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Ausgabe 10/ 2019

LANDESZAHNÄRZTEKAMMER

 

PZR - Ohne Effekt und Abzocke?

Eine internationale Forschergruppe der Cochrane Oral Health Kollaboration hat den Effekt einer PZR auf die parodontale Gesundheit sowie die Auswirkungen unterschiedlicher Recall-Intervalle untersucht. "Parodontitis: Studie stellt Wirksamkeit von PZR infrage" titelte sogleich ein deutsches zahnmedizinisches Online-Fachjournal. Und die Medien witterten daraufhin eine Kontroverse innerhalb der Zahnärzteschaft zum Thema PZR. LZK-Präsident Dr. Torsten Tomppert „lässt auf die PZR nichts kommen. Sie wirkt nachweislich sowohl karies- als auch parodontalprophylaktisch und gleicht Defizite in der häuslichen Mundpflege individuell aus“.

 

Die Stuttgarter Nachrichten bearbeiten das Thema unter der Titel-Überschrift „Verdacht auf Abzocke bei professioneller Zahnreinigung“ in ihrer Ausgabe am 6. Mai 2019. Willi Reiners nimmt die Aussage von Prof. Dr. Peter Eickholz als Anlass für die angebliche Kontroverse innerhalb der Zahnärzteschaft zum Thema PZR: Der Chef der Poliklinik für Parodontologie an der Universität Frankfurt und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Paradontologie sagte gegenüber den Stuttgarter Nachrichten: "Bei parodontal gesunden Menschen ist die PZR nicht unbedingt notwendig". "Entfernt ein Patient den überwiegenden Anteil der kontinuierlich neu auf den Zahnen entstehenden bakteriellen Beläge regelmäßig zweimal am Tag durch Zähneputzen, ist das Risiko für Karies und Parodontitis sehr niedrig“, wird Prof. Eickholz in den Stuttgarter Nachrichten weiter zitiert.

 

LZK-Präsident Dr. Torsten Tomppert wurde von Willi Reiners im Rahmen seiner Recherche für das Thema ebenfalls um ein Statement gebeten. In seiner Positionierung verweist der LZK-Präsident auf die enormen Präventionserfolge bei Kindern und Jugendlichen bis 12 Jahren in Baden-Württemberg, die in der DMS IV-Studie dokumentiert seien. Dr. Tomppert unterstreicht zudem, dass sich Mundgesundheit und Allgemeingesundheit auf komplexe Weise gegenseitig beeinflussen. "Somit ist die zahnmedizinische Versorgung ein wesentlicher Bestandteil der medizinischen Grundversorgung eines Menschen. Das heißt auch, dass gesunde Mundverhältnisse die beste Voraussetzung für einen gesunden Körper sind und eine PZR nachgewiesener Maßen einen guten Präventivbeitrag leisten kann."

 

Die Bundeszahnärztekammer positioniert sich in den zm mit einer Kurzbewertung zum Abstract des Cochrane Review:

 

Die Bundeszahnärztekammer stellt fest:

1. Die in Fachmedien publizierte Interpretation "Parodontitis: Studie stellt Wirksamkeit von PZR infrage" gibt die Aussagen des Original-Abstracts nicht korrekt wider.

1.1. Denn die im Abstract beschriebene PZR-Definition entspricht nicht dem Umfang einer PZR, die in deutschen Zahnarztpraxen angeboten wird.

["Eine routinemäßige Zahnsteinentfernung und Zahnpolitur ist definiert als das Zahnsteinentfernen oder Polieren oder beides der Kronen- und Wurzeloberflächen von Zähnen, um lokale Reizfaktoren (Plaque, Zahnstein, Ablagerungen und Verfärbungen) zu entfernen, die keine parodontale Therapie erfordern."]

Eine PZR besteht im Wesentlichen aus den Hauptschritten: Zähne professionell reinigen, Polieren und Fluoridieren. Aber auch eine Beratung, Unterweisung, Instruktion und Remotivation des Patienten zur häuslichen Mundhygiene, gehören in Deutschland grundsätzlich zu einer PZR. In einem ersten Schritt werden in der Zahnarztpraxis alle klinisch sichtbarenbaren, weichen und harten Zahnbeläge entfernt. Auch schwer zugängliche Stellen zwischen den Zähnen oder etwas unterhalb des Zahnfleischrands werden gereinigt. Zum Entfernen von Verfärbungen (Tee, Kaffee, Nikotin) kommen zusätzlich Wasser-Pulvergemische zum Einsatz. Nach der professionellen Reinigung werden die Zähne poliert. Das Polieren glättet die Zahnoberfläche, wodurch Bakterien weniger gut anhaften. Zum Abschluss werden die Zähne normalerweise noch mit einem fluoridhaltigen Gel oder Lack touchiert, um den Zahnschmelz zu härten. Bei der begleitenden Schulung zur häuslichen Mundhygiene werden mit dem Patienten Themen wie die Verwendung der richtigen Zahnbürste und der Putztechnik sowie die Verwendung von Zahnseide oder Zahnzwischenraumbürstchen besprochen. Gerade die Steigerung der Mundgesundheitskompetenz ist ein wesentlicher Aspekt für eine erfolgreiche zahnmedizinische Prävention. Schulungsprogramme zur Verbesserung der Mundgesundheitskompetenz sind in der wissenschaftlichen Literatur gut auf ihre Wirksamkeit untersucht (u.a. ITOHEP im IQWiG-Abschlussbericht N15-01: Systematische Behandlung von Parodontopathien, 05.03.2018 und Wölber J., Frick K.: Motivierende Gesprächsführung in der zahnärztlichen Therapie. Zahnmedizin up2date, 2014, 03: 247-269).

