Abgabe von Nahrungsergänzungsmitteln in der Arztpraxis

 | Gericht:  Landgericht (LG) Rottweil  | Aktenzeichen: 5 O 40/05 KfH | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Praxisführung , Ausübung des zahnärztlichen Berufs

Urteilstext

 

Tenor

1.

Dem Beklagten wird es untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes im Zusammenhang mit der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit Nahrungsergänzungsmittel oder Vitaminpräparate selbst abzugeben oder unter seiner Mitwirkung abgeben zu lassen und/oder auf Rechnung Dritter abzugeben oder unter seiner Mitwirkung abgeben zu lassen.

 

2.

Dem Beklagten wird für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

 

3.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 189,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.3.2005 zu bezahlen.

 

4.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

5.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 3/10 und der Beklagte zu 7/10. 6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,– EUR. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet. Streitwert: bis 15.000,– EUR.

 

Tatbestand 

Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Sie nimmt den Beklagten, der als niedergelassener Arzt für Augenheilkunde in H. eine selbständige Praxis betreibt, auf Unterlassung angeblich wettbewerbswidrigen Handelns und auf Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 189,– Euro in Anspruch, nachdem sie den Beklagten am 22.2.2005 erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert hatte.

 

Die Klägerin trägt vor:

 

Der Beklagte habe – wie ihr im Februar 2005 bekannt geworden sei – im Rahmen seines Praxisbetriebes ab Frühjahr 2004 an Patienten Nahrungsergänzungsmittel oder Vitaminpräparate verkauft bzw. angeboten und/oder diese über seine Ehefrau ..., Inhaberin eines Instituts für Naturheilkunde, alternative Therapieverfahren und Ernährungsberatung, vornehmen lassen. Außerdem habe er Patienten einen billigeren Strom- und Telefontarif angeboten, womit die Patienten einen Teil der Kosten für die zu erwerbenden Nahrungsergänzungsmittel einsparen könnten.

 

Das Verhalten des Beklagten sei wettbewerbswidrig, weil es mit den Verhaltensregeln, die sich aus der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg ergeben, nicht vereinbar sei. Außerdem liege eine Irreführung im Sinne von § 5 Abs. II Nr. 1 UWG vor, weil bei den Patienten der Anschein erweckt werde, bei den angebotenen Nahrungsergänzungsmitteln handle es sich um Medikamente.

 

Die Klägerin beantragt:

 

1.

Dem Beklagten wird es untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Zusammenhang mit der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit

 

a)

Nahrungsergänzungsmittel oder Vitaminpräparate selbst abzugeben oder unter seiner Mitwirkung abgeben zu lassen oder im Namen und/oder auf Rechnung Dritter abzugeben oder unter seiner Mitwirkung abgeben zu lassen,

 

und/oder

 

b)

Patienten billigere Strom- oder Telefontarife unter Hinweis darauf anzubieten, von dem ersparten Geld könne man die von ihm angebotenen Nahrungsergänzungsmittel oder Vitaminpräparate kaufen.

 

2.

Dem Beklagten wird für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,– Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

 

3.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 189,00 Euro nebst 5 Prozent Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit 1.3.2005 zu bezahlen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Der Beklagte trägt vor:

 

Die Klägerin sei nicht prozessführungsbefugt. Außerdem liege eine Wettbewerbsverstoß seinerseits nicht vor.

 

Bei den vom Institut seiner Ehefrau vertriebenen Produkten handle es sich um bilanzierende Diäten bzw. Nahrungsergänzungsmittel, die als Bestandteil der ärztlichen Therapie zu qualifizieren seien und somit von ihm selbst abgegeben werden dürften, was jedoch nicht der Fall sei.

 

Den Eindruck, es handle sich bei den angesprochenen Produkten um Medikamente, habe er nie erweckt.

 

Die Abgabe der Nahrungsergänzungsmittel erfolge ausschließlich über das Institut seiner Ehefrau; dieses sei räumlich, organisatorisch und zeitlich getrennt von seiner ärztlichen Tätigkeit.

 

Soweit er Empfehlungen ausgesprochen habe, seien neben dem Institut seiner Ehefrau auch andere Bezugsquellen den Patienten genannt worden.

 

In Patientengesprächen könne das Thema auch auf günstigere Strom- und Telefontarife gekommen sein; hierbei habe es sich jedoch nur um die beiläufige Erörterung von Einsparmöglichkeiten gehandelt.

 

Es ist Beweis erhoben worden durch uneidliche Vernehmung der Zeugen ... (Bl. 136 ff d.A.), ... (Bl. 166 - 173 d.A.).

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage ist zulässig.

 

Es ist gerichtbekannt, dass der Klägerin Landesärztekammern als Mitglieder angehören. Die Klage ist auch zum überwiegenden Teil begründet.

 

1.

Der Beklagte handelt, indem er im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit beim Absatz von Nahrungsergänzungsmitteln (auch) durch das Institut seiner Ehefrau mitwirkt, wettbewerbswidrig im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 3 Abs. II BOÄ.

