Beschlusstext
Tenor
Ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt handelt bei der Wahrnehmung der ihm in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben (§ 73 Abs. 2 SGB V, hier: Verordnung von Arzneimitteln) weder als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB noch als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB.
Gründe
I.
1.
In dem beim 5. Strafsenat anhängigen Verfahren hat das Landgericht die Angeklagte, eine für die „r. “ GmbH (im Folgenden: R. ) tätige Pharmareferentin, wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr in 16 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt. Diese Verurteilung wird von der Angeklagten mit der Revision umfassend angefochten.
a)
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen praktizierte R. seit spätestens 1997 unter der Bezeichnung „Verordnungsmanagement“ ein Prämiensystem für die ärztliche Verordnung von Medikamenten aus ihrem Vertrieb. Danach sollte der verschreibende Arzt 5 % der Herstellerabgabepreise als Prämie dafür erhalten, dass er Arzneimittel des Unternehmens verordnete. Die Zahlungen wurden als Honorar für fiktive wissenschaftliche Vorträge ausgewiesen. Auf der Grundlage dieses Prämiensystems übergab die Angeklagte in insgesamt 16 Fällen verschiedenen Vertragsärzten Schecks über einen Gesamtbetrag von etwa 18.000 Euro.
b)
Das Landgericht, dessen Urteil in GesR 2011, 164 (m. Anm. Geis, GesR 2011, 641) abgedruckt ist, hat das Verhalten der Angeklagten als Bestechung im geschäftlichen Verkehr im Sinne von § 299 Abs. 2 StGB gewertet, wobei es hinsichtlich jeder einzelnen Scheckzahlung von jeweils einer Bestechungstat im materiellen Sinne ausgegangen ist. Eine Strafbarkeit nach § 334 StGB hat es verneint, weil die Vertragsärzte nicht als Amtsträger angesehen werden könnten. Diese seien nicht zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bestellt und würden wegen ihrer Eigenverantwortung und ihrer weitreichenden Entscheidungsbefugnisse auch von der Allgemeinheit nicht als verlängerter Arm der Verwaltung wahrgenommen. Die Vertragsärzte seien jedoch Beauftragte der Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB. Ungeachtet ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform seien die Krankenkassen insoweit als „geschäftliche Betriebe“ anzusehen.
2.
Auf die Revision der Angeklagten hat der 5. Strafsenat dem Großen Senat für Strafsachen die Frage vorgelegt, ob ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt Amtsträger im Sinne der Straftaten im Amt (§§ 331 ff. StGB) ist, wenn er im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung von Kassenpatienten tätig wird und diesen Medikamente verordnet. Hilfsweise für den Fall der Verneinung dieser Frage hat der Senat angefragt, ob ein solcher Arzt in diesen Fällen Beauftragter eines geschäftlichen Betriebs im geschäftlichen Verkehr im Sinne des § 299 StGB ist. Die Frage der Amtsträgereigenschaft des Vertragsarztes stelle sich in einer Vielzahl von Fällen. Höchstrichterliche Entscheidungen dazu gebe es bisher nicht.
Der 5. Strafsenat hat sich damit dem 3. Strafsenat angeschlossen, der dem Großen Senat dieselbe Rechtsfrage, bezogen auf die vertragsärztliche Verordnung von Hilfsmitteln, vorgelegt hat. Die Entscheidung darüber hat der Große Senat für Strafsachen einstweilen zurückgestellt.
3.
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Vorlegungsfrage dahingehend zu beantworten, dass ein Arzt zwar nicht als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB, aber als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB handelt, wenn er als niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt in Wahrnehmung der ihm in diesem Rahmen nach § 73 Abs. 2 SGB V übertragenen Aufgaben Arzneimittel verordnet.
II.
Die Vorlegung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässig (§ 132 Abs. 4 GVG). Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die gestellte Frage wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich.
III.
Der niedergelassene, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassene Arzt handelt bei der Verordnung von Arzneimitteln nicht als ein für die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bestellter Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB.
1.
Allerdings zählen die gesetzlichen Krankenkassen zu den in dieser Vorschrift genannten Einrichtungen.
