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Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler

 | Gericht:  Bundesgerichtshof (BGH)  | Aktenzeichen: VI ZR 284/19 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Schadenersatzrecht , Sonstiges

Urteilstext

 

Tenor


Die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin und des Drittwiderbeklagten gegen das Urteil des 24. Zivilsenates des Oberlandesgerichts München vom 11. Juni 2019 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 23. Juli 2019 werden zurückgewiesen.
    
Von den Gerichtskosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin 31,2 %, die Beklagte zu 1 9,6 %, die Beklagte zu 2 21 % und der Drittwiderbeklagte 38,2 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Revisionsverfahren trägt die Beklagte zu 2 40 %, die Klägerin trägt 60 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2, der Drittwiderbeklagte trägt 80 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1, die Beklagte zu 1 trägt 20 % der außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten.
    
Von Rechts wegen


Tatbestand


Die Parteien, auf der Klageseite ein Berufshaftpflichtversicherer (Klägerin) und als Drittwiderbeklagter der bei ihm versicherte Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, auf der Beklagtenseite ein weiterer Berufshaftpflichtversicherer (Beklagte zu 1 und Drittwiderklägerin) und die bei ihm versicherte beklagte Hebamme (Beklagte zu 2), streiten im Zusammenhang mit einem Geburtsschaden um Ansprüche auf Gesamtschuldnerausgleich.
    
In einem Vorprozess hat das Landgericht Augsburg im Jahre 2015 den drittwiderbeklagten Arzt und die beklagte Hebamme rechtskräftig als Gesamtschuldner verurteilt, wegen einer Reihe von Fehlern bei der Geburt der S. am 14. Juni 1997 Schadensersatz aus nach § 116 SGB X übergegangenem Recht an deren gesetzliche Krankenkasse und Pflegekasse zu leisten. Aufgrund des Urteils zahlte die Beklagte zu 1 als Berufshaftpflichtversicherer der beklagten Hebamme im November 2015 278.412,51 € an die beiden Kassen. Die Klägerin hatte als Berufshaftpflichtversicherer des drittwiderbeklagten Arztes bereits bis zum 31. Dezember 2005 Ansprüche der S. in Höhe von 640.000 € vergleichsweise abgefunden und dafür einschließlich der Kosten des Bevollmächtigten der S. 651.211,91 € aufgewendet. Beide Berufshaftpflichtversicherer erbringen laufend weitere Leistungen.
    
Die Mutter der S. wurde während ihrer Schwangerschaft vom drittwiderbeklagten Arzt betreut, der Belegarzt im Krankenhaus H. war. Nach dem errechneten Geburtstermin vom 2. Juni 1997 wurde sie am 14. Juni 1997 nach Einsetzen der Wehentätigkeit um 2.35 Uhr im Krankenhaus stationär aufgenommen. Die Beklagte zu 2 war die für sie zuständige Beleghebamme, die zunächst allein ihre Betreuung übernahm. Um 5 Uhr kam es zur Aufnahme in den Kreißsaal und zum Anlegen eines Dauer-CTG. Um 5.15 Uhr trat der Blasensprung ein. Nachdem um 5.42 Uhr ein Herztonabfall beim Kind und ein suspektes CTG festzustellen waren, gab die Beklagte zu 2 ein wehenhemmendes Mittel und verständigte um 5.48 Uhr den Drittwiderbeklagten telefonisch. Dieser traf um 6.10 Uhr ein, untersuchte die Mutter und ordnete eine Oxytocininfusion (Wehentropf) an. Sodann verließ er den Kreißsaal in der Absicht, nach 15 bis 20 Minuten wiederzukommen, um den Geburtsfortschritt festzustellen. Er ließ sich von einer Nachtschwester ein Patientenzimmer zuweisen, wo er sich ins Bett legte und schlief. Der beklagten Hebamme teilte er nicht mit, wo er sich aufhielt, eine Verbindung per Notglocke bestand in diesem Zimmer nicht. Erst um 7 Uhr erschien er wieder im Kreißsaal. Zuvor war es um 6.16 Uhr nach Anlegen des Wehentropfes erstmals wieder zu einem Herztonabfall (Bradykardie) gekommen, auch bei den folgenden Wehen war ein Herztonabfall festzustellen. Um 6.30 Uhr betätigte die Hebamme den Klingelruf, der Drittwiderbeklagte erschien jedoch nicht. Um 6.32 Uhr war das CTG-Muster hoch pathologisch. Die beklagte Hebamme beendete die Weheninfusion jedoch nicht und gab auch keinen Wehenhemmer. Um 7 Uhr erschien der drittwiderbeklagte Arzt wieder im Kreißsaal, ließ den Wehentropf abhängen und leitete eine Wehenhemmung ein. Er untersuchte die Patientin. Die Herztöne des Kindes verbesserten sich bis 7.23 Uhr. Um 7.15 Uhr traf der drittwiderbeklagte Arzt die Entscheidung für eine Notsectio. Von 7.23 Uhr bis 7.40 Uhr ist das Einsetzen eines sinusoidalen Herzfrequenzmusters festgestellt worden. Um 7.53 Uhr wurde die S. durch Sectio geboren und der drittwiderbeklagte Arzt übernahm die Erstversorgung des Kindes (Beatmung). Den Neugeborenenarzt der einige Kilometer entfernten Klinik verständigte der Drittwiderbeklagte entweder um 8.08 Uhr oder um 8.13 Uhr, dieser traf um 8.43 Uhr ein und stellte bei der S. einen nicht messbar niedrigen Blutzuckerspiegel fest. Es wurde umgehend mit einer Glukosedauerinfusion begonnen, dennoch entwickelte die S. eine Hypoglykämie. Sie ist infolge der Sauerstoffunterversorgung bei der Geburt und der anschließenden Hypoglykämie schwerstbehindert.
    
