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Abtretung von zahnärztlichen Honorarforderungen

 | Gericht:  Amtsgericht (AG) Mannheim  | Aktenzeichen: 10 C 102/11 | Entscheidung:  Urteil
Kategorie Praxisführung , Ausübung des zahnärztlichen Berufs , Gebühren

Urteilstext

 

Tenor

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin fordert von der Beklagten die Zahlung zahnärztlicher Behandlungskosten.

 

Die Beklagte war in der Zeit vom 14.08.2007 bis 13.09.2007 in Behandlung bei Dr. V. in M.. Am 13.08.2007 unterzeichnete die Beklagte eine vorformulierte Abtretungserklärung zu Gunsten der Klägerin (Anlage K 4, ABl. 10). Auf Grundlage einer zwischen den Parteien geschlossenen Vergütungsvereinbarung (Anlage K 1, ABl. 5) rechnete der Zahnarzt über die bis zum Abbruch der Behandlung durch die Beklagte erbrachten Leistungen samt Laborarbeiten am 12.10.2007 ab (Anlage K 2, ABl. 6-8; Anlage K 3, ABl. 9).

 

Die Klägerin ist der Ansicht, die von der Beklagten unterzeichnete, von ihr angenommene Abtretungserklärung hinsichtlich des mit Dr. V. (ABl. 108, 109) abgeschlossenen Behandlungsvertrages sei wirksam (ABl. 46, 47, 109, 110). Die Behandlung sei ordnungsgemäß abgerechnet (ABl. 111-113) und auch entsprechend den anerkannten Regeln der modernen Zahnheilkunde durchgeführt worden (ABl. 114, 115). Außerdem habe der Zedent keine Gelegenheit zur Nachbearbeitung erhalten.

 

Die Klägerin beantragt:

 

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.454,66 € nebst 9,75 % Zinsen seit dem 11.07.2008 sowie 10,-- Euro vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt:

 

Die Klage wird abgewiesen.

 

Die Beklagte trägt vor, Vertragspartner sei der behandelnde Zahnarzt Dr. K. Gewesen (ABl. 65, 66, 129, 130-132). Außerdem sei die klägerische Forderung verjährt. Die Klägerin sei außerdem nicht aktiv legitimiert, die Abtretung sei unwirksam (ABl. 66-72, 133-136). Die Rechnung enthalte Leistungen, die nicht erbracht worden seien (ABl. 19, 20, 60, 85, 86). Welche funktionsdiagnostischen Maßnahme durchgeführt worden seien, sei für sie nicht überprüfbar (ABl. 20). Außerdem sei die Behandlung (Anlage B 3, ABl. 24-26) nicht lege artis ausgeführt worden, es seien HWS-Beschwerden entstanden sowie eine schmerzhafte Bissabsenkung (ABl. 20, 60, 61, 86, 87; Anlage B 4, Bl. 27, 28, Anlage B 5, ABl. 30-33), ohne dass der behandelnde Arzt zu einer Korrektur der Arbeiten bereit gewesen sei (ABl. 88, 152). Die Mängel seien so gravierend, dass die Arbeit unbrauchbar und wertlos sei (ABl. 87). Außerdem seien die abgerechneten Gebührensätze nicht gerechtfertigt (ABl. 75--82, 137-140), weshalb der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zustehe (ABl. 140). Außerdem sei bereits die Honorarvereinbarung unwirksam (ABl. 83-85, 141, 142).

 

Die Akte des Amtsgerichts Mannheim, Az. 11 C 219/08 lag vor und war Gegenstand der Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

 

Die Klägerin ist nicht aktiv gem. §§ 611, 398 BGB legitimiert. Die vorliegende Abtretungserklärung ist sowohl in ihrem verpflichtendem als auch in ihrem verfügenden Teil gemäß § 134 BGB unwirksam, da der Arzt mit der Abtretung gegen das Gebot der ärztlichen Verschwiegenheit gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB verstoßen hat, weil die Beklagte ihn nicht wirksam von seiner Verschwiegenheitspflicht befreit hat (vergleiche hierzu OLGR Karlsruhe 1999, 85).