a)
Für den Bereich des Sozialversicherungsrechts definiert § 1 Abs. 2 SGB X Behörde – ebenso wie § 1 Abs. 4 VwVfG, § 6 Abs. 1 AO – als jede Stelle, die Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnimmt. Mit diesem Behördenbegriff des Staats- und Verwaltungsrechts ist der strafrechtliche Begriff der Behörde jedoch nicht deckungsgleich; für diesen kommt es maßgeblich auf den Zweck der im jeweiligen Einzelfall anzuwendenden strafrechtlichen Vorschrift an (vgl. MünchKommStGB/Radtke, § 11 Rn. 96; LK-StGB/Hilgendorf, 12. Aufl., § 11 Rn. 93). Der durch das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl I S. 469) eingefügte Zusatz „sonstige Stelle“ erfasst – über den engeren Behördenbegriff im organisatorischen Sinne hinaus – unter Einschluss der Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts auch andere Einrichtungen, soweit diese zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung berufen sind (BTDrucks. 7/550, S. 209). Der Bundesgerichtshof sieht in ständiger Rechtsprechung eine sonstige Stelle als behördenähnliche Einrichtung an, die rechtlich befugt ist, bei der Ausführung von Gesetzen und bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken, ohne selbst Behörde im verwaltungsrechtlichen Sinne zu sein (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 376; Urteil vom 19. Juni 2008 – 3 StR 490/07, BGHSt 52, 290, 293; Urteil vom 9. Juli 2009 – 5 StR 263/08, BGHSt 54, 39, 41). Mag die Organisationsform der betreffenden Stelle schon wegen der durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997 (BGBl I S. 2038) vorgenommenen Ergänzung des Amtsträgerbegriffs („unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform“) im Regelfall keine entscheidende Bedeutung mehr haben, so kommt ihr doch weiterhin indizielle Bedeutung zu, wenn im Einzelfall eine Körperschaft des öffentlichen Rechts in Rede steht (BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 aaO).
b)
Gemessen daran sind die gesetzlichen Krankenkassen jedenfalls sonstige Stellen der öffentlichen Verwaltung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB.
Dabei ergibt sich der spezifisch öffentlich-rechtliche Bezug, der eine Gleichstellung ihrer Tätigkeit mit behördlichem Handeln rechtfertigt, aus den gesetzlich vorgegebenen Verbandsstrukturen auf Landes- und Bundesebene (§§ 207 ff. SGB V), der Gesetzesbindung der Krankenkassen sowie aus dem Umstand, dass sie bei ihrer Aufgabenerfüllung staatlicher Rechtsaufsicht unterliegen (§§ 87, 90 SGB IV; § 195 Abs. 1 SGB V). Indem sie auf der Grundlage des für sie in den §§ 1, 2 SGB V formulierten gesetzlichen Auftrags als solidarische und eigenverantwortliche Krankenversicherung ihren beitragspflichtigen Pflichtmitgliedern (vgl. §§ 5 ff., 226 SGB V) Leistungen zur Verfügung stellen, nehmen sie – in mittelbarer Staatsverwaltung (BVerfG, Beschluss vom 9. April 1975 – 2 BvR 879/73, BVerfGE 39, 302, 313; Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, 76. Lfg., § 29 SGB IV Rn. 11) – Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr.
c)
Die im geltenden Recht der gesetzlichen Krankenversicherung vorhandenen wettbewerblichen Elemente, etwa das dem gesetzlich Versicherten gemäß § 173 SGB V zustehende Recht der Wahl der Krankenkasse, sind nicht geeignet, dieses Auslegungsergebnis in Frage zu stellen. Das Handeln der Krankenkassen wird trotz des zwischen ihnen bestehenden Konkurrenzverhältnisses und der vom Gesetzgeber zur Sicherung der Beitragssatzstabilität eingeführten Mechanismen insgesamt nach wie vor von sozialversicherungsrechtlichen, den Interessen der Allgemeinheit dienenden Normen beherrscht. Diese bilden ein Sonderrecht, dem die gesetzlichen Kassen als Träger öffentlicher Aufgaben unterworfen sind.
2.
Die Vertragsärzte sind jedoch nicht dazu bestellt, im Auftrag der gesetzlichen Krankenkassen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen.
a)
Zwar steht außer Frage, dass das System der gesetzlichen Krankenversicherung als Ganzes eine aus dem Sozialstaatsgrundsatz des Art. 20 Abs. 1 GG folgende Aufgabe erfüllt, durch deren Wahrnehmung in hohem Maße Interessen nicht allein der einzelnen Versicherten, sondern der Allgemeinheit wahrgenommen werden. Auch wenn die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung letztlich den jeweils Versicherten zukommen und das System insgesamt die gesetzliche Aufgabe hat, "die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern" (§ 1 SGB V), stehen bei der Ausgestaltung des Systems die Gesichtspunkte der solidarischen Finanzierung (§ 3 SGB V), der (eingeschränkten) Zwangs-Mitgliedschaft der Versicherten (§§ 5 ff. SGB V) sowie der Erfüllung allgemeiner gesundheitspolitischer Anliegen (vgl. etwa §§ 20 ff. SGB V) im Vordergrund. So bestimmt etwa § 1 SGB V, dass die Krankenkassen auf gesunde Lebensverhältnisse hinzuwirken haben; die vertragsärztliche Versorgung ist den Zielen der Qualität, Humanität, Wirtschaftlichkeit und Beitragssatzstabilität verpflichtet (§§ 70, 71 SGB V). Das Vertragsarztsystem der gesetzlichen Krankenversicherung ist darauf ausgerichtet, eine flächendeckende, gleichmäßige, an allgemeinen Qualitätsstandards und solidarischen Wirtschaftlichkeits-Gesichtspunkten ausgerichtete Versorgung der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik mit Leistungen der Heil- und Gesundheitsfürsorge sicherzustellen. Dies ist unzweifelhaft eine öffentliche Aufgabe.
b)
Jedoch ist das in den §§ 72 ff. SGB V geregelte System der vertragsärztlichen Versorgung so ausgestaltet, dass der einzelne Vertragsarzt keine Aufgabe öffentlicher Verwaltung wahrnimmt.
