Urteilstext
Tenor
In dem Rechtsstreit gegen Hallesche Krankenversicherung a. G. wegen Krankheitskosten hat das Landgericht Stuttgart – 4. Zivilkammer – für recht erkannt:
1.
Die wechselseitigen Berufungen des Klägers sowie der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 23,06.2017, Az. 9 C 3152/16, werden zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte zu 64 % und der Kläger zu 36 %.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Stuttgart ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Streitwert des Berufungsverfahrens:
Bis 2.9.01.2018: EUR 3.330,07
Ab 30.01.2018: EUR 2.967,18
Gründe
I.
Die Beklagte ist die private Krankenversicherung des Klägers. Die Parteien streiten um die Erstattung von Zahnarztkosten, die der Kläger gegenüber seinem Zahnarzt beglichen hat.
Das Amtsgericht hat der Klage im Umfang von EUR 2.174,67 nebst Verzugszinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten stattgegeben und die weitergehende Klage abgewiesen.
In der Sache in Streit steht zwischen den Parteien im Berufungsverfahren lediglich noch die Höhe des erstattungsfähigen Betrages für die von dem Zahnarzt des Klägers mit Rechnung vom 06.12.2015 auf Grundlage einer Honorarvereinbarung (Bl. 61) unter Zugrundelegung der Nr. 2220 des GOZ-Gebührenverzeichnisses und eines 5,5-fachen Steigerungssatzes berechnete Versorgung der Zähne 13 - 23 und 33 - 43. Vorgerichtlich hat die Beklagte den 3,5-fachen Satz der Nr. 2220 GOZ im tariflichen Umfang von 80 % (= EUR 3.906,10) erstattet. Das Amtsgericht hat demgegenüber 80 % aus dem 5,5-fachen Steigerungssatz der (eine geringere Punktzahlt aufweiseneden) Nr. 2210 GOZ für erstattungsfähig erachtet und den sich hieraus ergebenden Differenzbetrag (= EUR 1.076,64) zugesprochen.
Das Amtsgericht hat hierzu ausgeführt, das Gericht sei nach der Beweisaufnahme, insbesondere nach der ausführlichen Erklärung des gerichtlich bestellten Sachverständigen, sowohl in seinem schriftlichen Gutachten als auch bei der Erörterung im Termin, davon überzeugt, dass vorliegend durch den Einsatz von sogenannten „360o-Veneers" die Gebührenposition 2210 und nicht 2220 erfüllt sei. Der Sachverständige habe den Kläger untersucht und basierend auf dieser Untersuchung sein schriftliches Gutachten erstellt und im Termin mündlich erörtert. Er habe nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt, dass im Frontzahnbereich des Klägers im Ober- und Unterkiefer ein vollständiger zirkulärer Abtrag der Zahnhartsubstanz stattgefunden habe. Auch sei der Zahnersatz auf der gesamten Zahnrückseite bis unten vorhanden und nicht nur bis zu einem Teil des jeweiligen Zahns. Der Sachverständige habe ausführlich erklärt, dass in einem solchen Fall nicht mehr die Rede von einem Veneer, sondern von einer Krone sei. Da vorliegend vollständig zirkulär Zahnhartsubstanz abgetragen und beschliffen und der gesamte Zahn bis zum Rand der Zahnrückseite mit Zahnersatz versehen worden sei, entspreche diese Präparation der Kronenpräpara- tiori der Gebührenposition 2210 (Versorgung eines Zahns durch eine Vollkrone). Die Anwendung der Gebührenziffer 2220 (Versorgung eines Zahns durch eine Teilkrone ..., auch Versorgung eines Zahns durch ein Veneer) in Abgrenzung zur Gebührenziffer 2210 werde schon dem Wortlaut nach nicht davon abhängig gemacht, wie viel von der Zahnhartsubstanz im Ergebnis erhalten bleibe. Vielmehr werde zwischen einer Vollkrone und einer Teilkrone bzw. Versorgung eines Zahns durch ein Veneer unterschieden. Nicht nur den Wortlaut, sondern auch die Auslegung der Gebührenposition erlaubten nicht die Unterscheidung ¡nach dem Anteil an Zahnhartsubstanz, der erhalten werde. Vielmehr komme es darauf an, wie Ider Zahn präpariert werde, ob er ganz beschliffen werde wie bei einer Vollkrone oder nur teilweise wie bei einer Teilkrone. Sowohl der Wortlaut als auch Sinn und Zweck dieser Gebührenpösition unterschieden nach Vollkrone im Sinne der vollen Ummantelung des Zahns oder einer Teilkrone im Sinne einer Teilummantelung. Auch die Verwendung sogenannter „360o-Veneers" erfordere ein Rundherum-Abschleifen des Zahns, unabhängig davon, ob bei einem Veneer wesentlich weniger Zahnsubstanz abgeschliffen werde als bei einer Krone. Die Frage, mit welchem Aufwand möglichst viel Zahnhartsubstanz erhalten worden sei, sei nicht entscheidend für die Frage, welche der Gebührenpositionen 2220 und 2010 anzuwenden sei. Vielmehr könne diese Frage über den Steigerungssatz beantwortet werden. Der Zahnarzt sei berechtigt gewesen, vorliegend den 5,5-fachen Steigerungssatz anzusetzen (wird näher ausgeführt).
