Urteilstext
Tenor
1.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 21. Januar 2004 - 13 Sa 66/03 - wird zurückgewiesen.
2.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Ausbildungsvergütung.
Der Kläger war ab dem 11. Februar 2002 im Einzelhandelsunternehmen der Beklagten als Hilfskraft im Verkauf beschäftigt. Am 2. August 2002 schlossen die Parteien einen Berufsausbildungsvertrag zur Ausbildung des Klägers als Verkäufer im Einzelhandel ab dem 15. August 2002. Sie vereinbarten ua. eine monatliche Ausbildungsvergütung iHv. 570,00 Euro brutto für das erste Ausbildungsjahr und eine Probezeit von drei Monaten. Mit einem dem Kläger am 17. Oktober 2002 zugegangenen Schreiben vom selben Tag kündigte die Beklagte das Ausbildungsverhältnis ohne Einhalten einer Kündigungsfrist und zahlte dem Kläger für die Zeit vom 1. bis zum 17. Oktober 2002 Ausbildungsvergütung iHv. 312,58 Euro brutto.
Der Kläger hat gemeint, die Beklagte schulde ihm für die Zeit vom 1. bis zum 17. Oktober 2002 weitere Ausbildungsvergütung iHv. 10,42 Euro brutto und für die Zeit vom 18. bis zum 31. Oktober 2002 Ausbildungsvergütung iHv. 247,00 Euro brutto. Das Berufsausbildungsverhältnis habe nicht am 17. Oktober 2002 geendet. Die Beklagte habe dieses nach Ablauf der Probezeit gekündigt. Die im Berufsausbildungsvertrag getroffene Probezeitvereinbarung sei unwirksam. Auf Grund seiner Vorbeschäftigung als Hilfskraft im Verkauf sei nur die gesetzliche Mindestprobezeit von einem Monat zulässig gewesen. Das Berufsausbildungsverhältnis wäre aber auch bei einer dreimonatigen Probezeit durch die Kündigung der Beklagten vom 17. Oktober 2002 nicht vor Ablauf der für ein Probearbeitsverhältnis geltenden Kündigungsfrist von zwei Wochen (§ 622 Abs. 3 BGB) beendet worden. Das Absehen von jeglicher Kündigungsfrist in § 15 Abs. 1 BBiG verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG).
Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - zuletzt beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 257,42 Euro brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat den Anspruch iHv. 10,42 Euro brutto anerkannt und im Übrigen Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage im Umfang des Anerkenntnisses der Beklagten stattgegeben, im Übrigen die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht weitere Ausbildungsvergütung nicht zu.
I.
Die Revision ist mangels ordnungsgemäßer Begründung unzulässig, soweit der Kläger für die Zeit vom 1. bis zum 17. Oktober 2002 weitere Ausbildungsvergütung in Höhe von 10,42 Euro brutto beansprucht.
1.
Zur Zulässigkeit der Revision gehört deren Begründung (§ 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Bei einer materiell-rechtlichen Rüge sind die Umstände zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a ZPO). Die Angabe der verletzten Rechtsnorm wird anders als in § 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a ZPO aF nicht mehr verlangt. Es ist aber nach wie vor erforderlich, dass sich die Revisionsbegründung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzt (BAG 13. März 2003 - 6 AZR 585/01 - BAGE 105, 205, 207; 16. April 2003 - 4 AZR 367/02 - AP ZPO 2002 § 551 Nr. 1 = EzA ArbGG 1979 § 74 Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu I 2 a der Gründe; 29. Oktober 1997 - 5 AZR 624/96 - BAGE 87, 41) . Diese muss den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind (BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - AP ArbGG 1979 § 74 Nr. 11 = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) .
2.
Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung des Klägers nicht, soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers für unzulässig gehalten und angenommen hat, der Kläger sei in Höhe des ihm vom Arbeitsgericht zuerkannten Betrages von 10,42 Euro brutto nicht beschwert. Die Revisionsbegründung setzt sich mit diesen Urteilsgründen nicht auseinander.
II.
Die weitergehende Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG für die Zeit vom 18. bis zum 31. Oktober 2002 keinen Anspruch auf Ausbildungsvergütung. Das Berufsausbildungsverhältnis hat während der Probezeit auf Grund der Kündigung der Beklagten vom 17. Oktober 2002 an diesem Tag geendet. Nach § 15 Abs. 1 BBiG kann das Berufsausbildungsverhältnis während der Probezeit jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Probezeitvereinbarung wirksam.
1.