Das Landgericht hat die Klage des Berufshaftpflichtversicherers des Arztes auf Zahlung von 325.605,95 € (dies entspricht der Hälfte der von ihm aufgebrachten Summe von 651.211,91 €) und auf Feststellung der Pflicht zur Freistellung von weiteren Ansprüchen zu 50 % abgewiesen und der Drittwiderklage des beklagten Berufshaftpflichtversicherers der Hebamme gegen den Arzt auf Zahlung von 278.412,51 € (dies entspricht der von der Beklagten zu 1 im Schadensfall bereits geleisteten Summe) und auf Feststellung der Pflicht zur Freistellung von weiteren Ansprüchen aus dem Geburtsschaden stattgegeben. Im Innenverhältnis der beiden Schädiger, also des Drittwiderbeklagten und der Beklagten zu 2, trage der Drittwiderbeklagte den Schaden allein, weil er die Schädigung überwiegend verursacht habe und die Beklagte zu 2 als Hebamme ihm gegenüber weisungsgebunden gewesen sei. Aus diesem Grunde sei auch die Drittwiderklage begründet.
    
Auf die Berufung der Klägerin und des drittwiderbeklagten Arztes hat das Oberlandesgericht den Drittwiderbeklagten verurteilt, an die Drittwiderklägerin 92.487,63 € (80 % von 278.412,51 € abzüglich 20 % von 651.211,91 €) nebst Zinsen zu bezahlen. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass die beklagte Hebamme verpflichtet ist, die Klägerin in Höhe von 20 % der durch diese zur Erfüllung der Ansprüche aus dem Geburtsschadensfall entstandenen oder noch entstehenden Ansprüche freizustellen, und dass der Drittwiderbeklagte verpflichtet ist, der Beklagten zu 1 80 % jeden weiteren Schadens zu ersetzen, der ihr durch die Inanspruchnahme ihrer Versicherungsnehmerin, der Beklagten zu 2, durch die Geschädigte des Geburtsschadensfalles noch entstehen wird bzw. die Beklagte zu 1 insoweit freizustellen. Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen sowie die Klage und die Drittwiderklage abgewiesen.
    
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter, die Beklagte zu 1 zusätzlich ihre Drittwiderklageansprüche. Mit ihrer Anschlussrevision verfolgen die Klägerin und der Drittwiderbeklagte ihr Berufungsbegehren weiter, das auf eine hälftige Teilung der Schadensersatzleistungen abzielt.

 

Entscheidungsgründe


A.
    
Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe aus nach § 86 Abs. 1 VVG übergegangenem Recht des drittwiderbeklagten Arztes einen Anspruch gegen die Beklagte zu 2 auf einen Gesamtschuldnerinnenausgleich von 20 % der von ihr erbrachten Schadensersatzleistungen gemäß § 426 Abs. 1 BGB. Entgegen stehe jedoch ein Anspruch der Beklagten zu 1 aus übergegangenem Recht der Beklagten zu 2 auf einen Gesamtschuldnerinnenausgleich zu 80 % der von ihr erbrachten Schadensersatzleistungen. Aufgrund der Hilfsaufrechnungserklärung der Beklagten seien die bezifferten Beträge zu saldieren. Ein Direktanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 1 bestehe auch hinsichtlich des gestellten Feststellungsantrags nicht.
    
Der Gesamtschuldnerinnenausgleich zwischen der Beklagten zu 2 und dem Drittwiderbeklagten sei mit der Quote von 80 % zu 20 % zum Nachteil des Drittwiderbeklagten durchzuführen. Bei Schadensersatzansprüchen seien, soweit die Gesamtschuldner keine Vereinbarung über die Ausgleichsansprüche getroffen hätten, diese nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessen, insbesondere anhand der individuellen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der Beteiligten nach den zu § 254 BGB entwickelten Grundsätzen. Bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge seien folgende Behandlungsfehler des Drittwiderbeklagten zu berücksichtigen:
    
- Der Drittwiderbeklagte habe, nachdem er von der Beklagten zu 2 in den Kreißsaal gerufen worden sei, bei seinem Erscheinen um 6.10 Uhr den Geburtsverlauf falsch eingeschätzt, das pathologische CTG verkannt und deshalb fehlerhaft eine Weheninfusion angeordnet. Es habe sich nämlich nicht um einen protrahierten Geburtsverlauf, sondern um einen normalen Verlauf für Erstgebärende gehandelt. Auf dem CTG seien ab 5.55 Uhr Herztonabfälle verzeichnet, ohne dass zugleich eine Wehentätigkeit aufgezeichnet worden sei. Daher habe nicht zuverlässig bestimmt werden können, ob das Kind noch ausreichend versorgt worden sei. Bei einer unzureichenden kindlichen Versorgung sei aber eine Weheninfusion untersagt. Der Senat bewerte dies als einfachen Behandlungsfehler. Er sei für das weitere Geschehen ursächlich, da es ohne den Wehentropf nicht zu dem pathologischen CTG, insbesondere ab 6.32 Uhr gekommen wäre.
    
- Der Drittwiderbeklagte habe seine Erreichbarkeit in der Zeit von 6.10 Uhr bis 7.00 Uhr nicht sichergestellt. Da er sich in einem Patientenzimmer zur Ruhe gelegt habe, habe er über die Notglocke nicht erreicht werden können, als sich zwischen 6.20 Uhr und 6.30 Uhr aufgrund des Geburtsverlaufs die Notwendigkeit ergeben habe, entweder einen Kaiserschnitt durchzuführen oder eine Mikroblutanalyse vorzunehmen. Er habe auch der Beklagten zu 2 nicht mitgeteilt, wo er sich hingelegt habe. Das Landgericht habe mit Recht die beiden Fehler zusammen als groben Behandlungsfehler bewertet. Die Abwesenheit und Unerreichbarkeit des Drittwiderbeklagten in dem kritischen Zeitraum insbesondere ab 6.32 Uhr sei für die Schädigung des Kindes auch ursächlich gewesen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. (Gutachten eingeholt im Erstprozess zwischen den Kassen und den Geburtshelfern) sei die schwere Schädigung durch das Geburtsereignis verursacht worden. Im Übrigen sei insoweit auch im Rahmen des Gesamtschuldnerinnenausgleichs die Beweislastumkehr bei einem groben Behandlungsfehler zu berücksichtigen.
    