 

a)

Nach § 3 Abs. II BOÄ ist die Abgabe einer Ware unter Mitwirkung des Arztes unzulässig, soweit sie nicht wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist. Das in dieser Bestimmung enthaltene Verbot dient der Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes. Der Patient soll darauf vertrauen können, dass sich der Arzt nicht von kommerziellen Interessen, sondern ausschließlich von medizinischen Notwendigkeiten leiten lässt. Das Verbot beugt der gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufes vor. 

 

Auch wenn bei der Frage, ob Produkte notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind und daher vom Arzt zulässigerweise abgegeben werden dürfen, eine weite Auslegung geboten ist, so ist doch Voraussetzung, dass der Arzt Einweisungen, Schulungen, Anpassungs- oder Kontrollleistungen oder eine Notfallversorgung für erforderlich erachtet und die Abgabe der Ware in direktem Zusammenhang damit vornimmt oder veranlasst.

 

Hingegen liegt ein rein geschäftsmäßiges Verhalten vor, wenn die abgegebenen Verbrauchsprodukte nicht unmittelbar für die genannten Maßnahmen benötigt werden. 

 

b)

Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, er dürfe die streitgegenständlichen Nahrungsergänzungsmittel auch selbst abgeben, verkennt er die Tragweite des Begriffs des notwendigen Bestandteils der ärztlichen Therapie. Maßgeblich Ist nämlich nicht, ob das Produkt selbst, sondern ob dessen Abgabe durch den Arzt aus therapeutischen Gründen erforderlich ist.

 

Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die Abgabe durch den Beklagten lediglich den Bezug der Produkte durch die Patienten von einem ihrer Wahl unterliegenden Leistungsanbieter ersetzen und vorrangig den Vertrieb durch das Institut seiner Ehefrau ermöglichen soll.

 

c)

Dem Beklagten ist zwar eine gewerbliche Tätigkeit nicht grundsätzlich untersagt. Auch eine Mitwirkung im Institut seiner Ehefrau ist nicht von vornherein unzulässig. Allerdings ist dabei stets darauf zu achten, dass jeglicher Zusammenhang mit der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit vermieden wird.

 

Von einer Einhaltung des Gebotes der Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes kann hier nicht mehr die Rede sein, nachdem die Nahrungsergänzungsmittel auf Empfehlung des Beklagten während seiner Sprechstunden in seinen Praxisräumen und durch sein Praxispersonal abgegeben werden. 

 

Die Beweisaufnahme hat diesen Sachverhalt in eindrucksvoller Weise bestätigt.

 

Die Mitarbeiterinnen des Beklagten haben bei ihrer Zeugeneinvernahme übereinstimmend ausgesagt, dass die Nahrungsergänzungsmittel unmittelbar nach der ärztlichen Untersuchung durch den Beklagten in dessen Praxis abgegeben werden, wobei der Beklagte die Patienten nach der Untersuchung aus seinem Sprechzimmer zur Empfangstheke begleitet und seinem Personal entweder einen Zettel mit dem Namen des empfohlenen Präparates übergibt oder den Namen selbst nennt. Das Produkt selbst wird anschließend vom Personal aus dem Sprechzimmer des Beklagten geholt und dem Kunden übergeben, "weil dies der Beklagte selbst nicht dürfe" (so die Zeuginnen). Dass der Patient vor dem Kauf des Produktes nochmals gefragt wird, ob er diesen Kauf auch wünsche, ändert an der unzulässigen Vermengung der Interessenlagen nichts. Für die Patienten ist in keiner Weise ersichtlich, dass das Personal des Beklagten einmal für seine Praxis und ein andermal für das Institut seiner Ehefrau handelt.

 

d)

Der Verstoß des Beklagten gegen die Bestimmung des § 3 Abs. II BOÄ stellt zugleich eine Zuwiderhandlung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar (BGH, Urteil vom 2.6.2005, I ZR 317/02).

 

2.

Soweit dem Beklagten eine Irreführung im Sinne des § 5 UWG angelastet wird, ist die Klage abzuweisen. Es ist nicht nachgewiesen, dass der Beklagte die empfohlenen Präparate als "Medikamente" angepriesen hat.

 

Ebenso verhält es sich mit dem Vorwurf der unzulässigen Bewerbung von günstigeren Strom- und Telefontarifen. Es kann insoweit nicht ausgeschlossen werden, dass solche Äußerungen nur beiläufig im Rahmen einer Erörterung der allgemeinen Kostensituation gefallen sind.

 

3.

Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der Abmahnkosten ist unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag begründet. Dies entspricht gefestigter Rechtsprechung. Auch gegen die Höhe der Pauschale bestehen keine Bedenken. Der Zinsanspruch ist gerechtfertigt gem. § 288 Abs. I BGB.

 

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709 und 711 ZPO.


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