. Der Operateur arbeite zunächst mit einer Probepfanne. Ergebe das Einschlagen dieser, dass eine genügende Stabilität nicht erreicht werden könne, sei es jederzeit möglich, auf eine Abstützpfanne mit Stützschale zu wechseln, die mit 6 mm Schrauben verankert werde. Da der Beklagte zu 1) einen solchen Umstieg nicht vorgenommen habe, sei davon auszugehen, dass dieser der Auffassung gewesen sei, dass die Pfanne im Press Fit Verfahren ausreichend stabil eingebracht werden konnte. Die Prüfung, ob das Press Fit Verfahren eine ausreichende Stabilität der Pfanne gewährleiste, werde im Operationsbericht nicht vermerkt.


Es sei auch nicht erforderlich gewesen, für die Klägerin eine Individualprothese anzufertigen, da dies nur bei einer extremen Dysplasie indiziert sei, welche hier nicht vorgelegen habe. Die Verwendung einer Individualpfanne wäre nur dann zu erwägen gewesen, wenn keine ausreichende Verankerung der Pfanne im Press Fit Verfahren oder mithilfe einer Abstützschale zu erreichen gewesen wären.


Es könne auch nicht festgestellt werden, dass die Pfanne bei der Erstoperation fehlerhaft zu groß gewählt werden sei. Bei der Pfanne handele es sich um die kleinste Größe im Pfannensystem. Auch aus der Tatsache, dass bei der Erstoperation eine Pfannengröße von 48 mm und bei der Revisionsoperation eine solche von 42 mm gewählt wurde, könnten keine Rückschlüsse daraus gezogen werden, dass die Pfanne ursprünglich zu groß gewählt worden sei. Bei der Revisionsoperation sei ein anderes Pfannensystem verwendet worden.


Die aufgehobene Kontinuität des Beckenrings sei damit zu erklären, dass sich beim Einschlagen der Pfanne höchstwahrscheinlich ein vom Operateur nicht bemerkter und auch unvermeidbarer Haarriss gebildet habe. Dieser habe sich nach Vollbelastung zu einer Fraktur ausgeweitet und durch die komplexe Fraktursituation im Bereich des Pfannenbodens zu einer aufgehobenen Kontinuität des Beckenringes geführt.
Bei der Schädigung des Nervus femoralis rechts und des Nervus gluteus superior rechts bei der Revisionsoperation vom 24.05.2017 handele es sich ebenfalls nicht um einen Behandlungsfehler, sondern um einen schicksalhaften Verlauf durch Verletzungen im Rahmen der Revisionsoperation. Bei Revisionseingriffen rund um die Hüftgelenkspfanne herum seien die beiden betroffenen Nerven in unmittelbarer anatomischer Lagebeziehung und daher auch gefährdet. Über dieses Risiko sei die Klägerin ausweislich der Dokumentation präoperativ aufgeklärt worden.


Zudem sei die Klägerin über die Risiken des Ersteingriffs umfangreich und ausreichend aufgeklärt worden. Sie habe selbst ausgeführt, dass der Beklagten zu 1) mit ihr mehrfach über die Risiken der Operation gesprochen habe. Zudem habe der Zeuge Z glaubhaft versichert, dass er den in der Dokumentation vorliegenden Bogen unterschrieben habe und diesen mit den Patienten durchgehe, insbesondere die markierten Teile und die handschriftlich hinzugefügten Risiken sowie die Grunderkrankungen, die ein erhöhtes Risiko nach sich zögen, bespreche. Dem stehe nicht entgegen, dass sich der Zeuge nicht mehr an die Person und das Gespräche erinnere, da dies aufgrund des Zeitablaufs in der Natur der Sache liege. Auch habe der Sachverständige ausgeführt, dass nicht zu beanstanden sei, ein erhöhtes Risiko aufgrund der Grunderkrankung allgemein zu erläutern.


Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren vollumfänglich weiter verfolgt.


Sie rügt, dass ihr eine beantragte Schriftsatzfrist nicht gewährt worden sei. Es habe in der mündlichen Verhandlung Umstände gegeben, die noch nicht Teil der Begutachtung gewesen seien, insbesondere die Person des Aufklärenden, des Zeugen Z. Dessen Kenntnis und Ausbildungsstand seien erst in der mündlichen Verhandlung offenbar geworden. Die Aufklärung müsse nach § 630e Abs. 2 Zif. 1 BGB durch den Behandler oder eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfüge. Sowohl der Beklagte zu 1) als auch der Sachverständige hätten eine schwierige Operation bzw. Situation beschrieben. Der Zeuge habe zum Zeitpunkt der ersten Operation gerade erst angefangen, als Arzt in Deutschland zu arbeiten und zuvor als Arzt in Syrien gearbeitet. Er sei höchstens zwei Wochen vorher nach Deutschland gekommen. Er habe daher nicht über die für die Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt, so dass eine Delegation nicht zulässig gewesen sei. Zudem habe er aufgrund nicht ausreichender Sprachkenntnisse den Inhalt nicht hinreichend kommunizieren können. Diese Umstände seien im Urteil nicht erwähnt worden.