Der Kläger habe mit seinem Zahnarzt eine wirksame Gebührenvereinbarung geschlossen. Vorliegend sei zwar im Rahmen dieser Honorarvereinbarung die Gebührenposition 2220 aufgeführt und nicht 2210. Dies stelle eine falsche Bezeichnung dar. In § 2 Abs. 2 GOZ sei geregelt, dass in der Gebührenvereinbarung auch die Gebührenziffer zu benennen sei. Dennoch ändere dies nichts an der Wirksamkeit der Gebührenvereinbarung im Hinblick auf die Gebührenposition 2210 und den 5,5-fachen Steigerungssatz. Sinn urid Zweck der Angabe der Gebührenziffer im Sinne des § 2 Abs.. 2 GOZ sei, dass beim Abweichen von den üblichen Steigerungssätzen dem Patienten ausführlich erklärt und aufgeführt werden müsse, warum er mit welchen Kosten zu rechnen habe. Diese Voraussetzung sei vorliegend durch die streitgegenständliche Gebührenvereinbarung erfüllt. Nach der Vernehmung des Zeugen Dr. … sei das Gericht davon überzeugt, dass dem Kläger ausführlich erklärt worden sei, welche Behandlung bei ihm durchgeführt und welcher Zahnersatz angewendet werden würde. Dem Kläger sei ausführlich geschildert worden, warum dies einen erheblichen Zeitaufwand erfordere und dass Gebühren entstünden, die über den Steigerungssätzen der GOZ lägen. Die genaue Art und Weise des Vorgehens und der Art des Zahnersatzes seien dem Kläger geschildert worden. Dass der Zahnarzt diese Leistung unter einer falschen Gebührenposition subsumiert habe, die seiner Meinung nach die Richtige war, ändere nichts daran, dass dem Kläger gegenüber genau beschrieben worden sei, welche Leistung durchgeführt werden und wie viel diese Leistung kosten sollte. Da vorliegend im Ergebnis für die vom Zahnarzt geschilderte Leistung sogar eine geringere Gebühr anzusetzen sei, habe das Gericht keine Bedenken, dass die Voraussetzungen der Gebührenvereinbarung vorliegend erfüllt seien und diese zwischen Kläger und Zahnarzt wirksam zustande gekommen sei.
Mit seiner Berufung beantragt der Kläger, die Beklagte zur Zahlung weiterer EUR 1.155,40 nebst Verzugszinsen und weiterer hierauf entfallender vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu verurteilen. Der Kläger hält an seiner Auffassung fest, dass die Leistung des Zahnarztes nicht mit der Ge¬bührenposition Nr. 2210, sondern mit der Position Nr. 2220 abzurechnen sei. Die Versorgung eines, Zahns mit einer Keramikschale (Veneer) falle unter die Leistungsbeschreibung der Nr. 2220 GOZ, und zwar unabhängig vom Umfang der Präparation. Der Kläger verweist diesbezüglich auf den Kommentar der Bundeszahnärztekammer zur Nr. 2220 GOZ (Bl. 225), wo es u.a. heißt: „Unter diese Gebührennummer fällt die Versorgung eines Zahnes mit einer Teilkrone oder einer Keramikschale (Veneer) - unabhängig vom Umfang der Präparation."