Öffentliche Verwaltung im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB ist nicht allein die Gesamtheit der von Hoheitsträgern ausgeübten Eingriffs- und Leistungsverwaltung; vielmehr sind auch Mischformen sowie die Tätigkeit von Privatrechtssubjekten erfasst, wenn diese wie ein "verlängerter Arm" hoheitlicher Gewalt tätig werden (BGH, Urteile vom 19. Dezember 1997 – 2 StR 521/97, BGHSt 43, 370, 377; vom 3. März 1999 – 2 StR 437/98, BGHSt 45, 16, 19; vom 15. März 2001 – 5 StR 454/00, BGHSt 46, 310, 312; vom 16. Juli 2004 – 2 StR 486/03, BGHSt 49, 214, 219; vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, BGHSt 50, 299, 303; vom 27. November 2009 – 2 StR 104/09, BGHSt 54, 202, 212; vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 11 Rn. 22a mwN). Für die Zuordnung der Tätigkeit von Privaten zum Bereich öffentlicher Verwaltung kommt es darauf an, dass der Ausführende dem Bürger nicht auf der Ebene vertraglicher Gleichordnung mit der grundsätzlichen Möglichkeit individueller Aushandlung des Verhältnisses entgegentritt, sondern quasi als ausführendes Organ hoheitlicher Gewalt. Es fehlt Rechtbeziehungen im Rahmen öffentlicher Verwaltung daher typischerweise ein bestimmendes Element individuell begründeten Vertrauens, der Gleichordnung und der Gestaltungsfreiheit.
Letztlich beruht die Bestimmung des Begriffs der Wahrnehmung von Aufgaben öffentlicher Verwaltung im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB auf einer wertenden Abgrenzung. Dies gilt insbesondere in Bereichen, die nicht zur unmittelbaren staatlichen Verwaltung zählen. Zu prüfen ist jeweils, ob der Tätigkeit der betreffenden Person im Verhältnis zum Bürger der Charakter – wenn auch nur mittelbar – eines hoheitlichen Eingriffs zukommt oder ob das persönliche Verhältnis zwischen den Beteiligten so im Vordergrund steht, dass ein hoheitlicher Charakter der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dahinter zurücktritt. Letzteres ist nach Ansicht des Großen Senats im Verhältnis zwischen Vertragsarzt und Patient der Fall.
aa)
Die Vertragsärzte üben Ihren Beruf in freiberuflicher Tätigkeit aus (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG), auch wenn die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung zur Teilnahme an dieser Versorgung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet (§ 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Der Vertragsarzt ist nicht Angestellter oder bloßer Funktionsträger einer öffentlichen Behörde; er wird im konkreten Fall nicht aufgrund einer in eine hierarchische Struktur integrierten Dienststellung tätig, sondern aufgrund der individuellen, freien Auswahl der versicherten Person. Er nimmt damit eine im Konzept der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehene, speziell ausgestaltete Zwischenposition ein, die ihn von dem in einem öffentlichen Krankenhaus angestellten Arzt, aber auch von solchen Ärzten unterscheidet, die in einem staatlichen System ambulanter Heilfürsorge nach dem Modell eines Poliklinik-Systems tätig sind.
bb)
Das Verhältnis des Versicherten zum Vertragsarzt wird wesentlich bestimmt von Elementen persönlichen Vertrauens und einer der Bestimmung durch die Krankenkassen entzogenen Gestaltungsfreiheit: Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V können die Versicherten unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten (und anderen Leistungserbringern) frei wählen. Sowohl der Gegenstand als auch die Form und die Dauer der Behandlung sind einem bestimmenden Einfluss der Krankenkasse entzogen und ergeben sich allein in dem jeweiligen persönlich geprägten Verhältnis zwischen Patient und Vertragsarzt. In diesem Verhältnis steht der Gesichtspunkt der individuell geprägten, auf Vertrauen sowie freier Auswahl und Gestaltung beruhenden persönlichen Beziehung in einem solchen Maß im Vordergrund, dass weder aus der subjektiven Sicht der Beteiligten noch nach objektiven Gesichtspunkten die Einbindung des Vertragsarztes in das System öffentlicher, staatlich gelenkter Daseinsfürsorge überwiegt und die vertragsärztliche Tätigkeit den Charakter einer hoheitlich gesteuerten Verwaltungsausübung gewinnt.