Auch sei die Aufklärung inhaltlich fehlerhaft. Die Risiken seien nicht ausreichend kommuniziert worden. Es bestehe eine ganz erhebliche Wahrscheinlichkeit für nachhaltige Beschwerden aufgrund der Vorerkrankung in Form einer Dysplasie. Auf die Quote einer schweren Nebenfolge von 50 % hätte hingewiesen werden müssen. Bei Kenntnis der Quote wäre sie in einen erheblichen Entscheidungskonflikt geraten und hätte sich eine zweite Meinung eingeholt.


Die Klägerin beantragt,


das Urteil des Landgerichts abzuändern und


1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 20.000,00 EUR zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.05.2018,


2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, die Klägerin i.H.v. 2.976,79 EUR von der Gebührenrechnung ihres Prozessbevollmächtigten für dessen außergerichtliche Tätigkeit freizustellen,


3. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen aus Anlass der Hüft-TEP Implantation rechts vom 19.01.2017 und des Pfannenwechsels rechts vom 24.05.2018, sowie solche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, die aus einer heute nicht absehbaren Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin folgen und die auf der streitgegenständlichen Handlung der Beklagten beruhen, zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.


Die Beklagten beantragen,


die Berufung zurückzuweisen.


Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung. Behandlungsfehler seien nicht feststellbar. Auch sei die Klägerin ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Hierzu behaupten sie, der Zeuge Z habe zwei Wochen vor der streitgegenständlichen Operation seine Stelle als Arzt in Weiterbildung in der Klinik der Beklagten zu 2) angetreten, sei aber bereits zuvor nach Deutschland gekommen und habe fast ein Jahr lang mehrere Praktika absolviert. Auch sei eine Anerkennung des ausländischen Studienabschlusses notwendig, um als Arzt in Deutschland arbeiten zu können, weshalb der Zeuge ein aufwendiges Verfahren habe durchlaufen müssen. Hierzu habe er eine Fachsprachprüfung auf dem Niveau C1 GER bestehen müssen.


Der Senat hat die Klägerin, den Beklagten zu 1) und den Sachverständigen X persönlich angehört, der sein Gutachten mündlich erläutert und ergänzt hat, sowie den Zeuge Z vernommen. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 01.03.2022 und 20.12.2022 sowie die Berichterstattervermerke vom jeweils selben Tag verwiesen.


Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung und die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.


1.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes nach den §§ 630a, 280, 823, 831, 253 Abs. 2, 421 BGB in Höhe von 20.000,00 EUR.


Der Senat stützt sich dabei aus den nachfolgenden Gründen auf die Begutachtung durch den gerichtlichen Sachverständigen X und seine Ausführungen bei seiner Anhörung vor dem Senat. Der Sachverständige hat sich im Rahmen des Gutachtens dezidiert mit dem zu begutachtenden Sachverhalt auseinandergesetzt. Er hat auch im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat seine Feststellungen und fachlichen Beurteilungen unter Berücksichtigung sämtlicher Befunde und Behandlungsunterlagen überzeugend vertreten. An der Kompetenz und Sachkunde des Sachverständigen bestehen keine Zweifel. Er vermochte Nachfragen und Vorbehalte jederzeit plausibel zu beantworten.


a) 
Zunächst kann nach der Beweisaufnahme - wie bereits durch das Landgericht - auch durch den Senat nicht festgestellt werden, dass die Klägerin durch die Beklagten als solches fehlerhaft behandelt worden ist. Der Sachverständige hat bei seiner persönlichen Anhörung im Senatstermin insoweit keine Standardabweichung festgestellt. Er hat ausgeführt, dass die Indikation zur Operation vorgelegen habe und die präoperative Prothesenplanung nicht zu beanstanden sei, insbesondere auch nicht die Tatsache, dass vorher nur zweidimensionale Aufnahmen gemacht wurden. Eine dreidimensionale Planung, mit der die Knochenstärke hätte festgestellt werden können, sei nicht medizinischer Standard und vorliegend nicht notwendig gewesen. Es sei ebenfalls nicht erforderlich gewesen, für die Klägerin eine Individualprothese anzufertigen. Auch das gewählte Press Fit Verfahren entspreche dem Standard. Zudem sei die Pfanne bei der Erstoperation nicht fehlerhaft zu groß gewählt worden. Aus der Tatsache, dass bei der Revisionsoperation eine kleinere Pfanne gewählt wurde, könnten insoweit keine Rückschlüsse gezogen werden, da bei dieser ein anderes Pfannensystem verwendet worden sei als bei der Primärendoprothese. Zudem hätten - u.a. durch den eingebrachten Zement - bei der Revisionsoperation andere Voraussetzungen vorlegen.