- Dass der Drittwiderbeklagte um 7.15 Uhr die Indikation für eine Notsectio gestellt habe, sei richtig gewesen. Fehlerhaft sei jedoch, dass bis zu deren Durchführung um 7.53 Uhr nach den Feststellungen des Landgerichts 43 Minuten, bei zutreffender Berechnung 38 Minuten, vergangen seien. Damit liege die Entscheidungs-Entbindungszeit (E-E-Zeit) deutlich über dem Standard von 20 Minuten, so dass das Landgericht insoweit trotz des Rechenfehlers im Ergebnis zu Recht einen einfachen Behandlungsfehler des Drittwiderbeklagten angenommen habe. Die Kausalität dieses Behandlungsfehlers für die Schädigung des Kindes stehe allerdings nicht fest. Zwar habe von 7.23 Uhr bis 7.40 Uhr ein schwer pathologisches sinusoidales Herzfrequenzmuster eingesetzt. Bei Einhaltung der E-E-Zeit von 20 Minuten wäre die Geburt aber nicht vor 7.23 Uhr, sondern gegen 7.35 Uhr beendet gewesen.
    
- Ein weiterer grober Behandlungsfehler des Drittwiderbeklagten liege in der um fast eine Stunde verspäteten Verständigung des Babynotarztes. Er habe diesen erst um 8.08 Uhr (15 Minuten nach der Geburt) statt zugleich mit der Indikationsstellung für die Sectio angefordert. Das Landgericht habe diesen Fehler mit Recht als groben Behandlungsfehler eingeschätzt. Zwar habe der neonatologische Sachverständige Prof. Dr. H. diesen Fehler nur als vermutlich kausal für eine Vertiefung des Schadens angesehen, insoweit komme der Beklagten zu 2 jedoch die Beweislastumkehr bei einem groben Behandlungsfehler zu Gute.
    
Gegen die genannten Behandlungsfehler des drittwiderbeklagten Arztes sei ein grober Behandlungsfehler der beklagten Hebamme abzuwägen. Es könne ihr nicht vorgeworfen werden, dass sie um 6.10 Uhr den Wehentropf angestellt habe, da sie insoweit auf Weisungen des drittwiderbeklagten Arztes gehandelt habe. Sie habe aber in der Folgezeit die erneute CTG-Pathologie erkannt und gleichwohl den Wehentropf nicht abgestellt. Sie hätte beim Versuch, den Drittwiderbeklagten zu verständigen, hartnäckiger sein müssen und neben der erfolglosen Betätigung der Alarmglocke auch eine Krankenschwester mit der Suche betrauen müssen. Vor allem aber habe sie es pflichtwidrig unterlassen, bei Nichterreichbarkeit des Arztes selbst zeitnah, spätestens um 6.35 Uhr, die wehenfördernde Infusion abzustellen und stattdessen ein Mittel zur Hemmung der Wehentätigkeit (Tokolyse) zu verabreichen. Das Landgericht habe den Behandlungsfehler in Einklang mit dem Sachverständigen als grob bewertet. Auch dieser Behandlungsfehler sei kausal für die Schädigung des Kindes, insoweit komme dem drittwiderbeklagten Arzt die Beweislastumkehr bei einem groben Behandlungsfehler zu Gute.
    
Bei der Abwägung habe das Landgericht berücksichtigt, dass der drittwiderbeklagte Arzt die Notfallsituation durch sein fehlerhaftes Handeln gerade erst herbeigeführt habe, die zu meistern die beklagte Hebamme nicht in der Lage gewesen sei. Diese Erwägungen träfen im Ausgangspunkt zu. Der Arzt habe die Notsituation geschaffen, in der die beklagte Hebamme dann ebenfalls fehlerhaft auf die erneute, schwerwiegende CTG-Verschlechterung reagiert habe. Der Schwerpunkt des fehlerhaften Behandelns liege daher bereits in dieser Phase auf dem Handeln des Arztes. Bei der nach § 426 Abs. 1 BGB i.V.m. § 254 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung überwögen die Verursachungsanteile des Arztes deutlich, dem drei kausale Behandlungsfehler - davon zwei grobe - vorzuwerfen seien. Entgegen der Auffassung des Landgerichts trete der Verursachungsbeitrag der beklagten Hebamme jedoch nicht völlig zurück, die - in Abwesenheit des für sie unerreichbaren Drittwiderbeklagten - selbst gehalten und befugt gewesen sei, den Wehentropf abzustellen und eine Tokolyse einzuleiten. Dies erst recht, da sie die Pathologie des CTG tatsächlich erkannt habe. In dieser Situation hätte sie sich nicht mehr an die zuvor gegebene Weisung des Drittwiderbeklagten gebunden fühlen dürfen. Der Senat bewerte den Verursachungsbeitrag der Beklagten zu 2 mit 20 %.
    
B.
    
Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
    
I. 
Revision der Beklagten
    
Die Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Klägerin aus übergegangenem Recht des Drittwiderbeklagten gemäß § 86 Abs. 1 VVG gegenüber der Beklagten zu 2 ein Anspruch auf Innenausgleich gemäß § 426 Abs. 1 BGB zusteht (vgl. zum Übergang des Ausgleichsanspruchs des Versicherungsnehmers Senatsurteile vom 8. November 2016 - VI ZR 200/15, VersR 2017, 170 Rn. 8; vom 16. Februar 1971 - VI ZR 125/69, NJW 1971, 752, juris Rn. 29), und festgestellt, dass der Innenausgleich zwischen der Beklagten zu 2 und dem Drittwiderbeklagten im Verhältnis 20 % zu 80 % zu erfolgen hat.
    