cc)
Auch die Regelungen über die Ausstellung einer vertragsärztlichen Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln rechtfertigen nicht die Annahme, der Vertragsarzt handle insoweit in Ausführung öffentlicher Verwaltung. Die Verordnung konkretisiert zwar die gesetzlichen Leistungsansprüche der Versicherten auf Sachleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V); sie ist aber untrennbarer Bestandteil der ärztlichen Behandlung und vollzieht sich innerhalb des personal geprägten Vertrauensverhältnisses zwischen der versicherten Person und dem von ihr gewählten Vertragsarzt; sie ist vom Arzt an seiner aus § 1 BÄO folgenden Verpflichtung auszurichten, ohne dass die gesetzliche Krankenkasse hierauf einwirken könnte (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 1993 – 4 RK 5/92, BSGE 73, 271, 282).
c)
Dass der Vertragsarzt keine Aufgabe öffentlicher Verwaltung wahrnimmt, entspricht im Übrigen auch der zivilrechtlichen Betrachtungsweise. Der Bundesgerichtshof hat in Zivilsachen mehrfach hervorgehoben, dass – von wenigen Ausnahmen abgesehen – die ärztliche Heilbehandlung ihrem Grundgedanken nach mit der Ausübung eines öffentlichen Amts unvereinbar sei. Zwischen dem Vertragsarzt und dem Patienten kommt ein zivilrechtliches Behandlungsverhältnis zustande. Im Fall der Schlechterfüllung des Behandlungsvertrags haftet der Arzt nicht nach Amtshaftungsgrundsätzen (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1960 – III ZR 185/60, VersR 1961, 225, 226; Urteil vom 9. Dezember 1974 – III ZR 131/72, BGHZ 63, 265, 270; Urteil vom 28. Juni 1994 – VI ZR 153/93, BGHZ 126, 297, 301 f.; vgl. auch Geigel, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 14 Rn. 211; Kap. 28 Rn. 130). Dass dieses bürgerlich-rechtliche Rechtsverhältnis von den Vorschriften des Sozialversicherungsrechts überlagert wird, ändert daran nichts.
d)
Da es der vertragsärztlichen Tätigkeit in ihrer konkreten Gestalt und Ausprägung somit – unbeschadet des Umstands, dass das Vertragsarztsystem insgesamt eine öffentliche Aufgabe erfüllt – schon am Charakter der Wahrnehmung einer Aufgabe öffentlicher Verwaltung mangelt, kommt es auf die Frage einer formellen oder konkludenten „Bestellung“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB nicht entscheidend an. Insoweit ist nur ergänzend auszuführen:
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt eine Bestellung im Sinne der genannten Vorschrift keinen förmlichen Bestellungsakt voraus (BGH, Urteile vom 15. Mai 1997 – 1 StR 233/96, BGHSt 43, 96, 102 f.; vom 9. Juli 2009 – 5 StR 263/08, BGHSt 54, 39, 43). Die Zulassung eines Arztes zur vertragsärztlichen Versorgung (§ 95 SGB V) ist aber schon deshalb keine Bestellung im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB, weil es insoweit an einer der Krankenkasse unmittelbar zurechenbaren Entscheidung fehlt (vgl. § 96 Abs. 1, 2 SGB V). Im Übrigen kann nicht jede Zulassung oder Hinzuziehung zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben als Bestellung angesehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 21. August 1996 – 2 StR 234/96, BGHSt 42, 230, 232); vielmehr kann der Begriff nur mit Blick auf den Charakter der Aufgabe bestimmt werden, zu deren Erfüllung die Privatperson herangezogen wird.
IV.
Der gemäß § 95 SGB V zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Arzt handelt bei der Verordnung von Medikamenten auch nicht als Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes (§ 299 Abs. 1 StGB).
1.
Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob eine gesetzliche Krankenkasse die Merkmale eines geschäftlichen Betriebes im Sinne von § 299 Abs. 1 StGB erfüllt, bislang noch nicht entschieden (vgl. aber – bejahend zu § 12 UWG – RG, Urteil vom 16. April 1935 – 4 D 1189/34, JW 1935, 1861 für eine Allgemeine Ortskrankenkasse). Dafür spricht, dass der geschäftliche Betrieb zwar daraufhin angelegt sein muss, dauerhaft am Wirtschaftsleben teilzunehmen, im Unterschied zum Gewerbebetrieb aber nicht darauf, Gewinn zu erzielen (BGH, Urteil vom 13. Mai 1952 – 1 StR 670/51, BGHSt 2, 396, 401 f. zu § 12 UWG). Deshalb können grundsätzlich zum Kreis der geschäftlichen Betriebe neben gemeinnützigen und sozialen Einrichtungen auch – unabhängig von ihrer Organisationsform und davon, ob sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen – staatliche Stellen zählen, sofern sie durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung am Wirtschaftsleben teilnehmen (BGH, Urteil vom 13. Mai 1952 aaO, S. 403; MünchKommStGB/Diemer/Krick, § 299 Rn. 7; NK-StGB/Dannecker, 3. Aufl., § 299 Rn. 24).