b) 
Der Eingriff vom 19.01.2017 war jedoch rechtswidrig, weil er nicht von einer wirksamen Einwilligungserklärung der Klägerin gedeckt war.


Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme haben die Beklagten den ihnen obliegenden Beweis, dass die Klägerin vor dem streitgegenständlichen Eingriff in ausreichender Weise über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt worden ist, nicht geführt. Es steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Zeuge Z auf die erhöhten individuellen Risiken der Klägerin hingewiesen hat.
Ist zwischen den Parteien der Umfang der Aufklärung streitig, also ob über ein bestimmtes, vom Patienten vorzutragendes Risiko aufgeklärt worden ist, ist auf Grund des Rechtswidrigkeitskonzepts gemäß § 630h Abs. 1 S. 1 BGB der Behandlungsseite abzuverlangen, diese Behauptung des Patienten zu widerlegen und die Vollständigkeit der Aufklärung zu beweisen. Dabei ist die Existenz einer unterschriebenen Einwilligungserklärung des Patienten (nur) ein Indiz dafür, dass vor der Unterzeichnung überhaupt ein Aufklärungsgespräch über die Operation und deren mögliche Folgen geführt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 22.5.2001 - VI ZR 268/00, NJW-RR 2001, 1431, 1432).


Zwar ist vorliegend unstreitig, dass der Zeuge Z am 18.01.2017 mit der Klägerin ein Aufklärungsgespräch geführt hat und hierbei im Aufklärungsbogen, auf dem mögliche Komplikationen vermerkt sind, zahlreiche handschriftliche Eintragungen vorgenommen hat (u.a. auf Seite 5 "Verletzung der Nerven, Gefäßen und Weichteile, Lockerung, Knochenbruch, ggf. weitere Operationen, Beinlängendifferenz, Muskeldifferenz"). Auch findet sich auf Seite 1 der handschriftliche Hinweis auf die bei der Klägerin bestehende "Hüftdysplasie re".


Der Sachverständige hat insoweit jedoch ausgeführt, es habe hier - neben den im Aufklärungsbogen genannten Risiken - auch erörtert werden müssen, dass es aufgrund der vorliegenden Dysplasie postoperativ im Vergleich zu einer normalen Hüftendoproblematik zu vermehrten Beschwerden kommen könne. Insbesondere müsse hierbei erwähnt werden, dass es Probleme beim Einwachsen der Pfanne geben und sich auch die Beinlänge und der Weichteilmantel ändern können und es daher zu nicht unerheblichen Muskulären Problemen kommen könne. Zur Person des Aufklärenden hat der Sachverstände erläutert, dass dieser nicht unbedingt Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sein müsse. Der aufklärende Arzt müsse aber in der Lage sein, die Risiken zu vermitteln, was der Fall sei, wenn er schon bei entsprechenden Operationen mitgewirkt habe. Vorliegend handele es sich nicht um eine Standardaufklärung, sondern der Eingriff sei vielmehr geprägt von hohen Komplikationen, worauf hinzuweisen sei. Es handele sich um die anspruchsvollste Operation in der Primärimplantation.
Soweit der Sachverständige darüber hinaus ausgeführt hat, er hätte die Aufklärung deshalb selbst durchgeführt, ist nach Auffassung des Senat jedoch nicht zu fordern, dass die Aufklärung vorliegend allein durch den Beklagten zu 1) selbst hätte durchgeführt werden müssen. Es ist zulässig und im Klinikalltag grundsätzlich üblich, dass die Aufklärung nicht immer von dem Operateur selbst vorgenommen, sondern auf Mitarbeiter delegiert wird, wobei dieser Praxis grundsätzlich keinen Bedenken begegnen, sofern die Aufklärung von einem Arzt durchgeführt wird, der die Risiken des Eingriffs hinreichend kennt (vgl. MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 630e Rn. 41).
Der Senat vermag hier jedoch weder festzustellen, dass der Zeuge Z auf die erhöhten individuellen Risiken der Klägerin hingewiesen hat, noch dass ihm diese aufgrund seines Kenntnis- und Ausbildungsstandes überhaupt hinreichend bekannt waren.