1. 
Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Beklagte zu 2 und der Drittwiderbeklagte gegenüber der S. bzw. deren Kranken- und Pflegekasse als Gesamtschuldner zum Schadensersatz verpflichtet sind (§§ 421, 840 BGB).
    
a) 
Die Feststellung des Gesamtschuldverhältnisses zwischen den Schädigern aus einem Vorprozess zwischen dem Geschädigten und den Schädigern erwächst zwar nicht in materielle Rechtskraft zwischen den Letztgenannten. Werden also - wie hier im Vorprozess - zwei einfache Streitgenossen als Gesamtschuldner rechtskräftig zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt, so steht ihre Haftung zwar im Verhältnis zum Gläubiger, nicht aber zwischen den Streitgenossen selbst fest. Jedem der im Vorprozess rechtskräftig als Gesamtschuldner verurteilten Streitgenossen bleibt im nachfolgenden Rechtsstreit um den Innenausgleich damit die Möglichkeit, die im Vorprozess bejahte Verbindlichkeit dem Gläubiger gegenüber und damit auch das Bestehen eines Gesamtschuldverhältnisses überhaupt in Frage zu stellen (vgl. nur Senatsurteil vom 20. November 2018 - VI ZR 394/17, NJW 2019, 1751 Rn. 12). Derjenige Schädiger, welcher dem Geschädigten Schadensersatz leistet oder von dessen Forderungen in der Höhe des seine interne Ausgleichspflicht überschreitenden Teils Freistellung begehrt (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1985 - III ZR 142/84, NJW 1986, 978, juris Rn. 14) und deshalb den Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB gegenüber dem weiteren Schädiger geltend macht, muss deshalb in einem auf dieses Ziel gerichteten Prozess das Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses gemäß § 421 Satz 1 BGB darlegen und ggf. beweisen. Beim Regress zwischen mehreren Behandlern eines Patienten muss der Ausgleich Fordernde darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass nicht nur er selbst, sondern auch der Mitbehandler gegenüber dem geschädigten Patienten zum Schadensersatz verpflichtet ist, dass also der Patient einen Schadensersatzanspruch gegen diesen Mitbehandler hat. Dazu bedarf es im Grundsatz auch des Nachweises, dass das Fehlverhalten des im Folgeprozess Beklagten kausal für die Schädigung des Patienten war (vgl. Senatsurteil vom 5. Oktober 1993 - VI ZR 237/92, NJW 1994, 797, juris Rn. 18; vgl. anschaulich bei Gothe/Koppermann, MedR 2014, 90). Für die Darlegung und den Nachweis des haftungsbegründenden Fehlverhaltens der (Mit)Behandler gegenüber dem Patienten gelten dann die anerkannten und gesetzlich bestimmten Regeln der Darlegungs- und Beweislast nach den Grundsätzen auch des Arzthaftungsrechts, also beispielsweise die Beweislastregel des § 630h Abs. 5 BGB, da in diesem ersten Schritt die Frage der Haftung der Behandler gegenüber dem Patienten, die Entstehung der Gesamtschuld im Außenverhältnis, geklärt werden muss. Erst dann sind etwaige Ausgleichsansprüche zu bestimmen.
    
b) 
Dies hat das Berufungsgericht nicht verkannt und ist auf der Grundlage der Sachverständigengutachten des Vorprozesses und der dortigen Anhörung des Sachverständigen Prof. K. ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 2 als Gesamtschuldnerin gemäß § 840 Abs. 1, § 421 Satz 1, § 823 Abs. 1 BGB neben dem Drittwiderbeklagten für die Schädigung der S. bei deren Geburt haftet. Es hat unter Heranziehung der Grundsätze zur Umkehr der Beweislast und der grundsätzlichen Haftungsmöglichkeit auch der Hebamme nach Übernahme der Geburtsleitung durch den Arzt zu Recht angenommen, dass die Beklagte zu 2 dem Grunde nach gemäß § 823 Abs. 1 BGB der S. wegen eines groben Behandlungsfehlers zum Schadensersatz verpflichtet ist. Zwar dürfte sie nach dem Erscheinen des Drittwiderbeklagten im Kreißsaal um 6.10 Uhr, dessen Untersuchung der Kindesmutter und Anordnung der Oxytocin-Infusion und damit nach einer Übernahme der Geburtsleitung durch den Arzt auch Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfin des Drittwiderbeklagten geworden und danach seinen Weisungen unterworfen gewesen sein. Dies führte hier jedoch nicht zu einer Haftungsbefreiung.
    
Es gehört grundsätzlich zu den Aufgaben einer Hebamme, eine Geburt ohne besondere Komplikationen selbständig zu betreuen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 24. Mai 2016 - 8 U 159/14, juris Rn. 47 f.; § 1 Abs. 2 Nr. 5, 6, § 2 [bayerische] HebBO in der damals geltenden Fassung vom 19. Mai 1988, GVBl. S. 132 bzw. nunmehr § 2 Abs. 3 Nr. 6, 7 BayHebBO vom 28. Mai 2013, GVBl. S. 360, idF vom 10. Mai 2022, GVBl. S. 182). Das gilt zwar nur so lange, bis ein Arzt die Behandlung übernommen hat; von diesem Zeitpunkt an ist sie seine Gehilfin, für die er vertraglich nach § 278 BGB und deliktisch nach § 831 BGB einstehen muss (vgl. Senatsurteil vom 14. Februar 1995 - VI ZR 272/93, BGHZ 129, 6, juris Rn. 18). Auch wenn regelmäßig gelten mag, dass die Hebamme ab der Übernahme der Behandlung durch den Arzt insoweit von einer eigenen Verantwortung grundsätzlich befreit ist (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 2004 - VI ZR 212/03, BGHZ 161, 255, juris Rn. 20), kann doch in besonderen Situationen ihre Eigenverantwortung und damit auch eigene deliktische Haftung wieder aufleben, wenn sie beispielsweise ein vollkommen regelwidriges und unverständliches Vorgehen des ärztlichen Geburtshelfers erkennt und nicht wenigstens remonstriert (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 24. Mai 2016 - 8 U 159/14, GesR 2016, 568, juris Rn. 48; OLG Düsseldorf, Urteil vom 26. April 2007 - 8 U 37/05,19, juris Rn. 61) oder sie wegen eines Ausfalls oder Ausbleibens des ärztlichen Geburtshelfers als einzige Kraft mit geburtshilflicher Ausbildung eine Schädigung des Fetus oder der Kindsmutter verhindern kann. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 7 HebBO (in der damals geltenden Fassung vom 19. Mai 1988, GVBl. S. 132, nunmehr § 2 Abs. 3 Nr. 8 BayHebBO) gehört zu den Tätigkeiten in eigener Verantwortung auch das Ergreifen der notwendigen Maßnahmen bei Abwesenheit des Arztes. Dann ist wie bei der eigenverantwortlichen Geburtsleitung ihr geburtshilfliches Handeln an dem allgemein anerkannten fachlichen Standard für Hebammen und Entbindungspfleger zu messen (vgl. nur Staudinger/Gutmann [2021] BGB § 630a Rn. 168). Nach § 276 BGB schuldet die Hebamme der Patientin vertraglich wie deliktisch die im Verkehr erforderliche Sorgfalt. Sie muss diejenigen Maßnahmen ergreifen, die von einer gewissenhaften und aufmerksamen Hebamme aus berufsfachlicher Sicht ihres Fachbereichs vorausgesetzt und erwartet werden (vgl. zum medizinischen Standard grundsätzlich Senatsurteile vom 29. November 1994 - VI ZR 189/93, NJW 1995, 776, juris Rn. 14; vom 24. Februar 2015 - VI ZR 106/13, NJW 2015, 1601 Rn. 7).
    