2.
Auf die Entscheidung dieser Frage kommt es hier aber letztlich nicht an, da der Vertragsarzt bei der Verordnung von Arzneimitteln jedenfalls nicht als Beauftragter der Krankenkassen handelt.
a)
Beauftragter im Sinne des § 299 StGB ist, wer, ohne Angestellter oder Inhaber eines Betriebes zu sein, auf Grund seiner Stellung im Betrieb berechtigt und verpflichtet ist, auf Entscheidungen dieses Betriebes, die den Waren- oder Leistungsaustausch betreffen, unmittelbar oder mittelbar Einfluss zu nehmen (BGH, Urteil vom 13. Mai 1952 – 1StR 670/51, BGHSt 2, 396, 402; Kühl, StGB, 27. Aufl., § 299 Rn. 2; MünchKommStGB/Diemer/Krick, § 299 Rn. 5; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 299 Rn. 16; SSW-StGB/Rosenau, § 299 Rn. 9; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 299 Rn. 10; NK-StGB/Dannecker, 3. Aufl., § 299 Rn. 22). Ob dem Verhältnis des Beauftragten zu dem jeweiligen geschäftlichen Betrieb eine Rechtsbeziehung zu Grunde liegt oder dieser lediglich durch seine faktische Stellung im oder zum Betrieb in der Lage ist, Einfluss auf geschäftliche Entscheidungen auszuüben, ist unerheblich (vgl. nur Rosenau, Diemer/Krick und Dannecker, jeweils aaO). Schon vom Wortsinn her ist dem Begriff des Beauftragten die Übernahme einer Aufgabe im Interesse des Auftraggebers immanent, der sich den Beauftragten frei auswählt und ihn bei der Ausübung seiner Tätigkeit anleitet, sei es, dass er ihm im Rahmen eines zivilrechtlichen Auftrags- oder Geschäftsbesorgungsvertrags (§§ 665, 675 BGB) Weisungen erteilt (vgl. dazu Dannecker und Tiedemann, jeweils aaO) oder ihn bevollmächtigt (vgl. RG, Urteil vom 29. Januar 1934 – 2 D 1293/33, RGSt 68, 70, 74 f.), sei es, dass der Beauftragte faktisch mit einer für den geschäftlichen Betrieb wirkenden Befugnis handelt (zu einem solchen faktisch wirkenden „personalen Befugniselement“ vgl. Geis, wistra 2005, 369, 370; ders., wistra 2007, 361, 362; Reese, PharmR 2006, 92, 97; Schmidl, wistra 2006, 286, 287).
b)
Gemessen daran fehlt es dem nach § 95 SGB V zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt bei seiner Verordnungstätigkeit im Ergebnis an der Beauftragteneigenschaft.
aa)
Einer Annahme der Beauftragtenstellung steht allerdings nicht schon entgegen, dass die gesetzlichen Krankenkassen zu den Vertragsärzten – von Ausnahmefällen abgesehen (vgl. dazu §§ 73b Abs. 4, 73c Abs. 3, 140b Abs. 1 SGB V) – keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen aufnehmen dürfen und die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung (§ 95 SGB V) keine Entscheidung der Krankenkassen ist, sondern der Verwaltungsakt eines rechtlich und organisatorisch selbständigen, mit eigenen Wahrnehmungszuständigkeiten ausgestatteten Selbstverwaltungsorgans in Gestalt des Zulassungsausschusses. Ebenso wenig hindert der Umstand, dass der Vertragsarzt einen freien Beruf ausübt und in diesem Zusammenhang regelmäßig Inhaber einer eigenen ärztlichen Praxis und damit eines Betriebes im Sinne von § 299 StGB ist, die Anwendbarkeit dieser Strafvorschrift (so aber Bernsmann/Schoß, GesR 2005, 193, 195 f.; Brockhaus/Dann/Teubner/Tsambikakis, wistra 2010, 418, 421; Klötzer, NStZ 2008, 12, 14; Reese, PharmR 2006, 92, 97; Sobotta, GesR 2010, 471, 474; Taschke, StV 2005, 406, 410). Für einen Beauftragten ist die fehlende Einordnung in den geschäftlichen Betrieb auf der Grundlage der Ausübung einer eigenen geschäftlichen oder freiberuflichen Tätigkeit sogar typisch (LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 299 Rn. 16). Was die Strafbarkeit des Betriebsinhabers angeht, ist nur die Vorteilsnahme bezüglich seines eigenen Betriebs vom Anwendungsbereich des § 299 StGB ausgenommen (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 299 Rn. 10c).
bb)
Jedoch legt die Stellung des Vertragsarztes im System der gesetzlichen Krankenversicherung die Annahme nicht nahe, er handele bei der Verordnung eines Arzneimittels als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen.
Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB V wirken die Leistungserbringer, also auch die Vertragsärzte, mit den Krankenkassen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zusammen; gemäß § 72 Abs. 2 Satz 1 SGB V ist diese Versorgung durch Vereinbarungen zwischen den kassenärztlichen Vereinigungen und den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. Das in den nachfolgenden Vorschriften des SGB V im Einzelnen ausgestaltete System der Selbstverwaltung bezweckt die Sicherstellung der ärztlichen Behandlung der gesetzlich Versicherten vor dem Hintergrund eines prinzipiellen Interessengegensatzes zwischen den an dieser Versorgung Beteiligten (Sproll in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, 70. Lfg., SGB V, § 72 Rn. 2). Da der Ausgleich dieser in § 72 Abs. 2 Satz 1 SGB V gekennzeichneten gegenläufigen Interessen vom Gesetzgeber der kollektivvertraglichen Normsetzung und vertraglichen Regelungen zwischen den Vertragsärzten und ihren Vertretungen, den kassenärztlichen Vereinigungen, einerseits und den Krankenkassen andererseits im Rahmen eines Systems der Selbstverwaltung überantwortet worden ist (vgl. Sproll aaO), begegnen sich die an der ärztlichen Versorgung Beteiligten in kooperativem Zusammenwirken (vgl. Taschke, StV 2005, 406, 409) und damit notwendig auf einer Ebene der Gleichordnung. Schon dieses gesetzlich vorgegebene Konzept gleichgeordneten Zusammenwirkens steht der Annahme einer Beauftragung des Vertragsarztes durch die gesetzlichen Krankenkassen entgegen.
Es kommt hinzu, dass die gesetzliche Krankenkasse keinerlei und der Vertragsarzt nur in geringem Maße Einfluss auf das Zustandekommen des einzelnen Behandlungsverhältnisses nehmen kann, auf dessen Grundlage sich die ärztliche Verordnung eines Arzneimittels zu Lasten der Krankenkasse vollzieht. Vielmehr liegt diese Entscheidung beim Patienten, der gemäß § 76 SGB V seinen Vertragsarzt frei wählen kann. Den gewählten Arzt hat die Krankenkasse zu akzeptieren. Dieser wird vom Versicherten als „sein“ Arzt wahrgenommen, den er beauftragt hat und dem er sein Vertrauen schenkt. Auch aus objektiver Sicht wird der Vertragsarzt – wie bereits dargelegt – bei wertender Betrachtung in erster Linie in dessen Interesse tätig.
cc)
Dass die Entscheidungen des Vertragsarztes bei der Verordnung von Medikamenten und Hilfsmitteln auch Relevanz für die gesetzlichen Krankenkassen haben, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Vielmehr führt eine sachgerechte Bewertung der ärztlichen Verordnung vor dem Hintergrund des sozialrechtlichen Regelungsgefüges ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Vertragsarzt nicht als Beauftragter der Krankenkassen anzusehen ist. Insoweit gilt Folgendes:
(1)
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erwirbt der Apotheker, der die kassenärztliche Verordnung des Vertragsarztes durch Abgabe eines Arzneimittels an den Versicherten ausführt, einen unmittelbaren Vergütungsanspruch aus Vorschriften des öffentlichen Rechts. Rechtsgrundlage ist insoweit § 129 SGB V i.V.m. den nach § 129 Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 SGB V abgeschlossenen Verträgen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 13/08 – R, BSGE 105, 157, Tz. 15 f.). Gemäß § 129 SGB V geben die Apotheken nach Maßgabe der ergänzenden Rahmenvereinbarungen und Landesverträge (vgl. dazu § 129 Abs. 2, 5 Satz 1 SGB V) vertragsärztlich verordnete Arzneimittel an Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung ab. § 129 SGB V begründet somit im Zusammenspiel mit den konkretisierenden vertraglichen Vereinbarungen eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung und Berechtigung für die Apotheken zur Abgabe von vertragsärztlich verordneten Arzneimitteln an die Versicherten. Im Gegenzug erwerben die Apotheken dabei einen durch öffentlich-rechtliche Vorschriften näher ausgestalteten gesetzlichen Anspruch auf Vergütung gegen die Krankenkassen, der in § 129 SGB V als selbstverständlich vorausgesetzt wird (BSG aaO, Tz. 16).