Aus den im Aufklärungsbogen genannten handschriftlichen Risiken ergibt sich zwar, dass u.a. auf die Risiken von Beinlängen- und Muskeldifferenz hingewiesen worden ist, nicht jedoch, dass es aufgrund der vorliegenden Dysplasie postoperativ im Vergleich zu einer normalen Hüftendoproblematik zu vermehrten Beschwerden kommen könne und es aufgrund der individuellen Vorerkrankung insbesondere Probleme beim Einwachsen der Pfanne geben kann. Auch auf einer anderen Seite als die Risiken vermerkte bloße Hinweise auf eine bestehende "Hüftdysplasie re" genügt insoweit nicht, um von einer Erörterung im vorschrieben beschriebenen Umfang auszugehen.


Auch unter Berücksichtigung der Aussage des Zeuge Z lässt sich dies nicht feststellen. Der Zeuge hat bei seiner Vernehmung vor dem Senat zunächst seine Angaben gegenüber dem Landgericht bestätigt, dass er keine konkreten Erinnerungen mehr an die Aufklärung habe. Soweit er im Folgenden angegeben hat, dass er "meine auch über das erhöhte Risiko aufgrund der Dysplasie aufgeklärt" zu haben, genügt dies nicht für die Überzeugungsbildung des Senats gemäß § 286 ZPO, dass diese Aufklärung tatsächlich so erfolgt ist. Zwar ist nicht zu verkennen, dass an den vom Arzt zu führenden Nachweis der ordnungsgemäßen Aufklärung keine unbilligen oder übertriebenen Anforderungen zu stellen sind, so dass das Gericht seine Überzeugungsbildung auf die Angaben des Arztes stützen darf, wenn seine Darstellung in sich schlüssig und "einiger" Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht ist, sogar dann, wenn der Arzt keine Erinnerung mehr an das Aufklärungsgespräch hat (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2014, Az. VI ZR 143/13, Rn. 13). Vorliegend ist jedoch kein ausreichender Beweis erbracht. Der Zeuge vermochte sich nicht konkret an den entsprechenden Hinweis auf das erhöhte individuelle Risiko zu erinnern. In Anbetracht seines damaligen Kenntnis- und Ausbildungsstandes kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass er "immer so" vorgegangen ist.


Es steht bereits nicht fest, dass ihm diese Risiken überhaupt hinreichend bekannt waren. Der Zeuge ist - ausweislich seiner glaubhaften Angaben im Rahmen seiner Vernehmung durch den Senat - im Februar 2016 nach Deutschland gekommen, hat im Juni 2016 als Hospitant bei der Beklagten zu 2) angefangen und hat ab Januar 2017 dort als Assistenzarzt gearbeitet. Mithin hat er zum Zeitpunkt des Aufklärungsgespräches am 18.01.2017 erst seit nicht einmal 3 Wochen als Assistenzarzt im Hause der Beklagten zu 2) gearbeitet. Zudem hat er eingeräumt vor der streitgegenständlichen Aufklärung noch an keiner Operation dieser Art mitgewirkt zu haben, auch nicht in Syrien, wo er im Bereich HNO-, Gesichts- und Halschirurgie tätig war. Eine entsprechende Mitwirkung an einer solchen Operation wäre nach den Feststellungen des Sachverständigen zur ausreichenden Kenntnis der Risiken und Hintergründe jedoch erforderlich gewesen.


c) 
Die Beklagten können sich auch nicht auf eine hypothetische Einwilligung berufen, da sie den entsprechenden Beweis hierfür nicht erbracht haben.


Der Behandelnde kann sich, wenn die Aufklärung nicht den an sie zu stellenden Anforderungen genügt, nach der ständigen Rechtsprechung des BGH darauf berufen, dass der Patient auch im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahmen eingewilligt hätte (sogenannte "hypothetische Einwilligung"). An einen dahingehenden Nachweis sind aber strenge Anforderungen zu stellen, damit nicht auf diesem Weg der Aufklärungsanspruch des Patienten unterlaufen wird. Die Beweislast trifft dabei den sich auf eine solche hypothetische Einwilligung berufenden Arzt dann, wenn der Patient zur Überzeugung des Tatrichters plausibel macht, dass er - wäre er ordnungsgemäß aufgeklärt worden - vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte, wobei an die Substantiierungspflicht des Patienten keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Vom Patienten nicht zu verlangen ist hingegen, dass er - darüber hinausgehend - plausibel macht, er hätte sich im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung auch tatsächlich gegen die durchgeführte Maßnahme entschieden (BGH, Urteil vom 7.12.2021, VI ZR 277/19, Rn. 10, juris, m.w.N.).