Die Beklagten wenden sich mit ihrer Revision nicht dagegen, dass das Berufungsgericht unter Heranziehung der Sachverständigengutachten aus dem Vorprozess es als pflichtwidrig und grob behandlungsfehlerhaft gewertet hat, dass die Beklagte zu 2 bei Nichterreichbarkeit des Arztes die wehenfördernde Infusion nicht abgestellt und kein Mittel zur Hemmung der Wehentätigkeit verabreicht hat, obwohl sie die erneute Pathologie des CTG erkannt hatte. Rechtsfehler des Berufungsgerichts sind insoweit auch nicht ersichtlich.
    
c) 
Soweit die Revision rügt, dass das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Behandlungsfehler (und in der Folge der Verursachungsbeiträge) des Drittwiderbeklagten nicht dem beweisbewehrten Vortrag der Beklagten zu 2 nachgegangen sei, dass der maßgebliche Schaden des Kindes durch die vom Drittwiderbeklagten verursachte Überschreitung der Entscheidungs-Entbindungszeit bei einer Notsectio um 18 Minuten verursacht worden sei, hat der Senat - wie im Termin erläutert - die Verfahrensrügen geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).
    
2. 
Nach § 426 Abs. 1 BGB sind Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung in diesem Sinne kann sich aus einer (auch stillschweigenden) Vereinbarung der Beteiligten, aus sonstigen zwischen ihnen bestehenden Rechtsbeziehungen, aus besonderen gesetzlichen Regelungen oder aus der Natur der Sache und den Grundsätzen von Treu und Glauben ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 2014 - KZR 15/12, BGHZ 203, 193, juris Rn. 33 mwN). Im Streitfall sind mangels Feststellung einer vertraglichen Vereinbarung über die Ausgleichspflicht die Ausgleichsansprüche anhand der Umstände des Einzelfalls zu bemessen, insbesondere anhand der individuellen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der Beteiligten. Bei einer Haftung auf Schadensersatz bestimmt sich das Innenverhältnis der Gesamtschuldner dann entsprechend dem Rechtsgedanken des § 254 Abs. 1 BGB regelmäßig danach, inwieweit die einzelnen Gesamtschuldner zur Verursachung der für die Haftung maßgeblichen Umstände beigetragen haben und in welchem Maß sie ein Verschulden trifft (BGH, Urteile vom 18. November 2014 - KZR 15/12, BGHZ 203, 193, juris Rn. 40 f. mwN; vom 10. Juli 2014 - III ZR 441/13, NJW 2014, 2730 Rn. 21). Allerdings gehört die Abwägung der Verantwortlichkeiten nach § 254 BGB in den dem Revisionsgericht nur begrenzt zugänglichen Bereich der tatrichterlichen Würdigung (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 3. Mai 2005 - VI ZR 238/04, NJW-RR 2005, 1183, juris Rn. 17). Die Abwägung setzt den Nachweis des jeweils einzustellenden Verursachungsbeitrages voraus. Die vom Berufungsgericht hier vorgenommene Feststellung und Abwägung der jeweiligen Verursachungsbeiträge ist nicht zu beanstanden. Seine Wertung, der Gesamtschuldnerinnenausgleich zwischen der Beklagten zu 2 und dem Drittwiderbeklagten sei mit einer Quote von 80 % zu 20 % zum Nachteil des Drittwiderbeklagten durchzuführen, lässt Rechtsfehler nicht erkennen.
    
a) 
Für die Beurteilung der Ausgleichsansprüche stellt sich für den Anspruch auf Innenausgleich gemäß § 426 Abs. 1 BGB die vom Berufungsgericht zu Recht aufgeworfene Frage, ob die für die Arzthaftung im Verhältnis zum Patienten anerkannte und nunmehr auch in § 630h Abs. 5 BGB geregelte Umkehr der Beweislast bei groben Behandlungsfehlern bei dem Gesamtschuldnerinnenausgleich unter den Schädigern Platz greift.
    
aa) 
Die Frage der Anwendung der Grundsätze der Umkehr der Beweislast bei groben Behandlungsfehlern beim Innenausgleich der Gesamtschuldner wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Von einer Umkehr der Beweislast bei der Verfolgung des Innenausgleichsanspruchs zwischen dem behandelnden niedergelassenen Orthopäden und der Klinik, in die die Patientin von diesem überwiesen und in der sie weiterbehandelt worden war, ist das Oberlandesgericht Hamm ausgegangen (OLG Hamm, GesR 2005, 70, juris Rn. 26). Für eine Umkehr der Beweislast beim Innenausgleich gemäß § 426 Abs. 1 BGB zwischen dem Unfallschädiger und der Klinik, in die das Unfallopfer nach dem Unfall eingeliefert worden ist, hat sich das Oberlandesgericht Stuttgart ausgesprochen (OLG Stuttgart, Urteil vom 18. April 2006 - 1 U 127/04, juris Rn. 53 ff.). Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Köln dies für den Ausgleich zwischen dem Täter einer vorsätzlichen Körperverletzung und dem das Opfer anschließend behandelnden Arzt abgelehnt (vgl. OLG Köln, VersR 1989, 294). Der Senat hat die Frage bisher offengelassen (Senatsurteil vom 6. Oktober 2009 - VI ZR 24/09, NJW-RR 2010, 831 Rn. 13).
    