1.2. Die BZÄK unterstützt deshalb ausdrücklich die Forderung der Cochrane-Autoren in einem nächsten Schritt, Studien zur Wirksamkeit der PZR mit Patienten durchzuführen, die bereits unter Zahnfleischentzündungen leiden.

Die Bewertung der Cochrane-Autoren erfolgte an 1.711 Erwachsenen, die keinerlei Anzeichen einer Zahnfleischentzündung aufwiesen. Diese erhielten eine einfache Zahnreinigung, welche nicht dem definierten Umfang einer PZR in Deutschland entspricht. Die Auswertung zeigte dementsprechend nur geringe oder kaum Unterschiede gegenüber der Kontrollgruppe bezüglich einer Zahnfleischentzündung. Die Forscher selbst empfahlen daher, im nächsten Schritt Studien zur Wirksamkeit von PZR mit Patienten durchzuführen, die unter Zahnfleischentzündungen leiden.

2. Wissenschaftliche Studien belegen die positiven Mundgesundheitseffekte sowie die Wirkung auf die Allgemeingesundheit der PZR.

Nach Daten der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie nahm gut jeder fünfte jüngere Erwachsene (21,8 Prozent) in Deutschland eine Professionelle Zahnreinigung (PZR) innerhalb der vergangenen fünf Jahre regelmäßig in Anspruch (Erhebungszeitraum 2014). Dabei ist das persönliche Vorsorgeverhalten statistisch signifikant gekoppelt mit der eigenen Wirksamkeitserwartung dieser Maßnahmen (vgl. IDZ, Hrsg.: Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V), Institut der Deutschen Zahnärzte, Deutscher Zahnärzte-Verlag, Köln, 2016).

Gerade bei der regelmäßigen Inanspruchnahme der PZR als präventive Maßnahme zeigen sich bei den zentralen zahnmedizinischen Gesundheitskennzahlen überzeugende Ergebnisse: Erwachsene, die regelmäßig innerhalb der vergangenen 5 Jahre eine PZR erhalten haben, weisen eine niedrigere Karieserfahrung von 10,7 Zähnen auf; in der Gruppe ohne regelmäßige PZR betrug die Karieserfahrung 11,4 Zähne. Auch bei Parodontalerkrankungen stellen sich diese Unterschiede dar: Der Anteil der Zahnflächen mit erhöhten parodontalen Sondierungstiefen ≥4 mm betrug bei regelmäßiger PZR 9,3 Prozent und 14,0 Prozent, wenn diese ausblieb. Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Zahnfleischbluten (BOP 20,2 Prozent bei regelmäßiger PZR vs. BOP 29,3 Prozent ohne regelmäßige PZR).

Weitere Studien, die die Wirksamkeit der PZR belegen, sind die von Axelsson und Lindhe (beispielhaft: Axelsson P., Lindhe J.: Effect of controlled oral Hygiene procedures on caries and periodontal disease in adults. Results after 6 years. J Clinical Periodontol 1981, 8: 239-248). Axelsson arbeitete anfänglich mit Kontrollgruppen, löste diese dann aber auf, als sich nach einigen Jahren die Überlegenheit des Prophylaxekonzepts zeigte. Axelssons wegweisende Studien, die bereits vor 40 Jahren die Grundlage für eine erfolgreiche präventive Intervention im fachwissenschaftlichen Raum für die PZR gelegt haben, erfüllen allerdings nicht die starren Prinzipien der evidenzbasierten Medizin, welche heute die ausschließliche - und damit zweifelhafte - methodische Grundlage darstellen, um die Nutzenbewertung von medizinischen Interventionen zu bestimmen.

Aus Sicht der BZÄK ist in der Zahnmedizin die PZR ein zentraler - und erwiesenermaßen wirksamer - Prophylaxebaustein. Als Maßnahme zum Biofilmmanagement trägt sie zur Vermeidung und Therapie weitverbreiteter Krankheiten der Mundhöhle bei. Darüber hinaus zeigen wissenschaftliche Arbeiten immer häufiger, dass orale Erkrankungen nicht nur lokal in der Mundhöhle wirken, sondern teils erheblichen Einfluss auf schwere Allgemeinerkrankungen haben (vgl. Deschner, J., Haak, T., Jepsen, S., Kocher, T., Mehnert, H., Meyle, J., Schumm-Draeger, P.-M., Tschöpe, D.: Diabetes mellitus und Parodontitis. Der Internist 2011, S. 466-477).

 

Quelle: Stuttgarter Nachrichten, zm-online

 

 

LANDESZAHNÄRZTEKAMMER

 

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Erstellt von: Andrea Mader, 07.05.2019

Aktualisiert von: Tricept AG, 23.06.2022