Eine Probezeit von drei Monaten benachteiligt den Kläger nicht unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB gelten die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Die Probezeitvereinbarung der Parteien weicht von der Regelung in § 13 Satz 2 BBiG nicht ab, wonach die Probezeit mindestens einen Monat betragen muss und höchstens drei Monate betragen darf. Zu Unrecht meint der Kläger deshalb auch, die Probezeitvereinbarung verstoße gegen die guten Sitten und sei nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
2.
Die in dem vorhergehenden Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit ist nicht auf die Probezeit anzurechnen, soweit diese die gesetzliche Mindestfrist von einem Monat überschreitet. Für eine Anrechnung fehlt es an einer Rechtsgrundlage.
a)
Der Wortlaut des § 13 Satz 2 BBiG enthält keine Angaben darüber, dass die Parteien des Berufsausbildungsverhältnisses bei einer längeren Vorbeschäftigung des Auszubildenden in einem Arbeitsverhältnis die gesetzliche Mindestprobezeit verabreden müssen.
b)
Ein solches Auslegungsergebnis gibt auch der Zweck der Probezeit nicht vor. § 13 BBiG will einerseits sicherstellen, dass der Ausbildende den Auszubildenden dahingehend überprüfen kann, ob dieser für den zu erlernenden Beruf geeignet ist (vgl. BT-Drucks. V/4260 S. 10) und sich in das betriebliche Geschehen mit seinen Lernpflichten einordnen kann (BAG 27. November 1991 - 2 AZR 263/91 - AP BBiG § 13 Nr. 2 = EzA BBiG § 13 Nr. 2, zu B IV 3 a der Gründe) . Nach der Probezeit kann der Ausbildende das Berufsausbildungsverhältnis nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nur noch aus einem wichtigen Grund kündigen. Andererseits muss die Prüfung, ob der gewählte Beruf seinen Vorstellungen und Anlagen entspricht, auch dem Auszubildenden möglich sein. Diese Prüfungspflicht beider Parteien entfällt nicht auf Grund einer Vorbeschäftigung des Auszubildenden in einem Arbeitsverhältnis. Berufsausbildung und Arbeitsleistung sind nicht gleichzusetzen (BAG 17. August 2000 - 8 AZR 578/99 - AP BBiG § 3 Nr. 7 = EzA BBiG § 16 Nr. 3, zu 2 e der Gründe) . Dem stehen die ganz unterschiedlichen Pflichtenbindungen beider Vertragsverhältnisse entgegen (BAG 10. Juli 2003 - 6 AZR 348/02 - AP MTA-O § 1 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu 2 bb der Gründe) . Während ein Arbeitnehmer nach § 611 Abs. 1 BGB die Leistung der versprochenen Dienste gegen Zahlung eines Entgelts schuldet, hat ein Auszubildender sich zu bemühen, die erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse zu erwerben, die erforderlich sind, um das Ausbildungsziel zu erreichen (§ 9 Satz 1 BBiG). Verrichtungen hat er nach § 9 Satz 2 Nr. 1 BBiG nur im Rahmen des Ausbildungszwecks auszuführen.
3.
Das Absehen von jeglicher Kündigungsfrist in § 15 Abs. 1 BBiG ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
a)
Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, § 15 Abs. 1 BBiG verstoße gegen das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG). Dieses Prinzip begründet die Pflicht des Staates, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen. Bei der Erfüllung dieser Pflicht kommt dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum zu (BVerfG 27. Januar 1988 - 1 BvL 15/87 - BVerfGE 97, 169, 185 mwN) . Zu der Frage, ob und inwieweit ein Arbeitnehmern eingeräumter, zeitlich begrenzter Kündigungsschutz auch Auszubildenden gewährt werden muss, lässt sich dem Sozialstaatsprinzip nichts Näheres entnehmen. Insofern setzt der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG den konkreteren Maßstab.
b)
Der vom Kläger gerügte Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Die Ungleichbehandlung, dass ein Berufsausbildungsverhältnis nach § 15 Abs. 1 BBiG während der Probezeit auf Grund einer entfristeten ordentlichen Kündigung (BAG 27. November 1991 - 2 AZR 263/91 - AP BBiG § 13 Nr. 2 = EzA BBiG § 13 Nr. 2, zu B IV 3 a aa der Gründe) beendet werden kann, während im Arbeitsverhältnis auch während der Probezeit nach § 622 Abs. 3 BGB eine Kündigungsfrist von zwei Wochen eingehalten werden muss, ist nicht gleichheitswidrig. Der Gesetzgeber war durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht daran gehindert, für Auszubildende und Arbeitnehmer unterschiedliche Regelungen zu treffen.