bb) 
In der Literatur sind die Meinungen geteilt. Für eine Umkehr der Beweislast sprechen sich Frahm/Walter (Arzthaftungsrecht, 7. Aufl., Rn. 271), Lafontaine/K. Schmidt (juris PK-BGB, 9. Aufl., § 630h Rn. 171), Wagner (MünchKomm/BGB, 8. Aufl., § 630h Rn. 116), Gothe/Koppermann (MedR 2014, 90, 91 ff.) und Gutmann (Staudinger/Gutmann [2021] BGB § 630h Rn. 155) aus. Von einer Umkehr der Beweislast zumindest für den Anspruch nach § 426 Abs. 2 BGB geht Greiner aus (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 8. Aufl. Rn. 256). Offen gelassen wird die Frage von Pauge und Offenloch (Pauge/Offenloch, Arzthaftungsrecht, 14. Aufl., Rn. 611), während sie von Hausch (VersR 2005, 600, 605; ders.: Der grobe Behandlungsfehler in der gerichtlichen Praxis, 2007, S. 209 ff.), Glanzmann (Bergmann/Pauge/Steinmeier, Gesamtes Medizinrecht, 3. Aufl., § 630h BGB Rn. 47) und Kern (Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts, 5. Aufl., § 109 Rn. 6) mit unterschiedlichen Begründungen abgelehnt wird.
    
b) 
Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an, die die Anwendung der Grundsätze der Umkehr der Beweislast bei grobem Behandlungsfehler befürwortet, jedenfalls für den Gesamtschuldnerinnenausgleich zwischen mehreren Behandlern und Klinikträgern eines Patienten.
    
aa) 
Zur Begründung kann allerdings nicht darauf abgestellt werden, dass ein Gleichklang mit dem übergegangenen Anspruch aus § 426 Abs. 2 BGB herzustellen wäre, bei dessen gesetzlichem Übergang als Schadensersatzanspruch des Geschädigten auch die für diesen geltenden Beweislastregeln im Innenverhältnis der Gesamtschuldner zur Anwendung zu bringen wären (so wohl Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 8. Aufl., Rn. 256; dies andeutend MünchKomm-BGB/Wagner, 8. Aufl., § 630h Rn. 116; so noch MünchKomm-BGB/Bydlinski, 6. Aufl., 2012, § 426 Rn. 39; anders dann ab der 7. Aufl. 2016, § 426 Rn. 39 Fn. 221; vgl. 9. Aufl. 2022, § 426 Rn. 43 Fn. 225; Glanzmann in Bergmann/Pauge/Steinmeier, Gesamtes Medizinrecht, 3. Aufl., § 630h Rn. 46). Nach dem Wortlaut des § 426 Abs. 2 BGB unterliegt der Anspruchsübergang nämlich der weiteren Voraussetzung, dass der gesamtschuldnerisch haftende Schädiger "von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann". Die Forderung des Gläubigers geht nur auf den Gesamtschuldner über, soweit er mehr gezahlt hat, als er aufgrund seiner Beziehungen zu seinen Mitschuldnern zu zahlen verpflichtet wäre. Ohne Ausgleichsforderung aus dem Innenverhältnis findet dieser Übergang nicht statt (vgl. nur Reinicke/Tiedtke, Gesamtschuld und Schuldsicherung, 2. Aufl., S. 82 f. unter Hinweis auf Reichel, Die Schuldmitübernahme, 1909, S. 567). Für die Frage, ob und in welchem Umfang ein Anspruch gegen die übrigen Gesamtschuldner besteht, hilft die Beweislastverteilung bezüglich des übergegangenen Anspruchs dem leistenden und Ausgleich suchenden Gesamtschuldner also nicht weiter (vgl. Staudinger/Looschelders [2022] BGB, § 426 Rn. 136; so auch Gothe/Koppermann, MedR 2014, 90, 92; Meier, Gesamtschulden, 2010, S. 433: "Kann der Regressberechtigte seinen eigenen Rückgriffsanspruch aus dem Innenverhältnis oder § 426 Abs. 1 BGB nicht beweisen, hilft ihm auch § 426 Abs. 2 BGB nicht.", vgl. auch Reichel aaO S. 570).
    
bb) 
Für die Heranziehung der Beweislastumkehr bei groben Behandlungsfehlern auch bei der Bestimmung der Verursachungsbeiträge beim Innenausgleich sprechen jedoch andere Erwägungen.
    
Die Annahme einer Beweislastumkehr nach einem groben Behandlungsfehler im Prozess des Patienten gegen den Arzt oder Klinikträger ist keine Sanktion für ein besonders schweres Arztverschulden. Sie hat ihren Grund vielmehr darin, dass das Spektrum der für den Misserfolg der ärztlichen Behandlung in Betracht kommenden Ursachen gerade wegen des Gewichts des Behandlungsfehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung in besonderem Maße verbreitert und die Aufklärung des Behandlungsgeschehens deshalb in besonderer Weise erschwert worden ist, so dass der Arzt dem Patienten den Kausalitätsbeweis nach Treu und Glauben nicht zumuten kann (vgl. Senatsurteile vom 27. März 2007 - VI ZR 55/05, BGHZ 172, 1 Rn. 25; vom 20. September 2011 - VI ZR 55/09, VersR 2011, 1569, juris Rn. 12; vom 19. Juni 2012 - VI ZR 77/11, VersR 2012, 1176 Rn. 13; vom 8. Februar 2022 - VI ZR 409/19, NJW 2022, 1443 Rn. 16; Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2020 - VI ZR 348/20, MedR 2021, 647 Rn. 16).
    