Der Kläger ist der Auffassung, auch ein 360o-Veneer sei ein (Rundum-)Veneer. Zur Versorgung eines Zahns mit einem Rundum-Veneer werde der Zahn nur 0,3 mm stark beschliffen. Bei einer konventionellen Krone dagegen würden ringsherum mindestens 1,5 mm Zahnsubstanz abgetra¬gen. Die Präparation für ein Rund-u.r,-Veneer sei schwieriger als für eine Krone, weil ringsherum nicht mehr als 0,3 mm Zahnsubstanz abgetragen werden dürften, was der Behandler permanent mit einer Schleiflehre kontrollieren müsse. Auch bei einem 360o-Veneer werde wie bei einem nur einen Teil der Zahnfläche abdeckenden Veneer die Zahnhartsubstanz geschont. Die Leistungbeschreibung der Nr. 2210 GOZ dagegen erfasse die Versorgung eines Zahns durch eine Vollkrone (Hohlkehle oder Stufenpräparation). Zur Versorgung eines Zahns mit einer Vollkrone werde der Zahn ringsumher mindestens 1,5 mm stark beschliffen. Dadurch gehe von der Zahnsubstanz sehr viel mehr als bei der Präparation zur Versorgung mit einem Veneer verloren. Die auf den Frontzähnen des Klägers eingegliederten Rundum-Veneers wiesen eine Wandstärke zwischen 0,1 und 0,7 mm auf. Die Bissflächen könnten stärker sein. Die Wand vollkeramischer Kronen müsse mindestens 1 mm stark sein, um ein stabiles! Ergebnis zu erreichen. Die Stabilität einer Krone resultiere aus dem Kronengerüst. Dieses müsise die Kaufkräfte tragen. Rundum-Veneers würden adhäsiv mit lichthärtendem Zweikomponentenkleber verklebt. Die Stabilität eines Rund-um-Veneers resultiere aus der chemischen Verbindung zwischen dem Zahn zum Kleber und dem Kleber zum Veneer. Zwar sei es richtig, dass ajuch vollkeramische Kronen nicht nur einze-mentiert, sondern auch dentinadhäsiv eingeklebt werdjen könnten. Die Klebeverbindung zwischen einer vollkeramischen Krone und dem Zahnbein (Derjtin) weise aber nur 5 % der Festigkeit einer Klebeverbindung zwischen dem Zahnschmelz und eiher keramischen Schale („Veneer") auf. Die Anfertigung von Rundum-Veneers stelle auch an dasj Können des Zahntechnikers sehr viel höhere Anforderungen als die Anfertigung einer Krone. Daher benötige ein Zahntechniker etwa ein Drittel mehr Zeit zur Herstellung eines Rundum-Veneers als zur Herstellung einer funktional und ästhetisch gut gelungenen vollkeramischen Krone zum Einsatz im Frontzahnbereich.