 

Ein wirksames Einverständnis i.S.v. § 203 Absatz I Nr. 1 StGB setzt nach BGH NJW 1992, 2348 voraus, dass der Einwilligende eine im wesentlichen zutreffende Vorstellung davon hat, worin er einwilligt und Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung zu überblicken vermag. Er muss deshalb wissen, aus welchem Anlass und mit welcher Zielsetzung er welche Personen von ihrer Schweigepflicht entbindet. Auch muss er über Art und Umfang der Einschaltung Dritter unterrichtet sein (OLG Frankfurt, NJW 1988, 2488). Für den Patienten macht es in der Regel einen Unterschied aus, ob externe und durch den Arzt nicht kontrollierbare Dritte eingeschaltet werden. Es muss für ihn eindeutig und zweifelsfrei zu entnehmen sein, daß dem Zessionar zu diesem Zweck sämtliche zur Erstellung der Abrechnung erforderlichen Behandlungsdaten vom behandelnden Arzt zu überlassen sind, also den Umfang der Datenübermittlung, zu der sich der behandelnde Arzt aufgrund des mit der Kl. geschlossenen Vertrages verpflichtete. Zu einer im wesentlichen zutreffende Vorstellung von der Tragweite der Einwilligung hätte nach der oben zitierten Entscheidung des BGH schließlich gehört, dass der Bekl. die nach dem Abrechnungs- und Vorfinanzierungssystem vorgesehene Weitergabe von Patientendaten durch die Kl. an Finanzierungsinstitute, erkennbar gewesen wäre.

 

Der Klägerin ist zwar dahin Recht zu geben, als die unter "Einwilligung zur Abtretung" im ersten Absatz enthaltene Erklärung bezüglich der Klägerin diesen Ansprüchen genügt. Dem entspricht auch die auf der rechten Spalte unter "Einwilligung nach Datenschutzgesetz" vorgesehene weitere Einverständniserklärung. Die dort enthaltenen Informationen über die mit der Abtretung verbundenen Folgen, insbesondere der Zugriff der Klägerin auf die Patientendaten, sind umfassend und detailliert. Auch wird im zweiten der "Einwilligung zur Abtretung" die refinanzierende Bank benannt und ein Einverständnis mit einer Weiterabtretung durch die Klägerin an diese erklärt.

 

Den oben dargelegten Anforderungen genügt dann allerdings nicht mehr die in der linken Spalte unter dem zweiten Absatz enthaltene Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht samt Zustimmung zu der Forderungsabtretung. Erstere beinhaltet dem Wortlaut und auch inhaltlich nach ausdrücklich nur eine Entbindung im Umfang des im vorhergehenden Absatz erklärten Einverständnisses hinsichtlich der Weitergabe der Patientendaten an die Klägerin.

 

Was die weitere Abtretung an das refinanzierende Institut angeht, fehlt es aber nicht nur an einer entsprechenden ausdrücklichen Entbindungserklärung. Im Zusammenhang der im Übrigen äußerst detaillierten Erklärungen und Informationen zu dem Umfang der Offenlegung seiner Daten gegenüber Dritten, ergibt sich für den Patienten gerade nicht, dass die sensiblen Patientendaten und Unterlagen zum Zwecke der Forderungsbeitreibung auch an die Bank weitergegeben werden können. Im Gegenteil: Angesichts der ansonsten umfassenden und detaillierten Erklärungen, was die Weitergabe in welchem Umfang an Dritte angeht, wird für den nicht rechtskundigen Bürger entgegen § 402 BGB der Anschein erweckt, dass lediglich die Klägerin in den Besitz seiner sensiblen, patientenbezogenen Daten kommen könne. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die nach dem Datenschutzgesetz erteilte Einwilligung sich ausdrücklich auch nur auf die Weitergabe der Behandlungsdaten an den Zahnarzt und die Klägerin beschränkt. Von einer mit der Weiterabtretung verbundenen Offenlegung dieser Daten und Unterlagen ist auch hier gerade nicht die Rede. Im Gegenteil: Mit der Regelung unter Abs. 3 der "Einwilligung zur Abtretung" wird bei dem Patienten wieder die falsche Vorstellung geweckt, dass nach Abtretung der Honorarforderung ihm gegenüber lediglich die Klägerin als Forderungsinhaber auftreten und (nur) diese sich hierbei auf die "aus der Behandlung und Krankengeschichte ergebenden" Patientendaten stützen kann. Dass dieses in gleichem Umfang bei der Weiterabtretung an das refinanzierende Institut die Folge ist, wird sowohl bei einer Betrachtung der einzelnen Textabschnitte wie aufgrund deren funktionellen Zusammenhangs dem durchschnittlichem Patienten nicht hinreichend deutlich. Im Gegenteil: Es wird diesem in der Gesamtschau suggeriert, der Eingriff in seine Privatsphäre beschränke sich auf die Weitergabe der Daten an die Klägerin.