Die Anwendung dieser Beweislastregel ist nicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen des Patienten gegen den Arzt oder Klinikträger beschränkt (vgl. Senatsurteil vom 10. Mai 2016 - VI ZR 247/15, BGHZ 210, 197 Rn. 15 zum Tierarzt; vgl. Senatsurteile vom 13. März 1962 - VI ZR 142/61, NJW 1962, 959 f.; vom 10. November 1970 - VI ZR 83/69, NJW 1971, 241, 243; BGH, Urteile vom 11. Mai 2017 - III ZR 92/16, BGHZ 215, 44 Rn. 24; vom 23. November 2017 - III ZR 60/16, BGHZ 217, 50 Rn. 24 zur groben Verletzung sonstiger Berufs- oder Organisationspflichten). Eine der des geschädigten Patienten vergleichbare Interessenlage liegt auch bei einem Mitbehandler oder dem Patienten verpflichteten Klinikträger vor. Da der Ausgleich suchende gesamtschuldnerisch mithaftende Schädiger im Ausgleichsprozess den Nachweis führen muss, dass das Fehlverhalten des weiteren Schädigers für die Schädigung des Patienten kausal war, befindet er sich in einer dem Patienten vergleichbaren schwierigen Beweislage (vgl. auch Gothe/Koppermann, MedR 2014, 90), die auch daher rührt, dass sich die Tätigkeiten beider Behandler auf den menschlichen Organismus mit seiner Eigengesetzlichkeit und weitgehenden Undurchschaubarkeit beziehen. Auch wenn die Umkehr der Beweislast u.a. damit begründet wird, dass der Behandelnde "näher dran" ist als der Patient und deshalb das Beweisrisiko zu tragen hat, weil der Patient im Regelfall kaum etwas zur Klärung des Sachverhalts beitragen könnte (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten, BT-Drucks. 17/10488 S. 30), zeigt doch der Streitfall, dass sich diese schlechte Beweissituation regelmäßig auch für den Mitbehandler ergeben kann. Soweit darauf abgestellt wird, dass infolge des groben Behandlungsfehlers das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen mit der Folge besonders vergrößert oder verschoben worden ist, dass die Aufklärung des Behandlungsgeschehens in besonderer Weise erschwert wird, tritt diese Erschwernis im Regelfall auch für den Mitbehandler oder Klinikträger ein. Beispielhaft seien Behandler in der Klinik und Nachbehandler in der niedergelassenen Praxis oder Behandler in der Klinik und Konsiliararzt erwähnt.
    
Ferner würde es zu widersprechenden und häufig auch unbillig erscheinenden Entscheidungen führen, einem Mitbehandler die Umkehr der Beweislast zu versagen, obwohl sie im Prozess des Patienten gegen ihn Anwendung finden muss. So würde bei mehreren Mitbehandlern, deren Haftung wegen grober Behandlungsfehler lediglich aufgrund der Beweislastumkehr für die Kausalität begründet werden konnte, neben einem Mitbehandler, dessen Haftung wegen eines einfachen Behandlungsfehlers ohne Beweislastumkehr bewiesen werden konnte, im Innenverhältnis im Ergebnis regelmäßig nur der Mitbehandler haften, für den die Kausalität seines Behandlungsfehlers ohne Umkehr der Beweislast festgestellt werden konnte (vgl. dazu MünchKommBGB/Wagner, 8. Aufl., § 630h Rn. 116).
    
Bei Anwendung dieses Beweislastregimes zwischen Mitbehandlern, für die im einzelnen Haftungsprozess des Patienten gegen sie auch dieses Beweislastregime zum Tragen käme, erweist sich auch das Argument, der Arzt würde gegenüber anderen Schädigern bei Heranziehung dieser Beweiserleichterung schlechter gestellt (vgl. Hausch, VersR 2005, 600, 605 f.; Kern in Laufs/Kern/Rehborn, Handbuch des Arztrechts, 5. Aufl., § 109 Rn. 6), nicht als durchgreifend.
    
Darüber hinaus spricht für eine Anwendung der Beweislastumkehr im Gesamtschuldnerausgleich der Mitbehandler das grundsätzlich erstrebenswerte Ziel der Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen in dem Prozess zwischen dem Patienten und dem Arzt und dem Prozess zwischen den Behandlern (vgl. dazu auch Hausch, VersR 2005, 600, 606).
    
cc) 
Dem in der Senatsentscheidung vom 6. Oktober 2009 (VI ZR 24/09, NJW-RR 2010, 831 Rn. 14) aufgezeigten Gesichtspunkt der gleichmäßigen Beweislastrisikoverteilung hinsichtlich der Mitverursachung von Unklarheiten in der Ursachenaufklärung wegen der damit verbundenen Erschwerung der Aufklärung des Behandlungsgeschehens wird im Ergebnis besser Rechnung getragen, wenn unter Anwendung der gleichen Beweislastgrundsätze für alle Mitbehandler die jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge im Rahmen der Prüfung des § 254 BGB (in entsprechender Anwendung) bewertet werden. Soweit, wie die Revision meint, der vorgenannten Entscheidung vom 6. Oktober 2009 der Rechtssatz zu entnehmen sein sollte, dass ein eigener grober Behandlungsfehler eines Mitschädigers dessen Berufung auf die Beweislastumkehr im Gesamtschuldnerinnenausgleich gegenüber dem Mitschädiger, dem auch ein grober Behandlungsfehler vorzuwerfen ist, ausschließt, wird daran nicht festgehalten.
    
Auf die Frage, ob sich tatsächlich durch einen groben Behandlungsfehler das Spektrum der für die Schädigung in Betracht kommenden Ursachen verbreitert oder verschoben hat, kommt es auch im Rahmen des Gesamtschuldnerinnenausgleichs nicht an, hierbei handelt es nicht um eine Voraussetzung der Beweislastumkehr, sondern um deren inneren Grund (vgl. Senatsurteil vom 27. März 2007 - VI ZR 55/05, NJW 2007, 2767 Rn. 25; zuletzt Senatsurteil vom 8. Februar 2022 - VI ZR 409/19, NJW 2022, 1443 Rn. 16).
    
II. 
Anschlussrevision der Klägerin und des Drittwiderbeklagten
    
Die Anschlussrevision ist zulässig, aber nicht begründet. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung der Verursachungsbeiträge hält den Angriffen der Anschlussrevision in Bezug auf den Drittwiderbeklagten in dem Sinne stand, dass eine Haftungsquote zu seinen Lasten von 80 % rechtsfehlerfrei angenommen worden ist. Die Abwägung der Verursachungsbeiträge ist - wie bereits ausgeführt - grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann lediglich prüfen, ob sämtliche in Betracht kommenden Umstände berücksichtigt und keine rechtsirrtümlichen Erwägungen angestellt worden sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 16. Oktober 2014 - VII ZR 152/12, NJW 2014, 3645 Rn. 28; vom 8. Dezember 2011 - VII ZR 198/10, BauR 2012, 494 Rn. 16; vom 24. Februar 2005 - VII ZR 328/03, BauR 2005, 1016, 1018). Solche Fehler sind hier nicht festzustellen.
    