Gemessen daran hat die Klägerin einen echten Entscheidungskonflikt plausibel dargelegt. Die Klägerin hat bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat glaubhaft angegeben, dass sie sich bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung über sämtliche Risiken den Eingriff noch einmal überlegt hätte und eine weitere Meinung von einem anderen Arzt eingeholt hätte. Hiermit hat sie zur Überzeugung des Senats plausibel gemacht, dass sie - wenn sie ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre - vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte. Soweit die Beklagten darauf verweisen, dass die Klägerin in Kenntnis der Risiken wie Lähmung, Nerven- und Gefäßverletzung, Lockerung und ggf. einer weiteren Operation sowie in Kenntnis der Risiken Embolie, Schock, Sepsis und Tod in den Eingriff eingewilligt habe und sie zudem unter einer erheblichen Beschwerdesymptomatik gelitten habe, genügt dies nicht, um den strengen Nachweis der hypothetischen Einwilligung zu führen.


d) 
Aufgrund der Rechtswidrigkeit des Eingriff vom 19.01.2017, hält der Senat unter Berücksichtigung aller haftungsrelevanten Umstände gemäß § 253 Abs. 2 ZPO ein Schmerzensgeld von 20.000,00 EUR für angemessen, aber auch ausreichend.
Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgelds sind im Wesentlichen die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingte Leiden, dessen Dauer, das Ausmaß der Wahrnehmung der Beeinträchtigung durch den Verletzten und der Grad des Verschuldens des Schädigers. Dabei geht es nicht um eine isolierte Schau auf einzelne Umstände des Falls, sondern um eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls. Diese hat der Tatrichter zunächst sämtlich in den Blick zu nehmen, dann die fallprägenden Umstände zu bestimmen und diese im Verhältnis zueinander zu gewichten. Dabei sind in erster Linie die Höhe und das Maß der entstandenen Lebensbeeinträchtigung zu berücksichtigen; hier liegt das Schwergewicht. Auf der Grundlage dieser Gesamtbetrachtung ist eine einheitliche Entschädigung für das sich insgesamt darbietende Schadensbild festzusetzen (BGH, Urteil vom 22.03.2022 - VI ZR 16/21, NJW 2022, 1957 m.w.N.).


Der Senat hat in Anwendung dieser Grundsätze bei der Bemessung des Schmerzensgelds insbesondere die zusätzlich über die Grunderkrankung hinaus erlittenen Schmerzen und die Notwendigkeit der Revisionsoperation sowie die neurologische Ausfallsymptomatik am rechten Bein nach dieser zweiten Operation berücksichtigt. Denn ohne den rechtswidrigen Primäreingriff wäre auch die zweite Operation nicht notwendig gewesen. Bei der Bemessung hat der Senat auch berücksichtigt, dass die Klägerin - wenn auch zu einen anderem Zeitpunkt - die Primäroperation hätte durchführen lassen.


2.
Die Klägerin hat weiterhin einen Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche materiellen und derzeit nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aus Anlass der Hüft-TEP-Implantation rechts vom 19.01.2017 und des Pfannenwechsels rechts vom 24.05.2018.


Eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz bereits eingetretener und künftiger Schäden ist zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht. Ein Feststellungsinteresse (§ 276 Abs. 1 ZPO) ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund gegeben ist, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen ist. Ein zulässiger Feststellungsantrag ist begründet, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen künftigen Schäden führen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 09.01.2007, VI ZR 133/06 NJW-RR 2007, 601).


Nach diesen Grundsätzen war der Feststellungsantrag zulässig und begründet. Weitere Beeinträchtigungen der Klägerin sind nicht auszuschließen, insbesondere auch nicht die Erforderlichkeit einer weiteren Revisionsoperation. Zudem leidet sie - wie die Klägern bei ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat glaubhaft geschildert hat - noch immer unter Schmerzen und es bestehen fortwährend berufliche Einschränkungen, da die Klägerin nur noch eingeschränkt Lasten tragen kann und hinsichtlich der Mobilität weiter stark eingeschränkt ist. Auch ist sie bei Tätigkeiten im Rahmen der Haushaltsführung beschränkt. Die Einschränkung betrifft sämtliche Tätigkeiten, die Geh- oder Standsicherheit erfordern.


3.
Der Anspruch auf Freistellung folgt hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten aus §§ 280, 286, 257 BGB und bezüglich der Zinsforderung aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.


III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.


Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.


Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert.


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