 

Dabei ist aber gerade der Vertrauensschutz hinsichtlich der sensiblen Patientendaten von überragender Bedeutung. Es ist zu berücksichtigen, dass bereits die Weitergabe der Daten an die Klägerin einen massiven Eingriff in das Grundrecht der Beklagten auf informationelle Selbstbestimmung bedeutet. Dies gilt umso mehr, als es sich bei der Klägerin um eine Institution mit zahlreichen Angestellten handelt. Jeder Mitarbeiter, der mit der Bearbeitung der Abrechnungsangelegenheit zu tun hat, hat demnach auch – zumindest potentiell – Zugriff auf die Patientendaten der Beklagten, damit auch auf Einzelheiten aus der Vorgeschichte und der Behandlung, was einem Patienten grundsätzlich nicht zumutbar ist (vgl. hierzu BGH a.a.O.) Bei der Abtretung an eine refinanzierende Bank erweitert sich dieser Personenkreis erheblich, wobei im übrigen auch Bedenken bestehen, ob bei einer Handelsgeschäfte finanzierenden Bank auch die hinreichende Sensibilität sicher gewährleistet ist zum Schutz der Patientendaten.

 

Dazu kommt, dass mit der Weitergabe dieser Daten auch von vornherein die Möglichkeit eines missbräuchlichen Zugriffs Dritter gesteigert ist. Die Patienten- und Rechnungsdaten werden EDV-mäßig erfasst und verwaltet. Damit besteht dann aber auch die Gefahr eines unbefugten Zugriffs Dritter. Gerade in den letzten Jahren sind - aufgrund laufender Berichterstattung in Presse und Fernsehen allgemein bekannt - nicht nur immer wieder gravierende Pannen und Lecks bei der Datenverwaltung zu verzeichnen, sondern – häufig auch erfolgreiche – Angriffe von Hackern auf sensible Daten mit Erfolg durchgeführt oder versucht worden. Gerade Banken sind dabei immer wieder Objekt derartige Angriffe, wie die in den letzten Monaten zu verzeichnenden Diebstähle von Konto- und Kreditkartendaten belegen. Dieses Risiko wird bei einer Weitergabe der Patientendaten über den "medizinischen" Bereich hinaus an eine refinanzierende Bank evident gesteigert.

 

Die vorliegende Abtretungserklärung ist damit unwirksam, da sie der Beklagten nicht hinreichend deutlich Umfang und Folgen der von ihr abgegebenen Erklärung verdeutlicht, im Gegensatz die damit verbundenen Konsequenzen verharmlost.

 

Auf den Umstand, dass die Klägerin tatsächlich die Forderung nicht an das refinanzierende Institut weiter abgetreten hat, kommt es entscheidungserheblich nicht an (so auch OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Zweibrücken Beschluss vom 29.11.2006, Az. 5 U 10/07; LG Frankenthal Urteil vom 29.11.2006, Az. 4 O 298/05; AG Viersen, Urteil vom 06.02.2007, Az. 32 C 102/04, „juris“). Die Erklärungen hinsichtlich der Abtretung und der Einwilligung stehen in einem rechtlich und inhaltlich untrennbaren Zusammenhang, weshalb die Verstöße gegen §§ 4, 4a BDSG, 134 BGB i.V.m. § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB zur Unwirksamkeit der in der Urkunde enthaltenen Erklärungen insgesamt führt.

 

Die Klage ist daher als unbegründet abzuweisen mit der Folge der §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 108 ZPO.


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