1. 
Soweit die Anschlussrevision geltend macht, das Berufungsgericht hätte nicht zu dem Ergebnis kommen dürfen, dass es ohne die Anordnung der Weheninfusion seitens des Drittwiderbeklagten nicht zu einem pathologischen CTG gekommen wäre, weil sich im CTG bereits um 5.18 Uhr Herztonabfälle gezeigt hätten und bereits um 5.42 Uhr eine Bradykardie aufgetreten sei, übersieht sie, dass sich das Berufungsgericht gemäß § 411a ZPO auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. K. im Vorprozess stützen konnte, wonach die Wehenmittelgabe bei bereits pathologischem CTG nicht indiziert und fehlerhaft und hauptverantwortlich für die folgende CTG-Pathologie gewesen sei. Dies entspricht der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Würdigung des Landgerichts, die sich ausdrücklich auf die Ausführungen der Sachverständigen Prof. K. und Prof. H. stützt. Abgesehen davon hat das Berufungsgericht mit dem Landgericht die Anordnung der Weheninfusion und die anschließende Nichterreichbarkeit zusammen als groben Behandlungsfehler bewertet, für dessen Kausalität die Beweislastumkehr zu berücksichtigen ist.
    
2. 
Ohne Erfolg rügt die Anschlussrevision, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin und des Drittwiderbeklagten übergangen habe, wonach der Schaden der S. in erster Linie durch das Unterlassen der Maßnahmen seitens der beklagten Hebamme verursacht worden sei, denn diese Behauptung ist dem als Beleg angeführten Vortrag in den Tatsacheninstanzen schon nicht zu entnehmen. Dort war lediglich ausgeführt worden, die Hebamme sei für ihren Fehler auch im Innenverhältnis verantwortlich, ihre Pflichtverletzung trete nicht zurück, sondern begründe eine Mitverantwortlichkeit, die in der Verteilungsquote zwischen den Gesamtschuldnern zum Ausdruck kommen müsse. Letzteres ist eine rechtliche Würdigung, die nicht einem Sachverständigen obliegt.
    
3. 
Auch dass das Berufungsgericht für die Frage der Gewichtung der Verursachungsbeiträge bei der Abwägung entsprechend § 254 BGB keinen medizinischen Sachverständigen hinzugezogen hat, erweist sich im konkreten Streitfall entgegen der Auffassung der Anschlussrevision nicht als rechtsfehlerhaft. Grundsätzlich kann zwar die Befassung eines Sachverständigen für die Bemessung der Verursachungsanteile geboten sein, wenn sich der Zusammenhang zwischen den jeweiligen Tatbeiträgen der Gesamtschuldner und dem Gesamtschaden in tatsächlicher Hinsicht bei sachverständiger Befassung mit wissenschaftlichen Hilfsmitteln oder Erfahrungswissen des Sachverständigen bestimmen und beschreiben lässt. An diesen Voraussetzungen fehlt es jedoch in der Konstellation des Streitfalls, in der sich die Kausalität der Behandlungsfehler überwiegend nur deshalb rechtlich begründen lässt, weil es sich um grobe Behandlungsfehler handelt, die zu einer Beweislastumkehr führten, und dem so beweisbelasteten Behandler der Beweis des Gegenteils nicht gelungen ist. Die Annahme einer Beweislastumkehr bei grobem Behandlungsfehler hat ihren Grund gerade darin, dass dieser das Spektrum der für den Misserfolg der ärztlichen Behandlung in Betracht kommenden Ursachen wegen des Gewichts des Behandlungsfehlers und seiner Bedeutung für die Behandlung in besonderem Maße verbreitert und die Aufklärung des Behandlungsgeschehens deshalb in besonderer Weise erschwert worden ist, so dass der Arzt dem Patienten den Kausalitätsbeweis nach Treu und Glauben nicht zumuten kann (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 8. Februar 2022 - VI ZR 409/19, juris Rn. 16 mwN). Beruht die Feststellung der Kausalität auch nur eines Teils der Behandlungsfehler aber nur auf der Annahme einer Beweislastumkehr, wird regelmäßig die wissenschaftlich begründete Bewertung des Verursachungsbeitrags hinsichtlich seines Anteils an der Schadensverursachung spekulativ bleiben müssen.
    
Das Landgericht, auf dessen Urteil das Berufungsgericht Bezug nimmt, hat auf der Grundlage des geburtshilflichen und des neonatologischen Gutachtens zur Kausalität ausgeführt, dass kein Zweifel bestehe, dass die Schädigung des Kindes durch das Geburtsereignis verursacht worden sei. Als hauptverantwortlich für die folgende CTG-Pathologie und die Schwere der Sauerstoffunterversorgung sei die Wehenmittelgabe ohne ersichtlichen Grund anzusehen, ohne dass, wie der Sachverständige Prof. K. darlegte, eine zuverlässige Angabe zum Zeitpunkt der Hirnschädigung getroffen werden könne. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Haupthirnschädigung hauptsächlich erst während der nachgeburtlichen Betreuung aufgetreten sei. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. H. wäre der Schaden sehr wahrscheinlich geringer ausgefallen, wenn durch rechtzeitiges Hinzuziehen eines neonatologisch versierten Kinderarztes die Hypoglykämie verhindert worden wäre. Dies verdeutlicht, dass eine medizinische Bemessung der Verursachungsbeiträge hier spekulativ bleiben müsste. Das Berufungsgericht hat danach rechtsfehlerfrei die Verursachungsbeiträge unter Berücksichtigung der Art und Anzahl der Behandlungsfehler sowie der Veranlassung der Reihung von Behandlungsfehlern durch den Drittwiderbeklagten, der die Beklagte zu 2 nach Übernahme der Geburtsleitung erst in die prekäre Situation gebracht hat, seine Fehler korrigieren zu müssen, bemessen.
 

 


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