aa)
Der Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, soll in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt allein aus der Ungleichbehandlung vergleichbarer Fallgruppen noch keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. Ein darauf bezogener Verstoß liegt erst vor, wenn die Ungleichbehandlung nicht in ausreichendem Maß gerechtfertigt werden kann. Hierfür stellt das Bundesverfassungsgericht unterschiedliche Anforderungen (BVerfG 22. Februar 1994 - 1 BvL 21/85 und 4/92 - BVerfGE 90, 46, 56; vgl. auch BAG 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - AP TVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 5 = EzA GG Art. 3 Nr. 101, zu B II 3 c cc der Gründe mwN) . Diese bestimmen sich nach dem jeweiligen Regelungsgegenstand und den jeweiligen Differenzierungsmerkmalen und reichen vom bloßen Willkürverbot bis hin zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Der strengere Prüfungsmaßstab gilt bei der hier gegebenen Ungleichbehandlung von Personengruppen (st. Rspr., vgl. BVerfG 22. Februar 1994 - 1 BvL 21/85 und 4/92 - BVerfGE 90, 46, 56; 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 ua. - BVerfGE 82, 126, 146) . Bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG 22. Februar 1994 - 1 BvL 21/85 und 4/92 - BVerfGE 90, 46, 56 mwN) . Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zu einander stehen ist (BVerfG 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 ua. - BVerfGE 82, 126, 146 mwN) .
bb)
Das Absehen von einer Kündigungsfrist in § 15 Abs. 1 BBiG im Unterschied zu der in § 622 Abs. 3 BGB für Arbeitnehmer getroffenen Regelung ist auf Grund der unterschiedlichen Pflichtenbindungen und Schutzbedürfnisse sachlich gerechtfertigt.
(1)
Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwingt den Arbeitnehmer in der Regel dazu, einen neuen Arbeitsplatz zu suchen und sich auf neue Arbeitsbedingungen einzustellen. Ob er einen neuen Arbeitsplatz mit möglichst gleichem Verdienst und gleichwertigen Bedingungen findet, hängt bei typisierender Betrachtung auch davon ab, wie viel Zeit ihm für die Arbeitsplatzsuche zur Verfügung steht. Dem sollen die Kündigungsfristen Rechnung tragen und den Übergang zu einer neuen Stelle erleichtern (BVerfG 30. Mai 1990 - 1 BvL 2/83 ua. - BVerfGE 82, 126, 147) . Der gekündigte Arbeitnehmer, der bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf die vereinbarte Vergütung hat, kann schon vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Stelle suchen und die erforderlichen Dispositionen im privaten Bereich treffen. Dieses Ziel verfolgt auch die in § 622 Abs. 3 BGB geregelte Kündigungsfrist von zwei Wochen. Sie bewirkt einen zeitlich begrenzten Kündigungsschutz (ErfK/Müller-Glöge 5. Aufl., § 622 BGB Rn. 1 mwN) . Die Mindestkündigungsfrist von zwei Wochen hat auch der Arbeitnehmer einzuhalten, wenn er das Arbeitsverhältnis während der Probezeit kündigt. § 622 Abs. 3 BGB schützt damit auch die Personalplanung des Arbeitgebers (ErfK/Müller-Glöge 5. Aufl. § 622 BGB Rn. 1) .
(2)
Demgegenüber liegt ein zeitlich begrenzter Kündigungsschutz nach einer Kündigung während der Probezeit weder im Interesse des Ausbildenden, noch im Interesse des Auszubildenden. Die Hauptpflicht des Ausbildenden besteht nach § 6 BBiG darin, dem Auszubildenden die für das Erreichen des Ausbildungsziels erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln. Der Auszubildende schuldet im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung gegen Zahlung eines Entgelts, sondern hat sich nach § 9 Satz 1 BBiG zu bemühen, die für das Erreichen des Ausbildungsziels erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse zu erwerben. Besteht der Auszubildende vor Ablauf der Ausbildungszeit die Abschlussprüfung, endet das Berufsausbildungsverhältnis mit dem Bestehen der Abschlussprüfung (§ 14 Abs. 2 BBiG). Nach dem Erreichen des Ausbildungsziels besteht kein Grund mehr, den Ausbildenden und den Auszubildenden bis zum Ablauf der vereinbarten Ausbildungszeit an ihre Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis zu binden. Ebenso verhält es sich, wenn eine Kündigung während der Probezeit das Berufsausbildungsverhältnis beendet und das Ziel der Ausbildung damit nicht mehr erreicht werden kann. Eine fortbestehende Verpflichtung des Ausbildenden zur Ausbildung und des Auszubildenden, sich ausbilden zu lassen, ginge ebenso wie bei einer Fortsetzung der Ausbildung nach dem Erreichen des Ausbildungsziels ins Leere.