Der Behandler des Klägers habe Ende Juni 2017 die Deutsche Gesellschaft für Ästhetische Zahnmedizin mit der Frage angeschrieben, ob er die Präparation der Frontzähne des Klägers zur Versorgung mit 360°-Veneers nach der Nr. 2220 GOZ richtig abgerechnet habe. Der Kläger ver-weist diesbezüglich auf das Antwortschreiben vom 04.07.2017 (Anlage K 16, Bl. 275), wonach die DGÄZ die vom Behandler des Klägers vorgenommene Abrechnung unterstütze.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der klägerischen Berufung und verweist ebenfalls auf die Kommentierung der Bundeszahnärztekammer zur GOZ. Nach den Erläuterungen zu Nr. 2210 (Bl. 226) seien „Vollkronen" „Kronen, die einen Zahn zumindest supragingival zirkulär ummanteln". Die Gebührenziffer 2220 hingegen sei abrechenbar, wenn es sich um eine Teilkrone oder ein Veneer handele. Aus der Kommentierung ergebe sich, was unter einem Veneer zu verstehen sei, nämlich eine Keramikschale. Eine „Schale" sei alier bereits begrifflich etwas anderes als ein „Mantel". Ein Veneer liege nur dann vor, wenn - gleich einer Teilkrone - Teile der Zahnsubstanz unbehandelt blieben. Ein Veneer liege schon begrifflich nicht vor, wenn - gleich einer Vollkrone - eine Ummantelung der Zahnsubstanz stattfinde. 360°-Veneers gebe es in der Sprache der GOZ nicht. Auch die vorn Kläger geschilderten Schwierigkeiten bei der Eingliederung von hauchdünnen Verieers ändere an diesem Befund nichts, abgesehen davon, dass der Sachverständige Zweifel an einer minimalinvasiven Behandlung gehabt habe (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.05.2017, S. 3). Wenn in dem Kornmentarauszug cjer Bundeszahnärztekammer zu lesen sei, dass die Gebührennumrner 2220 bei Veneers unabhängig vom Umfang der Präparation zur Anwendung komme, so beziehe sich diese Aussage auch auf Teilkronen. Natürlich könne der Präparationsaufwand von Teilkrone zu Teilkrone und von Veneer zu Veneer unterschiedlich ausfallen. Nur bestimme der Umfang der Präparation gerade nicht, ob eine Krone oder ein Veneer vorliege. Ein Veneer liege nur dann vor, wenn dies einer Teilkrone entspreche. Kronen würden nicht nur zementiert, sondern auch mittels adhäsiver Befestigung (chemischer Verbund) verklebt. Dies ergebe sich bereits aus dem Leistungstext der Nr. 2197 GOZ („Adhäsive Befestigung (plastischer Aufbau, Stift, Inlay, Krone, Teilkrone, Veneer etc.)") und aus der Kommentierung der Bundeszahnärztekammer zu Nr. 2210 GOZ, wo als „zusätzlich berechnungsfähige Leistungen" die adhäsive Befestigung nach Nr. 2197 GOZ aufgeführt werde.
Mit ihrer eigenständigen Berufung hat die Beklagte zunächst Klagabweisung beantragt, die Berufung jedoch mit Schriftsatz vom 29.01.2018 (Bl. 259) dahingehend teilweise zurückgenommen, dass noch EUR 362,89 zuzüglich Zinsen und hieraus berechneter vorgerichtlicher Rechtsanwaltsko stem auszuurteilen wären.
Die Beklagte greift das erstinstanzliche Urteil insoweit an, als dieses von einer wirksamen Gebührenvereinbarung zur Abrechnung der Vollverkronung der Zähne 13 - 23 und 33 - 43 ausgehe. Die Beklagte hält die Gebührenvereinbarung für unwirksam und daher nur eine Abrechnung der Gebührennummer 2210 mit dem 3,5-fachen Steigerungssatz für berechtigt (§ 5 Abs. 1 S. 1 GOZ). In der Gebührenvereinbarung vom 12.02701.10.2015 sei die Gebührennummer 2220 genannt. § 2 Abs. 2 S. 2 GOZ verlange für die Wirksamkeit einer Gebührenvereinbarung auch die Angabe der Gebührennummer. § 2 Abs. 1 S. 2 GOZ verbiete die Vereinbarung einer abweichenden Punktezahl im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 2 GOZ. Sinn der Anforderung an die formale Gestaltung einer Gebührenvereinbarung (§ 2 Abs. 2 GOZ) sei es, dem Patienten die im Vergleich zur „herkömmlichen" GOZ-Abrechnung entstehenden Mehrkosten vor Augen zu halten. Dieser Zweck werde aber unterlaufen, wenn der Sache nach nicht abrechenbare Gebührennummern vereinbart würden, Die Beklagte habe mit der vorgerichtlichen Erstattung auf Grundlage der Nr. 2220 somit hinsichtlich jener streitigen Position bereits zu viel bezahlt (EUR 3.906,10 statt EUR 3.170,96). Die Differenz sei mit den übrigen durch das Amtsgericht zugesprochenen Positionen zu verrechnen, so dass nur noch EUR 362,86 zu erstatten seien.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Nach Treu und Glauben gelte auch für eine Honorarvereinbarung, dass ein gemeinsamer Irrtum der Vertragspartner durch ergänzende Vertragsauslegung zu berichtigen sei. Falls die Präparation der sechs Frontzähne nicht mit der Gebühr Nr. 2220 GOZ zu vergüten sein sollte, sondern mit der geringeren Gebühr nach Nr. 2210 GOZ, ergebe sich ein geringerer Betrag als in der Honorarvereinbarung ausgewie¬sen. Der Zweck, dem Patienten die entstehenden Mehrkosten vor Augen zu halten, werde also (über-)erreicht.