Der Vertragsarzt wird danach nicht als Vertreter der Krankenkasse beim Zustandekommen jedes einzelnen Kaufvertrages über ein verordnetes Medikament tätig. Ob eine solche Vertreterstellung (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 25. November 2003 – 4 StR 239/03, BGHSt 49, 17, 19; BSG, Urteil vom 16. Dezember 1993 – 4 RK 5/92, BSGE 73, 271, 278) als tauglicher Anknüpfungspunkt für die Eigenschaft des Vertragsarztes als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen in Betracht kommt (so OLG Braunschweig, Beschluss vom 23. Februar 2010 – Ws 17/10, NStZ 2010, 392; ebenso Pragal, Die Korruption innerhalb des privaten Sektors und ihre strafrechtliche Kontrolle durch § 299 StGB, 2006, S. 165 ff.; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 299 Rn. 10b ff.; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 299 Rn. 18; NK-StGB/Dannecker, § 299 Rn. 23c; einschränkend: Schuhr, NStZ 2012, 11, 14; a.A.: Bernsmann/Schoß, GesR 2005, 193, 195 f.; Geis, wistra 2005, 369; ders. GesR 2006, 345, 347; ders. wistra 2007, 361; Klötzer, NStZ 2008, 12; Kölbel, wistra 2009, 129, 132; Reese, PharmR 2006, 92, 96 ff.; Sahan, ZIS 2007, 69; Taschke, StV 2005, 406, 410 f.; Tsambikakis, JR 2011, 538, 540 f.), bedarf daher keiner Entscheidung.
(2)
Die Rechtsmacht des Vertragsarztes zur Konkretisierung des Anspruchs des gesetzlich Versicherten ist ferner dahin eingeschränkt, dass er (lediglich) die medizinischen Voraussetzungen des Eintritts des Versicherungsfalles der Krankheit mit Wirkung für den Versicherten und die Krankenkasse verbindlich feststellt. Grundlage dafür ist die aus dem jeweiligen Behandlungsverhältnis erwachsene medizinische Diagnose und die daraufhin von ihm festgesetzte, im Einzelfall erforderliche Behandlung (vgl. nur BSG, Urteil vom 16. Dezember 1993 – 4 RK 5/92, BSGE 73, 271, 282; dazu Geis, GesR 2006, 345, 350; zusammenfassend: Klötzer, NStZ 2008, 12, 15; ähnlich SSW-StGB/Rosenau, § 299 Rn. 11). Das Gesetz bringt die mit einer Medikamentenverordnung verbundene Rechtsfolge in diesem Zusammenhang durch die Formulierung zum Ausdruck, sie gehe „zu Lasten“ der Krankenkasse (vgl. etwa § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V); die sie treffende Leistungspflicht hat danach die einem Reflex vergleichbare Wirkung.
Über die Konkretisierung und die Reichweite dieser die Krankenversicherung treffende Leistungspflicht kann der Vertragsarzt auch nicht abschließend und alleinverantwortlich entscheiden. Die Grenzen sind vielmehr bereits durch abstrakt-generelle Regelungen allgemein festgelegt. Gemäß § 92 SGB V beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss zur Sicherung der ärztlichen Versorgung die erforderlichen Richtlinien. Diese beschreiben auch den Umfang der Arzneimittelleistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung (Sproll in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, 68. Lfg., § 92 Rn. 35). Schon damit ist der Katalog der für eine Verordnung durch den Vertragsarzt in Betracht kommenden Medikamente vorgegeben (i. E. ebenso SSW-StGB/Rosenau, § 299 Rn. 11).
(3)
Es kommt hinzu, dass es in vielen Fällen der vertragsärztlichen Verordnung letztlich der sie entgegennehmenden Apotheke obliegt, das abzugebende Arzneimittel auszuwählen. Das ist nicht nur dann der Fall, wenn der Arzt das Medikament nur unter seiner Wirkstoffbezeichnung verordnet, sondern auch dann, wenn er ein bestimmtes Arzneimittel bezeichnet, die Ersetzung durch ein wirkstoffgleiches aber nicht ausdrücklich ausschließt. Seit dem Inkrafttreten des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes (AABG) vom 15. Februar 2002 (BGBl I S. 684) ist nämlich die aut-idem-Substitution, die dem Apotheker die Abgabe eines wirkstoffgleichen, aber preisgünstigeren Medikaments ermöglicht, zum Regelfall geworden, den der Arzt aktiv ausschließen muss und gegebenenfalls gesondert zu begründen hat (§ 73 Abs. 5 SGB V; vgl. dazu BTDrucks. 14/7144, S. 5; dazu Adolf in jurisPK-SGB V, § 73 Rn. 105; Wigge, PharmR 2002, 2 ff.; Hofmann/Nickel, SGb 2002, 425 ff.).