Für das weitere Vorbringen der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2018 nebst Anlage verwiesen.
II.
Die jeweils zulässigen Berufungen des Klägers und qler Beklagten haben in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat richtig entschieden. Die Kammer macht sich dessen ausführliche und überzeugende Begründung zu Eigen.
1.
Zu Recht kommt das Amtsgericht zu dem Ergebnis, dass die streitgegenständliche Frontzahnversorgung mit der Nummer 2210 und nicht mit der Nummer 2220 des Gebührenverzeichnisses der GOZ abzurechnen war.
Die Unterscheidung zwischen beiden Gebührenziffern kann nur nach klar abgrenzbaren Kriterien erfolgen. Bereits aus dem Wortlaut und der Systematik der Nr. 2200 ff. des Gebührenver-zeichnisses folgt dabei, dass nicht nach der zahntechnischen Ausführung oder den verwen-deten Materialien (etwa Metallkrone, Verblendkrone oder Vollkeramikkrone), sondern nach Voll- und Teilkronen unterschieden wird. Der von der zuständigen Bezirkszahnärztekammer u. a. für GOZ-Fragen bestellte Gutachter Dr. … hat in seiner mündlichen Anhörung vor dem Amtsgericht dargelegt, ein Veneer (im Sprachverständnis der GOZ) sei eine vestibuläre (der Außenseite zugewandte) Teilkrone, bei der die Zahnsubstanz teilweise bestehen bleibe Wenn die Zähne wie im vorliegenden Fall auch auf der Zahnrückseite nach ganz unten präpariert würden, liege hingegen eine Kronenpräparatiop vor. Die GOZ unterscheide nicht nach der Präparationsdicke, sondern nach der Präparatioijisform. Für ihn gebe es zwischen einem 360°-Veneer und einer Vollkrone keinen Unterschied.
Diese sachverständige Einschätzung deckt sich mit der Kommentierung der Bundeszahnärztekammer, welche ein Veneer als Keramikschale bezeichnet, was auch nach allgemeinem Sprachverständnis etwas anderes ist als eine vollständige zirkuläre Ummantelung jedenfalls des sichtbaren (supragingivalen) Bereichs des Zahns, was laut der Kommentierung zu Nr. 2210 GOZ eine Vollkrone definiert. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass nach der Kommentierung zu Nr. 2220 unter letztere Gebührennummer die Versorgung eines Zahnes mit einer Teilkrone oder einer Keramikschale (Veneer) „unabhängig vom Umfang der Präparation" fällt. Dies ändert nichts daran, dass zunächst festzustellen ist, was überhaupt unter den Begriff der Teilkrone und des Veneers - in Abgrenzung zur Vollkrone (Nr. 2210) - fällt.
Eine Abgrenzung nach der Dicke des Zahnabtrags, der Wanddicke des Zahnersatzes oder der Festigkeit der adhäsiven Befestigung ist nicht nur in der GOZ nicht angelegt, sondern würde auch zu Unschärfen und Abgrenzungsproblemen führen. Sowie der gerichtliche Sachverständige darauf hinweist, dass auch ein Veneer dicker oder dünner sein könne, gilt dies auch für Kronen. Auch bei Kronen kann, u. a. abhängig vom Material, mehr oder weniger Zahnhartsubstanz erhalten bleiben und je nach Material eine unterschiedliche Festigkeit vorliegen (die ggf. eine kraftschlüssige adhäsive Verbindung erforderlich macht, vgl. Liebold/Raff /Wissing, Kommentar zur GOZ, Loseblatt, Stand Dezember 2017, GOZ 2220-2220, Punkt 1.2.7.). Eine Unterscheidung nach der Schwierigkeit der Präparation oder des Zeitaufwandes für den Zahn¬arzt würde gleichfalls Abgrenzurigsprobleme aufwerfen. Diesen Kriterien ist daher nicht bei der Einordnung der Gebührennummer, sondern bei der Bemessung des Steigerungssatzes Rechnung zu tragen. Erst Recht kann der Zeitaufwand für den Zahntechniker nicht als Abgrenzungskriterium für die Abrechnung der zahnärztlichen Leistung dienen, denn Laborkosten werden gesondert vergütet.