Darüber hinaus legt § 129 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V dem Apotheker zusätzlich die Verpflichtung auf, dem Versicherten preisgünstige importierte Arzneimittel auszuhändigen, wenn die Preisersparnis gegenüber dem Bezugsarzneimittel eine bestimmte Schwelle überschreitet. § 129 Abs. 1 Satz 2 bis 4 sowie Abs. 1a SGB V enthalten weitere Bestimmungen über die Pflicht des Apothekers zur Ersetzung des vom Arzt verordneten Arzneimittels. Satz 3 und 4 der Vorschrift erweitern die Möglichkeiten, den Apotheker zur Ersetzung eines ärztlich verordneten Arzneimittels zu verpflichten, indem die Ersetzung ausdrücklich als möglicher Gegenstand eines Vertrags zwischen Krankenkassen und Apotheken nach Abs. 5 genannt wird und im Übrigen eine Ersetzung durch solche Arzneimittel angeordnet wird, für die der jeweilige pharmazeutische Unternehmer eine Rabattvereinbarung nach § 130a Abs. 8 SGB V geschlossen hat (Einzelheiten bei Hess in Kasseler Kommentar-SGB V, 71. Lfg., § 129 Rn. 4 ff.; Schneider in jurisPK-SGB V, § 129 Rn. 4 ff.).
dd)
Auch die rechtlichen Bindungen, die sich für den Vertragsarzt aus der Pflicht zur Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes ergeben, machen ihn nicht zum Beauftragten im Sinne des § 299 StGB.
Allerdings steht die Behandlung des Versicherten durch den Vertragsarzt einschließlich der Verordnung von Arzneimitteln (auch) unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit (§§ 70 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 SGB V), dem ein hoher Stellenwert zuzumessen ist (BSG, Urteil vom 28. April 2004 – B 6 KA 24/03 R, MedR 2004, 577, 578 mwN). Gemäß § 12 Abs. 1 SGB V dürfen die Leistungen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten, gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V dürfen die Leistungserbringer keine nicht notwendigen oder unwirtschaftlichen Leistungen erbringen.
Dass der Vertragsarzt bei der Verordnung von Medikamenten auch auf die wirtschaftlichen Belange der Krankenkassen Bedacht zu nehmen hat, ändert aber nichts daran, dass die ärztliche Behandlung, in die sich die Verordnung von Arzneimitteln einfügt, in erster Linie im Interesse des Patienten und in seinem Auftrag erfolgt. Bei der erforderlichen wertenden Gesamtbetrachtung steht diese Bindung an den Patienten im Vordergrund. Von daher kann die Verpflichtung auf das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht bewirken, dass der Arzt aus dem Auftragsverhältnis zu dem Patienten gleichsam herausgebrochen und zum Beauftragten der Krankenkasse wird. Mithin stehen dem dieselben Gründe entgegen, die auch dagegen sprechen, den Vertragsarzt als Amtsträger der Krankenkasse im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB zu qualifizieren.
Gemäß § 106 Abs. 1 SGB V trifft den Vertragsarzt die Pflicht zur Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Versorgung auch nicht unmittelbar im Verhältnis zu den gesetzlichen Krankenkassen. Die Überwachung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Arzneimitteln obliegt insoweit gleichermaßen den kassenärztlichen Vereinigungen, die zu diesem Zweck gemeinsam mit den Krankenkassen (vgl. § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB V) Prüfungsstellen und Beschwerdeausschüsse errichtet haben (§ 106 Abs. 4 SGB V). Danach können die gesetzlichen Krankenkassen nicht in eigener Verantwortung darüber entscheiden, ob die Einrede der Unwirtschaftlichkeit, der Nichterforderlichkeit oder der Unzweckmäßigkeit einer vertragsärztlichen Medikamentenverordnung berechtigt ist; sie sind insoweit auf die in § 106a Abs. 3, 4, § 106 Abs. 4 SGB V geregelten Befugnisse beschränkt, im Einzelfall unter Einschaltung der kassenärztlichen Vereinigung Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch eine Prüfungsstelle zu beantragen.
3.
Da nach alledem der Vertragsarzt bei der Verordnung von Medikamenten nicht Beauftragter im Sinne des § 299 StGB ist, kann dahin gestellt bleiben, ob die Anwendbarkeit des § 299 StGB auf Fälle der vorliegenden Art auch aus den weiteren, im Schrifttum angeführten Gründen ausgeschlossen ist (eingehend dazu etwa LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 299 Rn. 32 mwN).
4.
Vor dem Hintergrund der seit längerem im strafrechtlichen Schrifttum geführten Diskussion sowie im Hinblick auf gesetzgeberische Initiativen (vgl. dazu etwa BTDrucks. 17/3685) zur Bekämpfung korruptiven Verhaltens im Gesundheitswesen verkennt der Große Senat für Strafsachen nicht die grundsätzliche Berechtigung des Anliegens, Missständen, die – allem Anschein nach – gravierende finanzielle Belastungen des Gesundheitssystems zur Folge haben, mit Mitteln des Strafrechts effektiv entgegenzutreten. Die Anwendung bestehender Strafvorschriften, deren Tatbestandsstruktur und Wertungen der Erfassung bestimmter Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Erbringung von Gesundheitsleistungen nach den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung als strafrechtlich relevant entgegenstehen, auf der Grundlage allein dem Gesetzgeber vorbehaltener Strafwürdigkeitserwägungen ist der Rechtsprechung jedoch versagt.