Auch das vom gerichtlichen Sachverständigen angeführte Ziel der GOZ, minimalinvasive Behandlungen zu fördern, steht der Einordnung eines „360°-Grad-Veneers" unter die Gebührennummer 2210 (Vollkrone) nicht entgegen. Denn auch wenn hierbei wie klägerseits vorgetragen nur eine sehr dünne Schicht der Zahnhartsubstanz abgetragen wird, ändert dies nichts daran, dass die gesamte Außenfläche des Zahns präpariert wird und nicht wie bei einer Teilkrone oder einem konventionellen Veneer ein Teil der Zahnaußenfläche unverändert erhalten bleibt.
Dass die Deutsche Gesellschaft für Ästhetische Zahnmedizin die Abrechnung mit der höheren Punktzahl nach der Gebührennummer 2220 unterstützt, vermag an der Einschätzung der Kammer nichts zu ändern. Die Beklagtenseite weist zu Recht darauf hin, dass gebührenrechtliche Fragestellungen nicht zum Aufgabengebiet der DGÄZ zählen. Jedenfalls ist die mit Schriftsatz vorn 02.02.2018 vorgelegte Stellungnahme nicht geeignet, die Ausführungen des von der zuständigen Bezirksärztekammer für Fragen der GOZ bestellten und im vorliegenden Verfahren durch das Gericht beauftragten Sachverständigen in Frage zu stellen.
2.
Die Berufung der Beklagten ist ebenfalls unbegründet. Die Gebührenvereinbarung vom 12.02./01.10.2015 ist nicht oder jedenfalls nicht insgesamt unwirksam. In formaler Hinsicht entsprach die Gebührenvereinbarung den Anforderungen des § 2 Abs. 2 GOZ. Dass eine objektiv unrichtige Gebührennummer aufgeführt wurde, berührt nicht die formale Ordnungsgemäßheit, sondern allenfalls die materielle Wirksamkeit der Vereinbarung.
Das Amtsgericht kommt indes auch was Letzteres anbelangt zu der überzeugenden Auslegung, dass es sich um eine die Wirksamkeit der Vereinbarung im Übrigen nicht berührende Falschbezeichnung handelt. Die durchzuführende Behandlung wurde dem Kläger durch seinen Zahnarzt im Einzelnen erläutert. Zwischen den Parteien bestand Einigkeit, dass ebendiese Behandlung mit dem Steigerungssatz von 5,5 abgerechnet werden sollte. Dass die Parteien von einer Einordnung unter eine falsche Gebührennummer ausgingen, ist nach dem Rechtsgedanken der falsa demonstratio unschädlich. Selbst wenn man aber in der unrichtigen Gebührennummer (und mithin unrichtigen Annahme einer höheren Punktzahl im Sinne des § 5 Abs. 1 GOZ) einen Verstoß gegen § 2 Abs. 1 GOZ erblicken wollte, wonach die Vereinbarung einer abweichenden Punktzahl unzulässig ist, hätte dies nach § 134 BGB a. E. („wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt") nicht die vollständige Unwirksamkeit der Gebührenvereinbarung zur Folge. Wie auch sonst bei Verstößen gegen Preisbestimmungen (beispielsweise im Bereich der HOAI) bleibt vielmehr die Vereinbarung mit dem zulässigen Inhalt - hier also mit der zulässigen Punktzahl nach der Nummer 2210 GOZ - aufrecht erhalten (vgl. Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 134 Rn. 27).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.